Duale Plättchenhemmung beim Schlaganfall: Ein Überblick über aktuelle Leitlinien und Empfehlungen

Jährlich erleiden in Deutschland etwa 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Die rasche Einleitung einer adäquaten Therapie ist entscheidend, um Folgeschäden zu minimieren. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutsche Schlaganfallgesellschaft (DSG) haben die S2e-Leitlinie zur Akuttherapie des ischämischen Schlaganfalls aktualisiert und erweitert. Diese Leitlinie ersetzt die vorherige S1-Leitlinie aus dem Jahr 2012 sowie deren Ergänzung aus dem Jahr 2015 und berücksichtigt neue Aspekte wie das Post-Stroke-Delir, die kardiovaskuläre Diagnostik und geschlechtsspezifische Unterschiede beim Schlaganfall.

Was ist neu in der aktualisierten Leitlinie?

Die aktualisierte Leitlinie beinhaltet mehrere wichtige Neuerungen:

  • Behandlung auf der Stroke-Unit: Alle Patienten mit einem ischämischen Insult sollen in einer Stroke-Unit behandelt werden.
  • Zerebrale Diagnostik: Eine sofortige zerebrale Diagnostik mittels CT oder MRT ist erforderlich, um zwischen Ischämie und Blutung zu differenzieren und das weitere therapeutische Vorgehen festzulegen.
  • Gefäßdiagnostik: Bei potenzieller mechanischer Thrombektomie sollte stets eine Gefäßdiagnostik vom Aortenbogen aufwärts erfolgen.
  • Erweiterte Bildgebung: Bei Überschreitung des Zeitfensters von 4,5 Stunden nach Symptombeginn sollte eine erweiterte Bildgebung (z. B. Perfusionsuntersuchung mit MRT oder CT) erfolgen, um weitere Reperfusionsmöglichkeiten zu prüfen.
  • Thrombolyse: Die Standardtherapie für die systemische Thrombolyse ist Alteplase (rt-PA). Der Einsatz von Tenecteplase außerhalb klinischer Studien sollte nur in Einzelfällen erfolgen, da die Studienlage beim Schlaganfall bisher nicht einheitlich ist.
  • Post-Stroke-Delir: Die Leitlinien empfehlen das gezielte Screening auf ein Post-Stroke-Delir mit etablierten Scores. Neben medikamentösen Behandlungen ist die frühzeitige Reorientierung der Patienten durch Kommunikation, Mobilisation, Brille, Hörgeräte und die Förderung des Tag-Nacht-Rhythmus wichtig.
  • Geschlechtsspezifische Unterschiede: Die systematische Suche in Datenbanken ergab keinen Anhaltspunkt dafür, dass Frauen mit einem Schlaganfall anders behandelt werden sollten als Männer. Allerdings zeigten sich variable epidemiologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern, wie ein höheres Durchschnittsalter und eine höhere Prävalenz von Bluthochdruck und Vorhofflimmern bei Frauen.

Duale Plättchenhemmung: Indikation und Dauer

Die duale antithrombotische Sekundärprophylaxe (ASS plus Clopidogrel oder Ticagrelor) sollte nicht routinemäßig erfolgen. Sie kann bei ausgewählten Patienten nach TIA (transiente ischämische Attacke) oder leichten Schlaganfällen über einen Zeitraum von 21-30 Tagen Vorteile haben (nichttödliche Rezidive reduzieren), möglicherweise jedoch zulasten des Blutungsrisikos bei insgesamt unveränderter Mortalität und nur geringem Einfluss auf bleibende Behinderung und Lebensqualität. Bei erhöhtem Blutungsrisiko sollte keine duale Plättchenhemmung erfolgen.

Aktuelle Empfehlungen zur Plättchenhemmung nach Schlaganfall

Die kürzlich publizierte aktualisierte S2k-Leitlinie zur Sekundärprävention des Schlaganfalls fasst die aktuellen Empfehlungen zur thrombozytenfunktionshemmenden Therapie nach Schlaganfall zusammen.

  • Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke (TIA) sollen mit ASS 100 mg täglich behandelt werden, sofern keine Indikation zur Nutzung eines anderen Thrombozytenaggregationshemmers (TFH) oder zur Antikoagulation vorliegt.
  • Eine TFH soll erst nach sicherem Ausschluss einer intrakraniellen Blutung erfolgen.
  • Eine TFH sollte zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach ischämischem Schlaganfall oder TIA begonnen werden, auch wenn die Schlaganfallursachenabklärung noch nicht abgeschlossen ist.
  • Eine generelle Umstellung auf einen anderen TFH als Monotherapie kann aufgrund fehlender Studiendaten nicht empfohlen werden. Die Adhärenz sollte überprüft und die Schlaganfallätiologie erneut abgeklärt werden.
  • Bei Komedikation von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) sollte die reduzierte Wirksamkeit der ASS berücksichtigt werden. Es wird eine zeitlich versetzte Gabe der NSAR (i. d. R. mindestens 30 Minuten) nach Einnahme von ASS empfohlen.
  • Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA können alternativ zu ASS mit Clopidogrel behandelt werden. Keine der beiden Substanzen ist der jeweils anderen sicher überlegen. Am ersten Behandlungstag sollten 300 bis 600 mg Clopidogrel, jeweils als Einmaldosis, verabreicht werden.
  • Eine Monotherapie mit Ticagrelor kann - zum Beispiel bei Unverträglichkeit - als Alternative zu einer Monotherapie mit ASS oder Clopidogrel erwogen werden.
  • Ausgewählte Patienten mit einem leichten, nicht kardioembolischen, ischämischen Schlaganfall oder einer TIA mit hohem Rezidivrisiko, die nicht mit intravenöser Thrombolyse oder endovaskulärer Schlaganfalltherapie behandelt wurden, können innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn mit einer dualen Plättchenhemmung behandelt werden. Hierfür stehen die Kombination von ASS und Ticagrelor und die von ASS und Clopidogrel zur Verfügung. Die Kombination von ASS und Ticagrelor sollte für 30 Tage, die von ASS und Clopidogrel für etwa 21 Tage fortgesetzt werden
  • Bei Patienten mit stabiler KHK und/oder stabiler pAVK (inklusive asymptomatischer ≥ 50%iger Karotisstenose oder nach operativ oder interventionell revaskularisierter Karotisstenose) und ohne vorangegangenen, lakunären oder hämorrhagischen Schlaganfall kann eine Kombinationstherapie aus niedrig dosiertem Rivaroxaban 2,5 mg 2×/Tag und ASS 100 mg erwogen werden.

LDL-Cholesterin und Blutungsrisiko unter DAPT

Erhöhte LDL-Cholesterinspiegel (LDL-C) gelten als Risikofaktor für einen ischämischen Schlaganfall oder transiente ischämische Attacken (TIA), auch eines Rezidivs. Maximalwerte um 70 mg LDL/dL - bei hohem kardiovaskulären Risiko auch 55 mg/dL - werden empfohlen, um die Wahrscheinlichkeit zu senken. Allerdings kann eine aggressive LDL-C-Senkung das Risiko hämorrhagischer Ereignisse erhöhen. Auch die duale Plättchenhemmung (DAPT), wie sie nach leichtem Schlaganfall (MIS) zur Rezidivprophylaxe erfolgt - oft mit Clopidogrel plus Acetylsalicylsäure (ASS) oder Ticagrelor plus ASS - geht mit einem erhöhten Blutungsrisiko einher.

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Eine Analyse von Patientendaten aus zwei randomisierten Multicenterstudien (CHANCE, CHANCE-2) untersuchte, ob eine Senkung des LDL-Cholesterinspiegels bei Patienten unter DAPT das Blutungsrisiko erhöht. Die Ergebnisse zeigten, dass ein LDL-C-Spiegel < 70 mg/dL mit einem erhöhten Blutungsrisiko assoziiert war, insbesondere bei der Kombination Ticagrelor-ASS. Für die Therapie mit Clopidogrel-ASS wurde bei einem LDL-C-Spiegel < 70 mg/dL kein statistisch signifikant erhöhtes allgemeines Blutungsrisiko ermittelt.

Die Studie zeigt, dass die leitliniengerechte Senkung des LDL-C bei doppelter Plättchenhemmung nicht ganz frei von Risiken ist. Die duale Thrombozytenaggregationshemmung wird bei einem Teil der Patienten nach leichtem Schlaganfall und nur für einen begrenzten Zeitraum durchgeführt. Sie erfolgt meist mit der weniger problematischen Kombination Acetylsalicylsäure - Clopidogrel und dann für 21 Tage.

PFO-Verschluss bei kryptogenem Schlaganfall

Bei jüngeren Patienten mit einem offenen oder persistierenden Foramen ovale (PFO), bei denen ein ansonsten ursächlich ungeklärter Schlaganfall („kryptogener“ Schlaganfall) aufgetreten ist, war der Nutzen eines interventionellen PFO-Verschlusses mittels eines per Katheter eingeführten Schirmchens („Okkluder“) lange Zeit umstritten. Erst in jüngster Zeit konnte in nunmehr vier randomisierten Studien der Nachweis erbracht werden, dass durch interventionellen PFO-Verschluss das Risiko für Schlaganfall-Rezidive signifikant reduziert werden kann.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) haben die neue Datenlage durch ein interdisziplinäres Expertenkomitee prüfen lassen und auf dieser Grundlage die gemeinsame S2e-Leitlinie „Kryptogener Schlaganfall und offenes Foramen ovale“ erstellt.

Die wichtigste von insgesamt fünf in die Leitlinie aufgenommenen Empfehlungen lautet: „Bei Patienten zwischen 16 und 60 Jahren mit einem (nach neurologischer und kardiologischer Abklärung) kryptogenen ischämischen Schlaganfall und offenem Foramen ovale mit moderatem oder ausgeprägtem Rechts-Links-Shunt soll ein interventioneller PFO-Verschluss durchgeführt werden“.

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Nach einem interventionellen PFO-Verschluss wird eine duale Plättchenhemmung mit 100 mg Aspirin plus 75 mg Clopidogrel für 1-3 Monate empfohlen, gefolgt von einer 12-24-monatigen Monotherapie mit Aspirin 100 mg oder Clopidogrel 75 mg.

Stellenwert der Sekundärprävention

Der Schlaganfall ist nach wie vor die häufigste zu dauerhafter Behinderung führende Erkrankung. Bei rund 30 bis 40 % aller Schlaganfälle handelt es sich um Rezidiv-Schlaganfälle. Diese gehen mit einem längeren Klinikaufenthalt einher, führen häufiger zu bleibender Behinderung und verursachen dementsprechend auch höhere Folgekosten. Einer optimalen Sekundärprävention kommt daher ein wesentlicher Stellenwert zu.

Zur Sekundärprävention des nicht-kardioembolischen Schlaganfalls stehen als Thrombozytenfunktionshemmer (TFH) Acetylsalicylsäure (ASS) und Clopidogrel zur Verfügung. Nachdem die Ticagrelor-Monotherapie in der SOCRATES-Studie [10] im Vergleich zu ASS keine signifikanten Vorteile zeigte, kann Ticagrelor - zum Beispiel bei Unverträglichkeit - als Alternative zu ASS oder Clopidogrel eingesetzt werden. Insbesondere bei Hochrisikopatienten mit fortgeschrittener Arteriosklerose ist die Wirksamkeit dieser Substanzen allerdings begrenzt und effektivere Maßnahmen sind wünschenswert. In der letzten Zeit wurde daher untersucht, ob die Wirksamkeit einer TFH-Therapie durch die Kombination mit einem weiteren TFH oder einer niedrig dosierten oralen Antikoagulation (OAK) mit direkten OAK verbessert werden kann. Als TFH können die Kombination aus ASS und Clopidogrel sowie ASS und Ticagrelor eingesetzt werden. Ticagrelor ist ein potenter Plättchenhemmer, der reversibel den P2Y12-Rezeptor der Thrombozyten hemmt und im Gegensatz zu Clopidogrel eine direkte Wirkung entfaltet.

ASS-Dosierung

Die optimale ASS-Dosierung zur effektiven Vermeidung ischämischer Ereignisse und möglichst geringem Blutungsrisiko ist bei Patienten mit arteriosklerotischen Vorerkrankungen nicht gut untersucht. Während in Europa die meisten Patienten eine Dosis von 100 mg ASS erhalten, wird in Nordamerika die Gabe von 325 mg favorisiert.

Die multizentrische ADAPTABLE(Aspirin dosing: a patient-centric trial assessing benefits and long-term effectiveness)-Studie [15] randomisierte 15 076 Patienten mit arteriosklerotischer kardiovaskulärer Erkrankung für die Therapie mit 81 mg oder 325 mg ASS pro Tag. Primärer Effektivitätsendpunkt war die Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall oder Tod jeglicher Ursache. Der primäre Sicherheitsendpunkt war das Auftreten einer schweren Blutung.

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Die mediane Nachbeobachtungszeit betrug 26,2 Monate. Vor der Randomisierung nahm ein Großteil der Patienten bereits ASS (n = 13 537) ein, davon 85,3 % die Dosis von 81 mg. Der primäre Effektivitätsendpunkt trat in beiden Gruppen vergleichbar häufig auf (Hazard-Ratio [HR] 1,02; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,91-1,14). Auch für die Blutungsrate ergab sich kein Unterschied (HR 1,18; 95%-KI 0,79-1,77). Allerdings wechselten signifikant mehr Patienten von der hohen auf die niedrige Dosis als umgekehrt (41,6 % vs. 7,1 %).

Es ist allerdings möglich, dass die Wirksamkeit von ASS auf kardiovaskuläre Ereignisse vom Körpergewicht beeinflusst wird. Rothwell et al. [21] konnten in einer Metaanalyse von Studien zum Einsatz von ASS in der Primär- und Sekundärprävention zeigen, dass niedrige Dosen von ASS (75-100 mg) nur bei einem Körpergewicht unter 70 kg wirksam sind und von höheren ASS-Dosen nur Patienten mit einem Gewicht von 70 kg und mehr profitieren.

Duale TFH bei TIA oder leichtem Schlaganfall

Bisherige Studien belegten den Nutzen einer intensivierten TFH-Therapie zur Sekundärprävention zerebraler Ischämien für ausgewählte Patienten mit hohem Risiko (z. B. symptomatischer intrakranieller Stenose) über einen limitierten Zeitraum. In der CHANCE-Studie (Clopidogrel in high-risk patients with acute non-disabling cerebrovascular events) [28, 29] wurde in einer chinesischen Population gezeigt, dass eine kurzzeitige duale TFH-Therapie mit ASS und Clopidogrel über 21 Tage im Vergleich zu einer ASS-Monotherapie das Rezidivrisiko nach Hochrisiko-TIA oder leichtem Schlaganfall reduziert (8,2 % [ASS + Clopidogrel] vs. 11,7 % [ASS]; HR 0,68; 95%-KI 0,57-0,81), ohne dass signifikant mehr Blutungen auftraten.

Ob eine duale TFH auch in einer internationalen Population wirksam ist, wurde in der POINT-Studie (Platelet-oriented inhibition in new TIA and minor ischemic stroke) [13] an 4881 Patienten mit Hochrisiko-TIA (ABCD2-Score > 3) oder leichtem Schlaganfall (NIHSS < 4) und einer Nachbeobachtung von 90 Tagen untersucht. Diese erhielten entweder eine duale TFH (Clopidogrel, 600 mg loading, dann 75 mg) und ASS (50-325 mg) oder ASS (50-325 mg) über 90 Tage. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus zerebraler Ischämie, Myokardinfarkt oder Tod durch ein ischämisch-vaskuläres Ereignis. Die Studie wurde nach Einschluss von 84 % der geplanten Patienten bei weniger ischämischen Ereignissen (5,0 % [ASS + Clopidogrel] vs. 6,5 % [ASS]), aber signifikant mehr Blutungen (0,9 % [ASS + Clopidogrel] vs. 0,4 % [ASS]; HR 2,32, 95%-KI 1,10-4,87) vorzeitig beendet.

In einer weiteren Analyse der POINT-Daten [14] wurde der Zeitverlauf des Nutzen-Risiko-Verhältnisses für die duale TFH im Vergleich zur Monotherapie untersucht. Es zeigte sich die größte Risikoreduktion für ein Rezidiv in den ersten Wochen, währenddessen die Rate schwerer Blutungen über den gesamten Zeitraum vergleichbar hoch war. Die optimale Dauer einer dualen TFH wurde mit maximal 21 Tagen berechnet (duale TFH vs. Monotherapie: HR 0,65; 95%-KI 0,50-0,85).

Auch in einer kombinierten Analyse der POINT- und CHANCE-Daten [19] mit 10 051 Patienten zeigte sich, dass eine duale TFH für 21 Tage im Vergleich zu einer ASS-Monotherapie das Risiko des primären Endpunkts signifikant reduzierte (Dual: 5,2 % vs. Mono: 7,8 %; HR 0,66; 95%-KI 0,56-0,77), nicht aber im weiteren Verlauf zwischen Tag 22 und Tag 90 (Dual: 1,4 % vs. Mono: 1,5 %; HR 0,94; 95%-KI 0,67-1,32). Die deutlichste Risikoreduktion fand sich innerhalb der ersten 10 Tage (Abb. 1); von Tag 11 bis Tag 21 zeigte sich lediglich eine geringe Risikoreduktion (Dual: 0,5 % vs. Mono: 0,8 %; HR 0,72; 95%-KI 0,43-1,22).

In der POINT-Studie wurde die duale TFH innerhalb von 12 Stunden nach dem Indexereignis begonnen. In der Praxis kommt es jedoch immer wieder vor, dass sich Patienten - insbesondere nach einer TIA - erst verzögert vorstellen. Daher wurde in einer weiteren Analyse der POINT-Studie [14] untersucht, ob auch ein späterer Beginn der dualen TFH zu einem reduzierten Risiko führt. Die Risikoreduktion durch eine duale TFH war bis zu 72 Stunden nach Indexereignis nachweisbar, allerdings deutlich geringer als bei einem Therapiebeginn < 12 Stunden.

Eine Post-hoc-Analyse der POINT-Studie [30] ging der Frage nach, ob Patienten mit symptomatischer Karotisstenose (≥ 50 %) ein erhöhtes Risiko haben und möglicherweise stärker von der dualen TFH mit Clopidogrel und ASS profitieren. Es wurden 3941 Patienten in die Auswertung einbezogen. In einer adjustierten Analyse war der Nachweis einer mindestens 50%igen Karotisstenose mit einem erhöhten Risiko für eine Rezidiv-Hirnischämie assoziiert (HR 2,45; 95%-KI 1,68-3,57). Die Wirksamkeit der dualen TFH war für die Gruppe mit bzw. ohne ≥ 50%ige Karotisstenose vergleichbar (p für Interaktion nicht signifikant).

In einer weiteren Subgruppen-Analyse der POINT-Studie [20] wurde untersucht, ob die Wirksamkeit der dualen TFH bei Nachweis eines Infarkts in der Bildgebung größer ist. Von den eingeschlossenen 4876 Patienten mit Bildgebung wiesen 1793 (36,8 %) einen Infarkt in der initialen Bildgebung (Computertomographie [CT] oder Magnetresonanztomographie [MRT]) auf. Bei Nachweis eines Infarkts war das Risiko für eine Rezidiv-Ischämie signifikant erhöht (HR 3,68; 95%-KI 2,73-4,95). Patienten mit Infarkt und einer dualen TFH zeigten signifikant seltener ein Rezidiv im Vergleich zur Monotherapie (HR 0,56; 95%-KI 0,41-0,77). Patienten ohne Infarktnachweis profitierten nicht von einer dualen TFH (HR 1,11; 95%-KI 0,74-1,65).

Kombination aus Ticagrelor und ASS

In der THALES-Studie [12] wurde die kombinierte Gabe von ASS und Ticagrelor mit einer ASS-Monotherapie nach leichtem Schlaganfall (NIHSS ≤ 5) oder TIA nicht kardio-embolischer Genese hinsichtlich des Auftretens einer Rezidiv-Ischämie miteinander verglichen. Der primäre Endpunkt war die Kombination aus Schlaganfall oder Tod innerhalb von 30 Tagen. Dieser trat unter der Kombination signifikant seltener auf (5,5 vs. 6,6 %; HR 0,83; 95%-KI 0,71-0,96). Auch die Rate an Rezidiv-Hirninfarkten war signifikant vermindert (HR 0,79; 95%-KI 0,68-0,9). Schwere Blutungen traten unter der Kombinationstherapie signifikant häufiger auf (28 Patienten [0,5 %] vs. 7 Patienten [0,1 %]: HR 3,99; 95%-KI 1,74-9,14).

Bei früheren Studien zur dualen TFH wurden ausschließlich Patienten mit leichtem Schlaganfall oder TIA eingeschlossen. In einer explorativen Analyse der THALES-Studie [27] wurde daher untersucht, ob die Wirksamkeit und Sicherheit auch bei Patienten mit moderatem Schlaganfall (NIHSS 4-5) denen mit leichtem Schlaganfall (NIHSS 0-3) vergleichbar ist.

3312 Patienten wiesen einen moderaten und 6671 Patienten einen leichten Schlaganfall auf. In der Gruppe mit moderatem Schlaganfall trat der primäre Endpunkt bei 7,6 % (Ticagrelor) und 9,1 % der Kontrollen auf (HR 0,84; 95%-KI 0,66-1,06; Abb. 3). In der Gruppe mit leichtem Schlaganfall zeigte er sich bei 4,7 % (Ticagrelor) und 5,7 % (Kontrollen) (HR 0,82; 95%-KI 0,66-1,01; Abb. 3). Schwere Blutungen traten in der moderaten Gruppe bei 0,5 % (Ticagrelor) vs. 0,2 % (Kontrollen) (HR 1,97; 95%-KI 0,59-6,63) und in der leichten Gruppe bei 0,5 % (Ticagrelor) vs. 0,1 % (Kontrollen) (HR 5,28; 95%-KI 1,54-18,1) auf.

Wirksamkeit einer dualen TFH bei vorbestehender Monotherapie?

In einer Post-hoc-Analyse der POINT-Studie [1] wurde der Einfluss einer vorbestehenden TFH auf die Schlaganfallrezidivrate innerhalb von 90 Tagen nach Randomisierung (primärer Endpunkt) untersucht. Von den 4881 Patienten wiesen 41 % noch keine vorbestehende TFH auf. Der primäre Endpunkt ereignete sich bei 5 % (keine TFH) und bei 6 % der Patienten mit vorbestehender TFH. Eine vorbestehende TFH hatte keinen Ei…

Fallbeispiel: Medikamentöse Sekundärprophylaxe und Risikofaktorenmanagement

Die Kasuistik zeigt einen Patienten mit einer frischen zerebralen Ischämie im Stromgebiet der Arteria cerebri media links mikroangiopathischer Genese. Hier ist es wichtig, eine optimale medikamentöse Sekundärprophylaxe zu etablieren, die kardiovaskulären Risikofaktoren zu behandeln und nichtmedikamentöse Maßnahmen einzuleiten.

Die medikamentöse Sekundärprophylaxe ist umfangreich. Die Auswahl des Arzneimittels zur Sekundärprophylaxe einer zerebralen Ischämie folgt der Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) (1). Eingesetzt werden die Thrombozytenaggregationshemmer Acetylsalicylsäure (ASS), Clopidogrel und (in der Praxis sehr selten) Ticagrelor. Dipyridamol, Ticlopidin und Prasugrel sowie intravenöses Abciximab sollten aufgrund fehlenden Mehrnutzens oder ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils nach ischämischem Schlaganfall oder TIA nicht eingesetzt werden. Der Stellenwert des selektiven Phosphodiesterase-3-Hemmers Cilostazol bleibt in der Schlaganfallprophylaxe weiterhin unklar.

Da der ischämische Schlaganfall im vorliegenden Fall am ehesten auf eine mikroangiopathische Genese zurückzuführen ist und sich keine kardiale Emboliequelle nachweisen lässt (kein Nachweis von Vorhofflimmern im Langzeit-EKG und kein Nachweis einer kardialen Emboliequelle in der TEE), ist ASS 100 mg pro Tag als Sekundärprophylaxe indiziert. Laut Leitlinie sollen Patienten mit ischämischem Schlaganfall oder TIA zur Sekundärprävention mit ASS 100 mg täglich behandelt werden, sofern keine Indikation zur Nutzung eines anderen Thrombozytenaggregationshemmers oder zur Antikoagulation vorliegt (1). Eine Alternative zu ASS bietet Clopidogrel.

Arzneimittelbezogene Probleme in der Apotheke

Bei der Beratung von Schlaganfallpatienten sollten Offizinapotheker besonders auf die Therapieadhärenz achten. Gemäß aktueller Leitlinie können ausgewählte Patienten mit einem leichten, nicht-kardioembolischen ischämischen Schlaganfall oder einer TIA mit hohem Rezidivrisiko (NIHSS <4 Punkte [5]) oder Hochrisiko-TIA (ABCD2-Score ≥ 4 [6], Tabelle 3), die nicht mit intravenöser Thrombolyse oder endovaskulärer Schlaganfalltherapie behandelt wurden, innerhalb von 24 Stunden nach Symptombeginn mit einer dualen Plättchenhemmung behandelt werden. Hierfür stehen die Kombination von ASS und Clopidogrel für 21 Tage, alternativ ASS plus Ticagrelor für 30 Tage zur Verfügung.

Achten Sie in der Apotheke besonders auf folgende Punkte:

  • Thrombozytenfunktionshemmer in der Dauermedikation vorhanden?
  • Bei dualer Thrombozytenaggregationshemmung: Indikation und Dauer der Einnahme?
  • Besteht ein erhöhtes Blutungsrisiko?
  • Sind unerwünschte Arzneimittelwirkungen aufgetreten?
  • Ist ein operativer Eingriff geplant?

Behandlung der Hyperlipidämie

Eine Hyperlipidämie ist ein etablierter Risikofaktor für die Entstehung einer Atherosklerose. Damit ist sie für die Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen einschließlich Myokardinfarkt, pAVK und Schlaganfall von erheblicher Bedeutung. Bei Patienten mit Schlaganfall ist die Bestimmung des Lipidprofils (Gesamtcholesterol, LDL- und HDL-Cholesterol, Triglyceride) erforderlich. Vor allem bei jüngeren Patienten sollte auch Lipoprotein (a) bestimmt werden. Dieses Plasma-Lipoprotein gilt als unabhängiger Risikofaktor für Atherosklerose, denn Lp (a) hat Thrombose-fördernde und vor allem Atherosklerose-fördernde Eigenschaften. Durch Ablagerung in der Gefäßwand kann die Atherosklerose beschleunigt werden. Die individuelle Lp-(a)-Konzentration im Blut ist überwiegend genetisch bestimmt. Patienten mit erhöhtem Lp (a) haben ein höheres Risiko für einen ersten und einen erneuten Schlaganfall.

Bei Patienten mit Schlaganfall muss das Lipidprofil regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls medikamentös korrigiert werden. Statine (Cholesterol-Synthese-Hemmer, CSE-Hemmer) hemmen kompetitiv das Schlüsselenzym der Cholesterolbiosynthese, die HMG-Co-A-Reduktase. Diese Inhibition führt zu einem verminderten LDL-Cholesterolgehalt und damit kompensatorisch zu einer Hochregulation der LDL-Rezeptoren in den Leberzellen (7). Dadurch steigt die Aufnahme von LDL-Cholesterol aus dem Plasma in die Leber. In der Regel senken Standarddosen (Atorvastatin 10 bis 20 mg, Rosuvastatin 5 bis 10 mg, Simvastatin 20 bis 40 mg) das LDL-Cholesterol um 30 bis 50 Prozent und eine Hochdosis-Statintherapie (Atorvastatin 40 bis 80 mg, Rosuvastatin 20 bis 40 mg) um mehr als 50 Prozent.

Behandlung der arteriellen Hypertonie

Die arterielle Hypertonie ist der Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle. Eine konsequente antihypertensive Behandlung verringert das Risiko für das Auftreten vaskulärer Ereignisse. Der Blutdruck sollte nach einem Hirninfarkt oder einer TIA langfristig auf unter 140/90 mmHg gesenkt werden. Unter Beachtung der Verträglichkeit und der Vorerkrankungen sowie des Alters des Patienten kann der systolische Blutdruck auf 120 bis 130 mmHg gesenkt werden (1). Gemäß der Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie sind zur Behandlung der arteriellen Hypertonie nach einem Schlaganfall bevorzugt Calciumkanalblocker oder ACE-Hemmer empfohlen. Alternativ können auch Thiazid-Diuretika eingesetzt werden (8). Aufgrund des zusätzlich begleitenden Diabetes sollen ACE-Hemmer oder Sartane bevorzugt werden. Auch der Einsatz von Calciumantagonisten ist möglich. Während der Therapie sollte der Patient seinen Blutdruck regelmäßig kontrollieren (lassen). Der Hausarzt sollte regelmäßig Serum-Kreatinin und Kalium überprüfen.

Behandlung des Diabetes mellitus

Patienten mit Diabetes mellitus haben ein 1,5- bis 3-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko im Vergleich zur Gesamtbevölkerung. Diabetespatienten mit Hypertonus haben ein 2,5-fach erhöhtes Schlaganfallrisiko im Vergleich zu Normotonikern (5). Ziel der antidiabetischen Therapie ist unter anderem die Verbesserung prognostisch relevanter Parameter und Verhinderung von kardiovaskulären und renalen Ereignissen. Um dies zu erreichen, müssen alle relevanten Begleiterkrankungen wie die arterielle Hypertonie und Lipidstoffwechselstörungen adäquat behandelt werden. Neben einer nichtmedikamentösen Basistherapie ist die Etablierung einer Medikation unter Berücksichtigung des individuellen Therapieziels erforderlich. Dem Algorithmus der medikamentösen Therapie des Typ-2-Diabetes folgend ist aufgrund klinisch relevanter kardiovaskulärer Erkrankungen eine Therapie aus Metformin plus SGLT2-Hemmern (Gliflozine) oder GLP-1-Rezeptoragonisten zu empfehlen. Ist das individuelle Therapieziel nach drei bis sechs Monaten nicht erreicht, ist gegebenenfalls eine Intensivierung der Therapie erforderlich (9). Das individuelle Therapieziel ist aufgrund der hohen Lebenserwartung, der kurzen Therapiedauer und der guten funktionellen und kognitiven Fähigkeiten bei 6,5 bis 7,5 Prozent anzusiedeln (siehe auch Titelbeitrag in PZ 15/2024).

Nichtmedikamentöse Maßnahmen

Regelmäßige körperliche Aktivität und eine gesunde Ernährung mit Verzehr von Obst und Gemüse (mindestens drei Portionen pro Tag, vorzugsweise Gemüse) oder eine mediterrane kardioprotektive Diät reduzieren das Risiko eines Schlaganfallrezidivs und vaskulärer Folgeereignisse. Dadurch können Patienten auch Gewicht abnehmen und Übergewicht vermeiden.

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