Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die von wiederholten Anfällen gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch unkontrollierte Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Die Erfahrungen mit Epilepsie sind vielfältig und individuell. Dieser Artikel beleuchtet die persönlichen Geschichten von Menschen, die mit Epilepsie leben, und gibt Einblicke in ihre Herausforderungen, Erfolge und Strategien im Umgang mit der Erkrankung.
Florian: Ein Leben mit anfänglicher Fehldiagnose
Florians Geschichte beginnt in seiner Kindheit. Obwohl seine Entwicklung zunächst normal verlief, fielen im Kindergarten motorische Schwächen auf. Schuluntersuchungen ergaben eine mangelnde Schulreife. Im Zuge der Diagnose von Fieberkrämpfen bei seinem Bruder Simon wurde auch bei Florian ein EEG durchgeführt. Dieses zeigte eine pathologische Aktivität, was auf Epilepsie hindeutete.
Trotz auffälliger EEGs traten bei Florian keine Anfälle auf. Er wurde auf Orfiril eingestellt, was jedoch zu einer Gewichtszunahme von elf Kilogramm führte. Nach einem Umzug und einem Schulwechsel verbesserte sich Florians Zustand. Durch die Einnahme einer Mini-Dosis Suxinutin verbesserten sich seine schulischen Leistungen und sein EEG.
In der Hauptschule entwickelte sich Florian zu einem sehr guten Schüler. Im SPZ Duisburg wurde schließlich festgestellt, dass er keine Epilepsie hat und keine Medikamente mehr benötigt. Nach einem halben Jahr wurden jedoch bei einem 24-Stunden-EEG Absencen festgestellt, woraufhin er Lamictal einnahm.
Mit 13 Jahren erlitt Florian seinen ersten großen Anfall. Dies führte zu Einschränkungen wie dem Verbot des Schwimmens und ständiger Kontrolle durch die Eltern. In Bonn wurde er zusätzlich auf Keppra eingestellt, was jedoch zu Aggressivität führte. Ein schwerer Petit-mal-Status erforderte eine stationäre Medikamentenumstellung.
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Florians Zustand verschlechterte sich mit der Zeit. Er nahm ab, war schlapp und hatte Schwierigkeiten in der Schule. Mehrere Medikamentenumstellungen folgten, bis er schließlich mit seiner aktuellen Medikation anfallsfrei wurde und keine Nebenwirkungen mehr hat.
Ein Praktikum in der Radiologie des Klinikums Duisburg konfrontierte Florian mit der Realität der Erkrankung. Der Anblick eines Mädchens im Status epilepticus berührte ihn tief und ließ ihn über die Gefahren seiner eigenen Anfälle und die Angst seiner Eltern nachdenken.
Sybille Burmeister: Diagnose im Erwachsenenalter
Sybille Burmeister erhielt ihre Epilepsie-Diagnose erst im Alter von 35 Jahren. Sie beschreibt die Erkrankung als etwas, das ihr den Boden unter den Füßen weggerissen hat. Jeder zehnte Mensch erlebt irgendwann im Laufe seines Lebens einen epileptischen Anfall. Der Anteil der Bevölkerung, die an Epilepsie leiden, liegt hingegen bei 0,4 bis 1,0 Prozent. In Deutschland entspricht das rund 600.000 bis 800.000 Menschen.
Sybille betont, wie wichtig es ist, die Krankheit zu akzeptieren, da sie ein Leben lang bestehen bleibt. Trotzdem steht sie jeden Morgen mit dem Gedanken an die Epilepsie auf und fühlt sich, als ob ein Damoklesschwert über ihr schwebt. Sie sagt von sich selbst, dass sie Epilepsie hat, aber keine Epileptikerin ist.
Alexander Walter: Engagement in der Selbsthilfe
Alexander Walter erkrankte im Alter von zwei Jahren an Leukämie. Im Alter von 23 Jahren erlitt er seinen ersten Anfall. Die Suche nach der richtigen Medikation dauerte 13 Jahre. Im Jahr 2010 erhielt er die Diagnose Temporallappen-Epilepsie und Hippocampussklerose.
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Alexander engagiert sich stark in der Selbsthilfearbeit und ist Vorsitzender des DE Landesverbandes Epilepsie Hessen e. V. Er beschreibt, wie er durch die Selbsthilfe gelernt hat, mit seiner Erkrankung umzugehen und anderen zu helfen.
Leonie: Aufklärung über Instagram
Leonie erhielt ihre Epilepsie-Diagnose im Alter von 15 Jahren. Sie setzt sich auf Instagram für andere Betroffene ein und teilt ihre eigene Krankheitsgeschichte. Leonie möchte aufklären und Vorurteile abbauen. Sie betont, dass Menschen mit Epilepsie trotz Einschränkungen ein erfülltes Leben führen können.
Jaqueline: Leben mit unvorhersehbaren Anfällen
Jaqueline erlitt ihren ersten epileptischen Anfall im Alter von 12 Jahren. Nach Jahren der Falschdiagnosen erhielt sie mit 23 Jahren die Diagnose Epilepsie. Ihre Anfälle kündigen sich nicht mit einer Aura an, was die Krankheit für sie besonders gefährlich macht.
Jaquelines Freund Martin hat schon unzählige Anfälle miterlebt und weiß, was im Notfall zu tun ist. Jaqueline hat ein Hausnotrufsystem, das ihr und ihrem Freund ein Stück Sicherheit gibt.
Umgang mit der Diagnose und Reaktionen der Mitmenschen
Für viele Betroffene ist die Frage, wem sie von ihrer Epilepsie erzählen sollen, nicht einfach zu beantworten. Viele Interviewpartner berichten, dass sie es allen erzählen, für die es wichtig sein könnte, da sie erlebt haben, wie unangenehm es für Nahestehende ist, wenn sie von einem Anfall überrascht werden. Viele Erzähler berichten, dass sie im engen Freundeskreis offen mit der Erkrankung umgehen, aber zum Beispiel im Arbeitsumfeld nichts davon erzählen.
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Die Reaktionen der Mitmenschen auf die Mitteilung von der Epilepsie sind sehr unterschiedlich. Viele Erzähler berichten, dass Bekannte schockiert reagierten oder Angst bekamen, selbst einen Anfall mitzuerleben. Einige haben eher enttäuschende Erfahrungen gemacht, weil sich Bekannte oder Freunde zurückzogen oder sich nicht mehr trauten, weiter nachzufragen.
Aufklärung und Abbau von Tabus
Allen Interviewpartnern ist es sehr wichtig, dass die Gesellschaft besser über Epilepsie aufgeklärt wird und das Thema Anfälle weniger tabuisiert wird. Einige engagieren sich deshalb selbst in der Öffentlichkeit, indem sie auf Veranstaltungen zur Epilepsie informieren, ihre Erfahrungen in einem Buch niederschrieben oder am Arbeitsplatz ein Referat halten.
Strategien im Umgang mit Epilepsie
Die Betroffenen haben verschiedene Strategien entwickelt, um mit ihrer Erkrankung umzugehen. Dazu gehören:
- Trigger vermeiden: Schlafmangel, Stress und Alkohol können Anfälle auslösen.
- Medikamente regelmäßig einnehmen: Eine konsequente Einnahme der Medikamente ist wichtig, um Anfälle zu verhindern.
- Offen mit der Erkrankung umgehen: Viele Betroffene fühlen sich befreiter, wenn sie offen über ihre Epilepsie sprechen.
- Selbsthilfegruppen besuchen: Der Austausch mit anderen Betroffenen kann sehr hilfreich sein.
- Sich nicht entmutigen lassen: Trotz der Herausforderungen ist es wichtig, positiv zu bleiben und sich nicht von der Erkrankung einschränken zu lassen.
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