Die systemische Sklerose (SSc), auch Sklerodermie genannt, ist eine seltene rheumatische Autoimmunerkrankung, die durch eine Verdickung und Verhärtung der Haut sowie Entzündungen und Schädigungen der Blutgefäße gekennzeichnet ist. Da die SSc verschiedene Organe betreffen kann, ist eine frühzeitige und umfassende Diagnostik entscheidend, um den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und Organschäden vorzubeugen.
Diagnostischer Weg bei Verdacht auf SSc
Die Diagnose SSc wird oft erst nach einer Reihe eingehender Untersuchungen gestellt. Bei ersten Anzeichen von SSc-ähnlichen Symptomen ist es ratsam, einen internistischen Rheumatologen aufzusuchen. Dieser Spezialist wird die notwendigen Untersuchungen veranlassen und die Ergebnisse bewerten, um eine Diagnose zu stellen. Häufig ist die Zusammenarbeit mit Kollegen anderer Fachdisziplinen erforderlich, um einen möglichen Organbefall abzuklären. Dazu gehören unter anderem die Allgemeinmedizin, Dermatologie, Kardiologie, Pneumologie, Angiologie und Neurologie.
Anamnese und körperliche Untersuchung
Am Anfang steht die Anamnese, bei der der Rheumatologe den Patienten nach seinem allgemeinen Gesundheitszustand, aktuellen und speziellen Beschwerden, Vorerkrankungen und der aktuellen Medikation befragt. Es folgt eine gründliche körperliche Untersuchung.
Laboruntersuchungen
Blutuntersuchungen sind ein wichtiger Bestandteil der Diagnostik. Im Labor lässt sich häufig eine Erhöhung der Blutsenkung und des CRP (C-reaktives Protein) nachweisen. Fast alle Betroffenen weisen erhöhte Kernantikörper (ANA) auf. Typisch ist auch der Nachweis von speziellen Antikörpern, den Anti-Scl-70 (Anti-Topoisomerase-I-) oder den Anti-Zentromer-Antikörpern, wobei der Nachweis nicht bei allen Betroffenen gelingt. Laborwerte können auch Hinweise auf eine Organbeteiligung geben, wie z. B. veränderte Nierenwerte oder Muskelenzyme. Regelmäßige Blut- und Urinkontrollen sind wichtig, um einen möglichen Nierenbefall frühzeitig zu erkennen.
Bildgebende Verfahren
Verschiedene bildgebende Verfahren kommen zum Einsatz, um Organbeteiligungen zu erkennen und das Ausmaß der Erkrankung zu beurteilen. Röntgenuntersuchungen können Knochenveränderungen an den Fingerspitzen und Verkalkungen im Bindegewebe aufzeigen. Eine Lungenbeteiligung lässt sich am besten durch eine Computertomographie (CT) des Thorax nachweisen. Sonographie (Ultraschall), Spirometrie und Bodyplethysmographie (Lungenfunktionsprüfung) gehören zu den Routineuntersuchungen. Röntgen, (HR)CT und MRT werden ebenfalls zur Kontrolle veranlasst.
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Klassifikationskriterien der SSc
Die SSc wird anhand der ACR-/EULAR-Klassifikationskriterien aus dem Jahr 2013 klassifiziert. Hierbei werden bestimmte krankheitsspezifische Beschwerden oder Befunde mit Punktwerten versehen und addiert. Zu den berücksichtigten Kriterien gehören:
- Hautverdickung
- Puffy Fingers (geschwollene Finger)
- Offene Stellen an Fingern oder Zehen
- Raynaud-Syndrom
- Veränderungen an den Kapillaren
- Pulmonale Hypertonie
- Lungenfibrose
- Nachweis von Autoantikörpern (Anti-Zentromer-Antikörper, Anti-Scl-70-Antikörper, Anti-RNS-Polymerase-III-Antikörper) im Blut.
Zusätzlich lässt sich die SSc gemäß den Klassifikationskriterien von LeRoy und Medsger aus dem Jahr 2001 in eine „Limitierte Kutane Systemische Sklerose“ und eine „Diffuse Kutane Systemische Sklerose“ einteilen. Bei der limitierten Form ist die Hautverdickung auf Bereiche unterhalb der Ellenbogen- und Kniegelenke beschränkt, während sie bei der diffusen Form auch an Oberarmen, Oberschenkeln und am Rumpf auftritt. Im Gesicht kann die SSc-typische Hautverdickung bei beiden Formen auftreten.
Detaillierte Betrachtung wichtiger Untersuchungsmethoden
Kapillarmikroskopie
Die Kapillarmikroskopie ist eine wichtige Methode, um Veränderungen der kleinen Blutgefäße (Kapillaren) frühzeitig zu erkennen. Hierbei wird mit Hilfe eines Lichtmikroskops das Aussehen und die Durchblutung der Kapillaren im Bereich des Nagelfalzes beurteilt. Bei SSc-Patienten treten häufig charakteristische Anomalien an den Kapillaren auf, wie Ektasien (Erweiterungen), Mikroblutungen, perikapilläre Ödeme, Megakapillaren (massive Ektasie oft beider Kapillarschenkel) sowie avaskuläre Areale (Bereiche ohne Kapillaren). Diese mikroangiopathischen Veränderungen können schon Jahre vor der Erstmanifestation sichtbar sein und gelten als unabhängige Prädiktoren für die spätere Entwicklung einer systemischen Sklerose.
Rodnan Skin Score
Zur Erfassung der Ausprägung der Hautmanifestation wird der modifizierte Rodnan Skin Score (mRSS) angewendet. Hierbei werden 17 Regionen des Körpers (von Kopf bis Fuß) auf Hautverdickung untersucht und mit Punkten zwischen 0 und 3 bewertet (0 = unauffällig, 1 = verdickt aber Hautfalte abheben möglich, 2 = Hautfalte abheben nicht mehr möglich, 3 = Beweglichkeit eingeschränkt). Die Summe der Punkte ergibt den mRSS, der maximal 51 betragen kann.
Lungenfunktionstest
Der Lungenfunktionstest dient der Bestimmung der Ausprägung einer Lungenbeteiligung. Er besteht optimalerweise aus der Spirometrie, der Bodyplethysmographie und der Messung der CO-Diffusionskapazität.
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CT-Thorax
Die hochauflösende Computertomographie (HRCT) des Thorax ermöglicht die Früherkennung, Detektion, morphologische Charakterisierung und Quantifizierung selbst diskreter krankhafter Lungenveränderungen. Sie ist besonders hilfreich bei der Früherkennung einer Alveolitis (Entzündung der Lungenbläschen) und hilft, das Ausmaß und das Verteilungsmuster zu bestimmen.
Bronchoskopie und Bronchoalveoläre Lavage (BAL)
Die Bronchoskopie mit bronchoalveolärer Lavage (BAL) wird häufig durchgeführt, um Zellen und Flüssigkeit aus den Lungenbläschen zu gewinnen. Die Zellanalyse der BAL-Flüssigkeit kann Hinweise auf eine Alveolitis geben (Neutrophile, Eosinophile Granulozyten, Lymphozyten oder gemischte Zellen).
Bariumbreischluck und Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD)
Bei Verdacht auf eine Beteiligung des Magen-Darm-Trakts werden ein Bariumbreischluck und/oder eine Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD) veranlasst. Hiermit lassen sich Bewegungsstörungen und Erweiterungen röntgenmorphologisch darstellen. Zusätzlich können Refluxösophagiditen (Entzündungen der Speiseröhre durch Rückfluss von Magensäure) durch die ÖGD diagnostiziert werden.
Nierenbiopsie
Zur Sicherung eines Nierenbefalls durch die SSc und Festlegung der optimalen Therapie kann eine Gewebeprobe aus den Nieren (Nierenbiopsie) erforderlich sein. Unerkannt bzw. unbehandelt können die Nieren ihre Funktionsfähigkeit verlieren.
Differenzialdiagnose
Es ist wichtig, die SSc von anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen abzugrenzen. Dazu gehören andere Kollagenosen wie der systemische Lupus erythematodes, das primäre Sjögren-Syndrom, Dermatomyositis und Polymyositis, das Antiphospholipid-Syndrom sowie die Mischkollagenose (Mixed Connective Tissue Disease, MCTD). Auch die Eosinophile Fasziitis und die zirkumskripte Sklerodermie müssen differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden.
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Bedeutung der Früherkennung
Die frühe Diagnose der systemischen Sklerose hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Es ist heute möglich, die Diagnose bereits bei Patienten mit Raynaud-Phänomen zu stellen, wenn Sklerodermie-assoziierte antinukleäre Antikörper und/oder Sklerodermie-typische kapillarmikroskopische Veränderungen nachgewiesen werden können. Die EULAR/ACR-Klassifikationskriterien von 2013 sind hier ein wichtiger Fortschritt.
Die frühe Diagnose ermöglicht den frühzeitigen Einsatz der heutigen Therapiemöglichkeiten und kann Schäden verhindern. Sie erlaubt darüber hinaus ein besseres Monitoring des Krankheitsverlaufs auf der Grundlage der Organdiagnostik und der nachgewiesenen Autoantikörper. Ebenso wichtig ist eine möglichst frühe und genaue Erfassung krankhafter Veränderungen an inneren Organen, da diese den Verlauf bestimmen und damit Einfluss auf die Sterblichkeit haben.
Raynaud-Syndrom als Frühsymptom
Das Raynaud-Syndrom, das bei etwa 90 % der SSc-Erkrankten auftritt, ist in den meisten Fällen das erste Krankheitszeichen. Es handelt sich um durch Kälte oder Stress angeregte Verkrampfungen von Blutgefäßen, die zu einer bläulichen oder weißen Verfärbung einzelner Finger führen. Wenn sich die Gefäße unter Schmerzen wieder öffnen, können sie rot sein. Bei Vorliegen eines Raynaud-Syndroms sollte daher eine kapillarmikroskopische Untersuchung des Nagelfalzes und die Bestimmung der SSc-spezifischen Autoantikörper (Anti-Centromer- und Anti-Topoisomerase-I-Antikörper) erfolgen.
Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH) als schwerwiegende Komplikation
Eine der schwerwiegendsten Komplikationen der SSc ist die pulmonal arterielle Hypertonie (PAH), ein Lungenhochdruck, der zu einer Schädigung des Herzens führen kann. Die PAH ist eine Haupttodesursache bei SSc-Patienten. Die frühe Erkennung und gezielte Behandlung einer PAH ist daher für das Überleben der Betroffenen essenziell.
Diagnostik der PAH
Bei Patienten mit systemischer Sklerose, die typische PH-Beschwerden zeigen, insbesondere unerklärte Belastungsdyspnoe, Müdigkeit und Synkopen, sollte das mögliche Bestehen einer pulmonal arteriellen Hypertonie frühzeitig bedacht werden. Zur Abklärung werden verschiedene Untersuchungen durchgeführt:
- Echokardiografie: Sie erlaubt eine erste Abschätzung des systolischen pulmonal arteriellen Druckes (PAPsys) sowie eine Beurteilung des rechten Herzens.
- Lungenfunktionstest und arterielle Blutgasanalyse: Sie geben Hinweise auf eine mögliche Lungenbeteiligung.
- Rechtsherzkatheteruntersuchung: Sie ist erforderlich, um die PAH-Diagnose zu bestätigen und den hämodynamischen Schweregrad zu ermitteln.
DETECT-Algorithmus
Der DETECT-Algorithmus ist ein Screening-Instrument zur Identifizierung eines erhöhten PAH-Risikos bei SSc. Er basiert auf wenigen Parametern und erleichtert eine frühzeitige Intervention.
Therapie der Systemischen Sklerose
Die Therapie der SSc richtet sich in erster Linie nach den betroffenen Organen. Eine Therapie, die die gesamte Erkrankung heilt, gibt es derzeit leider noch nicht. In hochaktiven frühen Fällen können Medikamente, die das Immunsystem modulieren bzw. supprimieren (z. B. Methotrexat MTX), versucht werden.
Allgemeine Maßnahmen
- Hautpflege
- Sorgsame Behandlung von Hautverletzungen
- Nikotinabstinenz
- CO²-Bäder
- Regelmäßige Bewegungstherapie, auch Ergotherapie
- Lymphdrainage und leichte Massagen
- Regelmäßige Befeuchtung von Augen und Schleimhäuten mit entsprechenden Präparaten
Therapie des Raynaud-Syndroms und von Gefäßentzündungen
- Blutgefäß erweiternde Substanzen
Therapie der PAH
Für die medikamentöse Therapie der PAH bei Bindegewebserkrankungen sind spezifische pulmonale Vasodilatanzien verschiedener Wirkstoffklassen zugelassen:
- PDE-5-Hemmer (Sildenafil, Tadalafil)
- Lösliche Guanylatzyklase-Stimulatoren (Riociguat)
- Endothelin-Rezeptor-Antagonisten (ERA)
- Prostacyclin-Analoga (Epoprostenol, Iloprost, Treprostinil, Selexipag)
Die Therapie der PAH stellt eine komplexe Gesamtstrategie dar und soll nicht allein durch Medikamente erfolgen, sondern auch allgemeine Maßnahmen und supportive Therapien umfassen.
Leben mit Systemischer Sklerose
Um mit der Krankheit vertraut zu werden und sie zu verstehen, sollte man den Kontakt zu anderen Betroffenen suchen. Die Sklerodermie Selbsthilfe e.V., Mitgliedsverband der Deutschen Rheuma-Liga Bundesverband e.V., bietet Beratung und Austausch. Auch die Deutsche Rheuma-Liga hat zahlreiche Publikationen über rheumatische Erkrankungen herausgebracht, die Betroffene bei ihrem Landes- oder Mitgliedsverband bestellen können.
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