Einseitige Taubheit: Ursachen, Diagnose und Behandlungsoptionen

Einführung

Unter Taubheit (Gehörlosigkeit, Surditas, Anakusis) versteht man in der Otologie den vollkommenen Verlust des Hörempfindens. Dabei wird der Begriff Gehörlosigkeit auch häufig als Synonym für hochgradige Schwerhörigkeit oder Resthörigkeit benutzt, denn circa 98 % der so genannten tauben Menschen haben ein Restgehör. Bei der absoluten Gehörlosigkeit Variante kann der Betroffene keine Audiosignale mehr wahrnehmen. Zudem unterscheidet man, ob der Patient das Gehör bereits bei der Geburt (prälingual) oder erst im Lauf des Lebens (postlingual) verloren hat. Die Ursachen können auf dem gesamten Weg zwischen Schallaufnahme über die Schallumwandlung im Innenohr bis hin zur Verarbeitung der akustischen Reize im Gehirn liegen. Eine Schwerhörigkeit bezeichnet eine Beeinträchtigung des Hörempfindens, während Taubheit den kompletten Verlust jeglicher Hörwahrnehmung bedeutet.

Definitionen und Unterscheidungen

Mit einem Hörtest kann der HNO-Arzt feststellen, ob es sich um eine Schwerhörigkeit oder ob schon der komplette Hörverlust eingetreten ist. Die Unterscheidung zwischen Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit ist auf einfachem Wege mit einem Hörtest (der Tonschwellenaudiometrie) feststellbar. Dabei wird der Hörverlust des Hörvermögens im sogenannten Hauptsprachbereich gemessen. Dies ist ein Frequenzbereich von 250 bis 4000 Hertz (Hz), in dem der Großteil der menschlichen Sprache stattfindet. Frequenzen in diesem Bereich werden vom menschlichen Gehör besonders gut wahrgenommen. Ab einem Hörverlust von mehr als 100 Dezibel (dB) im Hauptsprachbereich ist die medizinische Definition von Taubheit erfüllt.

Was bedeutet einseitige Taubheit?

Bei einseitiger Taubheit ist das Hörvermögen stark eingeschränkt. Oft werden Geräusche zu spät oder gar nicht gehört. Ebenso stellen sie in der Regel Radio- und Fernsehgeräte auffallend laut ein. Viele Menschen die an einer einseitiger Taubheit leiden haben außerdem große Probleme mit dem Richtungshören, was im Alltag problematisch und sogar gefährlich sein kann (zum Beispiel beim Überqueren einer Straße). Richtungshören bedeutet, dass zu einem empfangenen Schallsignal die Lokalisation der Schallquelle möglich ist. Bei beidseitiger Taubheit ist akustische Kommunikation wie Sprechen nicht möglich, da das Hörempfinden komplett fehlt. Etwa 15 % der beidseitig ertaubten Menschen haben diese Hörkrankheit geerbt. Bei Kindern ist es wichtig zu prüfen, ob ein Hörverlust oder gar Taubheit besteht, weil dies die Sprachentwicklung schwer stören könnte. Tritt die beidseitige Taubheit aufgrund genetischer Ursachen auf, wird sie häufig von weiteren körperlichen Fehbildungen begleitet. Einseitige Taubheit tritt auf, wenn nur ein Ohr von einer Hörminderung betroffen ist, während das andere normal funktioniert.

Ursachen von Taubheit

Taubheit kann zahlreiche Ursachen haben. Der Grund hierfür kann zum Beispiel im Ohr liegen, aber auch am Hörnerv oder dem Gehirn. Der Taubheit liegt entweder eine Schall-Leitungsstörung, eine Schall-Empfindungsstörung oder psychogene Hörstörung zugrunde. Auch eine Kombination mehrerer Ursachen ist möglich.

Angeborene Taubheit

Eine angeborene Gehörlosigkeit kann vorgeburtlich durch Röteln-Embryopathie, Rh-Inkompatibiltät mit Kernikterus, Labyrinthitiskonnatale (Syphilis) entstehen. Zudem kann diese meist autosomal-rezessiv vererbt werden oder durch genetische Mutation durch sogenannte Syndrome entstehen. Die häufigsten Syndrome die eine Taubheit als Symptom haben sind das Usher-Syndrom oder das Waardenburg-Syndrom. Angeborene Taubheit wird auch „genetisch bedingte Hörstörung“ genannt. Diese tritt insbesondere bei Personen auf, die aus Familien stammen, innerhalb derer Taubheit bereits häufiger anzutreffen war. Die genetisch bedingte Taubheit wird durch Fehlbildungen des Innenohres oder des Gehirns hervorgerufen. Insbesondere das Down-Syndrom (Trisomie 21) kann eine angeborene Taubheit mit sich bringen. Aber auch Infektionen bei Schwangeren, wie zum Beispiel Röteln oder Syphilis, können bei ungeborenen Kindern zu einer Beeinträchtigung des Gehörs führen. Mögliche Konsequenzen können von einem gestörten Hörempfinden bis hin zur Taubheit reichen. Als problematisch anzusehen ist darüberhinaus sowohl die Einnahme von Medikamenten, die ohrschädigende (ototoxische) Arzneistoffe wie etwa Thalidomid enthalten, als auch Antibiotika, die Aminoglykoside, Makrolide oder Glykopeptide beinhalten. Angeborene Taubheit kann zudem auch durch den Konsum von Drogen, wie Alkohol oder Nikotin, verursacht werden. Zuletzt können ebenso Komplikationen während der Geburt, wie zum Beispiel Sauerstoffmangel oder Hirnblutungen, zu einer angeborenen Taubheit führen. Insbesondere Frühchen sind einem erhöhten Risiko ausgesetzt, nach der Geburt an Sauerstoffmangel zu leiden, da ihre Lungen unzureichend ausgereift sind.

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Erworbene Taubheit

Häufigste Ursache für eine erworbene Taubheit ist eine längere Infektion des Ohres. Diese schädigt in schweren Fällen sowohl das Mittelohr (Schall-Leitung) als auch das Innenohr (Schall-Empfindung). Auch Infektionen der Hirnhäute (Meningitis) oder des Gehirns (Enzephalitis) ziehen manchmal Taubheit nach sich. Einige Medikamente, wie bestimmte Krebs-Medikamente (Chemo-Therapeutika), gewisse Entwässerungsmittel (Diuretika) und eine ganze Reihe von Antibiotika, haben eine ohrschädigende Wirkung. Auch das gebräuchliche Schmerz- und Fiebermittel Acetylsalicylsäure wirkt ototoxisch - allerdings deutlich geringer als bei den zuvor genannten Arzneistoffen. Weitere Ursachen für erworbene Taubheit sind Tumore, Lärm-Schäden, Durchblutungsstörungen, ein Hörsturz oder auch chronische Erkrankungen des Ohres wie beispielsweise die sogenannte Otosklerose. Seltener führen auch Industrie-Schadstoffe (zum Beispiel Kohlenmonoxid) und Verletzungen zu Taubheit. Einseitige kongenitale, also angeborene Ertaubung bei Kindern ist in über 30 % durch eine Hörnerv-Aplasie bedingt, also durch die nicht erfolgte Anlage eines Hörnervs. Weiterhin kann es im Laufe des Lebens zu einer erworbenen einseitigen Taubheit kommen, beispielsweise durch Entzündungen, Verletzungen (Knochenbrüche), Tumore oder Operationen. Bei Erwachsenen sind die häufigsten Ursachen ein oder mehrere Hörstürze und Tumore (Vestibularis-Schwannom, der von den Zellen der Umkleidung des Hörnervs bzw. Dank der Möglichkeit des hoch auflösenden Felsenbein-MRTs sind seit kurzem auch Schwannome innerhalb der Gehörschnecke und des Vestibularorgans sichtbar geworden und chirurgisch therapierbar.

Schall-Leitungsstörung

Von einer Schall-Leitungsstörung spricht man, wenn der über den äußeren Gehörgang eintreffende Schall nicht normal über das Mittelohr zum Innenohr weitergeleitet wird. Ursache dafür ist meist eine Schädigung der schallverstärkenden Gehör-Knöchelchen im Mittelohr. Eine solche Störung ist bei manchen Menschen angeboren, bei anderen entsteht sie im Laufe des Lebens. Eine Schall-Leitungsstörung ist zwar eine mögliche Ursache für Schwerhörigkeit - als alleinige Ursache für eine Taubheit allerdings ausgeschlossen. Denn auch ohne die Weiterleitung des Schalls durch die Luft (Luft-Leitung) ist die Wahrnehmung von Schall möglich, da dieser zu einem geringen Teil auch über den Schädelknochen das Innenohr erreicht (Knochen-Leitung).

Schall-Empfindungsstörung

Bei einer Schall-Empfindungsstörung ist die Schall-Weiterleitung bis zum Innenohr intakt. Dort aber werden die ankommenden akustischen Signale in der Regel nicht registriert (sensorische Hörstörung). In selteneren Fällen werden die Signale zwar im Innenohr registriert, aber dann nicht an das Gehirn weitergeleitet und dort wahrgenommen - entweder aufgrund einer Störung des Hörnervs (neurale Hörstörung) oder der zentralen Hörbahn (zentrale Hörstörung). Auch eine Schall-Empfindungsstörung ist bei manchen Menschen angeboren, bei anderen erworben.

Psychogene Hörstörung

Psychogene, rein seelisch bedingte Hörstörungen sind sehr selten, kommen aber dennoch vor. Die seelischen Ursachen sind dem Betroffenen nicht klar und zudem halten diese sich selbst für taub beziehungsweise hochgradig Schwerhörig, weshalb es sich hierbei nicht um eine Simulation oder Täuschung handelt. Kennzeichnend dieser psychogenen Hörstörung ist, dass sie besonders in stressigen unangenehmen Situationen auftritt und wieder verschwindet, wenn sich der Betroffene wieder wohl fühlt. Die psychogene Hörstörung ist ein Schutzmechanismus, den der Mensch aufbaut um gewisse Dinge nicht zu hören, da er diese nicht erträgt. Neben dem Kummer um den Hörverlust, haben die Betroffenen meist andere schwerwiegende Probleme, welche dazu führen diesen Schutzmechanismus aufzubauen. In seltenen Fällen führen psychiatrische Erkrankungen zu einer Taubheit. Psychische Belastungen stören bei manchen Menschen die Hörempfindung - auch ohne nachweisbare Schäden der Ohren. Mit objektiven Hör-Untersuchungen lässt sich einschätzen, ob noch akustische Signale im Gehirn des Patienten ankommen oder nicht.

Zentrale Taubheit

Eine Zentrale Hörstörung beziehungsweise Taubheit bezeichnet eine Einschränkung der auditiven Wahrnehmung, welche nicht eine Schädigung oder Verminderung des normalen Gehörs zur Ursache hat. Die Betroffenen haben Probleme beim Zuhören, Verstehen und Wahrnehmung von auditiven Informationen.

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Rindentaubheit

Die Seelentaubheit oder auch Rindentaubheit genannt, beschreibt die Unfähigkeit Gehörwahrnehmungen mit Gedächtnisinhalten zu identifizieren. Der Betroffene kann Geräusche oder Gesprochenes zwar hören, aber nicht richtig zuordnen beziehungsweise verarbeiten. Bei der Worttaubheit (auditive Agnosie) können Betroffene Gesprochenes gar nicht oder nur sehr schlecht wahrnehmen. Sie nehmen Sprache nur als Geräusch war. Menschen mit einer reinen Geräuschagnosie können ihre Hörumgebung also Alltags- und Umweltgeräusche nicht zuordnen. Die affektive auditive Agnosie betrifft die Wahrnehmung des Alters, Geschlecht oder der Befindlichkeit des Gesprächspartners. Bei einer generalisierten auditiven Agnosie leiden die Betroffenen sowohl unter einer Worttaubheit, als auch unter einer Geräuschagnosie.

Diagnose von Taubheit

Zur Diagnose von Taubheit untersucht der Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde (HNO). Zunächst wird der Arzt das Ohr des Betroffenen mit einer Lupe mit integrierter Lichtquelle, einem sogenannten Otoskop, untersuchen. Dabei sieht er, ob das Trommelfell intakt ist und ob sich dahinter gegebenenfalls ein Erguss im Mittelohr befindet. Diese Untersuchung liefert allerdings nur Aussagen über die Anatomie, nicht über die Hörleistung.

Anamnese

Im Gespräch zur Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) wird der Arzt vor allem nach dem Grund für den Verdacht auf Taubheit, nach Risikofaktoren für Hörstörungen und bisherigen Auffälligkeiten fragen. Laut der amerikanischen Fachgesellschaft ASHA (American Speech Language Hearing Association) sind folgende Auffälligkeiten bei Kindern ernst zu nehmen, weil sie auf eine Hörstörung oder Taubheit hinweisen können:

  • Das Kind reagiert oft nicht auf Ansprache oder auf Rufen.
  • Anweisungen werden nicht korrekt befolgt.
  • Oft wird mit “Wie?” oder “Was?” nachgefragt.
  • Die Sprachentwicklung ist nicht altersgemäß.
  • Die Verständlichkeit der Sprache ist durch eine schlechte Artikulation erschwert.
  • Beim Fernsehen oder Musik hören stellt das Kind besonders hohe Lautstärken ein.

Diese Hinweise lassen sich auch auf betroffene Erwachsene übertragen, wobei allerdings die Artikulation bei Erwachsenen, die nicht seit der Kindheit taub sind, relativ normal ist.

Weber- und Rinne-Test

Der Weber- und der Rinne-Test geben wichtige Hinweise auf die Art und den Ort der Hör-Schädigung. Der Arzt bringt dazu eine Stimmgabel zum Schwingen und hält das Ende der Stimmgabel an verschiedene Stellen im Bereich des Kopfes: Beim Test nach Weber setzt der Arzt dem Patienten die Stimmgabel auf die Mitte des Kopfes und fragt, ob der Patient den Ton auf einem Ohr besser hört als auf dem anderen. Normalerweise ist das Hörvermögen auf beiden Ohren gleich. Hört aber der Patient auf einer Seite den Ton lauter (Lateralisation), weist dies entweder auf eine Schall-Leitungs- oder Schall-Empfindungsstörung hin. Hört der Patient den Ton auf dem erkrankten Ohr lauter, spricht dies für eine Schall-Leitungsstörung. Empfindet der Patient andererseits den Ton auf der gesunden Seite lauter, spricht dies für eine Schall-Empfindungsstörung im erkrankten Ohr. Ergänzend zum Weber-Test wird der Rinne-Test durchgeführt. Bei diesem Test wird die Stimmgabel auf den Knochen hinter dem Ohr aufgesetzt, und zwar so lange, bis der Ton nicht mehr hörbar ist. Dann wird die meist noch schwingende Stimmgabel vor das Ohr gehalten. Bei normalem Hörvermögen wird der Ton wieder wahrgenommen, da die Luft-Leitung besser als die Knochen-Leitung ist.

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Subjektive Hörtests

Subjektive Methoden eines Hör-Tests erfordern die Mitarbeit des Patienten. So lässt sich der gesamte Weg des Hör-Prozesses überprüfen.

Tonschwellen-Audiometrie

Der klassische Hör-Test wird von Ärzten als Audiometrie bezeichnet. Bei der Tonschwellen-Audiometrie wird die Hörbarkeit von Tönen über Kopfhörer oder Knochenleitungs-Kopfhörer zur Bestimmung der frequenzabhängigen Hörschwelle genutzt. Die Hörschwelle wird in Dezibel angegeben. Sie markiert die untere Grenze der Lautstärke, von der an Patienten den Ton gerade noch wahrnehmen.

Sprach-Audiometrie

Eine Ergänzung zur Tonschwellen-Audiometrie ist die Sprach-Audiometrie. Statt Tönen werden den Patienten Wörter oder Laute vorgespielt, die sie erkennen und nachsprechen müssen. Auf diese Weise wird auch das Verständnis von Sprache getestet. Dies hat für den Alltag einen besonders großen Stellenwert und hilft beispielsweise auch, Hörgeräte richtig einzustellen. Die Ergebnisse der Tonschwellen-Audiometrie werden in einem sogenannten Audiogramm bildlich dargestellt. Auf diesem sieht der Arzt, bei welchen Frequenzen der Patient Einbußen seiner Hörleistung hat. Dies liefert ihm Hinweise auf mögliche Ursachen der Hörschädigung.

Weitere subjektive Untersuchungen

Insbesondere bei Kindern werden neben der Audiometrie auch andere Hör-Tests genutzt, um das Hörvermögen zu überprüfen. Wenn das Tragen von Kopfhörern abgelehnt oder nicht möglich ist, werden Lautsprecher genutzt. Dieses Verfahren erlaubt zwar keine seitengetrennte Untersuchung der Ohren, liefert aber dennoch Hinweise auf die Hörfähigkeit. Weitere spezielle Verfahren für diese Fälle sind Verhaltens-Audiometrie, Reflex-Audiometrie, visuelle Konditionierung und konditionierte Spiel-Audiometrie. Zusätzlich liefern Tests wie der sogenannte SISI- (Short Increment Sensitivity Index) oder der Fowler-Test Hinweise darauf, ob die Ursache der Schwerhörigkeit/Taubheit in der Schall-Registrierung in der Hörschnecke (Cochlea) oder aber in den sich anschließenden Nervenbahnen (Hörbahn) zu finden ist.

Objektive Hörtests

Die objektiven Hör-Test-Verfahren erfordern nur eine sehr geringe Mitarbeit des Patienten. Durch Untersuchung von Teilabschnitten der Hörbahn helfen sie, Art und Ausmaß der Hörstörung festzustellen. Zumeist sind sie auch verwendbar, wenn subjektive Verfahren bei einem Patienten nicht möglich sind.

Tympanometrie

Die Tympanometrie (Impendanz-Audiometrie) ist eine sehr wichtige Untersuchung, die bei jedem Kind mit Verdacht auf eine Hörstörung zum Einsatz kommt: Schallwellen, die in das Ohr eintreten, erreichen durch den äußeren Gehörgang das Trommelfell (Tympanon). Das Tympanon ist eine dünne Haut, die durch die Schallwellen bewegt wird. Diese Bewegung löst eine Bewegung der nachgeschalteten Gehör-Knöchelchen aus und setzt so die Kaskade der Schall-Wahrnehmung in Gang. Bei der Tympanometrie führt der Arzt eine Sonde in das Ohr ein und schließt es damit luftdicht ab. Die Sonde sendet einen Ton aus und misst kontinuierlich den Widerstand des Trommelfells und damit den auch der nachgeschalteten Gehör-Knöchelchen. Das gibt Aufschlüsse über die Funktionalität des Mittelohrs.

Messung des Stapedius-Reflexes

Der Stapedius-Reflex ist eine Reaktion auf lauten Schall. Der sogenannte Stapedius ist ein Muskel, der den dritten Gehör-Knöchel durch Zusammenziehen so verkantet, dass der Schall vom Trommelfell weniger stark ins Innenohr weitergeleitet wird. Dieser Muskel schützt das Innenohr somit vor hoher Lautstärke. Bei der Messung des Stapedius-Reflexes wird die Reflex-Schwelle bestimmt, also der Lautstärke-Wert, ab dem der Reflex ausgelöst wird. Durch diese Untersuchung lässt sich feststellen, ob die Gehör-Knöchelchen im Mittelohr normal beweglich sind.

Neugeborenen-Screening

Seit 2009 werden alle Neugeborenen auf Taubheit untersucht. Ziel ist es, Hörstörungen bis zum dritten Lebensmonat frühzeitig zu erkennen und bis zum sechsten Lebensmonat die Therapie einzuleiten. Die beiden folgenden Methoden werden auch bei diesem Neugeborenen-Screening eingesetzt. Zum einen gehört dazu die Messung der sogenannten otoakustischen Emissionen, ein schmerzloses Verfahren zur Funktionsprüfung der Hörschnecke. Die Emissionen sind sehr leise Echos, die aus dem Innenohr kommen. Die äußeren Haarzellen im Innenohr senden als Antwort auf eine eintretende Schallwelle dieses Echo aus. Das zweite Verfahren ist die sogenannte Hirnstamm-Audiometrie (zum Beispiel BERA). Sie untersucht die Nerven- und Gehirn-Bereiche, die für das Hören verantwortlich sind. Mithilfe der auf der Kopfhaut gemessenen elektrischen Impulse lässt sich abschätzen, ob der Schall nicht nur im Innenohr registriert, sondern auch über die angeschlossenen Nervenbahnen weitergegeben und im Gehirn verarbeitet wird. Dem Patienten wird dazu ein Kopfhörer aufgesetzt, der einen Ton aussendet. Auf der Kopfhaut angebrachte Elektroden messen dann die Form der elektrischen Erregungen und die Zeit zwischen Ton und elektrischer Antwort in den Nerven und im Gehirn.

Weitere Untersuchungen

Vor allem bei plötzlicher Taubheit sucht der Arzt nach speziellen Ursachen, wie zum Beispiel einem den Gehörgang verstopfenden Fremdkörper, schweren Infektionen und der Anwendung bestimmter Medikamente. Bildgebende Verfahren kommen zum Einsatz, wenn der Patient ein Cochlea-Implantat erhält oder aber der Verdacht auf eine Krebs-Erkrankung oder eine Fehlbildung als Ursache für die Taubheit besteht. Dabei wird mit Hilfe der Magnetresonanztomografie (MRT) oder der Computertomografie (CT) das Gehirn beziehungsweise das Ohr detailliert abgebildet. Blut-Untersuchungen sind meist nicht aufschlussreich bei Verdacht auf Taubheit. Sie sind nur in bestimmten Fällen hilfreich, etwa zur Abklärung von Infektionen oder bei Hinweisen auf eine Stoffwechsel-Erkrankung. Manchmal entsteht eine Schwerhörigkeit oder Taubheit durch eine wiederholte Erkrankung des Hals-Nasen-Ohren-Bereichs infolge von erhöhter Infektanfälligkeit. Eine Blut-Untersuchung kann hier helfen, eine Erklärung dafür zu finden. Eventuell sind bei Taubheit weitere Untersuchungen erforderlich, etwa Untersuchungen beim Augenarzt oder Neurologen. In bestimmten Fällen, vor allem bei genetischen Ursachen oder familiärer Taubheit wird eine humangenetische Beratung durchgeführt. Humangenetiker sind Spezialisten für die Analyse von genetischen Informationen und Erkrankungen. Um eine Schädigung der äußeren Haarzellen des Innenohrs feststellen zu können, wird eine Messung otoakustischer Emissionen durchgeführt, ebenso wie eine Gleichgewichtsprüfung. Sollte eine anatomische Veränderung im Bereich der Hörschnecke (Cochlea) oder des Hörnervs vorliegen, kann dies mit Hilfe einer Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) nachgewiesen werden.

Therapieoptionen bei einseitiger Taubheit

Grundsätzlich kann eine Taubheit nicht geheilt werden. Daher ist es wichtig, frühzeitig zu handeln, insbesondere wenn Kinder Anzeichen einer Hörminderung zeigen. Bei einer Resthörigkeit können gegebenenfalls noch Hörgeräte zum Einsatz kommen. Bei Gehörlosigkeit sind Hörgeräte hingegen nicht mehr sinnvoll. Ärzte raten in diesen Fällen meist zu sogenannten Cochlea-Implantaten. Wer unter einseitiger Taubheit leidet, hat heutzutage mehrere Möglichkeiten, das Hören im Alltag deutlich zu verbessern.

CROS/BiCROS-Systeme

Bei einseitiger Taubheit, sowohl mit einem normal hörenden als auch mit einem schwerhörigen Ohr, gibt es die Möglichkeit, diese mit einer sogenannten CROS- beziehungsweise BiCROS-Variante zu versorgen. Hierbei handelt es sich um eine speziell für einseitig taube Menschen oder einseitig Resthörige entwickelte Funktion von Hörgeräten. Bei der Versorgung wird auf das schlechterhörende Ohr ein Mikrofon gesetzt, welches per Kabel, Funk oder mit einem Hörgerät auf dem besser hörenden Ohr verbunden ist. Das gute Ohr hört sozusagen für das schlechte Ohr mit. Bei dieser Lösung werden zwei Geräte eingesetzt: Ein Sender sitzt auf der tauben Seite und überträgt den Schall kabellos an ein Hörgerät auf der besser hörenden Seite. Die BiCROS-Technologie ist eine Weiterentwicklung des CROS-Systems. Auch hier wird der Schall von der tauben Seite an das bessere Ohr übertragen. Zusätzlich sorgt das Hörgerät auf der besseren Seite für eine individuelle Verstärkung, um den dort vorhandenen Hörverlust auszugleichen.

BAHA-Systeme (Bone Anchored Hearing Aid)

Eine weitere Option bei einseitiger Taubheit ist das sogenannte BAHA-System (Bone Anchored Hearing Aid). Ein kleiner Soundprozessor, der an einem Implantat oder Magnet am Schädel befestigt ist, überträgt die Schallschwingungen direkt über den Knochen an das besser hörende Ohr. BAHA-Systeme sind besonders komfortabel. Knochenverankerte Hörsysteme sind eine andere Möglichkeit der Versorgung, jedoch ebenfalls invasiv und mit mehr oder weniger großen Artefakten im MRT behaftet. Hierbei zeigen die perkutanen Systeme die kleinsten Artefakte.

Cochlea-Implantat

Das Cochlea-Implantat wird bei einer Taubheit eingesetzt, wenn der Hörnerv noch intakt ist. Hierzu wird unter Vollnarkose ein Elektrodendraht in die Hörschnecke des Innenohrs eingeführt, der mit einem unter der Kopfhaut implantierten Empfänger verbunden wird. Ein Soundprozessor, der wie ein Hörgerät hinter der Ohrmuschel sitzt, nimmt den Schall auf und wandelt diesen in ein digitales Signal um. Dieses wird dann an die Sendespule weitergeleitet. Die externe Sendespule überträgt anschließend induktiv die Signale an den implantierten Empfänger, welcher diese über die Elektroden abgibt. Grundsätzlich ist eine Voraussetzung für die Cochlea-Implantation auch bei einseitiger Taubheit ein vorhandener und stimulierbarer Hörnerv und eine flüssigkeitsgefüllte Hörschnecke, die nicht verknöchert ist. Daher muss vor jeder CI-Versorgung eine ausführliche Vordiagnostik inklusive MRT und CT erfolgen. Bei Erwachsenen mit erworbener einseitiger Taubheit und stimulierbarem Hörnerv und einer nicht zu langen Taubheitsdauer (Ertaubung im Kindesalter) ist eine Cochlea-Implantation nach ausführlicher Diagnostik indiziert. Bei Kindern müssen wir zwischen Kindern mit angeborener einseitiger Ertaubung und Kindern mit erworbener einseitiger Ertaubung unterscheiden. Wie bereits erwähnt, ist die häufigste Ursache bei Kindern mit angeborener einseitiger Ertaubung eine Hörnerv-Dysplasie, bzw. Hörnerv-Aplasie. In diesen Fällen ist eine Cochlea-Implantation nicht indiziert. Weiterhin zeigen unsere Ergebnisse, dass eine frühe Implantation von Kindern mit angeborener einseitiger Ertaubung bis zum vierten Lebensjahr sehr gute Ergebnisse bringen. Bei einem Implantationsalter von mehr als vier Jahren sind die Ergebnisse uneinheitlich und aktuell noch nicht vielversprechend. Hier müssen weitere Langzeituntersuchungen und Studien mit einer ausreichenden Anzahl von Kindern durchgeführt werden. Sofern die Kinder mit erworbener einseitiger Taubheit nach dem Erwerb der Sprachfähigkeit, also über einem Alter von zwei bis vier Jahren ertaubt sind, ist eine Cochlea-Implantation bei intaktem und stimulierbarem Hörnerv empfehlenswert. Durch ein CI verbessert sich die Lebensqualität bei einseitig Ertaubten deutlich. Durch das wieder ermöglichte beidseitige Hören finden diese Patienten leichter Zugang zu sozialer Interaktion. Weiterhin ist auch der subjektive Höreindruck, also das subjektive Empfinden des Hörens deutlich verbessert, die Tinnitusbelastung reduziert, und Copingmechanismen werden gestärkt.

Leben mit einseitiger Taubheit: Tipps für den Alltag

Ein einseitiger Hörverlust bringt im Alltag einige Herausforderungen mit sich. Laute und hallende Umgebungen erschweren das Verstehen. Achten Sie deshalb auf eine ruhige Sitzposition, idealerweise mit der Wand im Rücken und möglichst wenig Nebengeräuschen. Ein einfacher Trick mit großer Wirkung: Setzen Sie sich so, dass Ihr gutes Ohr dem Gesprächspartner zugewandt ist. So können Sie das Gesagte besser verstehen. Und keine Scheu: Teilen Sie Ihrem Umfeld ruhig mit, dass Sie auf einem Ohr schwer hören. Selbst wenn nur ein Ohr funktioniert, kann gezieltes Training helfen, die Hörverarbeitung zu verbessern. Übungen zur Geräuscherkennung, zum Sprachverstehen oder zur Konzentration auf relevante Signale fördern die Leistung des Gehirns. Falls Sie ein CROS- oder BiCROS-Hörsystem tragen, schöpfen Sie dessen Potenzial voll aus. Viele Modelle bieten Richtmikrofone, Geräuschunterdrückung oder Bluetooth-Funktionen. Lassen Sie sich bei der Anpassung ausführlich beraten, im Hörstudio Rhein Main nehmen wir uns Zeit dafür. Ein einseitiger Hörverlust ist nichts, wofür man sich verstecken muss. Ganz im Gegenteil: Wer offen mit seiner Situation umgeht, sorgt für mehr Verständnis im Umfeld und nimmt sich selbst Unsicherheiten.

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