Epilepsie-Armband: Funktion, Möglichkeiten und Zukunftsperspektiven

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, von der weltweit mehr als 50 Millionen Menschen betroffen sind. Schwere Anfälle, oft verbunden mit Bewusstlosigkeit und Verletzungen, gehören zu den Hauptsymptomen, in einigen Fällen sogar mit tödlichem Ausgang. Die Unvorhersehbarkeit dieser Anfälle erschwert den Einsatz von Notfallmedikamenten und Sicherheitsvorkehrungen erheblich. Hier setzt die Entwicklung von Epilepsie-Armbändern an, die Anfälle erkennen oder sogar vorhersagen können.

Was sind Epilepsie-Überwachungsgeräte?

Epilepsie-Überwachungsgeräte sind Geräte, die bestimmte Arten von epileptischen Anfällen erkennen, z. B. bei einer Versteifung der Muskulatur und Muskelzuckungen. Oft werden sie am Arm getragen oder als Bett-Sensor eingesetzt. Die Geräte alarmieren eine Betreuungsperson, damit diese entsprechend reagieren kann. Diese Geräte können den Betroffenen und ihren Familien ein großes Stück Sicherheit geben.

Wie funktionieren Epilepsie-Armbänder?

Moderne "Wearables" integrieren eine Vielzahl von Sensoren, die sich zur Anfallserkennung nutzen lassen. Die neuen Systeme messen anhand von Sensoren biologische Parameter wie Körperbeschleunigung, Herzfrequenz und Hautleitfähigkeit, die bei epileptischen Anfällen charakteristisch verändert sind. Eine Uhr oder ein Armband zeichnet die Hautfeuchtigkeit und Armbewegung auf. Die erfassten Daten werden von dem System ausgewertet.

Einige Armbänder, wie z.B. Epi-Care mobile, erkennen tonisch-klonische Anfälle und senden einen Alarmanruf an das Mobiltelefon der Bezugsperson. Zusätzlich können GPS-Koordinaten per SMS mitgeteilt werden. Es können mehrere Rufnummern eingespeichert werden, welche im Notfall abhängig vom Standort kontaktiert werden. Die App kann bei einem Anfall verschiedene Nummern wählen, abhängig davon, wo man sich befindet.

Sicherheit hat höchste Priorität: Die App sendet eine SMS-Nachricht an das Telefon der Bezugsperson, wenn das Armband oder das App-Telefon aufgeladen werden müssen. Es wird ebenfalls eine SMS-Nachricht gesendet, wenn das Armband außer Reichweite des App-Telefons ist.

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Epi-Care mobile im Detail

Epi-Care mobile bietet mehr Selbstständigkeit und Freiheit für Personen mit Epilepsie, da das Alarmgerät nicht nur drinnen, sondern auch unterwegs verwendet werden kann. Der Sensor wird am Armband getragen und kommuniziert mit der auf dem mitgelieferten Smartphone bereits installierten App. Epi-Care mobile benötigt kein Kontrollgerät und ist deshalb ebenfalls für draußen geeignet. Wird ein Alarm durch einen epileptischen Anfall ausgelöst, werden standortspezifische Rufnummern gewählt und gleichzeitig GPS-Koordinaten an Pflegepersonen gesendet.

Zusätzliche Funktionen von Epi-Care mobile:

  • Nachtbereitschaft: Die Funktion "Nachtbereitschaft" bietet die Möglichkeit, für Tag und Nacht unterschiedliche Alarmnummern festzulegen. Dies ist besonders nützlich, wenn beispielsweise in einer Institution während der Nachtschicht eine andere Nummer als am Tag alarmiert werden soll. Um die Funktion zu nutzen, muss sie in den Einstellungen aktiviert werden.
  • Automatisches Protokoll: Um einen Überblick über Anfälle und Einstellungsänderungen zu schaffen, führt Epi-Care mobile ein automatisches Protokoll. Dies ist eine Liste aller Ereignisse mit Informationen zu Datum, Uhrzeit und Art des Ereignisses.
  • Akkulaufzeit: Ca. 24 Stunden Akkulaufzeit. Eingebaute, wiederaufladbare Lithium-Ionen Batterie.

Die Rolle der Künstlichen Intelligenz (KI)

Das System ist lernfähig. Mit Verfahren aus dem Bereich des maschinellen Lernens passen sich die Warnsysteme immer besser an den jeweiligen Patienten an und lernen, Veränderungen vor einem Anfall zu erkennen und sogar unterschiedliche Anfallsformen zu unterscheiden.

Forscher der Mayo Clinic haben ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich epileptische Anfälle vorhersagen lassen. Damit wurde 30 Minuten vor einem Anfall eine Warnung möglich. In den meisten Fällen funktionierte es bei fünf von sechs an der Studie teilnehmenden Patienten gut. Die Daten wurden mit einem Ansatz des Deep Learning von neuronalen Netzwerken mittels Künstlicher Intelligenz (KI) analysiert. Für die Analyse der Zeitreihen und der Frequenz wurde eine KI eingesetzt.

Wissenschaftler der Universität Paderborn entwickeln einen Algorithmus und einen Plattform-Prototyp, der Live-Daten vom Wearable erfasst, durch den Algorithmus verarbeitet und im Falle einer erhöhten Anfallswahrscheinlichkeit in einen Alarm mündet. Um die Funktionsweise des Algorithmus für die Endanwenderinnen und ihre Behandlerinnen verständlich zu machen, verwenden die Paderborner Forscher erklärbare künstliche Intelligenz. Der Vorhersagealgorithmus soll aus unterschiedlichen medizinischen Modalitäten lernen und außerdem Erklärungen für seine Vorhersagen liefern.

Finanzierung und Kostenübernahme

Liegt ein fachärztliches Rezept vor, übernimmt die Barmer nach Prüfung der medizinischen Voraussetzungen in der Regel die Kosten für die Versorgung mit einem Epilepsie-Überwachungsgerät - gegebenenfalls abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung. Für Kinder bis 18 Jahren fallen keine gesetzlichen Zuzahlungen an. Bei Erwachsenen beträgt die gesetzliche Zuzahlung für das Epilepsie-Überwachungsgerät einmalig 10 Euro - sofern Sie nicht von der Zuzahlung befreit sind. Die Zuzahlung entrichten Sie direkt an Ihren Anbieter.

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Weitere Möglichkeiten zur Anfallskontrolle und -prävention

Auch heute schon können Menschen mit Epilepsie aktiv werden, um Anfällen vorzubeugen oder den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen:

  • Anfallskalender: Führen Sie konsequent einen Anfallskalender, um den Überblick über mögliche Auslöser und die bislang ausprobierten Medikamente zu behalten.
  • Anfallsauslöser meiden: Meiden Sie bekannte Anfallsauslöser so gut wie möglich.
  • Epilepsiepass: Führen Sie immer einen Epilepsiepass bei sich, damit bei einem Anfall außerhalb der gewohnten Umgebung Laien wie Ärzte richtig reagieren können.
  • Aktiv bleiben: Bleiben Sie aktiv. Epileptiker profitieren von Sport und Reisen ebenso wie Gesunde. Aktivitäten, die bei einem Anfall zu hoher Gefährdung führen würden, sollten allerdings tabu sein oder unter besonderen Schutzmaßnahmen ausgeübt werden, zum Beispiel Schwimmen nur in Begleitung.
  • Fähigkeiten konzentrieren: Konzentrieren Sie sich auf Ihre Fähigkeiten, nicht auf die mit der Erkrankung verbundenen Beeinträchtigungen.
  • Psychische Belastung reduzieren: Wenn die Anfälle häufig durch psychisch belastende Situationen (z. B. emotionaler Stress) ausgelöst werden, hat sich Autogenes Training bewährt. Einige Betroffene berichten zudem über positive Erfahrungen mit Akupunktur, Biofeedback oder Homöopathie. Wissenschaftliche Belege für deren Wirksamkeit gibt es jedoch nicht.

Forschung und Entwicklung

Das Universitätsklinikum Freiburg beteiligt sich maßgeblich an der Entwicklung mobiler Geräte, die epileptische Anfälle vorhersagen können. Für die Vorhersage sollen die selbstlernenden Systeme Hautfeuchtigkeit, Körperbewegung und weiterer Eigenschaften auf typische Veränderungen hin untersuchen. Die Verwendung von Smartphones und anderen bestehenden Technologien soll das Warnsystem möglichst schnell vielen Menschen zugänglich machen. Eine Übertragbarkeit des Systems auf andere neurologische Erkrankungen ist explizit Teil des Projekts.

Im Rahmen des Forschungsprogramms RADAR-CNS soll der Standort Freiburg mit 800.000 Euro gefördert werden. In einem zweiten Schritt soll es auf ambulante Patienten ausgeweitet werden. Gefördert wird das Projekt im Rahmen des Forschungsprogramms RADAR-CNS (Remote assessment of disease and relapse - Central Nervous System), das die Innovative Medicines Initiative (IMI) mit insgesamt 12 Millionen Euro finanziert.

Zukunftsperspektiven

Mobile Geräte wie Smartphones sollen zukünftig epileptische Anfälle vorhersagen können. „Ein zuverlässiges Vorhersage-System würde die Lebensqualität von Epilepsie-Patienten enorm verbessern“, glaubt Prof. Dr. Andreas Schulze-Bonhage, Leiter der Abteilung Prächirurgische Epilepsiediagnostik der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Freiburg. In der Zukunft könnte ein solches System auch eine Bezugsperson oder den Arzt bei einem Anfall informieren. Aber selbst eine präzise Dokumentation aller epileptischen Anfälle eines Patienten wäre eine deutliche Verbesserung.

Die Anfallsvorhersage mithilfe von Wearables ist ein aufstrebendes Gebiet, für das es erst kürzlich wissenschaftliche Bestätigungen der Umsetzbarkeit gab. Eine erfolgreiche Echtzeit-Anfallsvorhersage würde selbst für einen Bruchteil der Patient*innen zu einem Paradigmenwechsel in der Epilepsiebehandlung führen. Darüber hinaus ist die Kombination aus automatisiertem Lernen auf Basis verschiedener Datenquellen und erklärbarer künstlicher Intelligenz ein einzigartiger Ansatz, der das Potenzial für eine vertrauenswürdige Technik und ein besseres Verständnis der anfallsbedingten Veränderungen bietet.

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