Rückenmarkentzündung durch Corona-Ursachen: Ein Überblick

Die Rückenmarkentzündung, auch Myelitis genannt, ist eine Entzündung des Rückenmarks, die verschiedene Ursachen haben kann, darunter Infektionen, Autoimmunerkrankungen und in seltenen Fällen auch Impfungen. In den letzten Jahren hat die Frage nach einem Zusammenhang zwischen COVID-19, COVID-19-Impfungen und dem Auftreten von Myelitis an Bedeutung gewonnen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte dieser Thematik, einschliesslich der potenziellen Ursachen, Symptome, Diagnose und Behandlung von Myelitis im Zusammenhang mit Corona-Viren und Impfungen.

Was ist Myelitis?

Myelitis ist ein medizinischer Fachbegriff, der eine Entzündung des Rückenmarks beschreibt. Das Rückenmark ist ein wichtiger Teil des zentralen Nervensystems, der innerhalb des Spinalkanals (Wirbelkanal) in der Wirbelsäule verläuft und für die Übertragung von Signalen zwischen Gehirn und Körper verantwortlich ist.

Formen der Myelitis

Myelitiden können nach ihrem Verteilungsmuster oder ihrer Lokalisation eingeteilt werden:

  • Transversale Myelitis (Querschnittsmyelitis): Die Entzündung betrifft den gesamten Querschnitt des Rückenmarks in einem oder mehreren angrenzenden Segmenten.
  • Disseminierte Myelitis: Die Entzündung verteilt sich auf mehrere einzelne Entzündungsherde im Rückenmark.
  • Leukomyelitis: Die weiße Substanz des Rückenmarks ist entzündet.
  • Poliomyelitis: Die graue Substanz des Rückenmarks ist entzündet (im engeren Sinne Kinderlähmung).
  • Myeloradikulitis: Zusätzlich zur Myelitis sind auch die am Rückenmark entspringenden Nervenwurzeln entzündet.

Ursachen von Myelitis

Die Ursachen für eine Myelitis können vielfältig sein. In vielen Fällen lässt sich keine eindeutige Ursache feststellen (idiopathische Myelitis). Zu den bekannten Ursachen gehören:

  • Infektionen: Viren (z.B. Herpes-, Entero-, Coxsackie-Viren, FSME-Virus, Poliovirus, Epstein-Barr-Virus, HIV), Bakterien (z.B. Erreger von Syphilis, Tuberkulose, Borreliose), Parasiten und Pilze können direkt das Rückenmark entzünden.
  • Parainfektiöse oder postinfektiöse Myelitis: Fehlgeleitete Reaktionen des Immunsystems auf eine vorangegangene Infektion (z.B. Masern, Mumps, Röteln, Herpesinfektion).
  • Impfungen: In seltenen Fällen kann sich nach einer Impfung (postvakzinale Myelitis) eine Rückenmarksentzündung entwickeln, die ebenfalls auf einer fehlgeleiteten Immunreaktion beruht.
  • Autoimmunerkrankungen: Multiple Sklerose, Neuromyelitis optica (NMOSD), Sarkoidose, Systemischer Lupus erythematodes, Vaskulitis und Kollagenosen können mit einer Myelitis einhergehen.
  • Krebserkrankungen: Bei einer paraneoplastischen Myelitis greifen Antikörper gegen Krebszellen versehentlich auch das Rückenmark an.
  • Weitere Ursachen: Vergiftungen (z.B. mit Blei), Strahlentherapie (radiogene Myelitis).

Myelitis und COVID-19

In den vergangenen Jahren wurden vereinzelt Fälle von Patienten beschrieben, die im Rahmen einer COVID-19-Erkrankung eine transverse Myelitis entwickelten. Es wird vermutet, dass das SARS-CoV-2-Virus in einigen Fällen eine Immunreaktion auslösen kann, die zu einer Entzündung des Rückenmarks führt. Die genauen Mechanismen, die zu dieser Komplikation führen, sind jedoch noch nicht vollständig geklärt.

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Myelitis und COVID-19-Impfungen

Nach der Einführung von COVID-19-Impfstoffen, insbesondere der Vektor-basierten Impfstoffe von AstraZeneca (Vaxzevria) und Johnson & Johnson (COVID-19 Vaccine Janssen), wurden vereinzelte Berichte über das Auftreten von transverser Myelitis bekannt.

EMA-Bewertung und Fachinformationen

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat diese Berichte geprüft und einen Hinweis auf das mögliche Risiko einer transversen Myelitis in die Fachinformationen der beiden genannten Impfstoffe aufgenommen. Laut EMA wurden weltweit 25 Fälle nach der Impfung mit Vaxzevria und 13 Fälle nach der Impfung mit der COVID-19 Vaccine Janssen gemeldet.

Der Pharmakovigilanzausschuss PRAC der EMA kam zu dem Schluss, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen diesen beiden Impfstoffen und einer transversen Myelitis zumindest möglich ist ("reasonable possibility"). Trotzdem betonte die EMA, dass das günstige Nutzen-Risiko-Profil beider Impfstoffe weiterhin besteht, angesichts der Milliarden von verimpften Dosen.

Mögliche Mechanismen

Es wird vermutet, dass die in den Vektorimpfstoffen verwendeten Adenoviren eine Rolle bei der Auslösung der Immunreaktion spielen könnten, die zu einer Myelitis führt. Dies ist jedoch noch nicht abschliessend bewiesen. Eine andere Hypothese ist, dass eine überschiessende Reaktion des Körpers auf das Corona-Spike-Protein zu einer Entzündung des Nervengewebes führen könnte.

VITT als weitere Komplikation

Neben der transversen Myelitis wurde auch über eine Vakzin-induzierte immunthrombotische Thrombozytopenie (VITT) im Zusammenhang mit vektorbasierten Impfstoffen berichtet. Bei dieser Komplikation kommt es zur Bildung von Antikörpern gegen den Plättchenfaktor 4 (PF4), was zu einer Aktivierung der Thrombozyten und zur Bildung von Blutgerinnseln führen kann. Die VITT tritt deutlich häufiger auf als die transverse Myelitis.

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Symptome der Myelitis

Die Symptome einer Myelitis können je nach Lokalisation und Ausdehnung der Entzündung variieren. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

  • Motorische Ausfälle: Muskelschwäche bis hin zu Lähmungen, Spastik.
  • Sensorische Störungen: Kribbeln, Taubheitsgefühle, schmerzhafte Missempfindungen.
  • Blasen- und Darmstörungen: Fehlfunktionen der Harnblase und des Enddarms.
  • Weitere Symptome: Rückenschmerzen, Fieber, Herz-Kreislauf-Regulationsstörungen, Atemversagen (bei Schädigungen des oberen Halsmarks).

Die Symptome können sich innerhalb von Stunden bis Tagen oder Wochen entwickeln. In einigen Fällen verläuft die Myelitis akut, in anderen chronisch.

Diagnose der Myelitis

Die Diagnose einer Myelitis umfasst in der Regel folgende Schritte:

  1. Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und Erfassung der Symptome.
  2. Neurologische Untersuchung: Prüfung der Reflexe, Muskelkraft und Hirnnervenfunktion.
  3. Magnetresonanztomografie (MRT): Bildgebung des Rückenmarks zur Darstellung von Entzündungsherden.
  4. Liquordiagnostik: Entnahme und Analyse von Nervenwasser (Liquor) zur Bestimmung von Zellzahl, Eiweissgehalt und zum Nachweis von Erregern oder Autoantikörpern.
  5. Blutuntersuchungen: Bestimmung von Blutwerten wie Differenzialblutbild und Blutsenkung sowie Nachweis von Autoantikörpern.

Behandlung der Myelitis

Die Behandlung der Myelitis richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache:

  • Infektiöse Myelitis: Antibiotika (bei bakteriellen Infektionen), Virostatika (bei viralen Infektionen).
  • Autoimmunbedingte Myelitis oder idiopathische Myelitis: Glukokortikoide ("Kortison") zur Entzündungshemmung und Immunsuppression.
  • Plasmapherese oder Immunadsorption: Blutwäsche zur Entfernung von Antikörpern oder anderen Immunfaktoren aus dem Blut.
  • Weitere Massnahmen: Behandlung von Grunderkrankungen (z.B. Multiple Sklerose, Neuromyelitis optica, Tumorerkrankungen), symptomatische Therapie (z.B. Schmerzmittel, Spasmolytika), Physiotherapie, Ergotherapie und Rehabilitation.

Prognose der Myelitis

Die Prognose einer Myelitis hängt von der Ursache, dem Ausmass der Entzündung und dem Zeitpunkt des Behandlungsbeginns ab. Einige Patienten erholen sich vollständig, während andere dauerhafte Beeinträchtigungen wie Muskelschwäche, Sensibilitätsstörungen oder Blasen- und Darmstörungen zurückbehalten. In schweren Fällen kann die Myelitis auch tödlich verlaufen.

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ME/CFS als mögliche Folge von Corona-Infektionen

Es ist wichtig zu erwähnen, dass im Zusammenhang mit COVID-19 auch das Myalgische Enzephalomyelitis/Chronische Fatigue Syndrom (ME/CFS) diskutiert wird. ME/CFS ist eine komplexe, chronische Erkrankung, die durch eine Vielzahl von Symptomen gekennzeichnet ist, darunter eine ausgeprägte Fatigue, Belastungsintoleranz (post-exertional malaise, PEM), kognitive Beeinträchtigungen, Schlafstörungen und Schmerzen.

Auslöser für ME/CFS ist meistens eine virale Infektionserkrankung. Einige Patienten werden nach dem Infekt einfach nicht mehr gesund, bei anderen tritt ME/CFS aber auch zeitversetzt auf. Auch nach einer Covid-19-Erkrankung tritt das Phänomen auf. Risikofaktoren für eine Erkrankung sind auch weitere Fälle in der Familie sowie psychische Belastungen.

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