Die Alzheimer-Krankheit ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die Gedächtnis, Denken und Verhalten beeinträchtigt. Sie ist die häufigste Ursache für Demenz, von der in Deutschland mehr als 1,5 Millionen Menschen betroffen sind. Da die Krankheit schleichend beginnt und sich über Jahre unbemerkt entwickeln kann, ist eine frühzeitige Diagnose von entscheidender Bedeutung, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und den Betroffenen eine möglichst lange Lebensqualität zu sichern.
Anzeichen und Symptome im Frühstadium
Die Alzheimer-Krankheit verläuft individuell, folgt jedoch bestimmten Mustern. Im Frühstadium treten oft leichte Beeinträchtigungen des Denkens und Erinnerns auf, die im Alltag zunächst kaum einschränken. Menschen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) nehmen Veränderungen manchmal selbst wahr, doch oft fallen sie zuerst Angehörigen auf.
Typische Anzeichen und Symptome im Frühstadium sind:
- Vergesslichkeit im Alltag, insbesondere was das Kurzzeitgedächtnis betrifft
- Schwierigkeiten, neue Informationen zu behalten
- Anstrengende Gespräche, bei denen oft Worte fehlen oder der Gedanke verloren geht
- Verlegen von Gegenständen wie Schlüssel oder Brille
- Erste Probleme mit der Orientierung in Raum und Zeit
- Veränderungen in der Stimmung, wie Reizbarkeit, Traurigkeit oder Unsicherheit
Viele Menschen mit beginnender Demenz merken, dass etwas nicht stimmt. Aus Scham oder Unsicherheit versuchen sie, ihre Schwierigkeiten zu verstecken, ziehen sich zurück und meiden ungewohnte Situationen.
Der Weg zur Diagnose
Wenn sich das Gedächtnis oder andere kognitive Fähigkeiten dauerhaft und auffällig verschlechtern, ist die erste Anlaufstelle meist die hausärztliche Praxis.
Das ärztliche Erstgespräch
Zunächst findet ein Anamnese-Gespräch statt: Die Ärztin oder der Arzt fragt nach aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenten und möglichen Risikofaktoren. Im Anschluss an das Gespräch folgt eine allgemeine körperliche Untersuchung.
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Kognitive Tests
Kognitive oder auch neuropsychologische Tests können wichtige Hinweise auf das Vorliegen einer Demenzerkrankung geben.
Weitere Untersuchungen
Welche weiteren Untersuchungen sinnvoll sind, hängt von der vermuteten Demenzform ab. Bei der Alzheimer-Diagnostik steht der Nachweis bestimmter Biomarker im Vordergrund - etwa im Nervenwasser (Liquor) oder Blut. Bei anderen Demenzformen kommen teilweise andere Verfahren zum Einsatz.
Beispiele für spezifische Diagnoseverfahren bei verschiedenen Demenzformen
- Alzheimer-Krankheit: Der Nachweis bestimmter Proteine (Amyloid-beta, Tau) im Nervenwasser oder Blut kann die Diagnose absichern. Für eine Behandlung mit Leqembi ist dieser Nachweis eine zentrale Voraussetzung.
- Frontotemporale Demenz: Bildgebende Verfahren (MRT) sind besonders wichtig, um den für diese Form typischen Abbau im Stirn- oder Schläfenlappen zu erkennen. Bei unklarem Befund können PET- oder SPECT-Untersuchungen sinnvoll sein. Bei familiärer Vorbelastung wird eine genetische Beratung empfohlen.
- Lewy-Körperchen-Demenz: Hier helfen zusätzliche Untersuchungen, etwa zur Beweglichkeit oder zum Schlafverhalten. Auch spezielle bildgebende Verfahren wie DAT-SPECT oder MIBG-Szintigrafie können zum Einsatz kommen. Typische Symptome wie Halluzinationen oder Schwankungen in der Aufmerksamkeit werden gezielt abgefragt oder getestet.
- Vaskuläre Demenz: Die Diagnose basiert auf MRT-Aufnahmen, die Durchblutungsstörungen, Gefäßveränderungen oder Schlaganfälle zeigen. Wichtig ist dabei, ob sich die Veränderungen im Gehirn mit den beobachten kognitiven Einschränkungen erklären lassen. Auch medizinische Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Diabetes werden bei der Abklärung einbezogen.
Auch psychologische Testverfahren können helfen, Demenzformen voneinander zu unterscheiden. Dank der Fortschritte in der Forschung ist es mittlerweile möglich, die Alzheimer-Krankheit auch per Bluttest zu erkennen. Allerdings können Bluttests die etablierten Diagnoseverfahren bislang noch nicht ersetzen.
Bedeutung von Biomarkern
Die Identifizierung von Biomarkern, die frühzeitig auf die Alzheimer-Krankheit hinweisen, ist ein zentrales Ziel der Forschung. Ein vielversprechender Biomarker ist das Protein TREM2, das von Fresszellen des Gehirns (Mikroglia) abgesondert wird. Ein erhöhter TREM2-Pegel im Nervenwasser deutet darauf hin, dass die Fresszellen des Gehirns aktiv werden, lange bevor die Erkrankung offensichtlich wird. Die Erfassung des TREM2-Werts könnte somit ein wichtiges Instrument für die Frühdiagnose und die Überwachung des Krankheitsverlaufs sein.
Herausforderungen und Kontroversen in der Früherkennung
Trotz der Fortschritte in der Diagnostik gibt es auch Herausforderungen und Kontroversen im Bereich der Alzheimer-Früherkennung.
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Nutzen und Risiken der MRT-Früherkennung
Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, das Veränderungen im Gehirn sichtbar machen kann. Sie wird häufig zur Diagnose von Demenz eingesetzt, aber ihr Nutzen zur Früherkennung bei Menschen ohne Symptome ist umstritten.
Der IGeL-Monitor bewertet die MRT-Untersuchung zur Früherkennung einer Alzheimer-Demenz bei Menschen ohne Anzeichen einer Demenz oder ohne Einschränkungen der Hirnleistung mit "tendenziell negativ". Es wurden keine Studien gefunden, die untersucht haben, ob eine Früherkennung am Ende den Patienten nützt oder schadet. Ein Nutzen ist auch nicht zu erwarten, da bislang nicht gezeigt werden konnte, dass eine frühe Therapie im Vergleich zur späten Therapie das Fortschreiten einer Demenz aufhalten kann. Dafür ist ein Schaden möglich, da sich nur jede zweite frühe, leichte Demenz zu einer späten, schweren Demenz entwickelt.
Die Rolle von Gentests
Alzheimer hat auch eine genetische Komponente. Trotzdem haben die Angehörigen eines Patienten nur ein gering erhöhtes Risiko, selber zu erkranken. Deshalb ist es auch nicht sinnvoll, sie vorsorglich auf Alzheimer zu untersuchen. Wir konzentrieren uns auf die Personen, bei denen erste Anzeichen für eine bereits eingetretene oder drohende Alzheimer-Demenz bestehen. Bei ihnen muss man die Krankheit früh von anderen Krankheiten unterscheiden, um rechtzeitig die richtige Therapie einleiten zu können. Eine Ausnahme stellen die sehr seltenen Fälle dar, bei denen es sich um genetisch-bedingte Erkrankungen im engeren Sinn, also mit einer bekannten krankmachenden Mutation, handelt. Das sind weniger als 0,05% der Alzheimer-Demenzen. Daran muss immer dann gedacht werden, wenn eine Demenzerkrankung sehr früh einsetzt, beispielsweise vor dem fünfzigstem Lebensjahr. In diesen Fällen werden den Verwandten der Patienten in aller Regel genetische Untersuchungen angeboten.
Bedeutung einer frühen Diagnose
Eine zuverlässige und frühe Diagnose ist wichtig, um Alzheimer besser behandeln zu können. Zwar ist Alzheimer bislang nicht heilbar, aber es gibt Medikamente, die den Krankheitsprozess verzögern können. Offensichtlich wirken sie umso effektiver, je eher sie eingenommen werden. Um den Patienten durch Lebensstiländerungen, geistiges Training und Medikamente lange eine gute Lebensqualität zu sichern, muss man die Krankheit also möglichst früh diagnostizieren.
Leben mit der Diagnose
Die Eröffnung der Diagnose muss behutsam sowie mit Rücksicht auf das Informationsbedürfnis des Patienten erfolgen. Sie schafft Klarheit über die zuvor rätselhaften und missverständlichen Veränderungen der Leistungsfähigkeit und des Verhaltens, sie vermittelt dem Patienten und seinen Bezugspersonen die Gewissheit, mit den gegenwärtigen und künftigen Problemen nicht allein gelassen zu werden, und sie setzt das therapeutische Handeln in Gang. Die meisten Patienten fühlen sich durch eine korrekt durchgeführte Aufklärung erleichtert und können daraus Zuversicht schöpfen.
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Therapieansätze und Lebensqualität
Auf die Frage nach den wichtigsten Bedürfnissen geben Patienten im frühen Stadium übereinstimmend zur Antwort, dass die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit, die Möglichkeit von Aktivität und Teilhabe am Leben, das emotionale Wohlbefinden und die Wahrung der zwischenmenschlichen Bindungen überragende Bedeutung haben. Diese persönlichen Ziele sind die Richtschnur der Therapie. Sie lassen sich nicht allein mit Medikamenten erreichen. Die gegenwärtig verfügbaren Antidementiva verzögern das Fortschreiten der Symptome um mehrere Monate. Um ein möglichst hohes Maß an Leistungspotenzialen und Lebensqualität aufrecht zu erhalten, müssen sie möglichst unverzüglich eingesetzt werden, sobald die Diagnose der Alzheimer-Krankheit feststeht.
Ergänzend sollten nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren mit nachgewiesener Wirksamkeit zur Anwendung kommen. Zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit dient die Verwendung von Gedächtnishilfen, die Einführung von Routinen in den Alltag und die Vereinfachung der täglichen Abläufe. Das Training von praktischen Problemlösungen kann die Eigenständigkeit fördern und die Lebensqualität erhöhen.
Regelmäßige körperliche Aktivität verbessert nicht nur die Fitness und beugt der Gebrechlichkeit vor, sondern steigert die Hirnleistung und dient dem Wohlbefinden. Die Teilnahme an Patientenselbsthilfegruppen vermittelt Rückhalt und kann wichtige Anregungen geben. Ein unentbehrlicher Bestandteil der Therapie ist schon im frühen Stadium die Beratung der Bezugspersonen. Sie können lernen, ungewollte Kränkungen und fruchtlose Auseinandersetzungen zu vermeiden, erhaltene Fähigkeiten der Patienten zu erkennen und zu nutzen, ihre Aktivität und Teilhabe am Leben zu fördern und sie in gemeinsame Unternehmungen einzubeziehen.
Die Zukunft der Demenzdiagnostik
Weltweit arbeiten Demenzforscherinnen und -forscher daran, die Diagnostik von Demenzerkrankungen zu verbessern. Ein wichtiges Ziel ist es, Demenzerkrankungen wie Alzheimer früher zu erkennen. Ein weiteres wichtiges Forschungsfeld ist die korrekte Abgrenzung von Demenzerkrankungen. Während die Alzheimer-Krankheit mittlerweile sehr gut zu Lebzeiten eindeutig diagnostiziert werden kann, sind andere, seltenere Demenzen diagnostisch nach wie vor eine Herausforderung, zum Beispiel die Frontotemporale Demenz oder die Chronisch Traumatische Enzephalopathie (CTE), die durch Kopfverletzungen hervorgerufen wird. Hier kann oft erst eine Untersuchung des Gehirns nach dem Tod endgültig Gewissheit bringen. Die Forschung arbeitet daran, auch diese Diagnosen frühzeitig und eindeutig zu ermöglichen.
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