Die diabetische Neuropathie ist eine Nervenschädigung, die als Spätfolge eines Diabetes mellitus auftreten kann. Sie betrifft das periphere Nervensystem und kann verschiedene Regionen des Körpers in Mitleidenschaft ziehen. Schätzungsweise jeder dritte Diabetiker ist von dieser Erkrankung betroffen.
Was ist diabetische Neuropathie?
Mediziner fassen unter dem Begriff diabetische Neuropathie unterschiedliche Beschwerden bei Diabetes mellitus zusammen, die durch Nervenschäden entstehen. Die Erkrankung des peripheren Nervensystems infolge eines Diabetes mellitus wird durch permanent erhöhte Blutzuckerwerte verursacht, die die peripheren Nerven schädigen und deren Funktion beeinträchtigen. Zum peripheren Nervensystem gehören alle außerhalb des zentralen Nervensystems liegenden Teile der motorischen, sensiblen und autonomen Nerven.
Funktionell wird das periphere Nervensystem in zwei Systeme unterteilt:
- Somatisches Nervensystem: Steuert willentlich beeinflussbare Körpervorgänge wie die Ansteuerung der Skelettmuskeln und die sensorische Wahrnehmung von Sinnesreizen. Erkrankungen motorischer und sensorischer Nerven werden, je nach betroffenem System, als sensomotorische, motorische oder sensible Neuropathien bezeichnet.
- Autonomes bzw. vegetatives Nervensystem: Steuert lebensnotwendige, automatisch ablaufende Grundfunktionen des Körpers wie Herzschlag, Atmung, Verdauung, Schweißbildung und Blutdruckregulation. Erkrankungen autonomer Nerven werden als autonome Neuropathien bezeichnet. Das autonome Nervensystem setzt sich aus zwei Anteilen zusammen, dem Sympathikus und Parasympathikus.
Ursachen der diabetischen Neuropathie
Die Entstehung einer diabetischen Neuropathie ist komplex und multifaktoriell. Eine wichtige Ursache ist die Schädigung der Blutgefäße, die die Nerven mit Sauerstoff versorgen, durch den zu hohen Blutzuckerspiegel. Es gibt jedoch weitere Risikofaktoren, die die Entstehung einer Neuropathie begünstigen können:
- Erhöhte Blutzuckerwerte: Eine langjährige Diabeteserkrankung und hohe Blutzuckerwerte begünstigen eine Neuropathie.
- Störung des Fettstoffwechsels: Bei Diabetes Typ 2 ist auch eine Störung des Fettstoffwechsels beteiligt.
- Weitere Risikofaktoren: Bluthochdruck, Gefäßerkrankungen, diabetische Retino- oder Nephropathie, erhöhte Blutfette, Alkohol, Nikotin, Übergewicht, wenig Bewegung und eine falsche Ernährung.
- Vitaminmangel: Diabetes erhöht das Risiko für einen Mangel an Vitamin B1 und Vitamin B12, was ebenfalls zu Nervenschäden beitragen kann.
- Oxidativer Stress: Durch den erhöhten Blutzucker werden bei Diabetes vermehrt aggressive Moleküle, so genannte freie Radikale, gebildet.
Symptome der diabetischen Neuropathie
Die Symptome einer diabetischen Neuropathie können vielfältig sein und hängen davon ab, welche Nerven geschädigt sind. In frühen Krankheitsstadien bleibt die diabetische Neuropathie häufig unbemerkt und beschwerdefrei. Nach 25 Jahren Diabetesdauer besteht allerdings bei etwa 50 % der Betroffenen eine symptomatische periphere Neuropathie. Typische Symptome sind:
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- Sensomotorische Neuropathie:
- Missempfindungen, Taubheits- und Pelzigkeitsgefühle
- Kribbeln, Brennen, stechende Schmerzen
- Gestörtes oder verringertes Empfinden von Schmerzen, Kälte, Hitze und anderen äußeren Reizen
- Lähmungen
- Unsicherheit beim Gehen, häufiges Stolpern
- Restless-Legs-Syndrom
- Trockene Haut an den Füßen
- Socken- oder handschuhförmiges Ausbreitungsmuster
Typisch ist, dass die Symptome an den Zehen beginnen, sich mit der Zeit nach oben ausbreiten und bei Bewegung besser werden.
- Autonome Neuropathie:
- Blutdruck-, Puls- und Herzrhythmusstörungen
- Übelkeit, Verdauungsprobleme, Sodbrennen
- Schluckstörungen
- Blasenschwäche
- Erektionsprobleme und gestörtes sexuelles Empfinden
- Verminderte Schweißproduktion oder extremes Schwitzen, auch im Gesicht und Hals beim Essen
Etwa die Hälfte der Menschen mit einer diabetischen Neuropathie hat jedoch keine Beschwerden. Bei ihnen können trotzdem das Empfindungsvermögen und Muskelreflexe vermindert sein oder fehlen. Auch haben sie oft einen unsicheren Gang und stürzen leichter. Ebenso bleiben Fußverletzungen häufig unbemerkt, weil sie nicht schmerzen.
Diagnose der diabetischen Neuropathie
Für Menschen mit Diabetes sind regelmäßige Termine bei ihrer Ärztin oder ihrem Arzt sinnvoll. Denn Routineuntersuchungen helfen, eine diabetische Neuropathie frühzeitig zu entdecken. Die Diagnose einer diabetischen Neuropathie umfasst in der Regel folgende Schritte:
- Anamnese: Der Arzt erfragt die Krankengeschichte und prüft Sensibilität, Reflexe und Muskelkraft. Er erkundigt sich nach Beschwerden wie Schmerzen und Taubheitsgefühlen und untersucht die Hände und Füße. Er fragt auch nach Symptomen einer autonomen Neuropathie.
- Körperliche Untersuchung: Warme und trockene Füße sowie Verletzungen oder Geschwüre weisen auf eine Neuropathie hin. Bei der Untersuchung wird außerdem überprüft, ob man in der Lage ist, sehr leichte Berührungen und Vibrationen wahrzunehmen und ob die Muskelreflexe funktionieren: Ein schwacher Achillessehnenreflex weist auf eine Nervenschädigung hin. Bei Verdacht auf eine Neuropathie werden zusätzlich Schmerz- und Kälteempfinden überprüft.
- Neurologische Tests: Bei Auffälligkeiten werden weitere neurologische Tests durchgeführt, um das Ausmaß der Nervenschädigung zu beurteilen.
- Weitere Untersuchungen: Manchmal sind weiterführende Untersuchungen nötig, etwa bei untypischen Symptomen oder um andere Erkrankungen auszuschließen. Mögliche Verdachtsmomente für eine diabetische Neuropathie der vegetativen Nerven sind Auffälligkeiten bei Puls, Herzrhythmus und Blutdruck, ungeklärte Magen-Darmprobleme oder auch trockene Füße durch eine verminderte Schweißproduktion. Bei entsprechendem Verdacht kann der Arzt gezielt Untersuchungen veranlassen, um eine Beeinträchtigung der Nerven zu prüfen.
Behandlung der diabetischen Neuropathie
Eine diabetische Neuropathie ist nicht heilbar. Das Ziel der Therapie ist daher, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen, Symptome zu lindern und Komplikationen wie ein diabetisches Fußsyndrom zu verhindern.
Die Behandlung umfasst in der Regel folgende Maßnahmen:
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- Optimale Blutzuckerkontrolle: Eine gute Blutzuckereinstellung kann den Verlauf der Erkrankung bei Typ-1-Diabetes verlangsamen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist sind gute Blutzuckerwerte allein weniger gut wirksam, um die diabetische Neuropathie aufzuhalten. Hier spielen auch Blutfette, Blutdruck und Körpergewicht eine Rolle. Eine optimale und stabile Blutzuckerkontrolle ist wichtig, um eine diabetische Neuropathie möglichst lange aufzuhalten - besonders bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Bei Typ-2-Diabetes sind daher eine gesunde Ernährung und Lebensweise wichtig, um einem Fortschreiten der Erkrankung entgegenzuwirken.
- Lebensstiländerung: Regelmäßige Bewegung, eine gesunde Ernährung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und der Verzicht auf Alkohol und Nikotin sind wichtige Maßnahmen, um den Verlauf der diabetischen Neuropathie positiv zu beeinflussen. Sowohl Alkohol als auch Nikotin sind Gift für die empfindlichen Nerven.
- Medikamentöse Therapie:
- Schmerzmittel: Bei Schmerzen können Medikamente eingesetzt werden, die üblicherweise zur Behandlung von Depressionen und Epilepsie verwendet werden, zum Beispiel Pregabalin oder Duloxetin. Diese verändern auch die Schmerzwahrnehmung: Sie hemmen die Weiterleitung von Schmerzreizen an das Gehirn und helfen besser gegen die Schmerzen bei diabetischer Neuropathie. Allerdings wirken gängige Schmerzmittel wie Aspirin oder Ibuprofen nicht gut bei diabetischer Neuropathie.
- Alpha-Liponsäure: Alpha-Liponsäure, ein frei verkäufliches und gut verträgliches Medikament, zeigte in diversen Studien einen günstigen Einfluss auf die Nervenfunktion und Symptome der peripheren diabetischen Polyneuropathie.
- Benfotiamin: Ebenso wird vermutet, dass Benfotiamin, eine Vorstufe von Vitamin B1, günstige Effekte auf diese Mechanismen ausübt, die vermutlich an der Entstehung diabetischer Nervenschäden beteiligt sind.
- Weitere Behandlungsansätze:
- Elektrische Nervenstimulation (TENS): Bei schwer zu behandelnden neuropathischen Schmerzen kann auch die lokale Anwendung von Capsaicin-Pflastern ausprobiert werden.
- Physiotherapie: Bei Muskelschwäche, Bewegungsstörungen oder Lähmungen hilft regelmäßige Krankengymnastik oder Physiotherapie.
- Ergotherapie: Eine Ergotherapie kann helfen, mit körperlichen Einschränkungen zurechtzukommen.
- Psychotherapie: Manchen Betroffenen hilft eine Psychotherapie, die durch chronische Missempfindungen oder Bewegungseinschränkungen eingeschränkte Lebensqualität zu verbessern.
- Fußpflege: Menschen, die durch die Polyneuropathie ein eingeschränktes Berührungs- und Schmerzempfinden in den Füßen haben, sollten auf jeden Fall ihre Füße und Schuhe häufig auf Druck- und Scheuerstellen kontrollieren. Tägliche Fußinspektion, um Verletzungen, Geschwüre und Hautinfektionen rechtzeitig zu bemerken.
Vorbeugung der diabetischen Neuropathie
Einer diabetischen Neuropathie lässt sich vor allem durch eine gute Blutzuckereinstellung und eine gesunde Lebensweise vorbeugen.
- Typ-1-Diabetes: Bei Typ-1-Diabetes lässt sich einer diabetischen Neuropathie vor allem durch einen gut eingestellten Blutzuckerwert vorbeugen.
- Typ-2-Diabetes: Bei Typ-2-Diabetes ist eine gesunde Lebensweise die beste Maßnahme zur Vorbeugung. Dazu gehört eine gesunde Ernährung, viel Bewegung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und der Verzicht auf Alkohol und Nikotin.
Leben mit diabetischer Neuropathie
Für Patienten mit einer fortgeschrittenen Neuropathie ist wichtig zu lernen, mit den körperlichen Einschränkungen umzugehen und im Alltag selbstständig zu bleiben - zum Beispiel durch eine Ergotherapie und Physiotherapie. Alltagshilfen wie orthopädische Schuhe, Rollatoren oder Orthesen ermöglichen aber weiterhin Teilhabe. Es ist sinnvoll, die Sicherheit zu Hause zu verbessern und so die Sturzgefahr zu senken: etwa durch Haltegriffe im Bad oder durch Nachtlichter in der Wohnung. Verletzungen können auch durch zu heißes Wasser entstehen.
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