Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Obwohl Medikamente oft die erste Wahl bei der Behandlung von Epilepsie sind, kann eine spezielle Diät, die ketogene Diät, eine wirksame alternative oder ergänzende Therapie sein, insbesondere bei Kindern mit schwer behandelbarer Epilepsie. Die ketogene Diät ist eine sehr fettreiche und kohlenhydratarme Diät, die den Körper in einen Zustand der Ketose versetzt.
Was ist die ketogene Diät?
Die ketogene Diät ist eine fettreiche, kohlenhydratarme Diät, die den Körper in einen Zustand der Ketose versetzt. Normalerweise verwendet der Körper Glukose aus Kohlenhydraten als Hauptenergiequelle. Bei der ketogenen Diät werden Kohlenhydrate stark reduziert, wodurch der Körper gezwungen wird, Fett als Hauptbrennstoff zu verwenden. Wenn Fett abgebaut wird, produziert der Körper Ketonkörper, die als alternative Energiequelle für das Gehirn dienen.
Ketose
Ketose ist ein Stoffwechselzustand, in dem der Körper beginnt, Fett anstelle von Glukose zur Energiegewinnung zu verbrennen. Dies geschieht, wenn die Kohlenhydratzufuhr stark reduziert wird, was den Körper dazu zwingt, auf gespeicherte Fettreserven zurückzugreifen. Die Leber wandelt Fett in Ketonkörper um, die dann vom Gehirn und anderen Organen als Brennstoff genutzt werden können.
Wie funktioniert die ketogene Diät bei Epilepsie?
Der genaue Mechanismus, wie die ketogene Diät bei Epilepsie wirkt, ist noch nicht vollständig geklärt. Es wird jedoch angenommen, dass die Ketonkörper selbst eine antikonvulsive Wirkung haben und die Energiebereitstellung im Gehirn verbessern. Einige Theorien besagen, dass die Ketose bestimmte Hirnbotenstoffe aktiviert, die ihrerseits gegen Anfälle wirken und freie Sauerstoffradikale vermindern.
Eine Studie von Wissenschaftlern des Dana-Farber Cancer Instituts und der Harvard Medical School in Boston identifizierte das Protein BAD (BCL-2-associated Agonist of Cell Death) als möglicherweise verantwortlich für die Wirkung der Diät. Die Forscher fanden heraus, dass ein modifiziertes BAD-Protein, das Neuronen mit Ketonkörpern versorgt, bei Labormäusen mit Epilepsie die Anfallshäufigkeit signifikant reduzierte.
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Wer profitiert von der ketogenen Diät?
Die ketogene Diät wird hauptsächlich bei Kindern mit schwer behandelbarer Epilepsie eingesetzt, bei denen Medikamente nicht ausreichend wirken (medikamentenresistente Epilepsie). Sie kann auch bei bestimmten Formen der Epilepsie im Kindesalter besonders häufig angewendet werden. In einigen Fällen kann die ketogene Diät auch bei Jugendlichen und Erwachsenen mit Epilepsie wirksam sein, insbesondere wenn sie unter nicht tolerablen Nebenwirkungen der Anfallssuppressiva leiden oder besonders häufig einen Status epilepticus erleiden.
Formen der ketogenen Diät
Es gibt verschiedene Varianten der ketogenen Diät, darunter:
- Klassische ketogene Diät (KD): Diese besteht üblicherweise aus 90 % Fett sowie 10 % Eiweiß und Kohlenhydraten in einem Verhältnis von 4:1 (Fett zu Kohlenhydraten plus Proteinen). Diese Form wird meist bei Kindern unter zwei Jahren angewendet.
- Modifizierte Atkins-Diät (MAD): Diese Diät ist etwas weniger eingeschränkt als die klassische ketogene Diät und erlaubt eine höhere Kohlenhydratzufuhr.
- MCT-Diät: Bei dieser Diät werden mittelkettige Fettsäuren (MCT-Fette) eingesetzt, die stärker ketogen wirken als langkettige Fettsäuren (LCT-Fette).
- Niedrig-glykämische Index-Therapie (LGIT): Diese Diät konzentriert sich auf Lebensmittel mit niedrigem glykämischen Index, um den Blutzuckerspiegel stabil zu halten.
Was ist bei der Durchführung der ketogenen Diät zu beachten?
Die ketogene Diät ist eine anspruchsvolle Ernährungsumstellung, die sorgfältige Planung und Überwachung erfordert. Es ist wichtig, die Diät unter Aufsicht von Ärzten und Ernährungsexperten durchzuführen, um sicherzustellen, dass der Patient alle notwendigen Nährstoffe erhält und mögliche Nebenwirkungen vermieden werden.
Vorbereitung und Überwachung
- Ärztliche Aufsicht: Die ketogene Ernährung bei Epilepsie sollte immer unter Aufsicht von Ärzten und speziell ausgebildeten Ernährungsfachleuten stattfinden.
- Stationäre Einleitung: Meistens wird die Diät stationär, also in einer Klinik, eingeleitet, um mögliche Komplikationen sofort erkennen und den Patienten und seine Angehörigen intensiv schulen zu können.
- Dokumentation der Anfälle: Eine ordentliche und möglichst lückenlose Dokumentation der epileptischen Anfälle im Vorfeld ist erforderlich, um die Ausgangssituation klar zu definieren und die Wirksamkeit der KET richtig beurteilen zu können.
- Regelmäßige Kontrollen: Während der Diät sind regelmäßige Kontrollbesuche in der Klinik erforderlich, um Blutwerte, das Wachstum (bei Kindern) und den Erfolg der Behandlung zu kontrollieren.
Ernährung
- Nährstoffverhältnisse: Es ist sehr wichtig, dass die ketogene Diät sehr streng über einen definierten Zeitraum eingehalten wird und die vorgegebenen Nährstoffverhältnisse möglichst bei jeder Mahlzeit stimmen.
- Erlaubte Lebensmittel: Erlaubte Lebensmittel sind etwa stärkearme Gemüse (Kohl, Blattgemüse, Gurke, Tomaten, Avocado, Artischocke, Broccoli, Lauch, Zucchini, Salat, Spargel, Oliven), Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Nüsse und (vorzugsweise pflanzliche) Fette.
- Verbotene Lebensmittel: Zucker, Getreideprodukte und die meisten Obstsorten sind nicht erlaubt. Auch stärkereiche Gemüse wie Kartoffeln und Hülsenfrüchte sowie verarbeitetes Gemüse mit Zuckerzusatz sollten vermieden werden.
- Kosten: Es sollte damit gerechnet werden, dass die allgemeinen Kosten für Lebensmittel im Rahmen einer ketogenen Diät um bis zu ein Drittel steigen können.
Alltag
- Umfeld einbinden: Es ist ratsam, das gesamte Umfeld (Kita, Schule, Sportverein, Betreuung) in die Diät einzubinden.
- Passende Rezepte und Lebensmittel: Passende Rezepte und Lebensmittel sollten immer vorrätig sein.
- Ketonteststreifen: Der Patient und seine Angehörigen müssen lernen, eigenständige Kontrollen im Rahmen der ketogenen Diät vorzunehmen, z. B. mittels Ketonteststreifen aus der Apotheke, mit denen sich die Ketonkörperkonzentration im Urin kontrollieren lässt.
Mögliche Nebenwirkungen
Unter der ketogenen Diät treten meist nur wenige Nebenwirkungen auf, die sich gut in den Griff kriegen lassen. Häufige Nebenwirkungen sind:
- Verstopfung: Durch die Umstellung der Ernährung kann es zu Verstopfungen kommen. In diesem Fall sollte die Aufnahme von Ballaststoffen erhöht werden.
- Verdauungsprobleme: Auch anderweitige Verdauungsprobleme wie Durchfall, Übelkeit und Erbrechen können auftreten.
- Unterzuckerung (Hypoglykämie): Vor allem zu Beginn der Diät kann es zu Unterzuckerungen kommen.
- Flüssigkeitsmangel: Im Zusammenhang mit Infekten, Fieber und Erbrechen kann ein Flüssigkeitsmangel auftreten, der zu einer Übersäuerung des Blutes (Azidose) führt.
- Nierensteine: Viel Flüssigkeit ist auch wichtig, um die Bildung von Nierensteinen zu vermeiden.
- Fettstoffwechselstörungen: Auch Fettstoffwechselstörungen können auftreten.
Wann sollte die ketogene Diät nicht angewendet werden?
Die Diät darf bei bestimmten Stoffwechselstörungen, Erkrankungen der Leber, der Niere oder des Herzens nicht eingesetzt werden. Auch bei gleichzeitiger Einnahme von Barbituraten, Valproat, Topiramat, Sultiam oder Zonisamid ist besondere Vorsicht geboten. Vor Diätbeginn müssen insbesondere im Kindesalter verschiedene Stoffwechselerkrankungen ausgeschlossen werden (z.B. Fettsäureoxidations-Störungen, Ketolyse-, Ketoneogenese- und Glukoneogenesedefekte, sowie Hyperinsulinismus und Pyruvatcarboxylasemangel).
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Dauer der ketogenen Diät
In der Regel wird die ketogene Diät zunächst für maximal zwei Jahre durchgeführt. Auch Anfallssuppressiva werden häufig für maximal zwei Jahre verabreicht, bevor sie dann testweise abgesetzt werden. Die positiven Effekte, die durch die Therapie erreicht wurden, halten häufig auch nach dem Absetzen an. Eine KD darf nie abrupt abgebrochen werden, da eine zu rasche Kohlenhydratzufuhr Krampfanfälle auslösen kann. Bei einer beabsichtigten Beendigung ist ein kontrolliertes, langsames Absenken des Fett-Kohlenhydrat-Eiweiß-Verhältnisses angezeigt!
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