Digitale Demenz: Definition, Ursachen und Folgen

Die digitale Demenz ist ein Phänomen, das in der Medienpsychologie diskutiert wird und die negativen Auswirkungen der häufigen Nutzung digitaler Medien auf die mentalen und kognitiven Fähigkeiten von Menschen beschreibt. Der Begriff wurde vor allem durch den Neurologen und Psychiater Manfred Spitzer im deutschsprachigen Raum bekannt.

Definition der digitalen Demenz

Digitale Demenz bezeichnet die Vorstellung, dass unsere intelligenten Geräte uns weniger intelligent machen, da sie als eine Art externes Gedächtnis fungieren und wir unser eigenes Gedächtnis nicht mehr anstrengen müssen. Dies kann dazu führen, dass das Gedächtnis nachlässt und die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt werden.

Verwandt mit der digitalen Demenz ist der Google-Effekt, der besagt, dass sich Menschen immer weniger merken, weil Wissen und Informationen jederzeit digital über Suchmaschinen wie Google und Smartphones abrufbar sind.

Ursachen der digitalen Demenz

Übermäßiger Medienkonsum

Ein Hauptfaktor für die Entstehung digitaler Demenz ist der übermäßige Konsum digitaler Medien. Jugendliche verbringen laut einer Studie der Postbank etwa zehn Stunden pro Tag im Internet, was sich negativ auf ihre Bildung auswirken kann. Manfred Spitzer ist überzeugt, dass Jugendliche, die viel Zeit mit Computerspielen und anderen wenig sinnvollen Aktivitäten am Bildschirm verbringen, schlechtere Leistungen in der Schule erbringen.

Mangelnde Gedächtnisaktivierung

Da digitale Geräte uns viele Aufgaben abnehmen, wie z.B. das Merken von Telefonnummern oder das Durchführen einfacher Rechenaufgaben, wird unser Gehirn weniger gefordert. Dies führt dazu, dass die kognitiven Fähigkeiten verkümmern.

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Reizüberflutung und Aufmerksamkeitsdefizite

Die ständige Reizüberflutung durch digitale Medien kann zu einer Verringerung der Aufmerksamkeitsspanne führen. Es fällt uns schwerer, uns auf längere Aufgaben oder Filme zu konzentrieren, da wir uns an die schnelle Abfolge von Highlights in kurzen Videos oder Social-Media-Beiträgen gewöhnt haben.

Suchtverhalten

Die vielen Vorteile des Internets können zur Entstehung einer Internetsucht beitragen. Die digitale Welt bietet nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, die rund um die Uhr verfügbar sind. Aktivitäten im Netz werden als angenehm erlebt und können zur Ablenkung von Problemen oder unangenehmen Tätigkeiten genutzt werden. Wie bei anderen Süchten wird angenommen, dass bei der Entstehung einer Internetsucht eine Kombination verschiedener Faktoren eine Rolle spielt.

Beim Spielen, Surfen oder Chatten erlebt man häufig ein Gefühl von Kontrolle und Erfolg. Viele Aktivitäten im Netz machen Spaß und sind entspannend - das heißt, sie wirken belohnend. Und dieser Belohnungsfaktor erhöht die Gefahr, dass eine Sucht entsteht. Außerdem erfährt man in sozialen Netzwerken oder bei Online-Rollenspielen häufig Wertschätzung und Anerkennung und erlebt ein Gefühl der Zugehörigkeit.

Untersuchungen haben gezeigt, dass bei Verhaltenssüchten (zum Beispiel einer Spielsucht), ähnlich wie bei Alkohol- oder Drogensucht, biochemische Veränderungen im Gehirn eine Rolle spielen. Dabei sind vor allem das Belohnungszentrum des Gehirns und der Botenstoff Dopamin von Bedeutung. So kommt es während des „süchtigen Verhaltens“ zu einer erhöhten Ausschüttung von Dopamin im Gehirn, was belohnend wirkt und zu Glücksgefühlen führt. Gleichzeitig sind Gehirnregionen, die bei Belohnung eine Rolle spielen, überdurchschnittlich stark aktiviert. Dadurch wird das Verhalten immer häufiger gezeigt, während andere Aktivitäten, die weniger belohnend wirken, immer mehr vernachlässigt werden.

Weiterhin können psychische Probleme und Konflikte das Risiko für eine Internetsucht erhöhen. Schließlich wird vermutet, dass auch genetische Faktoren bei der Neigung, ein süchtiges Internetverhalten zu entwickeln, eine Rolle spielen. Dies hat sich für andere Arten der Sucht bereits gezeigt.

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Folgen der digitalen Demenz

Kognitive Beeinträchtigungen

Digitale Demenz kann zu verschiedenen kognitiven Beeinträchtigungen führen, wie z.B.:

  • Schlechtes Kurzzeitgedächtnis: Es fällt schwer, sich an Dinge zu erinnern, die gerade erst gesagt wurden oder die man gerade erst gelesen hat.
  • Verminderte Konzentrationsfähigkeit: Es fällt schwer, sich über längere Zeit auf eine Aufgabe zu konzentrieren.
  • Probleme beim Kopfrechnen: Einfache Rechenaufgaben können nicht mehr im Kopf gelöst werden.
  • Verringerte Aufmerksamkeitsspanne: Es fällt schwer, sich auf einen zweistündigen Film zu konzentrieren.

Auswirkungen auf die Bildung

Manfred Spitzer warnt davor, dass die Nutzung von Medien der beste Weg ist, die Gehirne unserer Kinder verkümmern zu lassen. Seiner Meinung nach lernen Kinder nicht, wenn sie sich nur mit digitalen Medien beschäftigen. Es fehlen Wiederholungen, Kontext und Relevanz.

Soziale Isolation

Übermäßiger Medienkonsum kann zu sozialer Isolation führen, da weniger Zeit für reale Kontakte und soziale Interaktionen bleibt. Junge Menschen brauchen reale Kontakte, um ihre sozialen Fähigkeiten zu entwickeln. Die Information eines direkten Gegenübers ist viel reicher: Mimik und Gestik, der Klang der Stimme - hier spielt viel mit hinein. Nur so lernt man Empathie und Einfühlung. Und nur so lernt man, wie man miteinander umgeht.

Gesundheitliche Probleme

Ausschweifende Handy- und Tabletnutzung kann zu Haltungsschäden, Kurzsichtigkeit oder Bluthochdruck führen. Es leiden zudem die kognitive und die emotionale Intelligenz und auch die sprachliche Entwicklung. Vor allem das Nahsehen führe zu Kurzsichtigkeit, der stärkste Risikofaktor für Erblindung.

Psychische Probleme

Weitere mögliche Folgen von Mediensucht bei Kindern sind Begleiterkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, soziale Phobien und Schlafprobleme.

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Gegenmaßnahmen und Prävention

Reduzierung der Bildschirmzeit

Ein wichtiger Schritt zur Vorbeugung digitaler Demenz ist die Reduzierung der Bildschirmzeit. Es ist ratsam, das Smartphone häufiger zur Seite zu legen und Computer oder Tablet auszuschalten.

Digital Detox

Regelmäßige Digital Detox-Phasen können helfen, das Gehirn zu entlasten und die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern. Achten Sie darauf, dass Sie jeden Tag genug Zeit haben, während der Sie nicht auf den Bildschirm Ihres Smartphones, Tablets oder Fernsehers schauen oder sich auf die Fähigkeiten der Geräte verlassen.

Gehirntraining

Regelmäßiges Gehirntraining kann helfen, die kognitiven Fähigkeiten zu stärken und die Leistungsfähigkeit des Gehirns zu erhalten. Lernen Sie doch beispielsweise mal wieder ein paar nützliche Telefonnummern auswendig. Oder Sie üben sich in ein paar Rechenaufgaben, lernen eine Sprache oder lösen Rätsel wie Sudoku oder Wordle.

Förderung realer sozialer Kontakte

Statt nur auf das Smartphone zu starren, sollten Sie sich häufiger mit anderen Menschen unterhalten - real, von Angesicht zu Angesicht. Schon ein simples Gespräch hilft, Informationen und Emotionen besser zu verarbeiten und ins Langzeitgedächtnis zu übertragen.

Medienkompetenz

Medienkompetenz ist die Fähigkeit, mit unterschiedlichen Informations- und Kommunikationskanälen umzugehen. Es liegt an Ihnen, das Internet richtig zu nutzen und so digitaler Demenz vorzubeugen. Ob Sie nur Fakten raussuchen und gleich wieder vergessen oder etwas dazulernen wollen, ist Ihre Verantwortung.

Förderung anderer Aktivitäten

Eltern sollten ihren Kindern andere Beschäftigungen vorschlagen und gemeinsam umsetzen, um sie von digitalen Medien abzulenken. Es gibt so viele tolle Sachen, die man als Mensch lernen kann. Warum die Zeit vertun mit digitalem langweiligem Schnickschnack, der einen im Leben nicht weiterbringt?

Regeln und Beschränkungen

Es ist wichtig, Regeln für die Nutzung digitaler Medien aufzustellen und diese konsequent zu verfolgen. Je später die Kinder damit anfangen, desto besser ist es. Beschränken Sie den Medienkonsum auch davon abhängig zu machen, was läuft. Baller- und Gewaltspiele aller Art zum Beispiel sollten komplett verboten werden.

Professionelle Hilfe

Wenn keine Lösung in Sicht ist, sollten Eltern professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Professionelle Hilfe gibt es bei der Drogenhilfe oder, wenn psychische Erkrankungen auch eine Rolle spielen, bei allen ambulanten und stationären Angebote der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie.

Kritische Betrachtung

Die Annahmen zur digitalen Demenz sind heute populär. Dennoch herrscht unter Wissenschaftlern Uneinigkeit: Längst nicht alle teilen die Einschätzung, dass Computer und Internet schädlich für das Gehirn sind und kognitive Fähigkeiten beeinträchtigen. Eine Erklärung: Durch digitales Abspeichern muss das Gehirn sich weniger mit dem bereits vorhandenen Wissen beschäftigen - es bleiben mehr Kapazitäten, um weitere Informationen aufzunehmen.

Andere Studien zeigen sogar, dass die Nutzung digitaler Medien positive Auswirkungen haben kann, insbesondere bei älteren Menschen. So senke die Nutzung digitaler Technologien das Risiko geistiger Beeinträchtigungen um 58 Prozent. Selbst als die Forscher sozioökonomischen Status, Bildung, Alter, Geschlecht, kognitive Grundfähigkeiten, soziale Unterstützung, allgemeine Gesundheit und die Teilnahme an geistigen Aktivitäten wie Lesen als Faktoren ausschlossen, kamen sie zum gleichen Ergebnis.

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