Die Alzheimer-Lüge auf dem Prüfstand: Eine kritische Auseinandersetzung

Die Alzheimer-Krankheit ist eine der größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit. Angesichts von Millionen Betroffenen allein in Deutschland ist es verständlich, dass die Suche nach Ursachen, Präventionsmaßnahmen und Therapien intensiv vorangetrieben wird. In diesem Kontext erregte das Buch „Die Alzheimer-Lüge“ von Dr. Michael Nehls große Aufmerksamkeit. Es stellt die These auf, dass Alzheimer primär eine Zivilisationskrankheit sei, die durch Veränderungen des Lebenswandels vermeidbar und in frühen Stadien sogar heilbar sei. Dieser Artikel nimmt eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen des Buches vor und beleuchtet verschiedene Perspektiven aus der aktuellen Alzheimer-Forschung.

Die Thesen von Michael Nehls' "Alzheimer-Lüge"

Dr. Michael Nehls verknüpft in seinem Buch Forschungsergebnisse der letzten Jahre und kommt zu dem Schluss, dass Alzheimer auf den Lebenswandel der modernen Gesellschaft zurückzuführen ist. Er argumentiert, dass die Krankheit kein unvermeidliches Schicksal, sondern eine Mangelerkrankung sei, die durch eine "artgerechte" Lebensweise verhindert und im Anfangsstadium sogar geheilt werden könne.

Nehls' "Anti-Alzheimer-Formel" umfasst fünf Bereiche:

  • Gesunde Ernährung
  • Körperliche Aktivität
  • Schlaf
  • Soziale Aktivität
  • Lebenssinn

Er betont, dass ein Mangel in diesen Bereichen zu chronischem Stress führt, der das Wachstum des Hippocampus beeinträchtigt, der als zentrale Erinnerungszentrale des Gehirns gilt. Nehls argumentiert, dass eine Schrumpfung des Hippocampus durch einen entsprechenden Lebensstil verhindert werden kann.

Kritik an Nehls' Thesen

Die Thesen von Nehls sind in der Fachwelt auf Kritik gestoßen. Christian Haass, ein führender Demenzforscher, betont, dass es zwar durch Studien belegte Faktoren gibt, die einen positiven Effekt auf die Entwicklung einer Demenz haben, wie Sport, gesunde Ernährung und Stressreduktion. Er warnt jedoch davor, zu behaupten, dass sich die Krankheit allein durch eine Änderung des Lebenswandels verhindern lasse. Eine solche Sichtweise würde Erkrankte und ihre Familien ungerechtfertigt belasten und falsche Hoffnungen wecken.

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Haass argumentiert, dass jeder Mensch die Anlage hat, Alzheimer zu entwickeln, da jeder das giftige Amyloid produziert. Ein gesunder Lebenswandel könne den Krankheitsbeginn verzögern, aber die Veränderungen im Gehirn würden trotzdem fortschreiten. Er plädiert dafür, dass die Forschungsergebnisse nicht dazu genutzt werden sollten, den Menschen Angst zu machen, sondern dass frühzeitig gute und sichere Nachweisverfahren entwickelt werden müssen, um Menschen mit erhöhtem Risiko zu identifizieren und gezielt entgegenzuwirken.

Auch andere Kritiker bemängeln Nehls' Umgang mit wissenschaftlichen Fakten und seine Vereinfachung komplexer Zusammenhänge. Seine Behauptung, dass bereits eine Stunde Fernsehen täglich das Alzheimerrisiko um 30 Prozent erhöhe, wird als gewagte Hochrechnung kritisiert. Auch die Verwendung des Begriffs "artgerechte" Ernährung im Zusammenhang mit der altsteinzeitlichen Ernährungsweise wird als problematisch angesehen, da es keine einheitliche altsteinzeitliche Ernährung gab und die Gesundheit der damaligen Wildbeuter oft schlecht war.

Die Rolle von Beta-Amyloid in der Alzheimer-Forschung

Ein zentraler Aspekt der Alzheimer-Forschung ist die Rolle von Beta-Amyloid. Dieses Protein lagert sich im Gehirn zu Plaques zusammen und stört die Kommunikation zwischen den Nervenzellen. In diesem Zusammenhang gab es kürzlich einen Aufsehen erregenden Fall, in dem dem Neurowissenschaftler Sylvain Lesné von der Universität in Minnesota vorgeworfen wurde, Forschungsergebnisse zum Peptid Beta-Amyloid gefälscht zu haben.

Konkret geht es um Forschungsergebnisse zu einem speziellen Molekül namens Beta-Amyloid*56. Lesné wird vorgeworfen, Abbildungen manipuliert zu haben, was bedeuten könnte, dass es das von ihm beschriebene Molekül gar nicht gibt. Obwohl seine Arbeit in den letzten 15 Jahren häufig zitiert wurde, betonen Experten, dass sie keinen nennenswerten Einfluss auf die Alzheimer-Forschung gehabt habe. Keine aktuelle oder vergangene Medikamenten-Studie beziehe sich auf Beta-Amyloid*56.

Die Alzheimer Forschung Initiative (AFI) hat nach Durchsicht ihrer Projekte festgestellt, dass Lesnés Ergebnisse von 2006 keinen Einfluss auf die geförderten Projekte der Organisation hatten. Dies zeigt, dass die Alzheimer-Forschung breit aufgestellt ist und neben der Beta-Amyloid-Hypothese auch zahlreiche andere Forschungsansätze verfolgt werden.

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Alternative Forschungsansätze und Therapieansätze

Neben der Beta-Amyloid-Hypothese werden in der Alzheimer-Forschung auch andere Ansätze verfolgt, um die Ursachen der Krankheit zu verstehen und Therapien zu entwickeln. Dazu gehören:

  • Die Tau-Protein-Hypothese: Neben Beta-Amyloid spielen auch Tau-Proteine eine wichtige Rolle bei der Entstehung von Alzheimer. Diese Proteine stabilisieren normalerweise die Struktur der Nervenzellen, können sich aber bei Alzheimer verändern und zu unlöslichen Fibrillen verklumpen, die die Funktion der Nervenzellen beeinträchtigen.
  • Die Rolle von Entzündungen: Entzündungsprozesse im Gehirn können ebenfalls zur Entstehung und zum Fortschreiten von Alzheimer beitragen.
  • Die Darm-Hirn-Achse: Es gibt zunehmend Hinweise darauf, dass die Zusammensetzung der Darmflora einen Einfluss auf die Gehirnfunktion und die Entstehung von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer haben kann.
  • Lebensstilfaktoren: Neben Ernährung, Bewegung und Schlaf spielen auch soziale Interaktion, kognitive Stimulation und Stressbewältigung eine wichtige Rolle bei der Prävention von Alzheimer.
  • Genetische Faktoren: Obwohl die meisten Fälle von Alzheimer sporadisch auftreten, gibt es auch eine familiär bedingte Form der Krankheit, die durch Mutationen in bestimmten Genen verursacht wird.

Die Bedeutung der Prävention

Obwohl es derzeit keine Heilung für Alzheimer gibt, betonen Experten die Bedeutung der Prävention. Ein gesunder Lebensstil, der die oben genannten Faktoren berücksichtigt, kann dazu beitragen, das Risiko einer Erkrankung zu verringern oder den Krankheitsbeginn zu verzögern.

Dazu gehören:

  • Eine ausgewogene Ernährung: Eine Ernährung, die reich an Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten ist, kann das Gehirn schützen.
  • Regelmäßige körperliche Aktivität: Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns und kann die kognitive Funktion verbessern.
  • Ausreichend Schlaf: Schlaf ist wichtig für die Regeneration des Gehirns und die Konsolidierung von Erinnerungen.
  • Soziale Interaktion: Soziale Kontakte und Aktivitäten können die kognitive Reserve stärken und das Risiko von Depressionen verringern, die ein Risikofaktor für Alzheimer sind.
  • Kognitive Stimulation: Geistig anregende Aktivitäten wie Lesen, Rätsel lösen oder das Erlernen neuer Fähigkeiten können die kognitive Funktion erhalten.
  • Stressbewältigung: Chronischer Stress kann das Gehirn schädigen. Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder Atemübungen können helfen, Stress abzubauen.

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