Epilepsie bei Hunden ist eine häufige neurologische Erkrankung, die jeden Hundebesitzer in Angst und Schrecken versetzen kann. Wenn der geliebte Vierbeiner plötzlich krampfend auf dem Boden liegt, ist es wichtig, die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten zu kennen, um richtig handeln zu können.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns, die durch wiederholte Fehlfunktionen des Großhirns gekennzeichnet ist. Dabei kommt es zu einer vorübergehenden Störung des Gleichgewichts zwischen elektrischer Ladung und Entladung der Nervenzellen. Ganze Neuronenverbände geben gleichzeitig unkontrolliert Stromstöße ab, was zu epileptischen Anfällen führt. Definitionsgemäß liegt bei einem Hund Epilepsie vor, wenn beispielsweise mindestens zwei epileptische Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden auftreten.
Ursachen von Epilepsie bei Hunden
Tierärzte unterscheiden zwischen primärer (idiopathischer) und sekundärer (symptomatischer) Epilepsie.
Primäre (idiopathische) Epilepsie
Die primäre Epilepsie ist eine Erbkrankheit, die gehäuft bei bestimmten Rassen vorkommt, darunter Golden Retriever, Labrador Retriever, Collie, Beagle, Pudel, Berner Sennenhund und Deutsche Schäferhunde. Bei dieser Form der Epilepsie sind die Nervenzellen im Gehirn leichter erregbar, was zu Krämpfen führt. Die Ursache für das Krampfen liegt in den Nervenzellen des Gehirns selbst. Durch einen erblichen Fehler sind die Nervenzellen leichter erregbar und sind schnell zu stark gereizt. Der Hund bekommt einen epileptischen Krampfanfall. Meist sind die Hunde beim ersten Krampf zwischen einem und fünf Jahre alt. Wissenschaftler und Ärzte nennen sie auch idiopathisch, was „ohne bekannte Ursache“ bedeutet. Das Gehirn der Tiere weist keine anatomischen Veränderungen auf, und die Patienten zeigen zwischen zwei Anfällen auch keine klinischen Symptome.
Sekundäre (symptomatische) Epilepsie
Bei der sekundären Epilepsie ist eine andere Grunderkrankung die Ursache für die epileptischen Krämpfe. Erkrankungen der inneren Organe wie Nieren- oder Leberstörungen oder Probleme mit dem Herz-Kreislauf-System können eine sekundäre Epilepsie auslösen. Bei jungen Hunden kann ein sogenannter Shunt vorliegen, eine Missbildung der Lebergefäße, wodurch Giftstoffe nicht ausreichend aus dem Körper gefiltert werden, sich im Gehirn anreichern und zu Krämpfen führen. Infektionskrankheiten und Vergiftungen können die gleichen Symptome auslösen, ebenso wie eine Störung im Salz- und Wasser-Haushalt des Hundes. Auch Erkrankungen des Gehirns wie Hirntumore, Schädeltraumata, Hirnblutungen oder Gehirn(haut)entzündungen können Krämpfe auslösen. Diese Art wird auch strukturelle Epilepsie genannt, weil man im MRT Veränderungen im Gehirn sieht. Auch metabolische (organische) Erkrankungen, wie eine gestörte Leberfunktion, eine Unterzuckerung oder auch Veränderungen der Blutsalze insbesondere des Calciumspiegels, erhöhen das Anfallsrisiko.
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Anzeichen und Symptome von Epilepsie bei Hunden
Eine Epilepsie bei Hunden äußert sich durch verschieden starke Krampfanfälle. Die Anfälle können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und werden je nach Dauer und Vorkommen von Symptomen in unterschiedliche Formen unterteilt.
Phasen eines epileptischen Anfalls
- Prodromalphase (Aura): Manchmal ist dem Hund eine kurze Anfangsphase anzumerken. Er verhält sich anders als normal: Er ist unruhig, anhänglich, sabbert, atmet unruhig oder hat einen veränderten Blick. Diese Phase kann Stunden oder sogar Tage vor dem eigentlichen Anfall beginnen.
- Iktus (Anfall): Der eigentliche Anfall besteht fast immer aus einer Phase der Bewusstlosigkeit. Oft fällt der Hund um (stürzt), und durch Verkrampfung der Muskulatur versteift sich der ganze Körper. Dann können Krämpfe auftreten, bei denen der Hund eine Art Tretbewegung macht. Kot und Urin können unbewusst abgesetzt werden, es kann Speichelfluss auftreten und sich Schaum vor dem Mund bilden. Im „klassischen epileptischen Krampf“ liegt der Hund auf der Seite, ist nicht mehr ansprechbar und zeigt Streckkrämpfe und rudert mit den Beinen. Er kann Urin und Kot verlieren und oftmals speichelt er. Die Augen können verdreht sein.
- Postiktale Phase: Die meisten Hunde sind nach einem Anfall eine Zeit lang völlig durcheinander. Manchmal haben sie dann Durst oder Hunger. Weil sie sehr müde sind nach einem Anfall, legen sich manche Hunde auch schlafen. Nach dem Anfall sind die meisten Tiere erschöpft und zunächst benommen. Während sich einige Hunde wenige Minuten nach dem Anfall wieder vollständig erholt haben, kämpfen andere noch Stunden später mit neurologischen Ausfällen: Dazu gehören Drangwandern, Sehstörungen, Desorientierung, Steifheit, wackliger Gang oder abnormer Hunger und Durst.
Arten von Anfällen
- Generalisierte Anfälle: Bei generalisierten Anfällen sind von Anfang an beide Großhirnhälften beteiligt. Sie breiten sich in der Folge über den gesamten Tierkörper aus. Generalisierte Anfälle werden in verschiedene Typen unterteilt, wovon der tonische Anfall bei Hunden am häufigsten vorkommt. ‚Tonisch‘ beschreibt eine anhaltende Anspannung der Muskulatur, ‚klonisch‘ beschreibt ruckartige Muskelzuckungen. Gemeint ist ein Anfall mit abwechselnden krampfartigen Versteifungen und Zuckungen.
- Fokale (partielle) Anfälle: Wenn der elektrische „Kurzschluss“ nur einzelne Areale des Gehirns umfasst und sich lediglich an einzelnen Körperstellen äußert, spricht man von partieller oder fokaler Epilepsie. Solche herdförmigen Anfälle werden von Tierbesitzern oft nicht als solche erkannt, wenn sie ohne Bewusstseinstrübung ablaufen. Meist äußern sie sich im Zucken der Lefzen, einer Gliedmaße oder einzelner Muskeln. Bei partiellen epileptischen Anfällen zucken häufig einzelne Muskeln, oftmals im Gesicht, oder einzelne Gliedmaßen des Hundes. Der Hund kann außerdem den Kopf oder Hals verdrehen. Es gibt auch komplexere Formen von partiellen Anfällen.
Besondere Anfallsformen
- Status epilepticus: Als Status epilepticus bezeichnet man einen Anfall, der mehr als 5 Minuten andauert oder zwei oder mehrere Anfälle hintereinander, bei denen der Hund in der Zeit zwischen den Anfällen nicht wieder zu Bewusstsein kommt. Dieser Zustand ist lebensbedrohlich und erfordert sofortige tierärztliche Hilfe.
- Clusteranfälle: Hat Ihr Hund in einer Zeitspanne von 24 Stunden zwei oder mehr Anfälle, spricht man von Clusteranfällen.
Diagnose von Epilepsie bei Hunden
Die Diagnose der Epilepsie beim Hund erfolgt quasi nach dem Ausschlussverfahren. Der Tierarzt schließt also zunächst hauptsächlich andere Differentialdiagnosen aus. Zuallererst sammelt der Tierarzt durch eine ausführliche Besitzerbefragung (Anamnese) wichtige Hinweise über das Krankheitsgeschehen. Details wie eine vorherige Medikamentenverabreichung, die Aufnahme von giftigen Substanzen oder eine familiäre Disposition beschleunigen die Diagnosestellung.
Diagnostische Maßnahmen
- Neurologische Untersuchung: Der Tierarzt führt unter anderem eine neurologische Untersuchung durch.
- Blutuntersuchung: Eine Blutuntersuchung im hauseigenen Labor mit Prüfung der Organfunktionen (inkl. Schilddrüse, Ammoniak, etc.) kann Aufschluss über Stoffwechselstörungen geben.
- Urinuntersuchung: Mit Urinproben werden beispielsweise bestimmte Organfunktionen überprüft.
- Bildgebende Verfahren: Durch bildgebende Verfahren wie MRT oder CT ist die Veterinärmedizin in der Lage, strukturelle Hirnveränderungen wie z.B. Tumoren zu identifizieren. Röntgen von Brustkorb und Bauchraum kann ebenfalls hilfreich sein.
Erst wenn alle anderen Ursachen für die Krampfanfälle ausgeschlossen wurden, kann von einer genetischen (idiopathischen) Epilepsie ausgegangen werden.
Behandlung von Epilepsie bei Hunden
Die Behandlung von Epilepsie bei Hunden richtet sich nach der Ursache.
Behandlung der sekundären Epilepsie
Hier richtet sich die Behandlung ganz nach der Ursache. Strukturelle Epilepsien werden nach der Grunderkrankung behandelt. Bei Infektionen, die zu Hirnhautentzündungen führen, hängt die Therapie von der Art der Infektion ab. Zusätzlich zur Behandlung der Grundursache setzen Tierärzte bei struktureller Epilepsie auch Antiepileptika ein.
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Behandlung der idiopathischen Epilepsie
Wurde bei Ihrem Hund die idiopathische Form der Epilepsie diagnostiziert und nimmt die Häufigkeit der Anfälle zu, leitet der Tierarzt eine Langzeittherapie ein. Diese zielt darauf ab, sowohl die Häufigkeit und Dauer als auch die Schwere der Anfälle zu reduzieren. Hierfür stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, die unter Umständen auch miteinander kombiniert werden müssen. Die Anzahl und die Schwere der Anfälle lässt sich durch antiepileptische Medikamente verringern. Solche Medikamente müssen oft täglich und für das restliche Leben des Hundes gegeben werden. Das Ziel ist, einen konstanten Wirkstoffspiegel beim Hund zu erreichen - mit modernen Präparaten ist das schon nach zwei bis drei Tagen möglich. Trotzdem kann es einige Wochen dauern, bis die Anfälle unter Kontrolle sind. Nach einigen anfallsfreien Monaten kann eventuell die Dosis reduziert werden. Auf keinen Fall sollte ein Medikament aber abrupt abgesetzt werden!
Wichtige Aspekte der Therapie
- Regelmäßige tierärztliche Kontrollen: Sie sollten Ihren Hund regelmäßig beim Tierarzt vorstellen (ein paar Wochen nach Behandlungsbeginn, dann ein oder zweimal im Jahr), um gegebenenfalls die Therapie anzupassen und, falls notwendig, eine Blutuntersuchung oder andere Tests durchzuführen.
- Konsequente Medikamentengabe: Die Halter müssen nicht nur konsequent die Tabletten verabreichen, sondern sollten auch eine Art Anfalls-Tagebuch führen. Wie gut die Therapie anschlägt, steht in direkter Verbindung mit dem Spiegel des Medikamentes im Blutserum.
- Geduld: Es kann Monate dauern, bis die Antiepileptika richtig eingestellt sind. Die Anfangsbehandlung muss mindestens vier Wochen dauern, damit man eine Wirkung feststellen kann. Ist die Wirkung nicht ausreichend, wird die Dosierung erhöht und die Wirkung wiederum über mindestens vier Wochen beobachtet. So kann es mehrere Monate dauern, bis die ideale Dosis für den Hund bestimmt werden kann.
- Ruhiger Lebensstil: Ist ein Tier an Epilepsie erkrankt, sollte es sein Leben möglichst unaufgeregt und regelmäßig verbringen (Spaziergänge, Ernährung, usw.). Auf diese Art sinkt das Risiko, dass Anfälle ausgelöst werden.
- Kastration: Wenn möglich, lassen Sie Ihr Tier frühzeitig kastrieren. Dies erleichtert die Therapie der Epilepsie, da zyklische Schwankungen der Sexualhormone Anfälle auslösen können.
Was tun während eines Anfalls?
So erschreckend der Anblick ihres krampfenden Lieblings ist, leider können Sie in dem Moment nicht viel für ihn tun. Sollte Ihr Hund deutliche Anzeichen eines bevorstehenden Anfalls zeigen, können Sie ihn in eine Umgebung mit möglichst geringem Verletzungsrisiko bringen und ggf. für Ruhe im Raum sorgen. Bitte versuchen Sie nicht, die Zunge Ihres Hundes aus dem Maul zu ziehen. In dieser Situation hat Ihre Fellnase keine Kontrolle über seine Kiefermuskulatur und es besteht große Gefahr, gebissen zu werden. Dokumentieren Sie den Anfall möglichst genau. Ein Video oder eine genaue Beschreibung enthält für den Tierarzt oft wertvolle Informationen. Vor allem die Dauer des Anfalls sollten Sie notieren. Wenn es sich nicht um einen Status epilepticus handelt, versuchen Sie bitte nicht, während des Anfalls schnell mit Ihrem Liebling zum Tierarzt zu fahren.
Verhalten während eines Anfalls
- Keine Panik: Fassen Sie Ihr Tier nach Möglichkeit nicht an. Verständlicherweise möchten Sie Ihr Tier unterstützen und trösten, aber Streicheln kann weiteren Stress verursachen und möglicherweise den Anfall verschlimmern. Am besten ist es dann, ruhig zu bleiben und keine Panik zu verbreiten.
- Dokumentation: Filmen Sie den Anfall! Ein Film des Anfalls kann für Ihren Tierarzt sehr wertvolle Information liefern. Die Aufnahme kann helfen, die Diagnose zu verfeinern. Es ist sehr wichtig, die Anfälle Ihres Tieres zu protokollieren. Machen Sie Notizen, wann und wie oft sie im Monat auftreten, wie sie verlaufen und wie lange sie dauern. Notieren Sie auch, falls möglich, den Auslöser des Anfalls und den Verlauf der Aufwachphase.
- Schutz vor Verletzungen: Man kann allenfalls dafür sorgen, dass sich der Hund nicht verletzt.
- Vermeiden Sie Festhalten: Mitunter berichten Hundebesitzer, dass ein Hund während eines Anfalls aggressiv wird. Dies wird meist dadurch verursacht, dass man versucht, den Hund während eines Anfalls festzuhalten. Der Hund macht jedoch unbewusste, ungesteuerte Bewegungen. Wenn der Hund mit dem Kopf zuckt und / oder den Zähnen klappert, läuft man Gefahr, gebissen zu werden, wenn man versucht, den Kopf festzuhalten.
Wann zum Tierarzt?
- Sollte ein Anfall länger als 5 min dauern oder wenn mehrere Anfälle nahezu gleichzeitig auftreten.
- Bei zunehmender Anfallshäufigkeit und/oder Anfallsschwere.
- Bei schwerwiegenden Verhaltensänderungen nach einem Anfall.
Leben mit Epilepsie beim Hund
Mit der richtigen Therapie, viel Fürsorge und Geduld sowie einer engen Zusammenarbeit mit Ihrer Tierarztpraxis ist die Epilepsie beim Hund gut in den Griff zu bekommen. Bei optimaler Therapie können die meisten Hunde trotz Epilepsie ein gutes Leben führen und so alt wie gesunde Artgenossen werden. Ein an Epilepsie erkrankter Hund kann ohne weiteres sportlich aktiv sein und an Freizeitaktivitäten teilhaben. Machen Sie das Tier dabei langsam damit vertraut. Auch Arbeitshunde (Blindenhunde, Such- und Rettungshunde, Wachhunde, usw.) können an Epilepsie erkranken. Durch eine rasche Diagnose können die Anfälle durch entsprechende Therapien schnell kontrolliert werden. So kann der Hund weiter ohne Risiko für die Sicherheit seines Besitzers arbeiten.
Ernährung
Studien zeigen, dass bestimmte Fettsäuren antiepileptische Eigenschaften bei Hunden haben. Sprechen Sie mit Ihrem Tierarzt über eine geeignete Ernährung für Ihren Hund.
Vorbeugende Maßnahmen
Die Epilepsie bei Hunden können Sie leider nicht durch vorbeugende Maßnahmen verhindern.
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