Einführung
Der Schlaganfall ist eine der Hauptursachen für schwere Behinderungen und die dritthäufigste Todesursache in den westlichen Industrieländern. Jedes Jahr sind allein in Deutschland etwa 250.000 Menschen betroffen, von denen etwa 60.000 sterben. Die zerebrale Ischämie infolge des Verschlusses einer Hirnarterie ist die häufigste Ursache. Angesichts der erwiesenen Wirksamkeit der Thrombolysetherapie beim akuten ischämischen Schlaganfall konzentriert sich die Forschung zunehmend auf die Definition von Patientensubgruppen, die von rekanalisierenden oder anderen aktiven Therapien profitieren können. Die neuroradiologische Diagnostik spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Bildgebung des Gehirns ist eine Schlüsseltechnologie sowohl in der Grundlagen- als auch in der klinischen Schlaganfallforschung.
Bedeutung der Bildgebung in der Schlaganfalldiagnostik
Die Bildgebung des Gehirns ist das wichtigste diagnostische Instrument beim Schlaganfall und entscheidend für die translationale Forschung, da die gleichen Modalitäten (z. B. MRT, SPECT, PET) in der präklinischen Forschung und bei Patienten eingesetzt werden können. Die rasche und korrekte Diagnose eines Schlaganfalls ist entscheidend, da die Behandlungsergebnisse stark von der Zeit abhängen. Die Bildgebung hilft, die Art des Schlaganfalls (ischämisch oder hämorrhagisch), die Lokalisation und das Ausmaß der Schädigung zu bestimmen.
CT-Diagnostik
Die nicht-kontrastmittelverstärkte Computertomographie (Nativ-CT) hat seit vielen Jahren ihren festen Platz bei der frühen Diagnostik von Schlaganfallpatienten. Mit der Nativ-CT können primäre intrakranielle Blutungen oder Tumoren relativ zuverlässig ausgeschlossen werden. Mit CT-Geräten neuerer Bauart kann der erfahrene Diagnostiker Frühveränderungen am ischämischen Hirngewebe oder sogar den Thrombus selbst in den ersten sechs Stunden nach Infarktbeginn in circa zwei Dritteln der Fälle identifizieren. Da die meisten Ischämiefrühzeichen aber direkt von der Zunahme des Wassergehalts im ischämischen Hirngewebe abhängen, können sie erst nach frühestens zwei Stunden beobachtet werden. Die Spiral-CT erlaubt bei gleichzeitiger Applikation eines intravenösen Kontrastmittelbolus die Berechnung von CT-Angiogrammen. Mit diesen Bildern können Gefäßverschlüsse auf der Ebene des Circulus Willisii relativ verlässlich dargestellt werden. Werden zur Interpretation nicht nur die 3-D-Rekonstruktionen der kontrastierten Gefäße, sondern auch die Einzelschichtbilder herangezogen, kann man mit dieser Technik auch qualitative Informationen zum Ausmaß der Perfusionsminderung und zur Qualität der Kollateralkreisläufe gewinnen.
Bei der Perfusions-CT werden Spiraltechnik und Kontrastmittelbolusgabe benutzt, um Perfusionsbilder vom Hirngewebe zu erstellen. Minderperfundierte Areale können damit verlässlich erfasst werden, und die Methodik erlaubt auch eine relativ genaue Berechnung des aktuellen CBF. Aufgrund der Begrenzung des Verfahrens auf ein Schichtpaket von maximal 2 cm Breite pro Kontrastmittelapplikation, ist eine Perfusionsuntersuchung des gesamten Gehirnes noch nicht möglich.
Durch Kombination verschiedener CT-Techniken sind somit der Blutungsausschluss und die Erfassung des Gefäßstatus mit begrenzten Schlussfolgerungen über den aktuellen Perfusionstatus möglich. Erst jenseits des 2-Stunden-Fensters können jedoch positive Aussagen über das Vorliegen einer Ischämie und das Ischämieareal gemacht werden.
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Schlaganfall-MRT: Eine umfassende Methode
Die Schlaganfall-Magnetresonanztomographie (MRT) ist eine kombinierte morphologische und funktionelle Methode, die in den Schlaganfallszentren zunehmend verfügbar ist und sich bei der Untersuchung von akuten Schlaganfallpatienten bewährt hat. Sie ist eine nicht-invasive Technik, die detaillierte Bilder des Gehirns liefert und Informationen über die Durchblutung, den Sauerstoffgehalt und die Stoffwechselaktivität des Gewebes ermöglicht. Die MRT-Angiographie kann sowohl Engstellen (Stenosen) als auch Erweiterungen (Aneurysmen) der hirnversorgenden Blutgefäße frühzeitig erkennen und dadurch das langfristige individuelle Schlaganfallrisiko senken.
Vorteile der Schlaganfall-MRT
- Hohe Sensitivität: Die MRT ist sehr empfindlich für frühe ischämische Veränderungen und kann auch kleine Schlaganfälle erkennen, die in der CT möglicherweise nicht sichtbar sind. Gerade die Diffusion ermöglicht auch die Darstellung kleiner Schlaganfälle, die mit der CT nicht oder nur ungenügend nachweisbar sind.
- Multimodale Bildgebung: Die Schlaganfall-MRT kombiniert verschiedene Sequenzen, die unterschiedliche Aspekte der Ischämie darstellen.
- Beurteilung der Penumbra: Die MRT kann helfen, die ischämische Penumbra zu identifizieren, das Gewebe, das potenziell rettbar ist.
- Keine Strahlenbelastung: Im Gegensatz zur CT kommt die MRT ohne ionisierende Strahlung aus.
Nachteile der Schlaganfall-MRT
- Längere Untersuchungszeit: Die MRT-Untersuchung dauert in der Regel länger als eine CT-Untersuchung.
- Eingeschränkte Verfügbarkeit: MRT-Geräte sind nicht so weit verbreitet wie CT-Geräte.
- Kontraindikationen: Bei Patienten mit bestimmten Metallimplantaten oder Herzschrittmachern kann eine MRT nicht durchgeführt werden.
- Kosten: Die MRT ist in der Regel teurer als die CT.
Elemente und Befunde der Schlaganfall-MRT
Das Protokoll der Schlaganfall-MRT setzt sich aus vier verschiedenen Elementen zusammen, die alle entscheidende Informationen zur akuten Durchblutungssituation des Gehirns liefern:
- Magnetresonanzangiographie (MRA): Zum Nachweis von Gefäßverschlüssen im Circulus Willisii einschließlich der proximalen Abschnitte der großen Arterien. Mit der MR-Angiographie können wir sowohl Engstellen (Stenosen) als auch Erweiterungen (Aneurysmen) der hirnversorgenden Blutgefäße frühzeitig erkennen und dadurch das langfristige individuelle Schlaganfallrisiko senken.
- Schnelle T2-gewichtete Standardaufnahmen: Zum Ausschluss nichtischämischer Pathologien (zum Beispiel Tumor).
- Diffusionsgewichtete Bildgebung (DWI): Die DWI ist ein Verfahren, mit dem Informationen zur Braunschen Molekularbewegung der extrazellulären Protonen gewonnen werden. Bei der akuten arteriellen zerebralen Ischämie kommt es rasch zum Versagen der Na+-/K+-Pumpe und nachfolgend zum Wassereinstrom in die ischämiegeschädigten Zellen; es entwickelt sich ein zytotoxisches Ödem. Das Volumen der Zellen nimmt auf Kosten des Extrazellulärraums zu, mit konsekutiver Einschränkung der Beweglichkeit der extrazellulären Protonen. Mit der DWI kann diese Veränderung sichtbar gemacht werden: Das zytotoxisch geschädigte Hirngewebe zeigt bereits wenige Minuten nach dem Gefäßverschluss eine deutliche Signalsteigerung in der DWI. In einem vereinfachten interpretativen Ansatz wird in der klinischen Routine angenommen, dass die stark diffusionsgestörten Anteile den Arealen mit einer irreversiblen ischämischen Schädigung entsprechen (Infarktkern).
- Perfusionsgewichtete Bildgebung (PWI): Bei der PWI wird wie bei der Perfusions-CT ein Kontrastmittelbolus in eine Kubitalvene injiziert. Anders als bei der CT kann bei der PWI die Passage des Kontrastmittels durch das Gehirn aber nicht nur in einer oder wenigen Schichten sondern im gesamten Neurokranium erfasst werden. Das Kontrastmittel verursacht in speziell empfindlichen Aufnahmen (so genannten Suszeptibilitäts-gewichteten Sequenzen) einen Signalabfall. Dieser Signalabfall kann für jeden Bildpunkt kontinuierlich erfasst und in eine relative KM-Konzentrations-Zeitkurve umgerechnet werden. Anhand dieser Kurven sind die Berechnungen von relativen Blutflussparametern möglich: zerebraler Blutfluss (rCBF), zerebrales Blutvolumen (rCBV) oder mittlere Passagezeit durch das Gewebe (rMTT). Aus den Kurvenberechnungen für jeden Bildpunkt können dann Parameterbilder (so genannte maps) des Gehirns berechnet werden. Für die visuelle Unterscheidung von normal- und minderdurchbluteten Gewebsarealen haben sich in der klinischen Routine vor allem die rMTT-maps bewährt, die im Folgenden ausschließlich berücksichtigt werden. Da die Einzelschichtbilder dieser perfusionsgewichteten Sequenz T2*-gewichtete Aufnahmen und daher sehr sensitiv gegenüber Suszebtibilitätsartefakten sind, können diese Aufnahmen auch zum Ausschluss akuter intrazerebraler Blutungen herangezogen werden.
Die Differenz oder Ratio (Mismatch) zwischen diffusionsgestörtem und perfusionsgestörtem Areal entspricht dem bildmorphologischen Korrelat der ischämischen Penumbra (Risikogewebe). Entspricht die PWI höchstens der DWI (match) wird angenommen, dass die Infarzierung bereits komplett ist und kein Risiko weiterer Infarktausdehnung besteht.
Nachweis intrakranieller Blutungen im Schlaganfall-MRT
Die MRT ist der CT bei der Diagnose subakuter bis chronischer intrazerebraler Blutungen (ICB) und subarachnoidaler Blutungen (SAB) überlegen, besonders dann, wenn es um die Klärung einer der Blutung zugrunde liegenden Pathologie geht. Petechiale Blutungen, kleine Kontusionsherde und/ oder Residuen einer abgelaufenen ICB können im subakuten Stadium teilweise nur mit der MRT nachgewiesen werden.
Innerhalb der ersten sechs bis zwölf Stunden ist zur Differenzierung zwischen akuter zerebraler Ischämie und ICB oder SAB die CT der diagnostische Standard und die Modalität der Wahl. Die Unbehaglichkeit unter Klinikern und Radiologen den Blutungsausschluss primär mit der MRT durchzuführen ist mindestens teilweise durch die Komplexität der MRT-Charakteristika von ICB und SAB zu erklären. Das Erscheinungsbild einer ICB im MRT hängt von der verwendeten MR-Sequenz, der Feldstärke des MR-Tomographen, von den verschiedenen Oxydationsstadien beim Abbau des Hämoglobins, der Proteinkonzentration im Hämatom und anderen Faktoren ab. Mittlerweile gibt es mehrere experimentelle und klinische Studien, die gezeigt haben, dass mit der Wahl geeigneter MR-Sequenzen an Geräten ausreichender Feldstärke (= 1 Tesla) auch kleine Blutungen genauso zuverlässig wie mit dem CT nachgewiesen werden können. Die vorliegenden Daten zeigen, dass Deoxyhämoglobin in ausreichender Konzentration schon innerhalb der ersten Minuten im Hämatom vorliegt und so mit T2*-gewichteten Aufnahmen nachgewiesen werden kann. Zurzeit werden zwei multizentrische prospektive Studien durchgeführt, um zu beantworten, ob zukünftig mit dem Schlaganfall-MRT intrazerebrale Blutungen sicher ausgeschlossen werden können.
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Bei der SAB verhält sich der Umbau des Hämoglobins durch den höheren Sauerstoffpartialdruck anders als bei der ICB, sodass der paramagnetische Suszeptibilitätseffekt hier nur von eingeschränktem…
Die Rolle des Mismatch-Konzepts
Ein besonderer Schwerpunkt der Bildgebungsaktivitäten liegt auf der Validierung und Verbesserung des sogenannten "Mismatch-Konzepts". Dieses Konzept beruht in den meisten klinischen Anwendungen auf perfusionsgewichteter (PW) und diffusionsgewichteter (DW) MRT, um Patientinnen und Patienten protektiven Therapien zuzuweisen oder zur die finalen Schädigungen zu prognostizieren.
Zukunftsperspektiven
Die Entwicklung neuer MRT-Techniken und -Protokolle, einschließlich KI-basierter Algorithmen, verspricht eine noch genauere und schnellere Schlaganfalldiagnostik. Darüber hinaus leistet unser Team Pionierarbeit bei der Entwicklung von Strategien, die eine Perfusionsbildgebung ohne die Verwendung von exogenen Kontrastmitteln ermöglichen und eine klinisch praktikable kombinierte Messung der intrazerebralen Perfusion und der intrazerebralen Mikrogefäße bieten. Darüber hinaus entwickeln, testen und verbessern wir KI-basierte Algorithmen für die automatische Bildnachbearbeitung und Extraktion von MRT-basierten Markern für zerebrale Kleingefäßerkrankungen (Hyperintensitäten der weißen Substanz, vergrößerte perivaskuläre Räume und zerebrale Mikroblutungen).
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