Nervenzellen kommunizieren über Synapsen, den kleinen Kontaktpunkten, an denen Signale mittels chemischer Botenstoffe von einer Zelle zur nächsten weitergegeben werden. Neben den bekannten chemischen Synapsen existiert noch ein zweiter, weniger bekannter Typ: die elektrische Synapse. Obwohl sie im Gehirn fast jeder Tierart vorkommen, bleiben sie selbst unter dem Elektronenmikroskop oft unsichtbar.
Was sind elektrische Synapsen?
Elektrische Synapsen verbinden zwei Nervenzellen direkt miteinander, sodass das elektrische Signal ohne Umweg von einer Zelle zur nächsten fließen kann. Im Gegensatz zu chemischen Synapsen, bei denen Neurotransmitter die Signalübertragung vermitteln, ermöglichen elektrische Synapsen einen direkten Stromfluss zwischen den Zellen. Diese besondere Synapsenart kommt im Gehirn jeder untersuchten Tierart vor, außer bei Stachelhäutern.
Aufbau und Funktionsweise
Die Kernstruktur der elektrischen Synapse ist die Gap Junction, ein Aggregat aus vielen einzelnen Kanälen, die als Connexone bezeichnet werden. Jedes Connexon besteht aus sechs Connexin-Proteinen, die in der Membran einer Zelle einen ringförmigen Halbkanal formen. Durch den Kontakt zwischen zwei Connexonen benachbarter Zellen entsteht ein Kanal, der beide Membranen durchquert. Dieser Kanal hat einen Durchmesser von etwa 1,5 bis zwei Nanometer und ist selektiv für kleine Moleküle (bis etwa ein Kilodalton) durchlässig.
Durch elektrische Synapsen erfolgt eine direkte Ausbreitung von Änderungen des Membranpotentials über einen relativ geringen ohmschen Widerstand, aber auch die Diffusion von Molekülen, wie z.B. sekundärer Botenstoffe.
Schnelle Signalübertragung
Elektrische Synapsen sind wesentlich schneller als chemische Synapsen, da keine Umwandlung elektrisch → chemisch → elektrisch stattfinden muss. Diese Geschwindigkeit ist besonders wichtig in Schaltkreisen, bei denen es auf extrem hohe Geschwindigkeit ankommt, wie bei Fluchtreflexen oder komplexen Analyseprozessen.
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Vorkommen elektrischer Synapsen im Körper
Elektrische Synapsen sind nicht nur im Gehirn zu finden, sondern auch in anderen Geweben des Körpers.
Gehirn
Im Gehirn sind elektrische Synapsen nicht in allen Nervenzellen vorhanden, aber in fast allen Bereichen. Sie sind besonders wichtig für die Synchronisation neuronaler Netzwerke und ermöglichen eine präzise Koordination der Zellaktivität.
Netzhaut
In der menschlichen Netzhaut finden sich elektrische Synapsen zwischen den Amakrinzellen und den Bipolarzellen. Sie beschleunigen hier die Auswertung der optischen Informationen, die auf die Photorezeptoren einwirken.
Herzmuskel
Im Herzmuskelgewebe ermöglichen Gap Junctions eine schnelle, koordinierte Depolarisation des Myokards, die für die rhythmische Kontraktion entscheidend ist.
Andere Gewebe
Darüber hinaus sind elektrische Synapsen auch in der Leber, im Pankreas, im Knochengewebe (Osteozyten) und in Gliazellen des Nervensystems vertreten.
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Funktionen elektrischer Synapsen
Elektrische Synapsen erfüllen verschiedene wichtige Funktionen im Körper.
Synchronisation neuronaler Netzwerke
Elektrische Synapsen tragen zur Synchronisierung der Zellaktivität in neuronalen Netzwerken bei. Sie können Oszillationen verstärken, Wellenmuster stabilisieren und die Effizienz von neuronalen Schaltkreisen steigern.
Schnelle Signalweiterleitung
Durch den geringen Widerstand und die direkte Kopplung der Zellmembranen durch Gap Junctions können Aktionspotenziale oder elektrische Signale nahezu ohne Verzögerung von einer Zelle auf die nächste übergehen.
Metabolische Kopplung
Elektrische Synapsen ermöglichen die metabolische Kopplung zwischen Zellen. So tauschen etwa Osteozyten im Knochengewebe über Gap Junctions Nährstoffe und Signalmoleküle aus und regulieren dadurch ihre Aktivität und das Gleichgewicht zwischen Knochenaufbau und -abbau.
Schutz bei Zellschädigung
Elektrische Synapsen können sich bei Zellschädigung auch schützen, indem sie sich gezielt „abschalten“. Ein starker Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration oder eine Azidose (saurer pH-Wert) in einer Zelle führen typischerweise zur Schließung der Gap Junctions. Auf diese Weise wird verhindert, dass schädliche Substanzen oder Signale auf benachbarte, gesunde Zellen übergehen.
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Modulatorische Aufgabe und Pulsgeber
Elektrischen Synapsen wird eine modulatorische Aufgabe zugeschrieben, genauso wie eine Rolle als eine Art Pulsgeber, um neuronale Netzwerke zu synchronisieren. Durch ihr schnelles Öffnen und Schließen ermöglichen elektrische Synapsen einer Nervenzelle überdies, sich an mehreren Netzwerken zu beteiligen und erhöhen so die Verarbeitungskapazität des Gehirns. Häufig finden sich elektrische Synapsen auch in unmittelbarer Nachbarschaft zu chemischen Synapsen und regulieren so deren Wirkung.
Bedeutung elektrischer Synapsen für die Hirnfunktion
Die Forschung hat gezeigt, dass elektrische Synapsen für viele verschiedene Hirnfunktionen wichtig sind und je nach Nervenzelltyp ganz unterschiedliche Aufgaben haben können. Durch das gezielte Ausschalten elektrischer Synapsen im Areal der visuellen Verarbeitung konnte gezeigt werden, dass die betroffenen Nervenzellen auf bestimmte Reize stark abgeschwächt reagieren. Auch wurden einzelne Nervenzelltypen ohne elektrische Synapsen instabil und fingen an, spontan zu oszillieren.
Elektrische Synapsen und Krankheiten
Elektrische Synapsen spielen nicht nur in der physiologischen Zellkommunikation eine wichtige Rolle, sondern sind auch in zahlreichen Krankheitsprozessen beteiligt.
Charcot-Marie-Tooth-Krankheit Typ X1
Eine besonders gut untersuchte Erkrankung im Zusammenhang mit elektrischen Synapsen ist die Charcot-Marie-Tooth-Krankheit Typ X1, eine erbliche motorisch-sensible Neuropathie. Sie beruht auf Mutationen im GJB1-Gen, das für Connexin 32 kodiert. Connexin 32 ist in den Schwann-Zellen peripherer Nerven lokalisiert und ermöglicht dort über Gap Junctions die metabolische Kopplung der Zellen. Bei einem Funktionsverlust kommt es zur Degeneration der Myelinscheiden und damit zur Beeinträchtigung der Nervenleitung.
Epilepsie
Darüber hinaus wird die Epilepsie zunehmend mit einer gestörten elektrischen Kopplung im Gehirn in Verbindung gebracht. Studien an Tiermodellen zeigen, dass eine Überexpression bestimmter Connexine, wie Connexin 36, die neuronale Synchronität erhöht und epileptische Anfälle begünstigen kann.
Herzerkrankungen
Im Herzmuskel ist die Rolle elektrischer Synapsen besonders kritisch, da sie die Grundlage für die elektrische Erregungsausbreitung bilden. Connexin 43 ist hier das dominierende Connexin in den Kardiomyozyten. Eine gestörte Expression oder Verteilung dieses Proteins, beispielsweise bei ischämischer Herzkrankheit oder Herzinsuffizienz, kann zur Entstehung von Arrhythmien führen.
Krebs
Gap Junctions und ihre Connexine spielen auch eine Rolle in der Krebsentstehung. In vielen soliden Tumoren ist die Funktion von Connexinen reduziert oder vollständig ausgeschaltet. Dies begünstigt die Entkopplung der Tumorzellen vom umgebenden Gewebe und erlaubt unkontrolliertes Zellwachstum. Connexine, insbesondere Connexin 43, werden daher als Tumorsuppressoren betrachtet.
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