DWI MRT und Schlaganfall: Eine umfassende Erklärung

Der Schlaganfall ist eine zeitkritische Erkrankung des Gehirns, die durch eine plötzliche Schädigung des Hirngewebes aufgrund eines Gefäßverschlusses (ischämischer Insult) oder einer Hirnblutung (hämorrhagischer Insult) gekennzeichnet ist. Jedes Jahr erleiden weltweit 15 Millionen Menschen einen Schlaganfall, von denen 5 Millionen sterben und weitere 5 Millionen dauerhaft eingeschränkt bleiben. In Deutschland werden jährlich etwa 270.000 Schlaganfälle diagnostiziert, wobei fast 80 % aller Schlaganfälle auf die Altersgruppe ab 60 Jahre entfallen. Die Prognose nach einem Schlaganfall richtet sich nach Ursache, Art und Umfang der Läsion sowie dem Zeitpunkt der therapeutischen Intervention.

In der Diagnostik des Schlaganfalls spielt die Magnetresonanztomographie (MRT) eine entscheidende Rolle. Insbesondere die diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI) hat sich als eine hochsensible und spezifische Methode zur Früherkennung des ischämischen Schlaganfalls etabliert.

Die Bedeutung der Diffusionsgewichteten Bildgebung (DWI)

Die diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI) ist eine spezielle MRT-Technik, die Veränderungen in der Bewegung von Wassermolekülen im Gewebe sichtbar macht. Beim ischämischen Schlaganfall kommt es durch die Hypoxie zu einem zytotoxischen Ödem, das die Diffusion von Wassermolekülen einschränkt. Diese Einschränkung wird in der DWI als Signalveränderung dargestellt, wodurch der ischämische Schlaganfall frühzeitig nachgewiesen werden kann.

Funktionsweise der DWI

Die DWI nutzt die Brownsche Molekularbewegung von Wassermolekülen. In gesundem Hirngewebe bewegen sich Wassermoleküle frei. Bei einem ischämischen Schlaganfall führt die Zellschädigung zu einer verminderten extrazellulären Flüssigkeit und einem Einstrom von Wasser in die Zellen (zytotoxisches Ödem). Dadurch wird die freie Diffusion der Wassermoleküle eingeschränkt.

Die DWI misst diese Einschränkung der Diffusion. Bereiche mit eingeschränkter Diffusion erscheinen in der DWI hell, was auf einen akuten ischämischen Infarkt hinweist.

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Vorteile der DWI

  • Frühe Erkennung: Die DWI kann ischämische Veränderungen bereits wenige Minuten nach dem Ereignis erkennen, oft bevor andere bildgebende Verfahren Veränderungen zeigen.
  • Hohe Sensitivität und Spezifität: Die DWI hat eine hohe Sensitivität und Spezifität für die Diagnose des akuten ischämischen Schlaganfalls.
  • Differenzierung: Die DWI kann helfen, zwischen ischämischen und hämorrhagischen Schlaganfällen zu unterscheiden.
  • Penumbra-Identifizierung: In Kombination mit der Perfusionsbildgebung (PWI) kann die DWI helfen, die Penumbra zu identifizieren, also das noch rettbare Gewebe um den Infarktkern.

MRT zur Therapieentscheidung beim ischämischen Schlaganfall

Trotz der Möglichkeit, ischämische Veränderungen frühzeitig nachzuweisen, ist das MRT zur Therapieentscheidung beim ischämischen Schlaganfall in der Regel nicht notwendig. In besonderen Fällen, wenn z. B. der Zeitpunkt des Schlaganfalls unklar ist oder eine seltene Ursache vermutet wird, kann das MRT jedoch wertvolle Informationen liefern.

DWI-FLAIR-Mismatch

Ein wichtiger Aspekt bei der MRT-basierten Therapieentscheidung ist der DWI-FLAIR-Mismatch. Hierbei wird die DWI mit der FLAIR-Sequenz (Fluid-Attenuated Inversion Recovery) verglichen. Die FLAIR-Sequenz ist sensitiv für Ödeme, die sich erst einige Stunden nach dem Schlaganfall entwickeln.

  • DWI-positiv, FLAIR-negativ: Wenn die DWI einen Schlaganfall anzeigt, die FLAIR-Sequenz jedoch unauffällig ist, deutet dies darauf hin, dass der Schlaganfall weniger als 4-5 Stunden zurückliegt. In solchen Fällen kann eine Thrombolyse (medikamentöse Auflösung des Blutgerinnsels) in Betracht gezogen werden, auch wenn der genaue Zeitpunkt des Schlaganfalls unbekannt ist.
  • DWI-positiv, FLAIR-positiv: Wenn sowohl die DWI als auch die FLAIR-Sequenz einen Schlaganfall anzeigen, liegt das Ereignis wahrscheinlich länger als 4-5 Stunden zurück. Ob eine Thrombolyse in diesem Fall noch sinnvoll ist, muss individuell entschieden werden.

Mismatch-MRT (DWI und PWI)

Die Kombination von DWI und Perfusionsbildgebung (PWI), auch Mismatch-MRT genannt, ermöglicht eine genauere Definition der Penumbra. Neuroradiologen sprechen von einem Mismatch, wenn die Perfusionsläsion größer ist als die Diffusionsläsion. Aus der volumetrischen Differenz ergibt sich das penumbrale, zu rettende Gewebe. Ein "Match" liegt dagegen vor, wenn diffusions- und perfusionsgestörtes Areal deckungsgleich sind und damit keine Penumbra vorhanden ist. Die Mismatch-MRT könnte helfen, sich außerhalb des 4,5-Stundenfensters für oder gegen die Lysetherapie zu entscheiden. Klinische Studien zur MR-basierten Lysetherapie laufen.

Ischämische und hämorrhagische Ursachen des Schlaganfalls

Ursächlich werden zwei Schlaganfall-Formen unterschieden:

  • Ischämischer Insult: Infolge eines thromboembolischen Gefäßverschlusses. Umgangssprachlich als „weißer Schlaganfall“ bezeichnet.
  • Hämorrhagischer Insult: Aufgrund einer intrazerebralen Blutung (ICB) oder Subarachnoidalblutung (SAB). Umgangssprachlich als „roter Infarkt“ bezeichnet.

Ischämischer Insult

Der ischämische Hirninfarkt wird in der Regel durch Stenosen oder Verschlüsse hirnversorgender Arterien verursacht. Folgende Situationen können eine ischämische Ursache bedingen:

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  • Makroangiopathie: Verengung oder Obstruktion der großen arteriellen Blutgefäße, typischerweise durch artherosklerotische Plaques.
  • Mikroangiopathie: Betrifft kleine arterielle Blutgefäße, z.B. durch subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE).
  • Kardiale Embolie: Embolus entsteht in der Regel durch Vorhofflimmern.
  • Andere Erkrankungen: Seltenere Ursachen wie hämatologische Erkrankungen, Vaskulitiden, Gefäßkompressionen, Gefäßdissektionen, spezielle Infektionen, Arzneimittel, paradoxe Embolie, Migräne, iatrogene Interventionen und Drogenkonsum.

Hämorrhagischer Insult

Beim hämorrhagischen Schlaganfall geht Hirngewebe infolge einer Einblutung zugrunde. Ursache ist in der Regel ein rupturiertes Blutgefäß. Die Subarachnoidalblutung hat als extrazerebrales Hämatom eine Sonderstellung.

Pathogenese des ischämischen Insults

Hirnnervenzellen beziehen ihre Energie aus dem Abbau von Glukose. Eine Verminderung der Hirndurchblutung unter das normale Niveau kann folgenlos toleriert werden, solange eine bestimmte Schwelle nicht unterschritten wird. Sinkt die Durchblutung unter diese Schwelle, kommt es zu Funktionsstörungen, die nach Normalisierung der Durchblutung reversibel sind. Bei weiterer Reduktion der Durchblutung kommt es zu einer anoxischen Zelldepolarisation und Infarzierung.

Je nachdem, wie gut die kollaterale Blutversorgung im Infarktbereich ist, kann ein Durchblutungsgradient entstehen, der von den Randzonen zum Kern hin ansteigt. Während das Gewebe im Kernbereich des Infarkts absterben kann, sind die Randzonen (Penumbra) nur in ihrer Funktion gestört und können sich bei wiederhergestellter Durchblutung noch nach Stunden erholen.

Hält die Ischämie in der Penumbra so lange an, dass die Ionenpumpen ausfallen, strömen Elektrolyte und Wasser in die Zellen, was zu einer übermäßigen Freisetzung von Neurotransmittern und einer weiteren Schädigung der Zellen führt.

Klinisches Bild und Symptome

Das klinische Bild eines Schlaganfalls ist äußerst heterogen.

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Symptome beim ischämischen Insult

Klassische Symptome, die auf einen ischämischen Insult hinweisen, sind:

  • Plötzlich einsetzende Hemiparesen
  • Artikulationsstörungen
  • Dysphagie
  • Aphasie
  • Apraxie
  • Ataxie
  • Sehbeeinträchtigungen
  • Bewusstseinseinschränkungen

Die Symptomatik richtet sich vor allem nach der Infarktlokalisation und lässt sich topografisch zuordnen.

Besonderheiten beim Hirnstamminfarkt

Beim Hirnstamminfarkt kommt es zu Schädigungen im Bereich des Hirnstamms, die sich durch eine Vielzahl von Leitsymptomen äußern, darunter Schwindel, Dysarthrie, Dysphagie, Ataxie, Blickparese, Hemi- und Tetraparesen sowie Singultus.

Risikofaktoren für einen Schlaganfall

Generell gehen 87% der Schlaganfälle zu Lasten definierter Risikofaktoren. Unterschieden wird zwischen modifizierbaren und nicht beeinflussbaren Faktoren.

Modifizierbare Risikofaktoren

Der Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle ist ein hoher Blutdruck. Weitere Risikofaktoren sind:

  • Erhöhter Body-Mass-Index (BMI) bzw. Übergewicht
  • Diabetes
  • Umwelt- bzw. Luftverschmutzung
  • Rauchen
  • Hoher Salzkonsum
  • Bewegungsmangel
  • Hyperlipidämie
  • Vorhofflimmern
  • Stress
  • Alkoholkonsum
  • Arteriosklerose
  • Karotisstenose
  • Ovulationshemmer
  • Polyglobulie
  • Endometriose

Nicht modifizierbare Risikofaktoren

  • Alter und Geschlecht: Die meisten Schlaganfälle betreffen Menschen über 60 Jahre. Frauen haben ein höheres Schlaganfall-Risiko als Männer.
  • Genetische Prädisposition: Genetische Faktoren haben einen wichtigen Einfluss auf das Schlaganfallrisiko.

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