Schlaganfall und Hirnödem: Ursachen, Folgen und Behandlungsmöglichkeiten

Ein Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende zerebrovaskuläre Minderdurchblutung, die oft zu langandauernden Funktionseinschränkungen führt. Er ist eine zeitkritische Erkrankung des Gehirns, die mit einer plötzlich auftretenden Schädigung von Hirngewebe aufgrund eines Gefäßverschlusses (ischämischer Insult) oder einer Hirnblutung (hämorrhagischer Insult) assoziiert ist. Abhängig von der Lokalisation und dem Ausmaß des unterversorgten Hirnareals kommt es zu kognitiven, sensorischen und motorischen Funktionsstörungen. Die Verdachtsdiagnose wird mit bildgebenden Verfahren wie Computertomografie (CT), Magnetresonanztomografie (MRT) oder einer Angiographie bestätigt. Die Prognose nach einem Schlaganfall richtet sich nach Ursache, Art und Umfang der Läsion sowie dem Zeitpunkt der therapeutischen Intervention.

Epidemiologie des Schlaganfalls

Ein Schlaganfall gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Jährlich erleiden weltweit 15 Millionen Menschen einen apoplektischen Insult. Davon sterben 5 Millionen, weitere 5 Millionen bleiben dauerhaft eingeschränkt. In Deutschland werden jährlich etwa 270.000 Schlaganfälle diagnostiziert, was einer Inzidenzrate von 260-270 pro 100.000 Einwohnern entspricht. Bei 70.000 der Ereignisse handelt es sich um ein Rezidiv. Die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erleiden, steigt mit zunehmendem Alter. Auf die Altersgruppe ab 60 Jahre entfallen fast 80% aller Schlaganfälle. Allerdings sind auch rund 30.000 Menschen unter 55 Jahren betroffen, selbst Kinder. Der Stiftung „Deutsche Schlaganfall Hilfe“ zufolge wird bei 300 Kinder jährlich ein Schlaganfall diagnostiziert. Die Dunkelziffer ist vermutlich höher, da viele Schlaganfälle unerkannt bleiben.

Weltweiter Anstieg der Schlaganfall-Last

Zwischen 1990 und 2019 gingen die altersstandardisierten Raten der Schlaganfallinzidenz um 17%, die Mortalität um 36%, die Prävalenz um 6% und die DALYs um 36% zurück. DALY (englisch disability-adjusted life-years) ist die Maßzahl für die durch Todesfälle verlorenen Lebensjahre und die Jahre mit krankheitsbedingter verminderter Lebensqualität. Dahingegen nimmt die Last an Schlaganfall-Erkrankungen seit drei Jahrzehnten weltweit zu. So stieg die absolute Zahl der Schlaganfälle zwischen 1990-2019 um 70%, die Zahl der prävalenten Schlaganfälle um 85%, die Zahl der Todesfälle durch Schlaganfall um 43% und die Zahl der durch Schlaganfall verursachten DALYs um 32%. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung wird sich dieser Trend fortsetzen. Heute sind 24% der Bevölkerung älter als 60 Jahre. Für das Jahr 2050 wird ein Anteil von 38% prognostiziert. Das heißt, auch wenn die Neuerkrankungs- und Sterberaten in den letzten Jahrzehnten stetig gefallen sind, steigt die absolute Zahl der von einem Schlaganfall betroffenen Menschen aufgrund des demografischen Wandels kontinuierlich an. Besorgniserregend ist die zunehmende Schlaganfallrate in Niedriglohnländern und der überproportionale Anstieg von Inzidenz und Prävalenz in der Gruppe der unter 70-jährigen Menschen. Während die relative Neuerkrankungsrate bei älteren Personen um 17% zurückgegangen ist, gab es bei den unter 70-Jährigen einen Anstieg um 15%. Der Grund für die „Verjüngung“ der betroffenen Bevölkerungsgruppen könnte den weltweit zunehmenden Risikofaktoren geschuldet sein.

Dritthäufigste Todesursache in Deutschland

Der Schlaganfall ist deutschland- und weltweit die zweithäufigste Todesursache. Gemäß einer Analyse der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von Versicherten der AOK Niedersachsen versterben hierzulande 6,8% der PatientInnen in den ersten 30 Tagen nach einem Schlaganfall, nach 90 Tagen 9,4% und nach einem Jahr 17%. Nach fünf Jahren leben noch durchschnittlich 55% der Betroffenen.

Risikofaktoren für einen Schlaganfall

Generell gehen 87% der Schlaganfälle zu Lasten definierter Risikofaktoren. Unterschieden wird zwischen modifizierbaren und nicht beeinflussbaren Faktoren.

Lesen Sie auch: Ursachen und Risikofaktoren für Schlaganfälle bei Katzen

Modifizierbare Risikofaktoren

In einer GBD-Studie (Global Burden of Diseases) aus dem Jahr 2021 wurden 19 Risikofaktoren für das Auftreten von Schlaganfällen benannt und gewichtet. Der Hauptrisikofaktor für Schlaganfälle ist demnach ein hoher Blutdruck, der für 80 Millionen DALYs bzw. 55,5% aller DALYs verantwortlich war.

Als weitere Risikofaktoren folgten:

  • erhöhter Body-Mass-Index (BMI) bzw. Übergewicht (24,3% aller Schlaganfall-bedingten DALYs)
  • Diabetes (20,2%)
  • Umwelt- bzw. Luftverschmutzung (20,1%)
  • Rauchen (17,6%)
  • hoher Salzkonsum (12,3%)

Andere, mit einem erhöhten Schlaganfall-Risiko assoziierte Risikofaktoren sind:

  • Bewegungsmangel
  • Hyperlipidämie
  • Vorhofflimmern
  • Stress
  • Alkoholkonsum
  • Arteriosklerose
  • Karotisstenose
  • Ovulationshemmer
  • Polyglobulie

Als neuer Risikofaktor wurde Endometriose festgestellt. Frauen mit laparoskopisch bestätigter Endometriose haben laut den Ergebnissen einer Studie aus dem Jahr 2022 eine um 34% höhere Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall zu erleiden, als Frauen ohne eine solche Diagnose.

Nicht modifizierbare Risikofaktoren

Zwei der bedeutsamsten nicht modifizierbaren Risikofaktoren für einen Schlaganfall sind das Alter und das Geschlecht. Die meisten apoplektischen Insulte betreffen Menschen über 60 Jahre. Zudem haben Frauen ein höheres Schlaganfall-Risiko als Männer. Laut einer Studie des Robert Koch-Instituts (RKI) liegt die altersstandardisierte Schlaganfallrate bei Frauen in Deutschland bei 2,1% pro Jahr, während sie bei Männern 1,8% pro Jahr beträgt.

Lesen Sie auch: Gesundheitliche Rückschläge und politische Leistungen von Lafontaine

Genetische Faktoren haben einen wichtigen Einfluss auf das Schlaganfallrisiko. Bis jetzt wurden 89 Schlaganfall-Risikogene ermittelt. Dazu gehören Gene, die für den Stoffwechsel von Lipiden, die Blutdruckregulation und Gerinnungsfaktoren verantwortlich sind. Die Risikogene korrelieren mit der Herkunft der PatientInnen und der Art des Schlaganfalls (ischämisch/hämorrhagisch). Forschende des GIGASTROKE-Konsortiums analysierten im Jahr 2022 in einer Metaanalyse genetische Daten von Patienten unterschiedlicher Herkunft (afroafrikanisch, europäisch, ost- oder südasiatisch sowie lateinamerikanisch). Neben den bereits bekannten Genen identifizierten sie 61 neue Genloci, die mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert sind, etwa SH3PXD2A und FURIN. Die identifizierten Gene können unabhängig von anderen Risikofaktoren ein erhöhtes Schlaganfallrisiko vorhersagen, so die Forschenden. Darüber hinaus nennt die Studie potenzielle Therapieansätze - zum Beispiel Inhibitoren für VCAM1, F11, KLKB1, GP1BA und LAMC2 sowie einen Aktivator für das Genprodukt von PROC.

Ursachen und Pathogenese des Schlaganfalls

Ursächlich werden zwei Schlaganfall-Formen unterschieden: ein ischämischer Insult infolge eines thromboembolischen Gefäßverschlusses und ein hämorrhagischer Insult aufgrund einer intrazerebralen Blutung (ICB) oder Subarachnoidalblutung (SAB). Bei der ICB handelt es sich um Blutungen in das Hirnparenchym, bei der SAB um Blutungen in den Subarachnoidalraum. Entsprechend der Statistik der Heart and Stroke Association sind von allen Schlaganfällen rund 87% ischämische Hirninfarkte und 10% intrazerebrale hämorrhagische Schlaganfälle; die restlichen 3% entstehen als Folge einer Subarachnoidalblutung.

Ischämische Ursachen

Der ischämische Hirninfarkt wird umgangssprachlich als „weißer Schlaganfall“ bezeichnet. Die plötzliche Minderdurchblutung resultiert in der Regel aus Stenosen oder Verschlüssen hirnversorgender Arterien.

Folgende Situationen können eine ischämische Ursache bedingen:

  • Makroangiopathie
  • Mikroangiopathie
  • kardiale Embolie
  • andere Erkrankungen

Makroangiopathie

Bei einer Makroangiopathie sind die großen arteriellen Blutgefäße verengt oder obstruiert. Typischerweise bilden sich zunächst artherosklerotische Plaques. Ein erhöhtes Risiko dafür haben Menschen mit Hypertonie, Diabetes mellitus und Hyperlipidämien sowie Raucher und adipöse Personen. Rupturieren diese Plaques, beispielsweise durch ansteigenden Blutdruck oder Infektionen, lagern sich Blutgerinnsel an. Diese Thromben verengen zunehmend die arteriellen Blutgefäße. Wird ein Thrombus mit dem Blutfluss mitgerissen und in Richtung Gehirn fortgeschwemmt, kann er nunmehr als Embolus die Hirnarterie vollständig verschließen. Bevorzugt betroffene Arterien sind die A. cerebri media, A. cerebri anterior, A. cerebri posterior, A. carotis interna, A. basilaris, A. cerebelli oder A. vertebralis.

Lesen Sie auch: Rehabilitation bei Gesichtsfeldausfall

Mikroangiopathie

Bei einer Mikroangiopathie sind kleine arterielle Blutgefäße betroffen. Eine häufige erworbene Ursache ist die subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie (SAE). Bei dieser Gehirnerkrankung gehen Arteriolen im Bereich der Stammganglien und des Hirnstamms unter. Andere Ursachen für Mikroangiopathien wie die Fabry-Krankheit oder das MELAS-Syndrom sind genetisch bedingt. Amyloid-Angiopathien sowie toxämische und retinozerebrale Vaskulopathien können ebenfalls Ursachen mikroangionöser Pathologien sein.

Kardiale Embolie

Bei der kardialen Embolie entsteht der gefäßverschließende Embolus in der Regel durch Vorhofflimmern. Weitere Ursachen einer Kardioembolie sind Arrhythmien anderer Genese, Myokardinfarkt, Endokarditis, atriales Septum-Aneurysma, Herzvitien oder Klappenersatz.

Andere Erkrankungen

In sehr seltenen Fällen können auch Erkrankungen oder iatrogene Eingriffe eine Ischämie fördern. Dazu gehören beispielsweise:

  • hämatologische Erkrankungen wie Anämien multifaktorieller Genese, Thrombophilien und Koagulopathien
  • Vaskulitiden und andere Vaskulopathien
  • Gefäßkompressionen durch Tumore
  • Gefäßdissektionen, zum Beispiel bei Schädel-Hirn-Trauma oder spontan bei fibromuskulärer Dysplasie
  • spezielle Infektionen wie Meningitis, Herpes zoster, Neurosyphilis, Neuroborreliose, AIDS, Rickettsien und Malaria
  • Arzneimittel wie hormonale Kontrazeptiva und nicht steroidale Antirheumatika
  • paradoxe Embolie bei Phlebothrombose und persistierendem Foramen ovale oder Atriumseptumdefekt
  • Migräne
  • iatrogene Interventionen wie Koronarangiografie oder Karotis-Endoprothesen (Stent)
  • Drogenkonsum, insbesondere Kokain, Heroin und Amphetamine

Hämorrhagische Ursachen

Der hämorrhagische Schlaganfall wird umgangssprachlich als „roter Infarkt“ bezeichnet. Bei dieser Form geht Hirngewebe infolge einer Einblutung - meist aufgrund eines intrazerebralen Hämatoms - zugrunde. Ursache ist in der Regel ein rupturiertes Blutgefäß. Die Subarachnoidalblutung hat als extrazerebrales Hämatom eine Sonderstellung. Dabei rupturiert ein Gefäß im Subarachnoidalraum und komprimiert das Hirngewebe von außen.

Pathogenese ischämischer Insult

Ob ischämische oder hämorrhagische Ursache - das Ergebnis bleibt gleich. Neuronen sterben aufgrund von Sauerstoff-, Glukose- und Substratmangel ab. Hirnnervenzellen beziehen ihre Energie aus dem Abbau von Glukose. Im Ruhezustand verbraucht das Gehirn durchschnittlich 3,35 ml Sauerstoff pro 100 g Hirngewebe pro Minute. Der Hauptenergielieferant Glukose wird zu 90% aerob verstoffwechselt, während 10% anaerob zu Pyruvat abgebaut werden. Unter pathologischen Umständen werden Ketonkörper und Aminosäuren verstoffwechselt.

Eine Verminderung der Hirndurchblutung unter das normale Niveau von 50-60 ml/100 g Gewebe/min auf 20 ml/100 g/min kann folgenlos toleriert werden. Wird diese Schwelle unterschritten, treten Funktionsstörungen auf, die nach einer Normalisierung der Durchblutung reversibel sind. Sinkt die Durchblutung auf weniger als 8-10 ml/100 g/min ab, kommt es zu einer anoxischen Zelldepolarisation, gefolgt von einer Infarzierung. Je nachdem, wie gut die kollaterale Blutversorgung im Infarktbereich ist, kann ein Durchblutungsgradient entstehen, der von den Randzonen zum Kern hin ansteigt. Während das Gewebe im Kernbereich des Infarkts absterben kann, sind die Randzonen (Penumbra) nur in ihrer Funktion gestört und können sich bei wiederhergestellter Durchblutung noch nach Stunden erholen. Die Penumbra ist als Gewebe definiert, dessen Funktionsstoffwechsel erloschen, aber dessen Strukturstoffwechsel noch intakt ist. Dies bedeutet, dass es noch nicht zu einer ischämischen Depolarisation gekommen ist, bei der die Membran versagt.

Hält die Ischämie in der Penumbra so lange an, dass die Ionenpumpen ausfallen, strömen NaCl, Wasser und Kalzium in die Zellen. Die erhöhte Kalziumkonzentration führt zu einer übermäßigen Freisetzung von exzitatorischen Neurotransmittern, die den Zellstoffwechsel anstoßen und den Energieverbrauch der ischämischen Zellverbände noch weiter erhöhen. Das Hämatom schränkt die Funktion von Neuronen und Glia ein. Dies führt zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen, Freisetzung von Neurotransmittern, mitochondrialen Dysfunktion und Zellschwellung. Thrombin aktiviert Mikrogliazellen und verursacht Entzündungen und Ödeme. Die primäre Schädigung ist auf die hämatominduzierte Kompression des Hirngewebes und eine intrakranielle Druckerhöhung zurückzuführen. Die sekundären Verletzungen entstehen aufgrund von entzündlichen Prozessen, Störungen der Blut-Hirn-Schranke, Ödemen, der Überproduktion freier Radikale wie reaktive Sauerstoffspezies (ROS), einer glutamatinduzierten Exzitotoxizität und der Freisetzung von Hämoglobin und Eisen. In der Regel vergrößert sich das Hämatom innerhalb von 3-12 Stunden. Um das Hämatom herum befindet sich ein Bereich mit Hypoperfusion. Faktoren, die zu einer Verschlechterung der ICB führen können, sind die Ausdehnung des Hämatoms, eine intraventrikuläre Blutung, ein perihämorrhagisches Ödem und Entzündungsreaktionen.

Symptome

Das klinische Bild eines Schlaganfalls ist äußerst heterogen. Beim ischämischen Insult sind die Beschwerden meist unspezifisch - mitunter fallen nur leichter Schwindel, kurzzeitiges Zittern oder eine kaum wahrnehmbare Gangunsicherheit auf. Auf einen hämorrhagischen Insult weisen beispielsweise akute Kopfschmerzen, Erbrechen und Nackensteifigkeit hin.

Symptome beim ischämischen Insult

Klassisch Symptome, die auf einen ischämischen Insult hinweisen, sind:

  • plötzlich einsetzende Hemiparesen (Mundwinkel, Gesicht oder eine Körperhälfte)
  • Artikulationsstörungen (oft mit verwaschener Sprache)
  • Dysphagie
  • Aphasie
  • Apraxie
  • Ataxie
  • Sehbeeinträchtigungen (zum Beispiel Diplopie, Hemianopsie, Quadrantenanopsie oder Herdblick)
  • Bewusstseinseinschränkungen

Die Symptomatik richtet sich vor allem nach der Infarktlokalisation und lässt sich topografisch zuordnen.

Besonderheiten beim Hirnstamminfarkt

Beim Hirnstamminfarkt kommt es zu Schädigungen im Bereich des Hirnstamms, die sich durch eine Vielzahl von Leitsymptomen äußern, darunter Schwindel, Dysarthrie, Dysphagie, Ataxie, Blickparese, Hemi- und Tetraparesen sowie Singultus. Zudem können verschiedene Hirnstamm-Syndrome auftreten, die durch unterschiedliche Symptom-Kombinationen gekennzeichnet sind, darunter das:

  • Alternans-Syndrom bzw. gekreuztes Hirnstamm-Syndrom: ipsilateraler Hirnnervenausfall, kontralaterale Hemiparese
  • Foville-Syndrom bzw. Inferior-Medial-Pontine-Syndrom: kontralaterale Hemiparese, Fazialisparese, internukleäre Ophthalmoplegie
  • Jackson-Syndrom bzw. ventrales paramedianes Oblongata-Syndrom: kontralaterale Hemiparese, ipsilateraler Ausfall des N. hypoglossus

Hirnödem nach Schlaganfall

Ein ausgedehnter Schlaganfall hat häufig ein Hirnödem zur Folge. Der Anstieg des Hirndrucks schädigt lebenswichtige Hirnareale und etwa 80 Prozent dieser Patienten sterben in der ersten Woche nach dem Insult. Da sich das Ödem langsam entwickelt, bleibt in der Regel Zeit für Gegenmaßnahmen.

Pathogenese des Hirnödems

Mit einem Hirninfarkt verbindet man vor allem eine Unterversorgung der grauen Zellen mit Sauerstoff. Doch es gibt noch andere schwere Komplikationen. Bei einem Hirnödem nach einem schweren Schlaganfall sammelt sich Flüssigkeit an und verursacht eine Schwellung im Nervengewebe. Es entsteht ein erhöhter Druck im Kopf, der lebensgefährlich ist. Um ein Einklemmen des Gehirns zu vermeiden, öffnen Neurochirurgen daher bei sehr großen Schlaganfällen Teile der Schädeldecke, um den Druck zu mindern. Die Hirnödeme stehen im direkten Zusammenhang mit der Pathogenese eines Schlaganfalls. Die Ödementwicklung erfolgt dabei über drei Phasen. In der ersten Phase, die bereits nach wenigen Minuten beginnt, sorgt die Unterversorgung der Nervenzellen dafür, dass die normalen Gradienten von Natrium- Kalium-, Kalzium- und Chlorid - Ionen über die Nervenzellmembranen fast vollständig zusammenbrechen. In der Folge strömt Wasser in die Nervenzellen ein. Diese Zellschwellung wird als zytotoxisches Ödem bezeichnet.

Das zytotoxische Ödem beginnt an einem Punkt im Gewebe, breitet sich langsam und wellenartig im mangeldurchbluteten Gewebe aus - bis hinein in das normal versorgte Gewebe. Mit jeder Welle wächst der innere, dauerhaft ödematöse Bereich weiter an, in dem die Nervenzellen zugrundegehen. Dieser Vorgang wiederholt sich nach einem Schlaganfall über mehrere Tage, bis er irgendwann zum Stillstand kommt. Aufgepropft auf dieses zytotoxische Ödem, entwickelt sich kurz nach Auftreten der ersten Welle das sogenannte ionale Ödem, das sich ebenfalls auf die unphysiologische Verteilung von Ionen zurückführen lässt. Beim ionalen Ödem strömt Nervenwasser allerdings über die glymphatischen Pfade entlang der Hirngefäße in das Nervengewebe ein. Im Unterschied zum zytotoxischen Ödem ist das ionale Ödem daher keine Umverteilung von Wasser zwischen Extra- und Intrazellulärraum. Vielmehr kommt es zu einer Nettoaufnahme von Wasser in das Gewebe. Erst einige Stunden nach dem Beginn von zytotoxischem und ionalem Ödem öffnet sich dann die so genannte Blut-Hirn-Schranke. Dadurch kommt es zu einer weiteren Nettoaufnahme von Wasser, das nun vor allem aus dem Intravasalraum stammt.

Therapie des Hirnödems

Wenn Medikamente keine Wirkung erzielen, bietet sich ein chirurgischer Weg an: Durch die Hemikraniektomie wird dem Gehirn die Möglichkeit gegeben, sich auszudehnen. Die Operation ist seit langem Routine in der Behandlung von Patienten mit schwerem Schädel-hirntrauma. Das freigelegte Gehirn wird mit schützender Hirnhaut bedeckt. Nach Rückgang der Hirnschwellung wird die (beispielsweise im Gefrierschrank zwischen­gelagerte) Schädeldecke wieder eingesetzt. Eine frühzeitige Hemikraniektomie, also die Entfernung von Teilen des Schädeldaches, hat in einer randomisierten Studie die Überlebenschancen von älteren Patienten mit ausge­dehntem Verschluss der mittleren Hirnarterie deutlich gebessert, ohne sie allerdings vor schwerer Behinderung zu bewahren.

Drei frühere in Europa durchgeführte randomisierte klinische Studien (DECIMAL, DESTINY, HAMLET) hatten gezeigt, dass Patienten unter 60 Jahren einen schweren Schlaganfall der mittleren Hirnarterie durch eine Hemikraniektomie nicht nur deutlich häufiger überleben (78 versus 29 Prozent nach einer Meta-Analyse). Auch der Anteil der Patienten, die ohne höhergradige Behinderung entlassen werden konnten, stieg: 43 versus 21 Prozent hatten bei der Entlassung 3 Punkte oder weniger auf der modifizierten Rankin-Skala. Die Skala reicht von 0, keine Symptome, bis 6, Tod. 3 Punkte entsprechen einer mittelschweren Beeinträchtigung („Patient benötigt Hilfe im Alltag, kann aber ohne Hilfe gehen“).

Die Nachfolgestudie DESTINY II sollte jetzt klären, ob auch ältere Patienten mit einem „malignen“ Infarkt der Arteria cerebri media einen Nutzen von der Operation haben. An 13 deutschen Schlaganfallzentren wurden zwischen August 2009 und Mai 2013 insgesamt 112 Patienten zwischen 61 und 82 Jahren nach schwerem Schlaganfall auf zwei Gruppen randomisiert. In einer Gruppe wurden nur intensivmedizinische Behandlungen durchgeführt. Bei den anderen erfolgte innerhalb von 48 Stunden nach dem Infarkt eine Hemikraniektomie. Wie das Team um Werner Hacke, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg, jetzt berichtet, wurde die Studie nach dem Einschluss von 83 Patienten aufgrund der hohen Überlegenheit der operativen Behandlung vorzeitig gestoppt: Die Hemikraniektomie hatte die Sterblichkeit von 70 auf 33 Prozent vermindert (Odds Ratio 2,91; 95-Prozent-Konfidenzintervall 1,06-7,49).

Im Unterschied zu den früheren Studien an jüngeren Patienten konnte der Anteil der Patienten, die ohne schwere Behinderung aus der Klinik entlassen wurden, nicht gesenkt werden. Die Patienten, die überlebten, wurden zumeist mit schweren Behinderungen entlassen. Einen Wert von 3 auf der modifizierten Rankin-Skala hatten im Hemikraniek­tomie-Arm nur 3 von 47 Patienten (6 Prozent) und in der Kontrollgruppe nur 3 von 62 Patienten (5 Prozent). In beiden Gruppen gab es keinen Patienten, der nur mit leichten Behinderungen oder gesund (Rankin 0 bis 2) entlassen werden konnte.

Nach Einschätzung von Andreas Unterberg, dem Ärztlichen Direktor der Neuro­chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, muss die Entscheidung zur Hemikraniektomie bei älteren Patienten mit den Betroffenen und ihren Angehörigen im Einzelfall gut abgewogen werden. Ein Überleben mit schwerer Behinderung werde besonders in höherem Lebensalter von vielen Patienten nicht akzeptiert. Hier gibt es möglicherweise kulturelle Unterschiede zu den USA. Komplikation: Nach 2-4 Tagen kommt es häufig zur Einklemmung, nachfolgend zum Tod. Eine frühe Kraniotomie (innerhalb der ersten 24h), bevor die ersten Symptome einer Herniation aufgetreten sind, scheint noch günstiger zu sein und wird derzeit in einer prospektiven Multicenter-Studie untersucht. Die dekompressive Kranietomie reduziert bei komatösen Patienten mit raumfordernden Kleinhirninfarkten die Mortalität ebenfalls von 80% auf 30%. Moderate Hypothermie mit 33-35°C kann ebenfalls angewendet werden.

Rehabilitation nach Schlaganfall

Wenn es zu einem Schlaganfall gekommen ist, so kann zunächst in jedem Fall auf eine völlige Wiederherstellung gehofft werden. Die Folgen eines Schlaganfalls verändern das Leben des Patienten oft einschneidend. Halbseitige Gesichtslähmungen führen zu großen Schwierigkeiten beim Sprechen, Kauen und Schlucken. Viele Patienten können deshalb nicht mehr selbstständig essen - ihnen müssen die Mahlzeiten gereicht werden. Bei Sprachstörungen können die Betroffenen zwar hören und Gesprochenes verstehen, aber selbst nur sehr undeutlich oder gar nicht sprechen. Die vollständige Lähmung einer Körperhälfte hat zur Folge, dass die Patienten nur noch im Bett liegen oder in einem Stuhl sitzen können bzw. einen Rollstuhl benutzen müssen. Leichtere Lähmungserscheinungen führen zu Gehstörungen, bei denen die Patienten meist das betroffene Bein halbkreisförmig nachziehen. Der gelähmte, leicht gebeugte Arm schwingt dann beim Gehen nicht mit. Auch die Kontrolle über den Stuhlgang und die Entleerung der Blase kann verloren gehen. Die Betroffenen müssen dann eine Windel tragen. Bei einer Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung ist vor allem das Kurzzeitgedächtnis betroffen. An Dinge, die lange zurückliegen, können sich die Patienten dagegen noch genau erinnern. Wurde der Schlaganfall durch eine Hirnblutung verursacht, besteht die erhöhte Gefahr, dass es zu weiteren Blutungen und damit auch Schädigungen im Gehirn kommt. Die Fahrtüchtigkeit der Betroffenen ist in der Regel stark eingeschränkt und die Patienten erhalten vom Arzt, auch bei einem leichteren Schlaganfall, - zumindest vorübergehend - ein Fahrverbot. Das Ausmaß und die Schwere der Beeinträchtigungen hängen in erster Linie davon ab, welche Gehirnregionen betroffen und wie stark sie durch den Schlaganfall geschädigt worden sind. Die meisten Patienten sind durch den erlittenen Schlaganfall in erheblichem Maße körperlich behindert. Sie sind auch seelisch verunsichert und werden oft depressiv. Die Unterstützung durch die Angehörigen ist deshalb für den Patienten besonders wichtig. Gerade in den ersten Tagen nach einem Schlaganfall sollte der Patient spüren, dass man ihn liebt und sich um ihn kümmert.

Prävention

Je früher ein Risikofaktor für einen Schlaganfall behandelt wird, desto eher läßt sich das fatale Geschehen abwenden. Alle genannten Risikofaktoren sind behandelbar: Blutdrucksenkung, Normalisierung der Blutfette, Gewichtsreduktion, Behandlung einer Herzerkrankung, Aufgabe von Rauchgewohnheiten. Die Kunst des Therapeuten ist es, diese Maßnahmen so durchzuführen, daß der Patient an Lebensqualität spürbar gewinnt. Nur dies sichert die langfristige Beständigkeit der Maßnahmen und ihrer Wirkung. Um die Verklumpungsneigung von Blutplättchen zu vermindern, eignet sich u.a der Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS). Schon mit geringen Mengen ASS (100 - 200 mg pro Tag) sinkt das Schlaganfallrisiko um bis zu 20 Prozent. Der neue Wirkstoff Clopidogrel ist noch etwas wirksamer, jedoch auch wesentlich teurer. Bei Patienten mit einem besonders hohen Embolie- und Apoplexrisiko (z.B. nachgewiesene Thromben im Herzen oder vorausgegangene Arterienverschlüsse) bevorzugen die meisten Ärzte die "Blutverdünnung" mit einem Medikament, das die Gerinnungsfähigkeit des Blutes wesentlich herabsetzt. Ist eine höhergradige Stenose (Engstelle) an einem Blutgefäß am Hals Ursache eines Schlaganfall - Vorbotens, sollte diese durch eine Operation oder "Schlüsselloch - Techniken" (Ballondilatation, Stenting) beseitigt werden.

tags: #schlaganfall #hirnödem