Dysarthrie nach Schlaganfall: Lokalisation, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten

Die Dysarthrie, früher auch als Dysarthrophonie bezeichnet, ist eine erworbene neurologische Sprechstörung, die die Steuerung und Ausführung von Sprechbewegungen beeinträchtigt. Sie tritt in der Regel nach dem Spracherwerb in der Kindheit auf und kann durch verschiedene neurologische Erkrankungen, wie beispielsweise einen Schlaganfall, ein Schädel-Hirn-Trauma oder andere neuronale Erkrankungen, verursacht werden. Die Lokalisation der Hirnschädigung und deren Ausmaß spielen dabei eine entscheidende Rolle für die Ausprägung der Dysarthrie.

Einführung in die Dysarthrie

Die Dysarthrie ist eine Störung, die die Bereiche Atmung (Respiration), Stimmgebung (Phonation) und Lautbildung (Artikulation) beeinträchtigen kann. Infolge einer Schädigung von Hirnregionen, der Hirnnerven oder des neuromuskulären Übergangs kommt es zu einer verringerten Verständlichkeit des Patienten. Die Sprechmuskulatur kann dabei schlaff (hypoton), steif (spastisch), unkoordiniert (ataktisch) oder durch ungewollte Bewegungen (dyskinetisch) gestört sein.

Ursachen der Dysarthrie

Eine der häufigsten Ursachen für Dysarthrie ist ein Schlaganfall. Durchblutungsstörungen im Gehirn, die sowohl eine Aphasie als auch eine Dysarthrie auslösen können, entstehen in 85 % der Fälle durch einen Gefäßverschluss (Ischämie). Risikofaktoren hierfür sind Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Herzerkrankungen. Aber auch andere neurologische Erkrankungen können eine Dysarthrie verursachen:

  • Schädel-Hirn-Trauma (SHT): Die resultierenden Funktionsstörungen sind vielfältig und abhängig vom Ausmaß der Kopfverletzungen. Symptome eines SHT sind Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Schwindel, in schweren Fällen Bewusstseinsstörungen. Sprach- und Sprechstörungen sind bis hin zur Anarthrie (völlige Unfähigkeit, Sprechbewegungen auszuführen) möglich.
  • Parkinson-Erkrankung: Eine Erkrankung des Nervensystems mit einem fortschreitenden Verlust von Nervenzellen. Oft treten Störungen auf, die die Atmung und Stimmbildung betreffen, was zu einer Dysarthrie mit einer monotonen und leisen Sprechweise führen kann.
  • Multiple Sklerose: Eine weitere neurologische Erkrankung, die zu Sprach- und Sprechstörungen führen kann.
  • Hirntumoren und Hirnmetastasen: Können ebenfalls Dysarthrie verursachen, abhängig von ihrer Lokalisation und Größe.
  • Amyotrophe Lateralsklerose (ALS): Typisch sind unwillkürliche Zuckungen (Faszikulationen) der Sprechorgane (Lippen, Zunge). Im fortgeschrittenen Stadium einer ALS kommt es zu einer Unfähigkeit, zu sprechen (Anarthrie).
  • Myasthenia gravis (MG): Eine seltene neurologische Autoimmunerkrankung, die durch belastungsabhängige Muskelschwäche gekennzeichnet ist und auch die Sprechmuskulatur beeinträchtigen kann.

Lokalisation der Hirnschädigung und ihre Auswirkungen

Die Lokalisation der Hirnschädigung spielt eine entscheidende Rolle bei der Ausprägung der Dysarthrie. Je nachdem, welche Hirnregionen betroffen sind, können unterschiedliche Symptome auftreten:

  • Schädigung des zentralen Nervensystems (Gehirn oder Rückenmark): Führt zu einer beeinträchtigten Kontrolle und Ausführung der Sprechbewegungen.
  • Schädigung der Hirnnerven außerhalb des Gehirns: Kann ebenfalls die Sprechmuskulatur beeinträchtigen.

Symptome der Dysarthrie

Die Symptome einer Dysarthrie können vielfältig sein und hängen von der Schwere der Störung und den betroffenen Muskelgruppen ab. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

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  • Undeutliche Aussprache
  • Verwaschene Sprache
  • Verlangsamtes oder erhöhtes Sprechtempo
  • Sprechanstrengung
  • Leise Stimme
  • Heisere oder raue Stimme
  • Monotone Sprechweise
  • Veränderte Sprechmelodie und Sprechrhythmus
  • Unpassende Atmung beim Sprechen
  • Stimmzittern
  • Schwierigkeiten bei der Koordination der Sprechmuskulatur
  • Unwillkürliche Zuckungen der Sprechorgane (Lippen, Zunge)

Differentialdiagnose: Aphasie, Sprechapraxie und Dysarthrie

Es ist wichtig, die Dysarthrie von anderen Kommunikationsstörungen wie Aphasie und Sprechapraxie zu unterscheiden, da sie unterschiedliche Ursachen und Behandlungsansätze haben.

  • Aphasie: Eine erworbene Sprachstörung, die die Sprachproduktion, das Sprachverständnis, das Lesen und Schreiben beeinträchtigen kann. Sie entsteht durch eine Schädigung der Sprachzentren im Gehirn, meist nach einem Schlaganfall.
  • Sprechapraxie: Eine Planungs- und Programmierungsstörung der Sprechbewegungen. Betroffene haben Schwierigkeiten, die richtigen Laute zu bilden und die Sprechbewegungen zu koordinieren. Das Sprachverständnis ist jedoch meist gut erhalten.

Diagnose der Dysarthrie

Die Diagnose einer Dysarthrie umfasst in der Regel eine umfassende neurologische und logopädische Untersuchung. Dabei werden folgende Aspekte berücksichtigt:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und desVerlaufs der Sprechstörung.
  • Körperliche Untersuchung: Beurteilung des Allgemein- und Ernährungszustands sowie Untersuchung von Mund und Rachen.
  • Neurologische Untersuchung: Prüfung der Hirnnervenfunktionen, der Muskelkraft und der Koordination.
  • Logopädische Untersuchung: Beurteilung der Sprechmotorik, der Artikulation, der Stimmgebung, der Sprechatmung und der Sprechmelodie.
  • Sprach- und Sprechtests: Durchführung standardisierter Tests zur Erfassung des Schweregrads der Dysarthrie und zurDifferentialdiagnose gegenüber anderenKommunikationsstörungen.
  • Bildgebende Verfahren: Gegebenenfalls Durchführung von bildgebenden Verfahren wie CT oder MRT, um die Ursache der Dysarthrie zu identifizieren.

Behandlung der Dysarthrie

Die Behandlung der Dysarthrie richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache und dem Schweregrad der Störung. Ziel der Behandlung ist es, die Verständlichkeit des Patienten zu verbessern und die Kommunikationsfähigkeit im Alltag zu erhalten oder wiederherzustellen. Zu den wichtigsten Behandlungsansätzen gehören:

  • Logopädie: Die logopädische Therapie ist ein zentraler Bestandteil der Behandlung von Dysarthrie. Sie umfasst Übungen zur Verbesserung der Sprechmotorik, der Artikulation, der Stimmgebung, der Sprechatmung und der Sprechmelodie.
  • Medikamentöse Therapie: Bei bestimmten Ursachen der Dysarthrie, wie beispielsweise der Parkinson-Erkrankung, kann eine medikamentöse Therapie zur Verbesserung der Symptome beitragen.
  • Hilfsmittel: In einigen Fällen können Hilfsmittel wie beispielsweise Kommunikationsgeräte oder Stimmverstärker die Kommunikation erleichtern.
  • Unterstützung der Angehörigen: Die Einbindung der Angehörigen ist von großer Bedeutung für den Behandlungserfolg. Sie können den Patienten im Alltag unterstützen und ihm helfen, die erlernten Strategien anzuwenden.

Therapieansätze im Detail

  • Atemtherapie: Übungen zur Verbesserung der Atemkontrolle und der Koordination von Atmung und Sprechen.
  • Artikulationstherapie: Übungen zur Verbesserung der Lautbildung und der Artikulationsgenauigkeit.
  • Stimmtherapie: Übungen zur Verbesserung der Stimmqualität, der Stimmstärke und der Stimmmodulation.
  • Sprechtherapie: Übungen zur Verbesserung des Sprechtempos, des Sprechrhythmus und der Sprechmelodie.
  • Kommunikationstraining: Übungen zur Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit im Alltag, beispielsweise durch den Einsatz von Gesten, Mimik oder Kommunikationshilfen.

Unterstützung und Rehabilitation

Neben der logopädischen Therapie und anderen Behandlungsansätzen ist die Unterstützung und Rehabilitation der Patienten von großer Bedeutung. Dazu gehören:

  • Ergotherapie: Ergotherapeutische Maßnahmen können dazu beitragen, dieAlltagsfähigkeiten des Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen.
  • Physiotherapie: Physiotherapeutische Maßnahmen können dazu beitragen, dieMuskelkraft und die Koordination zu verbessern.
  • Psychologische Betreuung: Eine psychologische Betreuung kann dem Patienten helfen, mit denBelastungen durch die Dysarthrie umzugehen und seine Lebensqualität zu verbessern.
  • Selbsthilfegruppen: Der Austausch mit anderen Betroffenen inSelbsthilfegruppen kann eine wertvolle Unterstützung bieten.

Tipps für Angehörige

Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von Menschen mit Dysarthrie. Hier sind einige Tipps, wie Sie helfen können:

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  • Geben Sie dem Betroffenen ausreichend Zeit zum Reden.
  • Seien Sie geduldig und aufmerksam.
  • Vermeiden Sie Ablenkungen wie lautes Radio oder Fernseher.
  • Vereinfachen Sie Ihre Sprache und verwenden Sie kurze, unkomplizierte Sätze.
  • Wiederholen Sie Gesagtes gegebenenfalls und schreiben Sie Wichtiges auf, um das Verständnis zu verbessern.
  • Beziehen Sie den Betroffenen in Gruppenunterhaltungen ein.
  • Erkundigen Sie sich aktiv nach der Meinung des Betroffenen.
  • Fördern Sie jede Art der Kommunikation (Sprache, Gesten, Zeigen, Zeichnen etc.).
  • Vermeiden Sie es, den Betroffenen zu korrigieren.
  • Begleiten Sie die Therapie, falls möglich.
  • Helfen Sie dem Betroffenen, weitere Unterstützungen zu finden (z. B. Selbsthilfegruppen).

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