Dreimal im Leben schrumpft Ihr Gehirn am stärksten: Entwicklung und Veränderungen

Das menschliche Gehirn ist ein faszinierendes Organ, das sich ständig verändert und anpasst. Obwohl es allgemein bekannt ist, dass das Gehirn im Alter schrumpft, gibt es bestimmte Lebensphasen, in denen dieser Prozess besonders ausgeprägt ist. Dieser Artikel beleuchtet diese kritischen Entwicklungsstadien und die damit verbundenen Veränderungen im Gehirn.

Das schrumpfende Gehirn: Ein Überblick

Es ist eine unbestreitbare Tatsache: Das menschliche Gehirn schrumpft. Anthropologen haben dies durch Messungen an Schädeln aus verschiedenen Epochen der Menschheitsgeschichte belegt. Der Homo sapiens, zu dem wir gehören, verliert an "Gehirnschmalz". Heute variiert das Gehirnvolumen erwachsener Menschen weltweit zwischen 900 und 2100 Millilitern, im Schnitt beträgt es 1349 Milliliter. Bereits Ende der 1980er-Jahre belegte eine Untersuchung von tausenden Schädeln aus unterschiedlichen Jahrtausenden, dass bei Männern aus Europa und Nordafrika das Gehirnvolumen seit der Mittelsteinzeit um zehn Prozent abgenommen hat. Frauen verloren sogar 17 Prozent ihres Gehirnvolumens.

Die Pubertät: Ein dramatischer Umbau

Die Pubertät ist eine Zeit intensiver Veränderungen, sowohl körperlich als auch geistig. In dieser Phase durchläuft das Gehirn einen tiefgreifenden Umbauprozess, der mit dem Abbau von Synapsen einhergeht. Überflüssige oder selten genutzte Verbindungen werden entfernt, um Platz für neue, effizientere Verbindungen zu schaffen. Dieser Prozess, auch bekannt als "Synaptic Pruning", ermöglicht es dem Gehirn, sich auf die Entwicklung wichtiger Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu konzentrieren.

Die Neurobiologin Inga Neumann, Professorin an der Uni Regensburg, vergleicht die Pubertät mit der Schwangerschaft: "In der Teenagerzeit wird das Kind zum Erwachsenen, in der Schwangerschaft wird die Frau zur Mutter. Beides verändert das Gehirn dramatisch."

Schwangerschaft und Mutterschaft: Eine Zeit der Anpassung

Wissenschaftler haben dramatische Veränderungen im Gehirn von Müttern nach Schwangerschaft und Geburt entdeckt. Eine Studie des Amsterdam University Medical Center untersuchte die Gehirne von 80 gesunden Frauen vor und nach der Schwangerschaft mithilfe der Magnetresonanztomografie (MRT). Die Ergebnisse zeigten, dass das Gehirn einer schwangeren Frau schrumpft. Das Volumen nimmt insbesondere im sogenannten bilateralen Sulcus temporalis superior und im temporoparietalen Übergang sowie an der vorderen und hinteren Mittellinie des Gehirns ab - das sind alles diejenigen Bereiche, die eine Rolle bei sozialen Beziehungen spielen.

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Daniela Pollak, Neurobiologin vom Department für Neurophysiologie und Neuropharmakologie der Medizinischen Universität Wien, erklärt den Sinn dahinter: „Überflüssige Verknüpfungen werden entfernt, sodass gewissermaßen Platz ist für neue Verknüpfungen, die es für das Großziehen des Nachwuchses braucht.“

Die Schwangerschaft hat einen so tiefgreifenden Einfluss auf das Gehirn, dass sie häufig mit der Pubertät verglichen wird. Ebenso wie in der Pubertät spielen bei der werdenden Mutter die Hormone eine tragende Rolle. So werden etwa Oxytocin, Dopamin und Prolaktin schon in der Schwangerschaft in höheren Konzentrationen ausgeschüttet. Im Laufe der Zeit können sie in der Vernetzung des Gehirns der Mutter eine Reihe von Veränderungen bewirken. Weil unter anderem Oxytocin - auch als Bindungshormon bekannt - der Weiterleitung von Stresssignalen entgegenwirkt, sind Schwangere und auch eine frische Mutter nachweislich weniger anfällig für Stress.

Das Alter: Ein natürlicher Prozess

Mit zunehmendem Alter schrumpft das Gehirn auf natürliche Weise. Dieser Prozess beginnt etwa ab dem 65. Lebensjahr, wobei das Gehirn langsamer reagiert und länger braucht, um Nervenimpulse zu verarbeiten. Entgegen der landläufigen Meinung beeinträchtigt hohes Alter jedoch nicht unbedingt die Intelligenz.

Eine neue Studie des EU-Konsortiums „Lifebrain“ zeigt, dass mehr Bildung die Alterung des Gehirns nicht verlangsamt. Wissenschaftler*innen aus acht Ländern maßen das Hirnvolumen von mehr als 2.000 Studienteilnehmenden mithilfe der strukturellen Magnetresonanztomographie. Die Ergebnisse zeigten zwar einen positiven Zusammenhang zwischen dem Volumen einiger Bereiche des Gehirns und dem Ausmaß an Bildung. Jedoch nahm bei Erwachsenen, die höhere Bildungsabschlüsse erreicht hatten, das Hirnvolumen genau so sehr mit dem Alter ab wie bei Personen mit niedrigeren Bildungsabschlüssen.

Ursachen und Auswirkungen des Gehirnschrumpfens

Die Gründe für das Gehirnschrumpfen sind vielfältig und nicht vollständig verstanden. Einige mögliche Faktoren sind:

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  • Genetische Veranlagung: Die genetische Ausstattung eines Menschen kann beeinflussen, wie schnell das Gehirn altert und schrumpft.
  • Hormonelle Veränderungen: Hormonelle Veränderungen, insbesondere während der Schwangerschaft und im Alter, können das Gehirnvolumen beeinflussen.
  • Lebensstil: Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Stress und soziale Interaktionen können sich auf die Gesundheit und Größe des Gehirns auswirken.
  • Krankheiten: Bestimmte Krankheiten, wie Alzheimer, Parkinson und andere neurodegenerative Erkrankungen, können den Abbau von Gehirnzellen beschleunigen.

Die Auswirkungen des Gehirnschrumpfens können vielfältig sein und hängen von der betroffenen Region und dem Ausmaß des Volumenverlusts ab. Einige mögliche Folgen sind:

  • Kognitive Beeinträchtigungen: Gedächtnisprobleme, Aufmerksamkeitsdefizite, Schwierigkeiten beim Lernen und Problemlösen.
  • Motorische Störungen: Schwierigkeiten bei der Bewegungskoordination, Zittern, Muskelsteifheit.
  • Emotionale Veränderungen: Depressionen, Angstzustände, Reizbarkeit.
  • Verhaltensänderungen: Apathie, sozialer Rückzug, Aggressivität.

Was können wir tun?

Obwohl das Gehirnschrumpfen ein natürlicher Prozess ist, gibt es Möglichkeiten, die Gesundheit des Gehirns zu fördern und den Abbau zu verlangsamen:

  • Geistige Aktivität: Fordern Sie Ihr Gehirn heraus, indem Sie neue Dinge lernen, Rätsel lösen, lesen oder ein Musikinstrument spielen.
  • Körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung fördert die Durchblutung des Gehirns und kann das Wachstum neuer Gehirnzellen anregen.
  • Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und gesunden Fetten ist wichtig für die Gesundheit des Gehirns.
  • Soziale Interaktion: Pflegen Sie soziale Kontakte und bleiben Sie aktiv in Ihrer Gemeinschaft.
  • Stressmanagement: Finden Sie gesunde Wege, um Stress abzubauen, wie z.B. Meditation, Yoga oder Spaziergänge in der Natur.
  • Ausreichend Schlaf: Schlafmangel kann die kognitive Funktion beeinträchtigen und das Gehirn schädigen.
  • Vermeidung von Risikofaktoren: Vermeiden Sie Rauchen, übermäßigen Alkoholkonsum und andere schädliche Substanzen.

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