Das Membranpotential ist ein essenzieller Spannungszustand erregbarer Zellen und ein physiologisches Merkmal, welches für die Funktion von Zellen von zentraler Bedeutung ist. Es spielt eine wichtige Rolle für die Signal- und Erregungsweiterleitung, Muskelkontraktion, Sinneswahrnehmung und vielen weiteren physiologischen Prozessen. Durch Störungen des Membranpotentials und der Regulation, kann es zu schwerwiegenden klinischen Konsequenzen kommen.
Einführung in das Membranpotential
Das Membranpotential bezeichnet die elektrische Spannung (Potentialdifferenz), die zwischen der Innen- und Außenseite einer Zellmembran besteht. Es entsteht durch unterschiedliche Ionenkonzentrationen und die selektive Permeabilität der Zellmembran. Diese Spannung ist entscheidend für die Erregbarkeit von Nervenzellen und Muskelzellen und ermöglicht die Signalweiterleitung, Muskelkontraktionen und viele weitere physiologische Prozesse. Das Membranpotential wird durch das Zusammenspiel mehrerer Mechanismen gebildet. Dazu gehören Ionenkonzentrationsunterschiede, die selektiv permeable Zellmembran, die Natrium-Kalium-ATPase, sowie das Vorliegen eines elektrochemischen Gleichgewichts.
Entstehung des Membranpotentials
Wie entsteht in der Zelle eine Spannung, die elektrische Impulse bewirkt? Die im Inneren der Zelle befindlichen negativ geladenen organischen Stoffe können die Membran des Axons nicht passieren, während die positiv geladene Kaliumionen durchaus durch die Membran treten können. Kaliumionen sind in hoher Zahl im Zellinneren vorhanden und strömen naturgemäß vom Ort der höheren Konzentration weg. Gleichzeitig verlassen damit jedoch positive Ladungen das Zellinnere. Dadurch erhält das Zellinnere eine negative Ladung. Deshalb werden nach einer gewissen Zeit Kaliumionen wieder angezogen. Es entsteht ein Gleichgewicht zwischen den ausströmenden Kaliumionen und den vom negativen Zellinneren angezogenen. In der Summe stellt sich eine negative Spannung des Zellinneren gegenüber dem Zelläußeren ein.
Ruhepotential
Das Ruhepotential ist eine Spannungsdifferenz in einer nicht erregten Zelle, die durch ungleiche Verteilung von Natrium- und Kaliumionen zwischen Intra- und Extrazellulärraum entsteht. Das Ruhepotential einer tierischen Nervenzelle beträgt etwa -75 mV und liegt beim Menschen in den meisten Zelltypen zwischen -80 und -70 mV. In unerregtem Zustand ist das Cytoplasma einer Zelle gegenüber ihrer Umgebung negativ geladen.
Aktionspotential
Das Aktionspotential ist eine meist kurzfristige Veränderung des Membranpotentials, die für die Signalweiterleitung in Nerven- und Muskelzellen sorgt. Bei einem Reiz wird die Ionenverteilung im Axon aktiv verändert. Beginnend am Zellkörper werden zuerst die Natriumkanäle in der Membran geöffnet und Natriumionen strömen ein, wodurch die Ladung im Inneren positiv wird. Kurz darauf öffnen sich Kaliumkanäle und Kaliumionen strömen aus. Anschließend wird das Ruhepotenzial wieder hergestellt. Die Fortführung des Aktionspotenzials entlang des Axons kann nur in eine Richtung erfolgen, da die zurück liegende Membran nicht erregt werden kann.
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Beteiligte Ionen und ihre Konzentrationen
Welche Ionen sind am Membranpotential beteiligt? Im Wesentlichen basiert die Potentialdifferenz im menschlichen Organismus auf der Verteilung von positiv geladenen Natrium- und Kalium-Ionen, sowie (hauptsächlich) negativ geladenen Chlorid-Ionen. Die Ionenkonzentrationsunterschiede von Kalium, Natrium, Chlorid und organischen Anionen tragen zur Ladungsverteilung bei. Während intrazellulär eine hohe Kaliumkonzentrazion vorliegt, liegen extrazellulär Natrium und Chlorid in höheren Konzentrationen vor.
Die folgende Tabelle zeigt die typischen Ionenkonzentrationen innerhalb und außerhalb einer Zelle:
| Ion | Konzentration extrazellulär | Konzentration intrazellulär |
|---|---|---|
| Natrium (Na+) | Ca. 140 mmol/L | Ca. 10 mmol/L |
| Kalium (K+) | Ca. 5 mmol/L | ca. 150 mmol/L |
| Calcium (Ca2+) | Ca. 2 mmol/L | Ca. 10-5 mmol/L |
| Wasserstoff (H+) | pH = 7,4 | pH = 7,0 |
| Chlorid (Cl-) | Ca. 105 mmol/L | Ca. 7 mmol/L |
| Protein-Anionen | Ca. 5 mmol/L | Ca. |
Mechanismen der Membranpotentialbildung
Das Membranpotential wird durch verschiedene Mechanismen gebildet:
Ionenkonzentrationsunterschiede
Liegen verschieden konzentrierte Elektrolytlösungen durch eine Membran getrennt voneinander vor und besitzt die Membran eine Leitfähigkeit für die Ionen der Lösung, so tritt ein Membranpotential auf. Es entsteht ein elektrochemischer Gradient.
Selektive Permeabilität der Zellmembran
Die selektive Permeabilität der Zellmembran reguliert durch verschiedene Ionenkanäle den Fluss der Ionen durch die Membran. Dass die Membran nur für bestimmte Ionen durchlässig ist, ist ein wichtiger Einfluss für das Membranpotential. Die Membran ist aufgrund von Ionenkanälen am durchlässigsten für Kaliumionen, weniger durchlässig für Chlorid- und am wenigsten durchlässig für Natriumionen. Die großen Anionen können die Membran gar nicht passieren. Denn jetzt herrscht für jede Ionensorte ein bestimmter Konzentrationsgradient (chemischer Gradient) vor. Ihre unterschiedliche Konzentration auf beiden Seiten wollen die Ionen jeweils ausgleichen.
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Natrium-Kalium-ATPase
Durch den hohen extrazellulären Gehalt an Natriumionen in erregbaren Zellen wie Muskelfasern oder Neuronen, besteht auf das Zellinnere bezogen ein negatives Membranpotential, welches durch die membranständige Natrium-Kalium-Pumpe aufrechterhalten wird. Diese ATP-abhängige Pumpe transportiert kontinuierlich drei Natriumionen aus der Zelle und zwei Kaliumionen in die Zelle.
Elektrochemisches Gleichgewicht
Am sogenannten Umkehrpotential (Gleichgewichtspotenzial einer Ionensorte) findet kein Ionenfluss statt. Das Ruhemembranpotential wird zwischen negativ geladenem Zytosol und extrazellulärem Umfeld über die Membran gemessen.
Berechnung des Membranpotentials
Zu den chemischen Grundlagen der Erregungsleitung zählen die Potentialberechnungen an der Biomembran, sowie der Ionenfluss. Liegt an einer Membran ein Konzentrationsgefälle von Ionen vor, so kommt es durch die Ladungsdifferenz auf beiden Seiten zu einem Spannungsaufbau - dem Membranpotential. Dies kann durch die Goldman- sowie die Nernst-Gleichung berechnet werden.
Nernst-Gleichung
Zur Potentialberechnung an Biomembranen, kann eine Gleichung zur Berechnung eines Redoxpaares in Abhängigkeit von der Temperatur sowie der Konzentration und Ladung der Ionen im Elektrolyten angewandt werden, die Nernst-Gleichung. Sie wird wie folgt ausgedrückt:
UG = (60 mV / z) × lg(cextern / cintern)
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Dabei ist:
- UG das Gleichgewichtspotential
- z die Wertigkeit des Ions
- cextern die extrazelluläre Konzentration des Ions
- cintern die intrazelluläre Konzentration des Ions
Goldman-Gleichung
Wenn du die Nernst-Gleichung zusätzlich um die unterschiedliche Permeabilität (Durchlässigkeit) der Zellmembran für die Ionen erweiterst, erhältst du die Goldman-Gleichung.
P entspricht dabei also der jeweiligen Permeabilität der Zellmembran und hat keine Einheit. Du siehst, dass du für die Kationen Na+ und K+ die Außenkonzentration über den Bruchstrich schreiben musst. Für Anionen (Cl-) musst du dagegen die Innenkonzentration oben hinschreiben.
Bedeutung des Membranpotentials
Das Membranpotential ist ein lebenswichtiges physiologisches Merkmal, um Prozesse wie Muskelkontraktionen und die Erregungsweiterleitung zu ermöglichen. Vor allem für Nervenzellen ist aber nicht nur ein gleichbleibendes Membranpotential (Ruhemembranpotential) sehr wichtig. Denn unsere Nervenzellen leiten Informationen in Form von sich verändernden Potentialen weiter.
Erregungsleitung
Die Axone mancher Neuronen sind von Hüllzellen umgeben. Sie übernehmen isolierende Funktion. In gewissen Abständen befinden sich Einschnürungen zwischen den Hüllzellen. Nur an diesen Einschnürungen kann es zum Aktionspotenzial beziehungsweise zum Ladungsausgleich zwischen den Schnürringen kommen. Die Weiterleitung ist an Axonen mit Hüllzellen springend und schnell.
Muskelkontraktion
Durch eine Ionenlösung wird Strom geleitet. Dafür ist die Geschwindigkeit des Transports der Ionen die elektrische Feldstärke, welche die Ionenstärke und auch die Konzentration der Ionen einbezieht.
Signalübertragung
Im menschlichen Organismus nehmen Sinneszellen (z.B. das Auge) Reize aus der Umgebung wahr. Um nun diese Reize zu verarbeiten, müssen diese Informationen (=Reize) durch den Körper zum Gehirn transportiert werden. Dazu verfügt der menschliche Körper über viele Milliarden Nervenzellen, die für die Weiterleitung von “elektrischen Signalen” verantwortlich sind. Diese elektrischen Signale sind in den Sinneszellen durch elektrische bzw.
Störungen des Membranpotentials
Störungen des Membranpotentials können schwerwiegende Auswirkungen auf die Zellfunktionen haben, da es essenziell für lebenswichtige Prozesse wie der Erregungsleitung, Signalübertragung und Muskelkontraktion ist.
Hyperkaliämie
Bei einer Hyperkaliämie handelt es sich um eine erhöhte Kalium-Konzentration im Blut. Tritt diese auf, so kann es zu Herzrhythmusstörungen kommen.
Hypokaliämie
Die Hypokaliämie beschreibt den gegenteiligen Effekt, es liegt eine niedrige Kaliumkonzentration im Blut vor.
Pharmakologische Einflüsse
Ein weiterer Einfluss auf das Membranpotential, kann beispielsweise im Bereich der Anästhesie und Pharmakologie durch Lokalanästhetika wie Lidocain auftreten.
Synapsen und Reizweiterleitung
Synapsen sorgen für die Reizweiterleitung von einem Neuron zum nächsten, wobei eine Umwandlung von elektrischer Informationen in chemische Information erfolgt. Eine Synapse bildet das Verbindungsstück, über das eine Nervenzelle mit anderen Zellen (weitere Nervenzellen, aber auch Sinneszellen, Drüsenzellen, Muskelzellen) in Kontakt steht. Die neuromuskuläre Synapse an der motorischen Endplatte des Axons ist ein typisches Beispiel. Sie verbindet das Axon eines Muskelneurons mit einer Muskelfaser.
Chemische Synapse
Die Übertragung der Erregung erfolgt durch einen Neurotransmitter, einem chemischen Botenstoff. Die Erregungsweiterleitung kann nur in eine Richtung erfolgen. Diese Synapse herrscht bei Säugetieren vor.
Elektrische Synapse
Die Übertragung der Erregung erfolgt an zwei eng aneinanderliegenden Membranen über spezielle Ionenkanäle, den Konnexionen. Es findet ein direkter Austausch von Ladungsträgern statt, die zur Erzeugung eines Aktionspotentials führen. Die Erregungsweiterleitung kann in beide Richtungen erfolgen. Die Synapsen finden sich überall dort, wo eine besonders rasche Reizübertragung notwendig ist.
Vorgänge an der Synapse
- Das Endknöpfchen enthält Vesikel (Bläschen) mit Neurotransmitter (z.B. Acetylcholin).
- Das Signal (Aktionspotential) erreicht das Ende der Axonmembran -> Spannungsänderung!
- Spannungsabhängige Ca2+-Kanäle öffnen sich.
- Ca2+-Ionen strömen in das Endknöpfchen -> Positivierung -> Depolarisation der Membran!
- Mit Neurotransmitter gefüllte Vesikel wandern intrazellulär zur Präsynapse und verschmelzen dort mit der Membran. Ihr Inhalt wird in den synaptischen Spalt freigesetzt.
- Der Neurotransmitter diffundiert durch den synaptischen Spalt zur Postsynapse.
- Der Neurotransmitter bindet an Rezeptoren der postsynaptischen Membran und ruft eine spezifische Wirkung hervor.
- Ein spezielles Enzym baut den Transmitter ab: Acetylcholin wird z.B. von der Cholinesterase in zwei transportable Bestandteile, Acetat und Cholin, gespalten.
- Die Produkte der Spaltung diffundieren zurück in die Präsynapse: Acetat und Cholin werden zurück zur präsynaptischen Membran transportiert und dort aktiv aufgenommen.
- Regeneration der Neurotransmittervesikel für das nächste Aktionspotential: Im Endknöpfchen werden Acetat und Cholin wieder zu Acetylcholin regeneriert.
Aktionspotential im Detail
Das Aktionspotential beschreibt die Änderung des Membranpotentials einer Zelle während der Erregungsleitung. Als Aktionspotential bezeichnest du einen Nervenimpuls, der für die Weiterleitung von Reizen verantwortlich ist. Die Übertragung von Reizen findet in Nervenzellen (Neuronen) statt und äußert sich als Änderung des Membranpotentials. Zu einer Änderung der Spannung kommt es durch das Öffnen und Schließen von spannungsgesteuerten Ionenkanälen in der Membran.
Phasen des Aktionspotentials
- Ruhepotential: Zunächst liegt das Potential einer Zelle in Ruhe (Ruhepotential) bei etwa -70 mV. Die Konzentration der Kaliumionen ist im Zellinneren hoch, während die Natriumkonzentration außerhalb der Zelle höher ist. Die in der Membran liegenden spannungsgesteuerten Natrium- und Kaliumkanäle sind zunächst geschlossen.
- Schwellenwert: Ein am Axonhügel eines Neurons ankommender Reiz erhöht die Spannung an der Zellmembran. Nur wenn dieser Reiz die Spannung über einen Schwellenwert von etwa -50 mV erhöht, wird ein Aktionspotential ausgelöst.
- Depolarisation: oder auch Depolarisierung verstehst du die Anstiegsphase des Aktionspotentials. Das funktioniert so: Der Anstieg des Membranpotentials über einen Wert von etwa -50 mV führt zur Öffnung spannungsabhängiger Natriumkanäle in der Membran. Die Konzentration von Natriumionen ist außerhalb der Zelle deutlich höher als im Zellinnenraum. So kommt es zu einem schlagartigen Einstrom positiv geladener Natriumionen in das Zellinnere des Axons. Das führt zur Öffnung weiterer Natriumkanäle und stellt somit eine positive Rückkopplung dar. So kommt es sogar zur Ladungsumkehr. Die Innenseite ist jetzt also nicht mehr negativ, sondern positiv geladen.
- Repolarisation: Die Repolarisation ist die Phase des Aktionspotentials, bei der sich das Membranpotential wieder dem Ruhepotential nähert. Bevor das Maximum des Membranpotentials erreicht ist, beginnen die Natriumkanäle sich wieder zu schließen. Gleichzeitig beginnen sich die spannungsgesteuerten Kaliumkanäle zu öffnen. Das Zelläußere ist jetzt im Vergleich zum Inneren der Zellen negativ geladen und die Kaliumkonzentration außerhalb der Zelle ist niedriger.
- Hyperpolarisation: Da das Schließen der Kaliumkanäle länger dauert, als das der Natriumkanäle, kann es sogar zur Unterschreitung des Ruhepotentials kommen. weiter Kaliumionen aus der Zelle. Die Spannung sinkt deshalb unter den Ausgangswert.
Refraktärzeit
Nach dem Ablauf des Aktionspotentials kann nicht direkt die nächste Erregung weitergeleitet werden. Es dauert eine kurze Zeit bis eine Zelle wieder erregbar ist. Die Zeit, in der die Kanäle inaktiv sind, heißt Refraktärzeit. Sie ist wichtig für eine unidirektionale Weiterleitung eines Reizes.
- Absolute Refraktärphase: Kurz nach der Umpolarisierung können sich die Natriumkanäle erstmal gar nicht öffnen.
- Relative Refraktärzeit: Nach der Repolarisation wird der Schwellenwert zur Öffnung der Kanäle wieder niedriger, bis er wieder auf den Normalwert sinkt. Diese Phase, bei der du stärkere Reize für die Auslösung eines Aktionspotentials benötigst, heißt relative Refraktärzeit.
Wiederherstellung des Ruhepotentials
Damit die Zelle bereit für ein neues Aktionspotential ist, muss die ursprüngliche Ionenverteilung wieder hergestellt werden. (Natrium-Kalium-ATPase). Unter Energieverbrauch pumpt sie Natrium aus der Zelle heraus und Kalium in die Zelle zurück. Somit hält sie das Ruhepotential der Zelle aufrecht.
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