Die Trigeminusneuralgie ist eine neurologische Erkrankung, die durch heftige Gesichtsschmerzen gekennzeichnet ist. Die Schmerzen treten im Versorgungsbereich des Trigeminusnervs auf, der für die Sensibilität im Gesicht zuständig ist. Dieser Artikel beleuchtet die Symptome, Ursachen, Diagnose und verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten der Trigeminusneuralgie.
Was ist Trigeminusneuralgie?
Die Trigeminusneuralgie ist eine Erkrankung des fünften Hirnnervs, des Nervus trigeminus, auch bekannt als Drillingsnerv. Dieser Nerv verzweigt sich in drei Hauptäste: den Augenast (1. Trigeminusast), den Oberkieferast (2. Trigeminusast) und den Unterkieferast (3. Trigeminusast). Der Nervus trigeminus leitet sensible Informationen aus dem gesamten Gesicht, einschließlich Berührungen, Temperatur und Schmerz, an das Gehirn weiter und steuert die Kaumuskulatur.
Die Trigeminusneuralgie verursacht plötzlich einschießende, blitzartige und heftige Schmerzattacken im Gesicht, die meist nur Sekunden, selten länger als zwei Minuten andauern. Die Schmerzen werden oft als brennend, stromstoßartig oder elektrisierend beschrieben und erreichen auf einer Schmerzskala (VAS) fast immer den höchsten Wert.
Rund zehn von 100.000 Menschen in Deutschland leiden an einer Trigeminusneuralgie, wobei Frauen fast doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Häufig tritt der Gesichtsschmerz einseitig und nach dem 50. Lebensjahr auf.
Symptome der Trigeminusneuralgie
Die typischen Symptome der Trigeminusneuralgie sind:
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- Plötzlich einschießende, heftige Schmerzen: Die Schmerzen treten plötzlich und unerwartet auf und werden als extrem intensiv beschrieben.
- Blitzartig einschießende Schmerzen: Der Schmerzcharakter wird oft als blitzartig, stechend, scharf oder wie ein Elektroschock beschrieben.
- Kurze Schmerzdauer: Die Schmerzattacken dauern meist nur wenige Sekunden bis maximal ein bis zwei Minuten.
- Hohe Frequenz: Die Attacken können mehrmals täglich, manchmal bis zu 100 Mal pro Tag, auftreten.
- Einseitige Schmerzen: Fast immer ist nur eine Gesichtshälfte betroffen, meist im Bereich von Wange, Ober- oder Unterkiefer. Am häufigsten sind die Bereiche des zweiten und dritten Trigeminusastes betroffen, wobei der Unterkieferast häufiger betroffen ist als der Oberkieferast. Der Augenast ist fast nie betroffen.
- Triggerfaktoren: Die Schmerzen können durch bestimmte Reize ausgelöst werden, wie Berührung, Zugluft, Kauen, Sprechen, Schlucken, Zähneputzen, kalte Luft oder Bewegungen der Gesichtsmuskulatur. Auch Stress kann ein Auslöser sein.
- Beschwerdefreiheit zwischen den Attacken: In der Regel besteht zwischen den Attacken Schmerzfreiheit. Bei der symptomatischen Trigeminusneuralgie kann es jedoch auch zu Dauerschmerzen kommen.
- Begleitsymptome: Begleitend zu den Schmerzen können sich Teile der Gesichtsmuskulatur zusammenziehen (Tic douloureux), Hautrötung und Augentränen auftreten.
Ursachen der Trigeminusneuralgie
Die Ursachen der Trigeminusneuralgie sind vielfältig und werden in verschiedene Formen unterteilt:
Klassische (idiopathische) Trigeminusneuralgie
Die Ursache der klassischen Trigeminusneuralgie ist meist ein Gefäß-Nerven-Kontakt zwischen dem Nervus trigeminus und einem Blutgefäß, meist der Arteria cerebelli superior. Dieser Kontakt führt wahrscheinlich zu einer Irritation der Nervenwurzel im Kleinhirnbrückenwinkel. Durch den Druck des Gefäßes wird die Myelinscheide des Nervs geschädigt, was zu einer Übererregbarkeit und den typischen Schmerzattacken führt.
Symptomatische Trigeminusneuralgie
Die symptomatische Trigeminusneuralgie tritt als Symptom anderer Erkrankungen auf, wie:
- Raumforderungen: Akustikusneurinome, Metastasen oder andere Tumoren können auf den Nerv drücken und die Schmerzen verursachen.
- Umschriebene Hirnstammischämien: Durchblutungsstörungen im Hirnstamm können den Nerv schädigen.
- Angiome des Hirnstamms: Gefäßmissbildungen im Hirnstamm können Druck auf den Nerv ausüben.
- Multiple Sklerose (MS): Die Schädigung der Myelinscheide im Bereich der Eintrittsstelle der Nervenwurzel kann zu den Schmerzattacken führen.
Bei einem Teil der symptomatischen Trigeminusneuralgien bedingen die Raumforderungen ebenfalls einen pathologischen Gefäß-Nerven-Kontakt.
Idiopathische Trigeminusneuralgie
In einigen Fällen kann keine klare Ursache für die Trigeminusneuralgie gefunden werden. In diesen Fällen spricht man von einer idiopathischen Trigeminusneuralgie.
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Diagnose der Trigeminusneuralgie
Die Diagnose der Trigeminusneuralgie basiert auf der charakteristischen Symptomatik. Ein Neurologe oder Neurochirurg wird ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten führen, um die Art, Dauer, Ausprägung und Auslöser der Gesichtsschmerzen zu erfragen. Anschließend erfolgt eine neurologische Untersuchung, um die Sensibilität im Gesichtsbereich zu überprüfen.
Weitere Untersuchungen können erforderlich sein, um andere Ursachen für die Gesichtsschmerzen auszuschließen und die Diagnose zu sichern:
- Magnetresonanztomografie (MRT): Eine MRT-Untersuchung des Gehirns dient dazu, Raumforderungen, Multiple Sklerose oder andere strukturelle Veränderungen als Ursache der Schmerzen auszuschließen. Mit einer speziellen MRT-Technik (3D TOF MRA) kann auch ein Gefäß-Nerven-Kontakt dargestellt werden.
- Computertomografie (CT): Eine CT-Untersuchung kann zur Beurteilung der knöchernen Strukturen des Schädels durchgeführt werden.
- Elektrophysiologische Untersuchungen: Diese Untersuchungen, wie z.B. Trigeminus-SEP, Lidschlussreflex und Masseterreflex, können die Funktionsfähigkeit des Nervus trigeminus überprüfen.
- Weitere Untersuchungen: In einigen Fällen können weitere Untersuchungen durch einen Zahnarzt, Kieferorthopäden oder HNO-Arzt erforderlich sein, um andere Ursachen für die Gesichtsschmerzen auszuschließen.
Differentialdiagnosen
Es ist wichtig, die Trigeminusneuralgie von anderen Erkrankungen abzugrenzen, die ähnliche Symptome verursachen können:
- Zahnschmerzen: Zahnschmerzen entstehen meist durch Reizungen oder Entzündungen im Zahn selbst oder im umliegenden Gewebe.
- Postzosterische Neuralgie: Schmerzen nach einer Gürtelrose (Herpes zoster).
- Cluster-Kopfschmerz: Einseitige, sehr starke Kopfschmerzen, die von Begleitsymptomen wie Augentränen und einer verstopften Nase begleitet werden.
- Kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Funktionsstörungen des Kiefergelenks und der Kaumuskulatur.
- Trigeminusneuropathie: Dauerschmerz und Gefühlsstörungen im Versorgungsbereich des Nervus trigeminus, oft nach Gesichtsverletzungen.
- Trigeminusneuritis: Entzündung des Trigeminusnervs.
Behandlung der Trigeminusneuralgie
Die Behandlung der Trigeminusneuralgie zielt darauf ab, die Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Es gibt verschiedene Behandlungsansätze, die je nach Ursache, Schweregrad und individuellen Bedürfnissen des Patienten eingesetzt werden.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie ist in der Regel die erste Wahl bei der Behandlung der Trigeminusneuralgie. Antiepileptika wie Carbamazepin und Oxcarbazepin sind die am häufigsten verwendeten Medikamente. Sie wirken, indem sie die Reizweiterleitung der Nervenzellen hemmen und so die Schmerzattacken reduzieren.
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- Carbamazepin: Dieses Medikament ist in der Regel sehr wirksam, kann aber auch Nebenwirkungen wie Schwindel, Müdigkeit, allergische Reaktionen, Veränderungen des Blutbildes und der Leberfunktion sowie Magen-Darm-Probleme verursachen.
- Oxcarbazepin: Dieses Medikament ist ähnlich wirksam wie Carbamazepin, hat aber oft weniger Nebenwirkungen.
- Gabapentin und Pregabalin: Diese Medikamente werden ebenfalls zur Behandlung von Trigeminusneuralgie eingesetzt, insbesondere wenn Carbamazepin und Oxcarbazepin nicht vertragen werden oder nicht ausreichend wirken.
Die Dosierung der Medikamente wird in der Regel langsam gesteigert, bis die Schmerzen kontrolliert sind und möglichst wenige Nebenwirkungen auftreten. Wenn der Patient vier bis sechs Wochen schmerzfrei ist, wird die Dosis stufenweise reduziert.
Operative Verfahren
Wenn die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist oder zu starke Nebenwirkungen verursacht, können operative Verfahren in Betracht gezogen werden. Es gibt verschiedene operative Optionen, die je nach Ursache und Lokalisation der Schmerzen eingesetzt werden:
- Mikrovaskuläre Dekompression (MVD) nach Jannetta: Dieses Verfahren ist die effektivste Methode zur Behandlung der klassischen Trigeminusneuralgie, bei der ein Gefäß auf den Trigeminusnerv drückt. Bei der Operation wird der Schädel geöffnet und ein kleines Kunststoffstück (z.B. Teflonflies) zwischen das Gefäß und den Nerven gelegt, um den Kontakt zu unterbrechen und den Druck auf den Nerv zu entlasten. Rund 80-95 % der Patienten sind nach diesem Eingriff schmerzfrei oder verspüren eine deutliche Schmerzlinderung.
- Perkutane Verfahren: Bei diesen Verfahren wird der Nervus trigeminus im Bereich des Ganglion Gasseri (sensibler Nervenknoten) entweder thermisch (Thermokoagulation), chemisch (Glyzerinrhizolyse) oder mechanisch (Ballonkompression) geschädigt. Der Zugang erfolgt durch die Haut seitlich des Mundwinkels. Diese Verfahren sind weniger invasiv als die MVD und eignen sich auch für ältere oder vorerkrankte Patienten. Die Schmerzfreiheit wird in 70-90 % der Fälle erreicht, jedoch können Nebenwirkungen wie verminderte Empfindlichkeit im Gesicht und Missempfindungen auftreten.
- Radiochirurgische Behandlung (Gamma-Knife-Behandlung): Bei diesem Verfahren wird der Trigeminusnerv am Abgang mit einer hohen Strahlendosis einmalig bestrahlt, um eine Teilschädigung des Nervs zu verursachen. Die Besserung der Symptomatik tritt erst nach Tagen bis Wochen ein. Die Erfolgsrate ist anfangs hoch (70-90 %), sinkt aber im Laufe der Zeit.
Weitere Therapien
Zusätzlich zu den medikamentösen und operativen Behandlungen können weitere Therapien zur Linderung der Schmerzen und Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt werden:
- Psychotherapie: Dauerhafte Schmerzen können auch psychisch stark belasten. Eine Psychotherapie kann helfen, mit den Schmerzen umzugehen und depressive Verstimmungen zu behandeln.
- Akupunktur: Einige Studien deuten auf positive Effekte der Akupunktur bei der Behandlung von Trigeminusneuralgie hin, jedoch fehlen bisher grundlegende Belege.
- Schmerztagebuch: Ein Schmerztagebuch kann helfen, Triggerfaktoren zu identifizieren und die Wirksamkeit der Behandlung zu dokumentieren.
Verlauf und Prognose
Der Verlauf der Trigeminusneuralgie ist sehr variabel. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen bleibt es bei einem einmaligen Anfall. Bei den meisten Menschen treten die Attacken anfangs nur gelegentlich auf, häufen sich aber im Laufe der Zeit. Die Trigeminusneuralgie kann das Alltagsleben der Betroffenen massiv beeinträchtigen, sowohl durch die heftigen Schmerzattacken selbst als auch durch die Angst vor der nächsten Attacke.
Mit der richtigen Behandlung lassen sich die Schmerzen einer Trigeminusneuralgie zumindest eine Zeitlang reduzieren oder vertreiben. Komplett heilen lässt sich die Erkrankung derzeit aber nicht. Auch nach erfolgreicher Behandlung kann es erneut zu Schmerzattacken kommen.
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