Als Eltern hat man die lebenslange Aufgabe, seine Kinder zu unterstützen und zu begleiten. Doch was passiert, wenn aus unseren kleinen Schützlingen erwachsene, eigenständige Individuen werden? Dieser Artikel befasst sich mit den Herausforderungen, die entstehen, wenn Eltern Schwierigkeiten haben, ihre erwachsenen Kinder loszulassen und wie man als Erwachsener damit umgehen kann.
Ursachen für Bevormundung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern
Die Bevormundung erwachsener Kinder durch ihre Eltern hat verschiedene Ursachen, die oft komplex und vielschichtig sind. Als mögliche Gründe für eine übermäßige Bevormundung im Erwachsenenalter werden folgende Punkte beobachtet:
- Überfürsorglichkeit und Sorge um das Wohlbefinden: Eltern möchten oft, dass ihre Kinder sicher und glücklich sind. Diese Sorge kann jedoch in übermäßige Fürsorge umkippen und dazu führen, dass Eltern versuchen, jede Entscheidung der Kinder zu kontrollieren, um mögliche Risiken zu minimieren.
- Ungelöste eigene Probleme: Manchmal projizieren Eltern ihre eigenen ungelösten Probleme oder Enttäuschungen auf ihre Kinder. Beispielsweise, wenn Eltern ihre eigenen unerfüllten Träume auf ihre Kinder übertragen und sie somit in bestimmte Richtungen drängen.
- Angst vor dem Unbekannten: Der Übergang von der Elternschaft für kleine Kinder zu erwachsenen Kindern ist für einige Eltern beängstigend. Die Unsicherheit darüber, wie die Kinder ihre eigenen Entscheidungen treffen werden, führt dann häufig zu einem erhöhten Kontrollbedürfnis.
- Mangelnde Akzeptanz von Veränderungen: Der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter bringt Veränderungen mit sich, die für einige Eltern schwer zu akzeptieren sind. Der Fakt, dass die erwachsenen Kinder unabhängiger werden, ruft bei einigen Eltern eine starke Unsicherheit und einen damit verbundenen Widerstand hervor.
- Sorge um das Scheitern der Kinder: Eltern möchten oft, dass ihre Kinder erfolgreich sind und keine Fehler machen. Die Angst vor dem Scheitern der Kinder führt dann häufig dazu, dass Eltern versuchen, ihre Kinder vor jeder möglichen Enttäuschung zu schützen, indem sie ihre Entscheidungen beeinflussen.
- Mangelnde Kommunikation und klare Grenzen: Auch eine schlechte Kommunikation zwischen Eltern und Kindern sowie das Fehlen klarer Grenzen auf beiden Seiten führt oft dazu, dass Eltern unbewusst versuchen, die Kontrolle über ihre Kinder zu behalten, anstatt gemeinsame Vereinbarungen zu treffen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Ursachen für die Bevormundung erwachsener Kinder durch ihre Eltern nicht böswillig gemeint sind. Eltern handeln oft aus Liebe und dem Wunsch, das Beste für ihre Kinder zu tun. Es ist jedoch wichtig, dass Eltern lernen, die Individualität und Unabhängigkeit ihrer erwachsenen Kinder zu respektieren, um eine gesunde und ausgewogene Beziehung aufrechtzuerhalten.
Probleme durch Bevormundung
Einige Eltern neigen dazu, aufgrund ihrer Erziehungsinvestitionen ein gewisses Mitspracherecht in den Entscheidungen ihrer erwachsenen Kinder zu beanspruchen. So entsteht häufig das Denken; "Wir haben dich großgezogen, viel investiert, also können wir mitbestimmen". Eine weitere Beobachtung ist, dass Eltern meinen, durch ihre Lebenserfahrung den Überblick darüber zu haben, was für ihre Kinder das Richtige ist. Dieser Standpunkt kann jedoch dazu führen, dass einige Eltern so beharrlich auf ihre Meinung bestehen, dass es irgendwann zu einem Kontaktabbruch seitens der Kinder kommt.
Das Bevormunden erwachsener Kinder ist daher äußerst problematisch und kann die Eltern-Kind-Beziehung erheblich belasten sowie die persönliche Entwicklung der Kinder beeinträchtigen. Folgende Probleme als Folge von Bevormundung können entstehen:
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- Mangelnde Selbstständigkeit: Wenn Eltern ihre erwachsenen Kinder zu sehr bevormunden, bekommen sie Schwierigkeiten, in ihrem eigenen Leben unabhängige Entscheidungen zu treffen. Dies führt dann häufig zu einem Mangel an Selbstvertrauen und Selbstständigkeit, da die Kinder möglicherweise nicht gelernt haben, ihre eigenen Probleme zu bewältigen.
- Konflikte in der Beziehung: Ständige Einmischung der Eltern führt oft zu Spannungen und Konflikten in der Eltern-Kind-Beziehung. Erwachsene Kinder möchten als eigenständige Individuen wahrgenommen werden und fühlen sich unwohl, wenn ihre Eltern versuchen, jeden Aspekt ihres Lebens zu kontrollieren.
- Verzögerte persönliche Entwicklung: Bevormundung kann unter Umständen auch die persönliche Entwicklung der erwachsenen Kinder verzögern. Manche zögern dann, neue und vor allem eigene Erfahrungen zu machen, Risiken einzugehen oder Verantwortung zu übernehmen, da ihre Eltern immer präsent sind, um Entscheidungen für sie zu treffen.
- Geringes Selbstwertgefühl: Ständige Einmischung kann auch das Selbstwertgefühl der erwachsenen Kinder erheblich beeinträchtigen. Das Gefühl, dass die Eltern nicht an ihre Fähigkeiten glauben, führt dann zu einem geringen Selbstwertgefühl und untergräbt das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen.
- Schwierigkeiten in anderen Beziehungen: Das Muster der Bevormundung in der Eltern-Kind-Beziehung kann sich auch auf andere Beziehungen auswirken. Die Kinder haben dann Schwierigkeiten, gesunde Grenzen in Freundschaften oder romantischen Beziehungen zu setzen, da sie nicht gelernt haben, ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen klar auszudrücken.
Um diese Probleme zu vermeiden, ist es wichtig, dass Eltern sich bewusst sind, wann und wie sie ihre erwachsenen Kinder unterstützen. Eine ausgewogene Unterstützung, die Raum für Eigenverantwortung lässt, ist entscheidend für eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung im Erwachsenenalter.
10 Tipps zum Loslassen
Der Wandel von der Elternrolle für kleine Kinder hin zur Unterstützung der Kinder im Erwachsenenalter stellt eine zentrale Herausforderung dar, die jedoch unabdingbar ist. Es mag mitunter schwierig sein, die Kontrolle aufzugeben, jedoch ist dies von grundlegender Bedeutung. Nur so können erwachsene Kinder in der Lage sein, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und aus ihren Fehlern zu lernen. Loslassen bedeutet nicht, die Verbindung zu verlieren; vielmehr eröffnet es die Möglichkeit, die Beziehung auf eine neue, reifere Ebene zu heben. Es ist ein Akt der Anerkennung, dass die erwachsenen Kinder ihre eigenen Wege gehen müssen, während die elterliche Unterstützung auf einer Ebene der Freiheit und Verantwortung fortbesteht.
- Vertrauen aufbauen: Eine der wichtigsten Säulen einer gesunden Eltern-Kind-Beziehung ist Vertrauen. Vertrauen Sie darauf, dass Sie Ihren Kindern die notwendigen Werte und Fähigkeiten vermittelt haben, um eigenverantwortliche Entscheidungen zu treffen. Zeigen Sie, dass Sie an ihre Fähigkeiten glauben und ermutigen Sie Ihre Kinder darin, selbstständig zu handeln.
- Kommunikation auf Augenhöhe: Statt autoritärer Anweisungen ist eine offene Kommunikation auf Augenhöhe entscheidend. Lassen Sie Raum für den Dialog und respektieren Sie die Meinungen und Entscheidungen Ihrer erwachsenen Kinder. Das schafft eine Atmosphäre des Verständnisses und fördert somit das Vertrauen seitens Ihrer Kinder in die elterliche Unterstützung.
- Grenzen setzen statt Bevormundung: Obwohl Unterstützung wichtig ist, ist es ebenso entscheidend, klare Grenzen zu setzen. Die erwachsenen Kinder sollten die Freiheit haben, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, aber auch die Konsequenzen ihrer Handlungen tragen. Grenzen zu setzen bedeutet dabei nicht, die Kinder zu bevormunden, sondern ihnen Struktur und Verantwortung zu vermitteln.
- Reflexion über eigene Bedürfnisse: Manchmal neigen Eltern dazu, ihre eigenen unerfüllten Träume und Wünsche auf ihre Kinder zu projizieren. Deshalb ist es wichtig, sich bewusst zu sein, dass die erwachsenen Kinder ihre eigenen Ziele und Träume haben. Respektieren Sie ihre Individualität und ermutigen Sie Ihre Kinder, ihre eigenen Wege zu gehen!
- Akzeptanz der Veränderung: Die Akzeptanz, dass Kinder heranwachsen und sich weiterentwickeln müssen, ist der erste Schritt des Loslassens. Machen Sie sich bewusst, dass der Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter unausweichlich ist!
- Bewusstes Zulassen von Fehlern: Kinder machen Fehler, das ist ein natürlicher Teil ihres Lernprozesses. Lernen Sie zu verstehen, dass Ihre Kinder durch diese Erfahrungen wachsen und lernen. Es ist wichtig, nicht jeden Fehler gleich als Versagen zu betrachten.
- Gesunde Kommunikation fördern: Eine offene und ehrliche Kommunikation ist entscheidend für eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung. Schaffen Sie deshalb eine Umgebung, in der Ihre Kinder sich frei fühlen, ihre Gedanken und Gefühle auszudrücken. Gleichzeitig sollten auch Sie als Eltern Ihre eigenen Gedanken und Erwartungen teilen.
- Sich auf die eigenen Interessen konzentrieren: Sie können den Prozess des Loslassens erleichtern, indem sie sich vermehrt auf ihre eigenen Interessen und Aktivitäten konzentrieren. Dies hilft nicht nur dabei, die Zeit sinnvoll zu gestalten, sondern stärkt auch die persönliche Identität außerhalb der Elternrolle. Wenn Sie sich auf sich selbst und auf Ihr eigenes Leben konzentrieren, fokussieren Sie sich automatisch weniger auf die Kontrolle Ihrer Kinder.
- Vertrauen in die eigene Erziehung: Vertrauen Sie, dass sie eine solide Grundlage für ihre Kinder geschaffen haben. Die Werte, Fähigkeiten und Ratschläge, die sie vermittelt haben, werden weiterhin einen Einfluss haben, selbst wenn die Kinder ihre eigenen Wege gehen.
- Professionelle Hilfe in Betracht ziehen: Wenn das Loslassen besonders schwierig für Sie ist und die Bevormundung familiäre Konflikte mit sich bringt oder mit starken emotionalen Herausforderungen verbunden ist, kann professionelle Unterstützung hilfreich sein.
Die Rolle der Mediation
Die Vielfalt des Lebens bietet eine Fülle von Entscheidungen, die individuell und oft kontrovers sind - von Wohnortwechseln über Berufswahl bis hin zu Lebensform, Bekleidung, Essgewohnheiten und dem Freundeskreis. In vielen Familien führen diese Entscheidungen jedoch zu nicht geheilten Konflikten und Vorwürfen. Diese belasten die Beziehungen zwischen Eltern und erwachsenen Kindern manchmal so sehr, dass eine Mediation als Mittel gewählt wird, um einen neuen Umgang miteinander zu finden.
Mediation kann eine entscheidende Rolle spielen, wenn es um die Bewältigung von Problemen in der Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern geht, insbesondere wenn es sich um Themen wie Bevormundung und die Suche nach einer ausgewogenen Dynamik zwischen Unterstützung und Unabhängigkeit handelt. In der Mediation wird zunächst eine strukturierte und respektvolle Kommunikation gefördert. Sie unterstützt dabei, dass sowohl Eltern als auch erwachsene Kinder ihre Gefühle, Bedenken und Erwartungen klar ausdrücken können. Das ist wichtig, da eine verbesserte Kommunikation dabei hilft, Missverständnisse zu klären und gemeinsame Lösungen zu finden.
Durch eine klare Kommunikation können alle Beteiligten besser verstehen, wie sich bestimmte Verhaltensweisen auf die andere Partei auswirken. Eltern können die Perspektive ihrer erwachsenen Kinder besser nachvollziehen und umgekehrt können die Kinder die Herausforderungen und Sorgen der Eltern besser verstehen.
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In der Mediation wird gemeinsam geübt, klare Grenzen für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern festzulegen. Dies hilft dabei, eine ausgewogene Dynamik zu schaffen, in der die Unterstützung vorhanden ist, aber auch Raum für die individuelle Entwicklung der Kinder gelassen wird.
Ein weiterer Schwerpunkt der Mediation ist es, gemeinsam Lösungen zu entwickeln, die für alle Beteiligten akzeptabel sind. Dies könnte beinhalten, dass Eltern lernen, ihre erwachsenen Kinder loszulassen und ihnen Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen zu geben, während die Kinder gleichzeitig verstehen lernen, wie wichtig es ist, die Eltern in ihr Leben einzubeziehen.
Abschließend werden gemeinsam langfristige Strategien für die Eltern-Kind-Beziehung entwickelt. Dies beinhaltet, wie zukünftige Konflikte gelöst werden können und wie die Beziehung weiter gestärkt werden kann, ohne dass es zu Bevormundungen kommt.
Der Fokus der Mediation liegt darauf, dass beide Parteien ihre Autonomie stärken können. Es werden Werkzeuge an die Hand gegeben, die dabei helfen, Ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Dies ist besonders wichtig, wenn es darum geht, dass erwachsene Kinder ihre Unabhängigkeit behaupten und Eltern lernen, diese Entwicklung zu respektieren.
Mediation kann somit eine unterstützende und konstruktive Rolle dabei spielen, die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern zu stärken, Konflikte zu lösen und eine gesunde Dynamik zu fördern, die Raum für individuelle Entfaltung und gleichzeitig für elterliche Unterstützung lässt.
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Wie man als Erwachsener Grenzen setzt und mit nervigen Kommentaren umgeht
Auch wenn die Beziehung zu den Eltern schwierig ist, gibt es Möglichkeiten, als erwachsenes Kind einen gesünderen Umgang zu pflegen. Hier sind einige Strategien, die helfen können:
- Erkennen und Akzeptieren der eigenen Gefühle: Es ist wichtig, die eigenen Gefühle wie Wut, Frustration oder Verletztheit anzuerkennen und zu akzeptieren. Diese Gefühle sind valide und sollten nicht unterdrückt werden.
- Kommunikation der eigenen Bedürfnisse: In einem ruhigen Moment kann man die typische Eltern-Rede-Technik auch einmal für sich verwenden und sagen: „Mir ist aufgefallen, dass ihr in letzter Zeit meine Grenzen nicht richtig respektiert. Ich wünsche mir, dass das in Zukunft anders ist.“ Dann erzählt man konkrete Beispiele und weist noch einmal darauf hin, dass man keine zehn mehr ist, sondern Jugendliche, die dabei sind, erwachsen zu werden. „Und dafür brauche ich eure Mithilfe. Zum Beispiel, indem ihr mir vertraut und ich euch vertrauen kann.“
- Grenzen setzen: Es ist entscheidend, klare Grenzen zu setzen und diese auch zu kommunizieren. Das bedeutet, dass man bestimmt, welche Verhaltensweisen der Eltern akzeptabel sind und welche nicht. Es ist wichtig, konsequent zu bleiben und die Grenzen auch durchzusetzen.
- Distanzierung: Wenn die Situation zu belastend wird, kann es hilfreich sein, sich emotional oder physisch zu distanzieren. Das bedeutet, dass man den Kontakt zu den Eltern reduziert oder sich in Gesprächen abgrenzt.
- Akzeptanz: In manchen Fällen ist es wichtig zu akzeptieren, dass sich die Eltern nicht ändern werden. In solchen Fällen kann es hilfreich sein, die eigenen Erwartungen anzupassen und sich auf das zu konzentrieren, was man selbst beeinflussen kann.
- Suche nach Unterstützung: Es kann hilfreich sein, sich Unterstützung bei Freunden, Partnern oder Therapeuten zu suchen. Diese können helfen, die Situation zu reflektieren und Strategien für den Umgang mit den Eltern zu entwickeln.
- Professionelle Hilfe: Wenn die Probleme tiefgreifender sind, kann eine Therapie oder Mediation sinnvoll sein. Diese kann helfen, die Beziehung zu den Eltern zu verbessern oder einen gesünderen Umgang mit ihnen zu finden.
Die „Mütter-sind-an-allem-schuld“-Alarmglocken
Wenn Vorwürfe über (frühere) Fehler der Eltern aufkommen, gehen oft die „Mütter-sind-an-allem-schuld“-Alarmglocken an. Es ist wichtig, herauszufinden, was dahintersteckt. Im Idealfall kann man nach dem ersten Schock eine kurze Auszeit nehmen, in der man sich seine Reaktion auf den Vorwurf erst einmal bewusst macht. Dazu kann man das Gespräch unterbrechen, um es später fortzuführen („Das muss ich jetzt erst mal verdauen - ich ruf dich nachher nochmal an.“). Dann hört man in sich hinein, was da alles hochkommt: Schuldgefühle, Rechtfertigung, Leugnen, Scham, Trauer usw. - ohne etwas zu bewerten! Dieser erste Schritt ist wichtig, um eine gewisse Distanz zu meinen Gefühlen zu bekommen. Dadurch nehme ich sie wahr, lasse mich aber nicht von ihnen überschwemmen.
Auf dieser Grundlage kann dann eine weitere Klärung erfolgen, die erst einmal hauptsächlich aus Zuhören und Nachfragen bestehen sollte: Kannst du mir ein Beispiel erzählen? Wann hast du das zum ersten Mal/besonders stark erlebt? Hast du früher schon versucht, mir das zu vermitteln? Wie bist du bisher damit umgegangen? Wie hättest du es dir anders gewünscht?
Ob das, was das Kind dann erzählt, objektiv genau so stimmt oder nicht - es ist seine Wahrnehmung und damit für sie oder ihn die Wirklichkeit, das, was sein oder ihr Leben im Moment prägt. Dieser Gedanke kann helfen, nicht vorschnell alles zu relativieren oder zu leugnen nach dem Motto: „So schlimm war das doch nicht.“
Erst, nachdem man möglichst konkret erfahren hat, was das Kind verletzt hat, sollte von einem selbst eine Reaktion kommen. Dafür kann man sich auch wieder Zeit nehmen, wenn nötig. Vielleicht kann man zunächst die Aussagen von Sohn oder Tochter zusammenfassen, damit sicher ist, dass alles richtig ankam. Dann darf ruhig auch die eigene Sicht der Ereignisse auf den Tisch, wenn man Situationen anders erlebt hat - ohne den Anspruch, dass eines falsch und das andere richtig ist! Für Versäumnisse kann man um Vergebung bitten, Fehler eingestehen oder auch Entscheidungen neu bewerten: „Damals war uns diese Arbeit ein großes Anliegen, es ist uns auch heute noch total wichtig. Aber wenn ich nun höre, wie du dich dadurch nicht genug geliebt gefühlt hast, dann tut mir das sehr leid. Mit diesem Wissen würde ich es heute anders machen.“