Diabetes und Alzheimer: Ein komplexer Zusammenhang

Diabetes mellitus, insbesondere Typ-2-Diabetes, und die Alzheimer-Krankheit sind zwei weit verbreitete chronische Erkrankungen, die oft im späteren Lebensalter auftreten. Was viele nicht wissen: Es besteht ein Zusammenhang zwischen beiden Erkrankungen: Menschen mit Diabetes haben ein erhöhtes Demenz-Risiko. Aktuelle Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es eine bidirektionale Beziehung zwischen Diabetes und Alzheimer gibt. Dies bedeutet, dass Diabetes das Risiko für Alzheimer erhöhen kann und umgekehrt, eine beginnende Demenz sich negativ auf die Diabetesbehandlung auswirken kann. Jedes Jahr entwickeln ca. 400.000 Menschen in Deutschland eine Demenz. Die Zahl der von einer Demenz Betroffenen wird nach Prognosen kontinuierlich von heute 1,8 Millionen auf bis zu 2,7 Millionen im Jahr 2050 ansteigen.

Diabetes mellitus: Eine Übersicht

Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselstörung, bei der der Körper nicht in der Lage ist, den Blutzuckerspiegel richtig zu regulieren. Bei einem Diabetes Typ 2 ist der Zuckerstoffwechsel gestört, weil das dafür entscheidende Hormon Insulin seine Wirkung nicht richtig entfaltet. Im fortgeschrittenen Stadium stellt der Körper die Produktion von Insulin dann sogar ein, weshalb es extern zugeführt werden muss. Es gibt verschiedene Arten von Diabetes, wobei Typ-2-Diabetes die häufigste Form ist. Typ-2-Diabetes ist gekennzeichnet durch Insulinresistenz, bei der die Zellen des Körpers nicht mehr richtig auf Insulin reagieren. Dies führt zu erhöhten Blutzuckerspiegeln, die langfristig zu Schäden an verschiedenen Organen und Geweben führen können.

Alzheimer-Krankheit: Eine Übersicht

Die Alzheimer-Krankheit ist die häufigste Form der Demenz, einer fortschreitenden Erkrankung, die durch den Verlust kognitiver Funktionen wie Gedächtnis, Denken und Sprache gekennzeichnet ist. Die Alzheimer-Krankheit ist durch einen niedrigen Insulinspiegel im Blut und eine Insulinresistenz im Gehirn gekennzeichnet. Im Gehirn von Alzheimer-Patienten finden sich Ablagerungen von Beta-Amyloid-Plaques und Neurofibrillenbündeln, die die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und zu ihrem Untergang führen. Die Beeinträchtigung des zerebrovaskulären Systems, also die Schädigung der Blutgefäße im Gehirn, ist ein weiterer Faktor, der Diabetes und Demenz bestimmt und sie in Zusammenhang bringt.

Der Zusammenhang zwischen Diabetes und Alzheimer

Seit den 1990er-Jahren ist aus der Rotterdam-Study bekannt, dass Menschen mit Diabetes circa doppelt so häufig eine Demenz entwickeln wie Menschen ohne. In den letzten Jahren wurde intensiv an den Ursachen dieser Häufung geforscht, eine einzelne, einheitliche kausale Ursache findet sich jedoch nicht. Dennoch gibt es etliche Ansatzpunkte, um das individuelle Risiko für Diabetespatienten zu reduzieren. Studien haben gezeigt, dass Menschen mit Diabetes ein erhöhtes Risiko haben, an Alzheimer zu erkranken. Es gibt mehrere mögliche Mechanismen, die diesen Zusammenhang erklären könnten:

  • Insulinresistenz: Sowohl bei Diabetes als auch bei Alzheimer spielt die Insulinresistenz eine wichtige Rolle. Eine periphere Insulinresistenz scheint auch mit einer zerebralen Insulinresistenz verbunden zu sein. Insulinresistenz im Gehirn kann die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen und die Bildung von Beta-Amyloid-Plaques fördern.
  • Entzündung: Sowohl Diabetes als auch Alzheimer sind mit chronischen Entzündungen im Gehirn verbunden. Entzündungen können die Nervenzellen schädigen und zum Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit beitragen.
  • Gefäßschäden: Diabetes kann die Blutgefäße im Gehirn schädigen, was zu einer verminderten Durchblutung und Sauerstoffversorgung der Nervenzellen führt. Dies kann die Entstehung von vaskulärer Demenz begünstigen, einer Form der Demenz, die durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht wird.
  • Stoffwechselstörungen: Manche Stoffwechseleigenschaften des Diabetes schädigen das Gehirn direkt - ohne Vermittlung durch den Blutzucker: Bei Diabetes-Typ-2 wurde die Abnahme der Expression von Glukosetransportern ( GLUT-1 und GLUT-3) in verschiedenen Hirnregionen beobachtet, auch die Zunahme von Sauerstoffradikalen sowie mitochondriale Veränderungen, die im Zusammenhang mit den pathophysiologischen Veränderungen bei Demenz stehen könnten.

Ein weiterer demenzfördernder Effekt läuft über den Insulinstoffwechsel im Gehirn, wo es zu einer Art Insulinresistenz der Hirnzellen kommen kann. Es gibt Forschergruppen, die daher bei der Alzheimer-Demenz vom „Diabetes Typ 3“ sprechen.

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Antidiabetika und Demenzrisiko

Ein wichtiger Forschungsbereich ist die Untersuchung, ob Antidiabetika das Risiko für Demenz beeinflussen können. Eine Bonner Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hat gezeigt, dass bestimmte Antidiabetika, insbesondere Pioglitazon und Metformin, das Demenzrisiko bei Menschen mit Typ-2-Diabetes senken können.

Pioglitazon

Pioglitazon verbessert die Wirkung des körpereigenen Insulins. Aus Laboruntersuchungen gibt es aber seit längerem Hinweise dafür, dass es auch die Nervenzellen schützt. Die Behandlung mit Pioglitazon zeigte einen bemerkenswerten positiven Nebeneffekt. Sie konnte das Risiko einer Demenz wesentlich verringern. Am deutlichsten sank das Risiko, wenn der Wirkstoff mindestens zwei Jahre verabreicht wurde. Die so behandelten Diabetiker erkrankten weniger häufig an Demenz als Menschen ohne Diabetes. Allerdings seien die genauen Zusammenhänge noch nicht verstanden, betont Heneka: „Unsere Untersuchung deutet darauf hin, dass Pioglitazon eine vorbeugende Wirkung hat. Dieser Effekt tritt auf, wenn der Wirkstoff eingenommen wird, noch bevor sich die Symptome einer Demenz bemerkbar machen. Demnach schützt Pioglitazon insbesondere vor Alzheimer, der häufigsten Form einer Demenz-Erkrankung. Die Ursachen dafür, ob der protektive Effekt nur für Diabetiker gilt oder auch bei Nicht-Diabetikern auftreten würde - das alles sind noch offene Fragen.

Metformin

Auch Metformin - ein weiteres, ebenfalls häufig verschriebenes Antidiabetikum - senkte das Risiko für eine Demenz.

SGLT2-Inhibitoren

Entsprechend wurden bereits moderne Antidiabetika, sog. SGLT2-Inhibitoren, daraufhin getestet, ob sie auch das Demenz-Risiko von Menschen mit Diabetes senken können. Eine aktuelle koreanische Studie gibt Hoffnung, denn die medikamentöse Intervention reduzierte dort das Risiko um 21%.

Es ist wichtig zu beachten, dass weitere Forschung erforderlich ist, um die genauen Mechanismen und die langfristigen Auswirkungen dieser Medikamente auf das Demenzrisiko zu verstehen.

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Prävention und Lebensstil

Die Prävention von Diabetes und die Förderung eines gesunden Lebensstils sind wichtige Strategien zur Verringerung des Demenzrisikos. „Diabetes-Prävention ist weitgehend auch Demenz-Prävention. Die Deutsche Diabetes Stiftung hat elf Präventionsmaßnahmen zusammengetragen, die die Deutsche Hirnstiftung mitträgt. Die aufgeführten Maßnahmen entsprechen zu großen Teilen unseren Empfehlungen für den Erhalt der Gehirngesundheit bis ins hohe Alter. Was wir allerdings noch zusätzlich zur Demenz-Prävention empfehlen, sind soziale Interaktionen und Aktivitäten, die das Gehirn fördern und fordern, z. B. das Erlernen einer Fremdsprache, eines Musikinstruments oder komplexer Schrittfolgen beim Tanzen“, erklärt Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung.

Präventionsmaßnahmen

Zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen gehören:

  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten kann helfen, den Blutzuckerspiegel zu kontrollieren und das Risiko für Diabetes und Alzheimer zu senken.
  • Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität verbessert die Insulinempfindlichkeit, senkt den Blutzuckerspiegel und fördert die Durchblutung des Gehirns.
  • Gewichtsmanagement: Übergewicht und Fettleibigkeit erhöhen das Risiko für Diabetes und Alzheimer. Eine Gewichtsreduktion kann helfen, diese Risiken zu verringern.
  • Blutdruckkontrolle: Bluthochdruck ist ein Risikofaktor für sowohl Diabetes als auch Alzheimer. Eine gute Blutdruckkontrolle kann helfen, das Risiko für beide Erkrankungen zu senken.
  • Soziale Interaktion und geistige Aktivität: Soziale Kontakte und geistig anregende Aktivitäten wie Lesen, Kreuzworträtsel lösen oder das Erlernen neuer Fähigkeiten können helfen, die kognitive Funktion zu erhalten und das Demenzrisiko zu senken.

Auswirkungen auf Therapie und Medikation

Prof. Yaffe filterte mit ihren Kollegen die Probanden heraus, die entweder bereits zu Beginn der Studie oder in deren Verlauf an Diabetes erkrankt waren. Die Ergebnisse dieser Studienteilnehmer zeigten, dass sie bei Gedächtnistests schlechter abgeschnitten hatten als Probanden ohne Diabetes. Zusätzlich hatten Diabetes-Patienten, die ihren Blutzuckerspiegel nur unregelmäßig kontrollierten, in den Gedächtnistests schlechtere Ergebnisse als Diabetes-Patienten mit einer guten Kontrolle ihrer Werte.

„Demenz-Patienten oder auch solche mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung sind oftmals nicht mehr in der Lage, ihre Diabetes-Erkrankung zu kontrollieren bzw. die Symptome eines zu niedrigen Blutzuckerspiegels überhaupt zu erkennen und darauf angemessen zu reagieren“, erklärt Prof. Yaffe. Der behandelnde Arzt müsse bei einer Diabetes-Therapie auch die geistige Leistungsfähigkeit des Patienten im Blick haben, erläutert Prof. Yaffe. Darüber hinaus seien auch Medikamente, die einen niedrigen Blutzuckerspiegel als Nebenwirkung haben können, möglicherweise bei älteren Menschen ungeeignet.

Individualiserte Zielwerte

Die Zielwerte der Diabetesbehandlung müssen bei Menschen mit Demenz sehr individualisiert gesetzt werden. Vermutlich sind diese Zielwerte für den Blutglukosespiegel im Hinblick auf den Gesamtnutzen deutlich höher anzusiedeln.

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