Die Entwicklung des Nervensystems eines Embryos ist ein komplexer und faszinierender Prozess, der in mehreren Stadien abläuft. Diese Entwicklung beginnt sehr früh in der Schwangerschaft und setzt sich nach der Geburt fort. Im Folgenden werden die einzelnen Phasen der Entwicklung des Nervensystems detailliert beschrieben.
Frühe Stadien der Gehirn- und Nervensystementwicklung
Die Entwicklung des Gehirns und des Nervensystems beginnt bereits sehr früh, nämlich in der dritten Schwangerschaftswoche. Bis zum Ende der achten Woche sind Gehirn und Rückenmark fast vollständig angelegt. In den folgenden Wochen und Monaten werden durch Zellteilung unzählige Nervenzellen im Gehirn gebildet. Ein Teil dieser Nervenzellen wird jedoch noch vor der Geburt wieder abgebaut.
Empfindlichkeit gegenüber äußeren Einflüssen
Während der gesamten Schwangerschaft sind die neuronalen Strukturen äußerst empfindlich und anfällig gegenüber äußeren Einflüssen. Alkoholkonsum, Rauchen, Strahlung, Jodmangel und bestimmte Erkrankungen der Mutter, wie beispielsweise Infektionskrankheiten, können das sich entwickelnde Nervensystem schädigen. Auch Medikamente sollten nur nach Absprache mit dem Arzt eingenommen werden, um negative Auswirkungen auf den Embryo zu verhindern.
Frühe Lernprozesse im Mutterleib
Schon im Mutterleib nimmt das Gehirn des Ungeborenen Informationen auf. Es wird angenommen, dass das Erlernen der Muttersprache bereits vor der Geburt durch die Wahrnehmung der Sprache der Eltern geprägt wird.
Entwicklung des Nervensystems nach der Geburt
Mit der Geburt ist die Entwicklung von Gehirn und Nervensystem noch lange nicht abgeschlossen. Zwar sind zu diesem Zeitpunkt bereits die große Mehrheit der Neuronen, etwa 100 Milliarden, im Gehirn vorhanden, sein Gewicht beträgt dennoch nur etwa ein Viertel des Gewichts eines Erwachsenen.
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Zunahme der Verbindungen und Myelinisierung
Die Gewichts- und Größenzunahme des Gehirns im Laufe der Zeit beruht auf der enormen Zunahme der Verbindungen zwischen den Nervenzellen und darauf, dass die Dicke eines Teils der Nervenfasern zunimmt. Das Dickenwachstum ist auf eine Ummantelung der Fasern zurückzuführen. Dadurch erhalten sie die Fähigkeit, Nervensignale mit hoher Geschwindigkeit fortzuleiten.
Reflexe im Säuglingsalter
Beim Säugling stehen zunächst Reflexe im Vordergrund. Dabei werden körpereigene Signale und Umweltreize bereits auf der Ebene des Rückenmarks und des Nachhirns in Äußerungen und Reaktionen umgesetzt. In dieser Phase dient der ganze Körper des Säuglings dazu, grundlegende Bedürfnisse und Empfindungen wie Hunger, Angst und Unwohlsein zum Ausdruck zu bringen.
Entwicklung der motorischen Fähigkeiten
Nach sechs Monaten hat sich das Gehirn so weit entwickelt, dass Babys lernen, Oberkörper und Gliedmaßen zu kontrollieren. Im Alter von zwei Jahren haben die meisten Nervenfasern von Rückenmark, Nachhirn und Kleinhirn ihre endgültige Dicke erreicht und damit ihre Ummantelung abgeschlossen. Sie können nun Nervensignale mit hoher Geschwindigkeit hin und her schicken.
Synaptogenese und Anpassungsfähigkeit
Im Gehirn nimmt die Anzahl der Verbindungen zwischen den Nervenzellen, die Synapsen, in den ersten drei Lebensjahren rasant zu. In dieser Zeit entsteht das hochkomplexe neuronale Netz, in dem jede Nervenzelle mit Tausenden anderer Neurone verbunden ist. Mit zwei Jahren haben Kleinkinder so viele Synapsen wie Erwachsene und mit drei Jahren sogar doppelt so viele. Diese Zahl bleibt dann etwa bis zum zehnten Lebensjahr konstant. In den darauffolgenden Jahren verringert sich die Zahl der Synapsen wieder um die Hälfte. Ab dem Jugendalter treten bei der Zahl der Synapsen keine größeren Veränderungen mehr auf. Die große Zahl der Synapsen bei zwei- bis zehnjährigen Kindern ist ein Zeichen für die enorme Anpassungs- und Lernfähigkeit der Kinder in diesem Alter. Art und Anzahl der sich formenden und bestehen bleibenden Synapsen hängen mit speziellen erlernten Fertigkeiten zusammen.
Optimierung des Gehirns im Jugendalter
Bei der weiteren Entwicklung des Gehirns treten dann andere Dinge in den Vordergrund. Die wenig benutzten und offenbar nicht benötigten Verbindungsstellen werden abgebaut, die anderen Nervenfasern zwischen den Neuronen dagegen intensiver genutzt. Das ist der Grund für den Abbau der Synapsen ab dem 10. Lebensjahr um die Hälfte.
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Entwicklung des Gedächtnisses
Bereits Babys besitzen die Fähigkeit, sich zu erinnern. Allerdings bleiben Erlebnisse bei sechs Monate alten Säuglingen lediglich 24 Stunden im Gedächtnis. Sind sie neun Monate alt, steigt das Erinnerungsvermögen auf einen Monat an. In den nächsten Monaten und Jahren nehmen diese Erinnerungszeiträume weiter zu. Die Entwicklung eines Langzeitgedächtnisses, das uns erlaubt, Erlebnisse und Erfahrungen, die Jahre zurückliegen, zu erinnern, dauert aber noch einige Zeit. Deshalb gibt es an die ersten drei bis vier Lebensjahre keine Erinnerung und meist nur wenige an das fünfte und sechste Lebensjahr.
Entwicklung kognitiver Fähigkeiten
Mit etwa sechs Jahren setzen weitere wichtige Prozesse ein. Im vorderen Bereich der Großhirnrinde entwickelt sich zunehmend die Fähigkeit zu logischem Denken, Rechnen und „vernünftigem“ bzw. sozialem Verhalten, das sich an Erfahrungen orientiert. Auch die sprachlichen Fähigkeiten und das räumliche Vorstellungsvermögen, für die der hintere Bereich der Großhirnrinde zuständig ist, werden besser. Ab dem 10. Lebensjahr wird das Gehirn dann optimiert. Nur die Nervenverbindungen bleiben erhalten, die häufig gebraucht werden, die übrigen verschwinden.
Plastizität des Gehirns im Erwachsenenalter
Im weiteren Verlauf des Lebens kann die komplexe Struktur des fertig entwickelten Gehirns in gewissen Grenzen umgebaut und umfunktioniert werden. Sterben Nervenzellen durch Alterungsprozesse, Erkrankungen oder andere Einflüsse ab oder sind sie in ihrer Funktion gestört, können häufig andere Bereiche des Gehirns ihre Aufgabe zumindest teilweise übernehmen.
Detaillierte Phasen der Embryonalentwicklung
Die Embryonalentwicklung des Menschen lässt sich in verschiedene Phasen unterteilen, die jeweils durch spezifische Ereignisse und Veränderungen gekennzeichnet sind.
Präembryonale Phase (1.-3. Woche)
Die präembryonale Phase umfasst die Vorgänge von der Befruchtung bis zum Abschluss der dritten Entwicklungswoche des Embryos.
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Befruchtung und Furchungsteilungen
Nach der Befruchtung wandert die Zygote den Eileiter entlang in Richtung Gebärmutter. Dabei kommt es bereits zu Zellteilungen, den sogenannten Furchungsteilungen. Die dabei entstehenden Zellen nennt man Blastomere. Ein wichtiges Stadium ist das 16-Zell-Stadium, in dem die Blastomere die Morula bilden.
Blastulation und Einnistung
Spätestens ab dem Morula-Stadium an Tag drei verlieren die Blastomere ihre Totipotenz und differenzieren sich zu unterschiedlichen Zellmassen. Dabei entsteht die Blastozyste. Etwa am vierten Tag erreicht der Zellverband die Gebärmutter, wo die Einnistung stattfinden kann. Zuvor war er von der sogenannten Zona pellucida umgeben, einer Hülle um die Eizelle. Schließlich verlässt die Blastozyste die Zona pellucida. Der Trophoblast, der zu Beginn die "äußere Zellschicht" bildet, kann jetzt in die Gebärmutterschleimhaut (= Endometrium) einwandern. Danach kann die ganze Blastozyste folgen. Man spricht von Implantation oder auch Einnistung.
Bildung der zweiblättrigen Keimscheibe
Während der Trophoblast die Blastozyste verankert, bildet der Embryoblast die zweiblättrige Keimscheibe aus. Sie besteht aus Epiblast und Hypoblast. Durch diese Differenzierung wird zum ersten Mal das spätere vorne (Bauchseite) und hinten (Rückenseite) des Kindes festgelegt: Der Epiblast befindet sich hinten, der Hypoblast vorn. Mit der Ausbildung der zweiblättrigen Keimscheibe beginnt nun offiziell die Embryonalentwicklung.
Bildung von Amnionhöhle, Dottersack und Chorionhöhle
Außerdem bilden sich folgende wichtige Strukturen:
- Bildung der Amnionhöhle: Die Amnionhöhle entsteht aus Zellen des Epiblasten. Nachdem es schon eine kleine Lücke zwischen Epiblast und Trophoblast gibt, wandern Zellen entlang des Trophoblasten aus, als würden sie eine Art Kuppel bilden. Es entsteht sich eine abgeschlossene Höhle, die mit Flüssigkeit gefüllt ist.
- Bildung des Dottersacks: Der Dottersack geht aus dem Hypoblast hervor. Vom Prinzip entsteht er zunächst ähnlich wie die Amnionhöhle. Zellen des Hypoblasten wandern zur Seite aus. Was früher eine Höhle innerhalb der Blastozyste war, ist nun von diesen Zellen ausgekleidet. Ein Teil dieser neu ausgekleideten Höhle wird jetzt jedoch abgeschnürt, sodass der Dottersack sich weiter verkleinert.
- Bildung der Chorionhöhle: Der Trophoblast wächst schneller als Amnionhöhle und Dottersack, sodass ein Spalt zwischen ihnen entsteht. Aus dem Hypoblasten wandert nun ein weiterer Gewebetyp aus: Das extraembryonale Mesoderm. Es füllt den neu entstandenen Spalt. Aber auch innerhalb des extraembryonalen Mesoderms bildet sich erneut ein Spalt. Er teilt das extraembryonale Mesoderm in zwei Teile: viszerales Blatt (umhüllt Dottersack, Amnionhöhle und somit auch Keimscheibe) und parietales Blatt (bedeckt von innen den Trophoblasten). Zwischen den beiden Blättern verbleibt die Chorionhöhle.
Embryonale Phase (4.-8. Woche)
Die embryonale Phase umfasst die vierte bis achte Woche der Schwangerschaft. In dieser Zeit findet die Organogenese statt, also die Bildung der Organe.
Gastrulation und Bildung der drei Keimblätter
In der dritten Schwangerschaftswoche kommt es zur Gastrulation. Gastrulation beschreibt die Bildung einer dreiblättrigen Keimscheibe aus einer zweiblättrigen Keimscheibe in der Embryonalentwicklung. Die dabei neu entstehenden Keimblätter nennt man Ektoderm, Mesoderm und Endoderm.
Neurulation und Bildung des Neuralrohrs
Außerdem kommt es zur Neurulation: Die Neurulation ist die Grundlage für die Entstehung des Nervensystems. Dazu bilden sich in der Embryonalentwicklung ein Neuralrohr und Neuralleisten.
Somitenbildung
Etwa ab Tag 20 beginnt die Ausbildung von Somitenpaaren auf beiden Seiten des Neuralrohrs. Sie entstehen aus paraxialem Mesoderm. Später gibt es 42-44 Somitenpaare. Ein Somit besteht aus drei Anteilen, die die Zellmasse für verschiedene spätere Strukturen und Gewebe zur Verfügung stellen: Sklerotom (Material für die Wirbelsäule), Myotom (Material für die Skelettmuskulatur) und Dermatom (Material für subkutanes Gewebe).
Schlundbögen
Neben den Somiten gibt es auch Schlundbögen, die sich zwischen der 3. und 5. Woche der Embryonalentwicklung ausbilden. Beim menschlichen Embryo gibt es 6 Schlundbögen, von denen der 5. nicht gleichwertig angelegt ist.
Abfaltung
Lange gehen alle Strukturen des Embryos von einer eher zweidimensionalen Keimscheibe aus. Dies ändert sich während der Abfaltung. Die Keimscheibe faltet sich "längs nach unten". Außen liegt das Ektoderm, innen bildet sich ein "Rohr" aus Endoderm. Neben der Längsfaltung kommt es auch zur Krümmung des Embryos. Dies liegt an unterschiedlichen Wachstumsgeschwindigkeiten innerhalb des Embryos.
Organogenese
In der 5. bis 8. Woche der Embryonalentwicklung entwickelt sich der Embryo weiter und die Organe werden angelegt. Die einzelnen Vorgänge der Organogenese sind recht komplex, besonders wenn die Entwicklung einzelner Organe gesondert betrachtet wird.
Fetale Phase (9. Woche bis Geburt)
Ab der neunten Woche spricht man nicht mehr von einem Embryo, sondern von einem Fötus. In dieser Phase reifen die Organe weiter aus und der Fötus wächst.
Neuralleistenzellen
Während der embryonalen Entwicklung des Zentralnervensystems (ZNS) wandern neuroektodermale Zellen in aufeinanderfolgenden Wellen von den Neuralleisten aus, um spezialisierte Strukturen des peripheren Nervensystems zu bilden, einschließlich sympathischer und parasympathischer Ganglien, chromaffiner Zellen und Schwann-Zellen. Neuralleistenzellen entstehen aus den Rändern der Neuralplatten, die sich zum Neuralrohr falten. Aus dem Neuralrohr entsteht das ZNS, während Neuralleistenzellen um den sich entwickelnden Embryo wandern und sich vermehren, um Pigmentzellen, autonome und sensorische Nervenzellen, Schwann-Zellen und endokrine Zellen (chromaffine Zellen in der Medulla) hervorzubringen.
Entwicklung des Gehirns
Das Gehirn entwickelt sich aus drei primären Hirnbläschen: Prosencephalon (Vorderhirn), Mesencephalon (Mittelhirn) und Rhombencephalon (Rautenhirn). Diese Bläschen teilen sich weiter in fünf sekundäre Hirnbläschen:
- Das Telencephalon wird zur linken und rechten Großhirnrinde.
- Das Diencephalon wird zum Thalamus, Hypothalamus und zur Glandula pienalis.
- Das Mesencephalon wird zum Mittelhirn.
- Das Metencephalon wird zum Pons und Kleinhirn.
- Das Myelencephalon wird zur Medulla oblongata.
Der Rest des Neuralrohrs entwickelt sich zum Rückenmark.
Ventrikelsystem
Der Plexus choroideus entwickelt sich aus der ependymalen Auskleidung des Seiten-, 3. und 4. Ventrikels. Die Funktion des Plexus choroideus ist die Filtration des Blutes, um Ultrafiltrat in Form von Liquor in die Ventrikel abzugeben.
Flexuren des Neuralrohrs
Wenn das Neuralrohr wächst, beugt es sich mehrmals in der Sagittalebene. Eine zervikale Flexur tritt zwischen dem Rückenmark und dem Rhombencephalon auf. Die cephale Flexur tritt zwischen dem Prosencephalon und dem Mesencephalon auf.
Histologie des Rückenmarks
Die Marginalzone ist der Bereich neben der Intermediärzone. Die Zellen proliferieren aus der ventrikulären Zone, um die Lücke zu füllen, so dass der Bereich des Rückenmarks begrenzt wird. Die Basalplatte wird zum Vorderhorn des Rückenmarks und ihre Neuronen haben eine motorische Funktion.
Entwicklung des Hirnstamms
Das Neuralrohr ist hinten durch eine Dachplatte und vorne durch eine Bodenplatte verschlossen. Im kranialen Hirnstamm ist die Dachplatte mehr geöffnet und hat ein „offenes Buch“-Aussehen. Der Sulcus limitans trennt noch die Flügel- und die Basalplatte, aber sie liegen jetzt lateral (Flügelplatte) und medial (Basalplatte). Wenn sich der Hirnstamm entwickelt, erscheint der Olivenkern; er ist eine charakteristische Struktur im Hirnstamm, da er als sensorischer Relaisbereich fungiert. Pontine Kerne werden sensorischen Ursprungs sein, sie wandern anterior zur Basalplatte. Der Pons sitzt ventral und anterior.
Fontanellen des Schädels
Auf dem Schädeldach sind sechs Fontanellen zu finden, darunter zwei unpaare Hauptfontanellen und vier kleinere, paarige Fontanellen. Diese Fontanellen ermöglichen es dem Schädel, sich bei der Geburt zu verformen.
Neuralrohrdefekte
Neuralrohrdefekte sind eine der häufigsten angeborenen ZNS-Fehlbildungen. Die Defekte entwickeln sich zwischen der 3. und 4. Schwangerschaftswoche und werden oft durch einen Folsäuremangel verursacht.
Einfluss von Lernumgebungen auf die Entwicklung
Die Entwicklung des kindlichen Gehirns und Nervensystems wird maßgeblich durch Lernerfahrungen beeinflusst. Ein liebevoller Umgang mit dem Kind vereinfacht und beschleunigt dessen Entwicklung. Durch das sich im Entstehen befindliche neuronale Netz kann ein Embryo bereits im Mutterleib Informationen aufnehmen und verarbeiten. Die Stimmen der Eltern oder das Krähen des Geschwisters führen zum Beispiel bereits in sehr frühem Stadium dazu, dass das Kind den Sprachrhythmus der Muttersprache verinnerlicht und Personen wiedererkennt. Auch auf Musik reagieren viele Ungeborene.
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