Die diabetische Neuropathie, eine häufige Komplikation des Diabetes mellitus, betrifft viele Menschen mit der Zuckerkrankheit. Fast die Hälfte aller Diabetespatienten über 60 Jahre entwickelt eine Neuropathie. Sie entsteht durch langfristig erhöhte Blutzuckerwerte, die zu Nervenschäden führen. Sowohl Menschen mit Typ-1- als auch mit Typ-2-Diabetes können betroffen sein. Die Erkrankung betrifft die Nerven des peripheren Nervensystems, also alle Nerven außerhalb des Gehirns und Rückenmarks.
Was ist diabetische Neuropathie?
Die diabetische Neuropathie ist eine der häufigsten Folgen von Diabetes. Dabei entstehen Nervenschäden durch langfristig erhöhte Blutzuckerwerte. Die diabetische Neuropathie betrifft viele, die unter der Zuckerkrankheit leiden und zählt zu den häufigsten Folgeschäden.
Formen der diabetischen Neuropathie
Da Nerven verschiedener Körperregionen geschädigt sein können, können unterschiedliche Krankheitsbilder entstehen. Man unterscheidet hauptsächlich zwischen zwei Formen:
- Sensomotorische Polyneuropathie: Hier werden Nerven geschädigt, die für Empfindungen und Berührungen zuständig sind. Dies verursacht Störungen des Berührungs-, Schmerz- und Temperaturempfindens. Typische Beschwerden sind Schmerzen, Kribbeln, Brennen oder Taubheit in den Gliedmaßen, meist zuerst in den Füßen.
- Autonome Neuropathie: Hier sind Nerven des vegetativen Nervensystems betroffen, die Organfunktionen steuern. Eine Schädigung kann sich beispielsweise auf das Herz-Kreislauf-System oder den Magen-Darm-Trakt auswirken. Symptome können Schluckstörungen, Übelkeit, Verstopfung, Durchfall, niedriger Blutdruck, schneller Herzschlag oder Herzrhythmusstörungen sein.
Neben diesen häufigen Formen gibt es auch weniger verbreitete atypische Neuropathien, bei denen bestimmte Nervenwurzeln oder einzelne Nerven geschädigt sind.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Hauptursache für Nervenschäden ist ein über lange Zeit erhöhter Blutzuckerspiegel. Eine langjährige Diabeteserkrankung und hohe Blutzuckerwerte begünstigen daher eine Neuropathie. Bei Diabetes Typ 2 ist auch eine Störung des Fettstoffwechsels beteiligt.
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Weitere Risikofaktoren sind:
- Bluthochdruck
- Gefäßerkrankungen
- Diabetische Retino- oder Nephropathie
- Erhöhte Blutfette
- Alkohol
- Nikotin
- Übergewicht
- Wenig Bewegung
- Falsche Ernährung
Symptome
Am häufigsten äußert sich eine diabetische Neuropathie als eine Empfindungsstörung in den Gliedmaßen. Meistens sind die Füße betroffen, aber auch in Händen, Unterschenkeln und Unterarmen können Symptome auftreten. Typische Beschwerden sind:
- Schmerzen (oft als brennend, stechend oder blitzartig beschrieben)
- Kribbeln
- Brennen
- Taubheit
Manche Patienten reagieren überempfindlich auf Berührungen. Schon leichte Berührungen - zum Beispiel mit der Bettdecke oder Socken - empfinden sie als unerträglich. Häufig sind die Missempfindungen nachts schlimmer als tagsüber.
Sind die Nerven der Organe geschädigt, können viele unterschiedliche Symptome entstehen, je nachdem welche Nerven und Organsysteme betroffen sind.
Diagnose
Menschen mit Diabetes sollten sich regelmäßig auf Anzeichen einer diabetischen Neuropathie untersuchen lassen. Hierfür gibt es Screeninguntersuchungen, die bei Typ-2-Diabetikern ab der Diagnose und bei Typ-1-Diabetikern spätestens fünf Jahre nach Diabetesbeginn einmal jährlich durchgeführt werden sollten.
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Bei diesen Untersuchungen erkundigt sich der Arzt nach Beschwerden und schaut sich Hände und Füße an. Er testet, ob die Patienten sehr leichte Berührungen oder Vibrationen fühlen, und überprüft die Muskelreflexe. Wenn sie diese Berührungen und Vibrationen nicht wahrnehmen oder die Muskelreflexe schwächer sind, ist das ein Hinweis auf eine beginnende diabetische Neuropathie.
Gibt es bei diesen Tests Auffälligkeiten, überprüft der Arzt außerdem das Schmerz- und Kälteempfinden. Er beurteilt den Gang und untersucht die Füße auf Verletzungen.
Der Arzt fragt auch nach Symptomen einer autonomen Neuropathie. Um andere Erkrankungen auszuschließen oder bei untypischen Symptomen sind manchmal weitere Untersuchungen notwendig, etwa eine Laboruntersuchung oder eine Echokardiografie (EKG).
Verlauf
Der Verlauf einer diabetischen Neuropathie ist unterschiedlich.
- Subklinische diabetische Neuropathie: Die Patienten haben keine Beschwerden, aber es liegen bereits Nervenschädigungen vor, die in neurologischen Tests erkennbar sind.
- Chronisch schmerzhafte Neuropathie: Schmerzen und Taubheitsgefühle sind vorhanden. Wenn nach Monaten oder Jahren schmerzleitende Nervenfasern absterben, können die Schmerzen abnehmen.
- Akute schmerzhafte Neuropathie: Symmetrische Schmerzen in den Füßen und Beinen treten auf.
- Schmerzlose Neuropathie: Keine Beschwerden oder Taubheitsgefühle und Missempfindungen sind vorhanden. Empfindungsverlust und fehlende Muskeleigenreflexe bereiten den Patienten Schwierigkeiten zu gehen. Verletzungen und Druckstellen an den Füßen werden oft nicht oder zu spät wahrgenommen.
Außerdem neigen Menschen mit diabetischer Neuropathie zu Infektion und Geschwüren an den Füßen. Auch Schäden an Knochen und Gelenken kommen vor. Das kann schlimmstenfalls dazu führen, dass der Fuß amputiert werden muss.
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Therapie der diabetischen Neuropathie
Ziel der Behandlung ist es, die Symptome zu lindern und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen. Eine gute Blutzuckereinstellung ist dabei entscheidend.
Blutzuckereinstellung und Lebensstiländerung
Eine gute Blutzuckereinstellung kann den Verlauf der Erkrankung bei Typ-1-Diabetes verlangsamen. Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist eine gute Blutzuckereinstellung allein weniger wirksam, um die diabetische Neuropathie aufzuhalten. Hier spielen auch Blutfette, Blutdruck und Körpergewicht eine Rolle. Bei Typ-2-Diabetes sind daher eine gesunde Ernährung und Lebensweise wichtig, um einem Fortschreiten der Erkrankung entgegenzuwirken. Eine ausgewogene Ernährung, regelmäßige körperliche Betätigung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht sowie der Verzicht auf Alkohol und Nikotin sind wichtige Bestandteile der Therapie.
Medikamentöse Therapie
Bei Schmerzen können Medikamente eingesetzt werden. Allerdings wirken gängige Schmerzmittel wie Aspirin oder Ibuprofen nicht gut bei diabetischer Neuropathie. Zur Schmerztherapie werden Medikamente eingesetzt, die üblicherweise zur Behandlung von Depressionen und Epilepsie verwendet werden, zum Beispiel Pregabalin oder Duloxetin. Diese verändern auch die Schmerzwahrnehmung: Sie hemmen die Weiterleitung von Schmerzreizen an das Gehirn und helfen besser gegen die Schmerzen bei diabetischer Neuropathie.
Medikamente zur Schmerzlinderung
- Antidepressiva: Trizyklische Antidepressiva wie Amitriptylin und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wie Duloxetin sind Erstlinientherapie bei der Schmerzlinderung.
- Antikonvulsiva: Kalziumkanalblocker wie Gabapentin und Pregabalin sind ebenfalls Erstlinientherapie bei neuropathischen Schmerzen. Alternativ werden Natriumkanalblocker eingesetzt wie Lamotrigin, wobei die Wirksamkeit weniger gut ist.
Es gibt einige rezeptfreie Medikamente gegen Polyneuropathie, die Ihnen Linderung bringen können. Häufig helfen beispielsweise Medikamente mit Alpha-Liponsäure. Alpha-Liponsäure ist Teil des Zuckerstoffwechsels - bei Diabetikern herrscht daran oft ein Mangel. In Form von Filmtabletten können Sie das Präparat schnell und unkompliziert einnehmen. Schmerzen und Empfindungsstörungen lassen sich dadurch lindern. Sprechen Sie in jedem Fall mit Ihrem Arzt, ob die Präparate infrage kommen und welche Therapieformen sonst noch für Sie sinnvoll sind. Leiden Sie unter Diabetes und Polyneuropathie erkundigen Sie sich am besten bei Ihrem Arzt, welche rezeptfreien Medikamente Ihnen möglicherweise Linderung verschaffen.
Weitere Medikamente
- Alpha-Liponsäure: Dieses Antioxidans soll einen günstigen Einfluss auf die Nerven haben und neuropathische Schmerzen lindern.
- Benfotiamin: Eine Vorstufe von Vitamin B1, die ebenfalls einen positiven Effekt auf die Nerven haben soll.
Topische Behandlung
- Capsaicin-Pflaster: Hoch dosierte Capsaicin-Pflaster können alle zwei bis drei Monate für etwa 30 Minuten auf die am stärksten schmerzenden Hautareale appliziert werden. Capsaicin bindet an die Schmerzrezeptoren in der Haut und führt zu einer chemischen Ablation der Nervenenden.
Wichtige Hinweise zur medikamentösen Therapie
- Gängige Schmerzmittel wie Aspirin oder Ibuprofen sind bei diabetischer Neuropathie in der Regel nicht wirksam.
- Die medikamentöse Therapie sollte immer in Absprache mit einem Arzt erfolgen, um die richtige Wahl des Medikaments und die Dosierung sicherzustellen.
- Viele der eingesetzten Medikamente können Nebenwirkungen haben, die beachtet werden müssen.
- Die Wirkung der Medikamente sollte regelmäßig überprüft werden, um gegebenenfalls die Therapie anzupassen.
Alternative Behandlungsansätze
Neben der medikamentösen Schmerztherapie gibt es alternative Behandlungsansätze, zum Beispiel die elektrische Nervenstimulation (TENS) oder Akupunktur. Bisher konnten Studien die Wirksamkeit bei diabetischer Neuropathie jedoch nicht eindeutig belegen.
Vorbeugung von Fußkomplikationen
Ein weiterer wichtiger Aspekt der Behandlung ist die Vorbeugung von Fußkomplikationen. Menschen mit diabetischer Neuropathie haben oft rissige und trockene Haut und kleine Verletzungen werden häufig nicht bemerkt. Daher sollten sie täglich die Füße untersuchen, um Verletzungen, Geschwüre und Hautinfektionen rechtzeitig zu bemerken. Druckstellen an den Füßen sollten vermieden und die Füße gut gepflegt werden. Wenden Sie sich dazu an einen professionellen Fußpfleger. In speziellen Diabetes Zentren steht in den sog. Fußambulanzen speziell geschultes Personal zur Verfügung. Insbesondere bei Verformungen der Füße ist eine orthopädisch-technische Versorgung mit Schuheinlagen oder speziellem Schuhwerk notwendig.
Prognose und Vorbeugung
Eine diabetische Neuropathie ist nicht heilbar, denn die Nervenschäden lassen sich meist nicht rückgängig machen, aber man kann den Verlauf der Erkrankung beeinflussen. Vor allem durch eine gute Blutzuckereinstellung und gesunde Lebensweise kann die Erkrankung aufgehalten werden. Hat sich eine Neuropathie manifestiert, können die Schmerzen durch eine Behandlung gelindert werden, aber der Empfindungsverlust bleibt. Für Patienten mit einer fortgeschrittenen Neuropathie ist wichtig zu lernen, mit den körperlichen Einschränkungen umzugehen und im Alltag selbstständig zu bleiben - zum Beispiel durch eine Ergotherapie und Physiotherapie.
Vorbeugung
- Typ-1-Diabetes: Vor allem durch einen gut eingestellten Blutzuckerwert lässt sich einer diabetischen Neuropathie vorbeugen.
- Typ-2-Diabetes: Eine gesunde Lebensweise ist die beste Maßnahme zur Vorbeugung. Dazu gehört eine gesunde Ernährung, viel Bewegung, Gewichtsreduktion bei Übergewicht und der Verzicht auf Alkohol und Nikotin.
Spezialisten für diabetische Neuropathie
Bei Verdacht auf eine diabetische Neuropathie sollte man sich an einen Arzt wenden, der Erfahrung in der Behandlung dieser Erkrankung hat. Dies können Diabetologen, Neurologen oder spezialisierte Fußambulanzen sein. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können helfen, das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen und die Lebensqualität zu verbessern. Wer einen Arzt benötigt, möchte für sich die beste medizinische Versorgung. Darum fragt sich der Patient, wo finde ich die beste Klinik für mich? Da diese Frage objektiv nicht zu beantworten ist und ein seriöser Arzt nie behaupten würde, dass er der beste Arzt ist, kann man sich nur auf die Erfahrung eines Arztes verlassen. Wir helfen Ihnen einen Experten für Ihre Erkrankung zu finden. Alle gelisteten Ärzte und Kliniken sind von uns auf Ihre herausragende Spezialisierung im Bereich Diabetische Neuropathie überprüft worden und erwarten Ihre Anfrage oder Ihren Behandlungswunsch.
Forschung und Ausblick
In den letzten Jahren wurden große Fortschritte bei der Behandlung diabetischer Neuropathie erzielt. Die Entwicklung von Medikamenten, die in Tablettenform eingenommen werden können, die sogenannten oralen Antidiabetika, war dabei entscheidend. Allerdings sind die vorhandenen Medikamente noch nicht bei allen Betroffenen wirksam, um schwere Folgeerkrankungen zu verhindern. Derzeit wird an neuen Therapien geforscht, die auf der Grundlage aktueller klinischer Studien zur diabetischen Neuropathie entwickelt wurden.
Verschiedene neue Therapieansätze durchlaufen zur Zeit Phase-2- und Phase-3-Studien und geben Hoffnung auf neue Behandlungsoptionen innerhalb der kommenden fünf bis zehn Jahre. Die Gentherapie mit Engensis (VM202), die sich positiv auf die Nervenregeneration und die Durchblutung auswirken und deren analgetischer Effekt bis zu acht Monate nach der Injektion anhalten soll. Dem Gabapentinoid Mirogabalin wird - bei gleichem Nebenwirkungsprofil - eine bessere Reduktion des Schmerzniveaus und eine höhere Potenz als Pregabalin zugeschrieben. Andere Behandlungsstrategien setzen auf das Modulieren nozizeptiver Signalwege (z. B. durch LX9211 oder das Small Molecule NRD.E1) oder topische Anticholinergika (z. B. Pirenzepin, Oxybutinin), die im Tiermodell Schmerzen lindern und möglicherweise die Nervenfaserdichte erhöhen. Auch Sport wirke der Problematik entgegen: Laut einer italienischen Studie bessern vier Stunden Training pro Woche Nervenfunktionseinschränkungen messbar. Allerdings zeigen sich die ersten Erfolge erst nach zwei bis vier Jahren.
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