Die Diagnose Epilepsie kann beunruhigend sein, besonders wenn die üblichen diagnostischen Tests wie EEG (Elektroenzephalogramm) und MRT (Magnetresonanztomographie) keine Auffälligkeiten zeigen. Es ist wichtig zu verstehen, dass ein unauffälliges EEG oder MRT eine Epilepsie nicht ausschließt. Dieser Artikel beleuchtet die möglichen Ursachen von Epilepsie, auch wenn diese Tests keine klaren Hinweise liefern.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Ein epileptischer Anfall ist ein Krankheitszeichen, hinter dem viele Erkrankungen stehen können. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn. Die Symptome können von kaum wahrnehmbaren Sinnesempfindungen oder geringfügigen Muskelzuckungen über kurze Bewusstseinspausen bis zu Stürzen mit Bewusstseinsverlust und Zuckungen am ganzen Körper oder auffälligen automatischen Handlungen reichen. Etwa 0,6 Prozent der Menschen hat eine Epilepsie.
Ursachen von Anfällen
Es ist wichtig zu verstehen, dass ein einzelner Krampfanfall nicht automatisch Epilepsie bedeutet. Etwa 5% bis 10% der Bevölkerung haben aufgrund unterschiedlicher Ursachen ein erhöhtes Risiko, Anfälle zu erleben. Verschiedenste Faktoren können akut symptomatische Krampfanfälle auslösen, zum Beispiel eine Überdosis an Medikamenten wie Antidepressiva, Vergiftungen oder schädliche Umwelteinflüsse, Schlafmangel, Durchblutungsstörungen oder Unterzuckerung. Ein Anfall kann auch in einem engen zeitlichen Zusammenhang (etwa eine Woche) mit einer akuten dokumentierten Hirnverletzung, etwa nach einer Entzündung oder einer Kopfverletzung, auftreten.
Diagnostischer Prozess
Bei Verdacht auf Epilepsie ist eine sorgfältige Diagnose entscheidend. Diese umfasst in der Regel:
- Anamnese: Ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt, um die Vorgeschichte, die aktuellen Symptome und die Lebensgewohnheiten des Patienten zu erfassen. Oft werden auch Angehörige befragt. Bewährt hat sich auch die Aufnahme eines Anfalls auf dem Smartphone durch Angehörige. Diese Videos können den Ärzten vorgespielt werden.
- Neurologische Untersuchung: Überprüfung der Hirnnerven, Körperkraft, Körperempfindungen, Reflexe, Koordination und intellektuellen Leistungen.
- EEG (Elektroenzephalogramm): Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns, um epilepsietypische Potenziale zu finden.
- MRT (Magnetresonanztomogramm): Erstellung von Schichtbildern des Gehirns, um strukturelle Veränderungen wie Narben zu suchen.
- Lumbalpunktion: Bei Verdacht auf eine Entzündung des Gehirns wird eine kleine Menge Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit entnommen.
Warum EEG und MRT unauffällig sein können
Auch wenn EEG und MRT wichtige diagnostische Instrumente sind, können sie in manchen Fällen keine eindeutigen Ergebnisse liefern:
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- EEG: Ein normales EEG schließt eine Epilepsie nicht aus. Epilepsietypische Potenziale treten nicht immer zwischen den Anfällen auf. Die höchste Sensitivität hat die Untersuchung in den ersten 24 Stunden nach dem Anfall. Drei Tage später ist die Sensitivität nur noch halb so hoch.
- MRT: Auch ein normales MRT schließt eine Epilepsie nicht aus. Nicht alle Epilepsien sind auf strukturelle Defizite zurückzuführen. Viele Befunde sind sehr subtil und es bedarf häufig einer großen Expertise, um präzise zu diagnostizieren.
Mögliche Ursachen trotz unauffälliger Befunde
Wenn EEG und MRT keine Auffälligkeiten zeigen, aber der Verdacht auf Epilepsie weiterhin besteht, sollten folgende Ursachen in Betracht gezogen werden:
1. Genetische Ursachen
Verschiedene Gendefekte können ursächlich für ein Anfallsleiden sein. Diese Art von Epilepsie-Syndromen wurden früher häufig als idiopathische Epilepsie bezeichnet. Die genetische Veranlagung kann dazu führen, dass die Anfälle auftreten, ohne dass strukturelle Veränderungen im Gehirn sichtbar sind.
2. Fokale Epilepsien mit unauffälliger Bildgebung
Auch wenn die MRT keine Läsion zeigt, kann eine fokale Epilepsie vorliegen. Der Anfallsursprung kann in einem Bereich des Gehirns liegen, der mit den aktuellen bildgebenden Verfahren nicht ausreichend dargestellt werden kann.
3. Subtile strukturelle Veränderungen
Manchmal sind die Veränderungen im Gehirn, die zu Anfällen führen, sehr klein oder subtil und können mit Standard-MRT-Techniken übersehen werden. In solchen Fällen können spezielle MRT-Protokolle oder fortgeschrittene bildgebende Verfahren wie die funktionelle MRT (fMRT) oder die Traktographie hilfreich sein.
4. Stoffwechselstörungen
Akute Stoffwechselentgleisungen können gelegentlich Anfallsleiden verursachen.
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5. Nicht-epileptische Anfälle
Es ist wichtig, andere Ursachen für anfallsartige Ereignisse auszuschließen. Dazu gehören:
- Synkopen (Ohnmachten): Diese werden häufig mit Epilepsie verwechselt. Es handelt sich um eine momentane Minderdurchblutung des Gehirns, die zu Bewusstseinsverlust und Zusammensacken führt.
- Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA): Diese Anfälle haben eine psychische Ursache und sind keine Folge von abnormalen elektrischen Entladungen im Gehirn.
- Migräne mit Aura: Die Aura kann Symptome verursachen, die einem epileptischen Anfall ähneln.
- Schlafstörungen (Narkolepsie/Kataplexie-Syndrom): Hier kommt es zusätzlich zu plötzlichen Anfällen mit Verlust der Körperspannung und Hinfallen, sog. kataplektischen Anfällen.
6. Falsch interpretiertes EEG
Auch ein falsch interpretiertes EEG kann zur Fehldiagnose Epilepsie führen. Gerade eine Überinterpretation bestimmter Normvarianten kann zur Fehldiagnose einer Epilepsie führen.
Weitere diagnostische Schritte
Wenn EEG und MRT unauffällig sind, aber der Verdacht auf Epilepsie weiterhin besteht, können folgende zusätzliche diagnostische Schritte in Betracht gezogen werden:
- Langzeit-EEG-Monitoring: Eine kontinuierliche EEG-Aufzeichnung über einen längeren Zeitraum (z. B. 24 Stunden oder mehrere Tage), um Anfälle oder epilepsietypische Potenziale zu erfassen, die bei einem Standard-EEG möglicherweise übersehen wurden.
- Video-EEG-Monitoring: Eine Kombination aus EEG-Aufzeichnung und Videoaufzeichnung des Patienten, um das Verhalten während eines Anfalls zu dokumentieren und die Diagnose zu unterstützen.
- Spezielle MRT-Techniken: Hochauflösende MRT, funktionelle MRT (fMRT) oder Traktographie, um subtile strukturelle oder funktionelle Veränderungen im Gehirn zu erkennen.
- Nuklearmedizinische Untersuchungen: SPECT (Single Photon Emission Computed Tomography) oder PET (Positronenemissionstomographie), um die Hirnaktivität und den Stoffwechsel zu beurteilen.
- Genetische Tests: Bei Verdacht auf eine genetische Ursache der Epilepsie.
- Neuropsychologische Untersuchung: Um Beeinträchtigungen der Hirnleistungsfähigkeit durch die Epilepsie erkennen zu können.
Behandlung
Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Die wichtigsten Behandlungsoptionen sind:
- Medikamentöse Therapie: Anfallssuppressiva (Antiepileptika) sind die häufigste Behandlungsmethode. Man weiß, welche Medikamente bei welcher Epilepsieform am besten wirken. Dennoch kann die Wirkung beim einzelnen Menschen mit Epilepsie nicht genau abgeschätzt werden. Die Behandlung erfolgt über Jahre, manchmal lebenslang.
- Chirurgische Therapie: Eine operative Epilepsiebehandlung wird empfohlen, wenn verschiedene Medikamente keine Besserung bringen, wenn der Anfallsursprung eine umschriebene Veränderung im Gehirn ist und wenn die Entfernung dieses "Anfallherds" ohne größere Verletzung anderer wichtiger Hirnfunktionen möglich ist.
- Nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren: Anpassung von Tagesstruktur und Schlaf-Rhythmus, Vermeidung spezieller Auslösefaktoren wie Flackerlicht. Manche Menschen können lernen, ihre Anfälle mittels verhaltenstherapeutischer Verfahren zu unterbrechen. Bei der "Ketogenen Diät" (meist bei jüngeren Kindern eingesetzt) wird die Nahrung auf einen sehr hohen Fettanteil ausgerichtet.
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