Eine Enzephalitis, auch bekannt als Gehirnentzündung, ist eine Entzündung des Gehirns, die meist durch Viren verursacht wird. Sie kann aber auch durch Bakterien, Pilze, Parasiten oder Autoimmunreaktionen ausgelöst werden. Die Erkrankung kann mild verlaufen, aber auch schwerwiegend sein und bleibende Folgeschäden verursachen. Besonders gefährdet sind Kinder, junge Erwachsene und Menschen mit einem geschwächten Immunsystem.
Was ist eine Enzephalitis?
Enzephalitis ist der medizinische Begriff für eine Entzündung des Gehirns. Tritt die Gehirnentzündung zusammen mit einer Entzündung der Hirnhaut auf (Meningitis), spricht man von einer Meningoenzephalitis. Bei einer Enzephalitis können einzelne oder mehrere Funktionen des Gehirns beeinträchtigt sein.
Ursachen und Risikofaktoren
Die häufigste Ursache einer Enzephalitis sind Viren. Oft befallen die Viren zunächst einen anderen Teil des Körpers und lösen eine Krankheit wie Röteln, Masern, Mumps oder Dreitagefieber aus. Später dringen die Viren dann ins Gehirn vor. Ärzte unterscheiden zwischen der primären und sekundären Form der viralen Enzephalitis. Bei der primären Form dringen die Viren direkt in das Gehirn ein. Bei der sekundären Enzephalitis entgleist das körpereigene Abwehrsystem als Reaktion auf eine Virusinfektion: Es entstehen Antikörper, die fälschlicherweise auch das Gehirn angreifen (Autoimmunreaktion). Dies kann im späteren Krankheitsverlauf passieren, aber auch, nachdem der eigentlich Virusinfekt bereits abgeklungen ist.
Etwa 70 Prozent der Gehirnentzündungen werden durch Viren verursacht. Am häufigsten findet man:
- Herpes-simplex-Viren: Sie lösen zum Beispiel Lippenherpes und Genitalherpes aus.
- Enteroviren: Sie verursachen beispielsweise die Hand-Fuß-Mund-Krankheit.
- Epstein-Barr-Viren: Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers
- Cytomegalieviren
- Varizella-Zoster-Viren: Erreger der Windpocken und der Gürtelrose
- Parechoviren: Sie lösen Atemwegs- und Magen-Darm-Infektionen aus.
- Influenzaviren: Auslöser der Grippe
- Arboviren: Das sind Viren, die unter anderem von Zecken und Mücken übertragen werden. Dazu zählen etwa der Erreger von FSME oder das West-Nil-Virus.
Manchmal führen Infektionen mit Masern-, Mumps- und Rötelnviren zu einer Enzephalitis, selten eine SARS-CoV-2-Infektion. Die autoimmune Enzephalitis kann auch durch eine Krebserkrankung entstehen.
Lesen Sie auch: Nervenbehandlungsmethoden erklärt
Neben den Viren gibt es noch weitere Auslöser einer Enzephalitis. Dazu zählen:
- Bakterien (z.B. die Erreger der Syphilis, der Tuberkulose oder der Borreliose)
- Parasiten (z.B. Würmer oder die Erreger der Toxoplasmose)
- Pilze
- Autoimmunerkrankungen (z. B. Multiple Sklerose)
Bakterien erreichen das Gehirn entweder über das Blut (etwa bei einer vorangegangenen Entzündung im Kopfbereich), über die Haut (zum Beispiel durch ein Hautfurunkel am Kopf) oder direkt (zum Beispiel bei einer Operation am Kopf). Die Ursache einer autoimmun bedingten Enzephalitis lässt sich nicht immer herausfinden. In manchen Fällen entsteht sie auf dem Boden einer Krebserkrankung. Daher suchen Ärzte immer auch nach einem Tumor im Körper, wenn sie eine Autoimmunenzephalitis vermuten.
Besonders gefährdet, an einer Gehirnentzündung zu erkranken, sind Kinder und junge Erwachsene. Außerdem haben Personen mit einem geschwächten Immunsystem - beispielsweise Personen, die mit HIV infiziert und unbehandelt sind - ein höheres Risiko, eine Gehirnentzündung zu entwickeln. Da einige der genannten Viren in unseren Breiten nicht vorkommen, sind Fernreisende ebenfalls stärker gefährdet.
Die Häufigkeit der Gehirnentzündungen unterscheidet sich je nach Ursache. Etwa 4 bis 8 von 100.000 Menschen erkranken jedes Jahr an einer virusbedingten Enzephalitis. Die Jahreszeit hat ebenfalls einen Einfluss auf bestimmte virusbedingte Gehirnentzündungen. Die in Europa verbreitete Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) tritt dann auf, wenn die Zecken als Krankheitsüberträger besonders aktiv sind. Ähnliches gilt für Gehirnentzündungen, deren Auslöser durch Mücken übertragen werden, wie das West-Nil-Virus.
Symptome
Typische Beschwerden sind Bewusstseinsstörungen, Verwirrtheit, epileptische Anfälle sowie Fieber und Kopfschmerzen. Oft kommen Verhaltensänderungen und Denkstörungen hinzu. Die häufigsten Symptome bei einer Enzephalitis sind:
Lesen Sie auch: Wie man ZNS-Entzündungen erkennt und behandelt
- Verwirrtheit
- Kopfschmerzen
- Krampfanfälle
- Bewusstseinsstörungen
- Fieber
Es können außerdem Verhaltensänderungen, Halluzinationen oder Denkstörungen hinzukommen. Je nachdem, welches Virus die Entzündung verursacht, können bestimmte Beschwerden auftreten:
- Bei einer Infektion mit Herpes-simplex-Viren treten oft Sprachstörungen wie eine Aphasie auf.
- Arboviren, also Viren, die durch Insekten übertragen werden, verursachen häufiger Bewegungsstörungen.
- Bei einer Infektion mit Enteroviren des Serotyps EV 71 können Zittern, Muskelzuckungen, Bewegungsstörungen und Lähmungen auftreten.
Darüber hinaus können weitere neurologische Symptome vorkommen, beispielsweise eine Halbseitenlähmung, schlaffe Lähmungen einzelner Muskelgruppen oder Gefühlsstörungen. Manchmal sind Hirnfunktionsstörungen so gering ausgeprägt, dass man sie kaum wahrnimmt. Bei Neugeborenen und Säuglingen sind die Symptome einer Enzephalitis eher allgemeiner Natur: Sie trinken nicht gut, sind teilnahmslos und träge.
Diagnose
Um eine Enzephalitis festzustellen, fragt der Arzt nach den Beschwerden und der Krankengeschichte. Er befragt dabei sowohl den Patienten als auch seine Angehörigen (Fremdanamnese). Das ist notwendig, weil Personen mit einer Enzephalitis nur noch eingeschränkt denken, wahrnehmen und sich mitteilen können. Unter anderem erkundigt sich der Arzt nach typischen Beschwerden wie Kopfschmerzen und hohes Fieber. Zudem stellt er weitere Fragen, etwa:
- Haben Sie chronische Erkrankung bzw. eine bekannte Immunschwäche?
- Hatten Sie vor Kurzem eine virale Infektion?
- Wurden Sie von einem Insekt gestochen?
- Waren Sie auf einer Urlaubsreise?
- Hatten Sie Kontakt zu Menschen mit Gehirnentzündung?
Als nächstes macht der Arzt eine genaue körperliche und neurologische Untersuchung. Dabei testet er unter anderem, ob die Haltung und die Bewegungen des Patienten auffällig oder dessen Gleichgewicht gestört sind. Zudem prüft er das Bewusstsein. Darüber hinaus untersucht er die Haut: Ein Hautausschlag oder Hauteinblutungen können darauf hinweisen, dass Bakterien die Hirnhäute befallen haben.
Vermutet der Arzt eine Enzephalitis, nimmt er dem Patienten Blut und Nervenwasser (Liquor) ab. Das Nervenwasser fließt durch Gehirn und Rückenmark und enthält gegebenenfalls einen Teil der Erreger. Eine Probe dieser Flüssigkeit gewinnt der Arzt mittels einer Lumbalpunktion. Dabei sticht er mit einer Nadel in den Rückenmarkskanal des Patienten, auf Höhe der Lendenwirbelsäule. Im Labor werden Blut und Nervenwasser unter anderem auf Entzündungszeichen untersucht. Hat ein Erreger die Enzephalitis verursacht, lässt sich dieser gegebenenfalls nachweisen. Oft sind anfangs noch keine Erreger in der Gehirnflüssigkeit nachweisbar. Dann stellt der Arzt die genaue Diagnose zunächst nach den Symptomen. Bei einer Autoimmunenzephalitis können Mediziner spezielle Antikörper im Nervenwasser finden.
Lesen Sie auch: Trigeminusneuralgie: Ein umfassender Überblick
Der Arzt führt außerdem eine Kernspintomografie (MRT) des Kopfes durch, um andere Hirnerkrankungen auszuschließen, wie eine Hirnblutung oder einen Hirnabszess. Manchmal macht er zusätzlich eine Computertomografie (CT). Diese zeigt aber normalerweise erst im Verlauf der Krankheit sichtbare Veränderungen. Zudem macht der Arzt eine Elektroenzephalografie (EEG). So kann er schon früh feststellen, ob und wie sich die Entzündung auf die Gehirnfunktion auswirkt. In Ausnahmefällen stellt er durch die EEG auch den Erreger fest.
Behandlung und Therapie
Je nach Ursache kann die Erkrankung mild oder schwer verlaufen. Wenn der Auslöser der Gehirnentzündung bekannt ist, kann die Ursache gegebenenfalls auch gezielt behandelt werden. Eine Enzephalitis behandeln und überwachen Ärzte stets im Krankenhaus. So können sie schnell auf Komplikationen reagieren, die unter Umständen lebensbedrohlich sind. Hat der Patient starke Symptome, ist eine Behandlung auf der Intensivstation notwendig.
Für viele virusbedingte Gehirnentzündungen gibt es keine spezielle Therapie, die gezielt die Ursache bekämpft. Die Behandlung beschränkt sich in diesen Fällen auf symptomlindernde Maßnahmen. Eine Ausnahme bildet die Enzephalitis, die durch Herpes-simplex-Viren verursacht wird. Diese Form kann unbehandelt schwere Folgen haben. Mit der frühen Gabe des Medikaments Aciclovir lassen sich Spätfolgen verhindern. Deshalb erhalten Patientinnen und Patienten in der Regel sofort Aciclovir, auch wenn man noch nicht genau weiß, welcher Erreger die Erkrankung tatsächlich verursacht hat. Darüber hinaus kommen Aciclovir und ähnliche Wirkstoffe bei Gehirnentzündungen durch das Varizella-Zoster-Virus oder Cytomegalievirus zum Einsatz.
Krampfanfälle werden mit Medikamenten behandelt. Bei Verhaltensstörungen können ebenfalls vorübergehend Medikamente zum Einsatz kommen. Nicht-virale Gehirnentzündungen muss man entsprechend ihrer Ursache behandeln. Besteht der Verdacht, dass Bakterien die Ursache sind, kommen frühzeitig Antibiotika zum Einsatz. Menschen mit einer autoimmunen Enzephalitis bekommen hochdosierte Kortikosteroide. Das sind Medikamente, die entzündungshemmend wirken. Ärztinnen und Ärzte haben zudem die Möglichkeit, eine Blutwäsche (Plasmapherese) und Medikamente einzusetzen, die das Immunsystem dämpfen (Immunsuppressiva).
Die Therapie nach Abklingen der Enzephalitis richtet sich nach der Art der Spätfolgen. Zur Behandlung von Sprachproblemen kann zum Beispiel ein Logopäde aufgesucht werden. Die Therapie von gelähmten Gliedmaßen erfolgt mit Physiotherapien und geeigneten orthopädischen Hilfsmitteln. Leiden Patienten nach einer Enzephalitis an einer Lähmung oder Spastik in Arm und Hand, kann die MyoPro® Orthese ihnen zu mehr Selbstständigkeit verhelfen. Die myoelektrische Orthese erlaubt Betroffenen, nach einer Enzephalitis wieder beide Hände bewegen zu können und ihren Alltag eigenständig zu meistern.
Neues Behandlungsverfahren bei Autoimmun-Enzephalitis
Forschende des DZNE und der Charité - Universitätsmedizin Berlin haben einen Ansatz entwickelt, um die häufigste autoimmune Gehirn-Entzündung präziser als bisher zu behandeln: Sie programmieren dafür weiße Blutkörperchen so um, dass sie krankmachende Zellen im Körper ausschalten. Das Verfahren hat sich in Laborstudien bewährt, klinische Studien am Menschen sind bereits in der Planung.
Mit diesem neuen, zielgerichteten Therapie mussten die Forschenden ein aufwendiges Verfahren entwickeln: „Wir nutzen menschliche T-Zellen, die wir aus dem Blut von Patienten gewinnen können, und setzen im Labor eine Art Kupplungsmolekül auf sie drauf“, erläutert Dr. Momsen Reincke, einer der Erstautoren der Studie, der ebenfalls am DZNE und der Charité forscht. Diese genetische Umprogrammierung macht aus den T-Zellen - es handelt sich um eine spezielle Sorte weißer Blutkörperchen - sogenannte CAAR-T-Zellen. Sie werden danach wieder zurück in den Körper transferiert. Die CAAR-T-Zellen attackieren nun gezielt jene Körperzellen, die die fehlgeleiteten Antikörper produzieren. „Die Oberfläche dieser Zellen ist so beschaffen, dass die CAAR-T-Zellen zielgenau an sie andocken und sie abtöten.“ Solche Zellen aber, die andere Antikörper produzieren und deshalb über eine andere Oberfläche verfügen, werden nicht angegriffen.
Vorbeugung
Es stehen zahlreiche Impfstoffe zur Verfügung, die sich gegen mögliche Erreger von Gehirnentzündungen richten. Flächendeckend werden Impfungen gegen Masern, Mumps, Röteln und Kinderlähmung (Poliomyelitis) angeboten. Darüber hinaus gibt es Schutzimpfungen für Personen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, an einer Enzephalitis zu erkranken. Dazu zählt die Impfung gegen FSME für Bewohner von Gebieten, in denen gehäuft FSME-Viren durch Zecken übertragen werden (FSME-Gebiete). Außerdem ist es für Reisende nach Südostasien ratsam, sich gegen die Japanische Enzephalitis impfen zu lassen, sofern sie vorhaben, sich dort länger aufzuhalten oder in ländliche Gebiete zu reisen.
Gleichzeitig gibt es viele Möglichkeiten, wie Sie trotzdem aktiv vorbeugen können:
- Achten Sie auf allgemeine Hygienemaßnahmen wie regelmäßiges Händewaschen oder Lüften, um sich vor Infektionen zu schützen.
- Lassen Sie sich impfen. Gegen eine Infektion etwa mit Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, SARS-CoV-2 oder auch FSME gibt es Impfungen. Checken Sie gemeinsam mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt Ihren aktuellen Impfstatus. Insbesondere vor Reisen kann eine erneute ärztliche Beratung sinnvoll sein, etwa im Hinblick auf Japanische, West-Nil- und Dengue-Virus -Enzephalitis.
- Vermeiden Sie Insektenstiche oder -bisse, vor allem durch Zecken oder Stechmücken.
Mögliche Folgen
In vielen Fällen heilen Gehirnentzündungen ohne Folgen ab. Bei etwa einem Drittel der Menschen mit einer Enzephalitis treten Spätfolgen auf. Das sind meist schwer behandelbare Krampfanfälle, Störungen der Konzentration, des Verhaltens, des Gedächtnisses oder der Sprache. Bei circa 1 von 100 Menschen bleiben nach Abklingen der Entzündung massive Funktionsstörungen des Gehirns mit einer anhaltenden Störung des Bewusstseins bestehen. Bei Kindern, die an einer Enzephalitis erkranken, kommt es bei etwa einem Drittel zu langfristigen Einschränkungen. Je nach Erkrankung kann es etwa zu Entwicklungsverzögerungen, Lernstörungen oder Verhaltensproblemen kommen.
Die Folgen von Enzephalitis können erheblich sein und von Person zu Person variieren. Diese können Gedächtnisprobleme, Verhaltens- und Persönlichkeitsveränderungen, Sprach- und Kommunikationsprobleme, körperliche Behinderungen und sogar dauerhafte Hirnschäden umfassen.
#
tags: #entzündung #gehirn #behandlung #therapie