Jeder Katzenhalter wünscht sich ein langes und gesundes Leben für seine Katze. Doch wie Menschen können auch Katzen von verschiedenen Krankheiten betroffen sein, deren Symptome sich erst im Laufe des Lebens zeigen. Epilepsie ist eine dieser Krankheiten, die zwar seltener auftritt als bei Hunden, aber dennoch zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen bei Katzen zählt. Typische Symptome sind wiederholte Krampfanfälle und Bewusstseinsveränderungen. Da die Ursachen vielfältig sind, ist eine frühe Diagnose und Therapie wichtig, um Folgeschäden zu minimieren und der Katze trotz Epilepsie ein schönes Leben zu ermöglichen.
Was ist Epilepsie? - Blitz und Donner im Gehirn
Der Begriff Epilepsie stammt von dem lateinischen Wort "epilepsia", was so viel wie Anfall, Krampfanfall oder Anfallsleiden bedeutet. Unter Epilepsie versteht man ein Krankheitsbild, das durch das Auftreten mindestens eines krampfartigen bzw. epileptischen Anfalls gekennzeichnet ist, dem kein erkennbarer Grund zugeordnet werden kann. Die Diagnose erfolgt in der Regel erst nach einem weiteren Anfall in einem Abstand von mindestens 24 Stunden.
Auslöser des Anfallsgeschehens ist eine plötzliche, synchrone Entladung von Nervenzellen im Gehirn, die zu ungewollten und unkontrollierten Bewegungen und Bewusstseinseintrübungen führt. Dies geschieht, wenn bestimmte Stoffe, die die Aktivität des Gehirns steuern, in ein Ungleichgewicht geraten und es zu einer zu großen Differenz zwischen Erregung und Hemmung kommt.
Ursachen von Epilepsie bei Katzen
Eine Epilepsie kann unterschiedliche Ursachen haben. Oft liegt eine genetische Disposition zugrunde, wobei die Forschungslage bei Katzen noch dünn ist. Allerdings weiß man, dass bestimmte Hunderassen eine stärkere genetische Disposition für Epilepsie zeigen. Auch Hirnschädigungen, die durch Tumore oder Traumata ausgelöst wurden, sowie unspezifische provozierende Faktoren können Epilepsien auslösen.
Tierärzte unterscheiden zwischen idiopathischer (angeborener) und sekundärer (erworbener) Epilepsie. Die Ursachen einer idiopathischen Epilepsie sind bisher kaum erforscht. Sekundäre Epilepsien können durch bakterielle oder virale Infektionen wie Enzephalitis oder Meningitis ausgelöst werden. Auch Tumorerkrankungen oder Verletzungen können ursächlich sein. Bei Katzen kann der Grund für eine Epilepsie sogar außerhalb des Gehirns liegen (extrazerebrale Epilepsie) - Erkrankungen der Niere oder Leber, Diabetes mellitus oder eine Schilddrüsenüberfunktion können hier als Auslöser fungieren.
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Fokale und generalisierte Anfälle
Bei einer Epilepsie unterscheidet man zwischen fokalen und generalisierten Anfällen. Ein fokaler Anfall ist zunächst innerhalb des Gehirns lokal begrenzt und beginnt in einer umschriebenen Region einer Hirnhälfte. Bei einem generalisierten Anfall lässt sich kein Hinweis auf eine anatomisch begrenzte Lokalisation finden, und der Anfall erstreckt sich von Beginn an auf beide Hirnhälften. Sowohl fokale als auch generalisierte Anfälle können mit oder ohne Störungen der Bewegung und des Bewusstseins auftreten. Ein Anfall mit fokalem Beginn kann sich zu einem generalisierten Anfall ausweiten.
Bei Haustieren werden auch einfache und komplexe fokale Anfälle mit und ohne sekundärer Generalisierung unterschieden, die vereinfacht Auskunft über die Intensität des Anfallgeschehens geben. Ein einfacher fokaler Anfall äußert sich lediglich über das unkontrollierte Zucken einzelner Gliedmaßen, während ein komplexer fokaler Anfall auch immer eine Eintrübung oder Störung des Bewusstseins beinhaltet und sich als starke Verhaltensauffälligkeit zeigt.
Aura als Vorbote
Unter einer Aura versteht man das unbestimmte Vorgefühl eines sich anbahnenden epileptischen Anfalls. Bei genauer Beobachtung kann man auch bei der Katze eine Aura in Form eines veränderten Verhaltens erkennen. So kann es sein, dass die Katze in dieser Phase besonders anhänglich oder scheinbar grundlos aggressiv wird. Diese Phase dauert oft nur wenige Sekunden, bevor der epileptische Anfall beginnt. Eine Aura ist das Ergebnis einer epileptischen Aktivierung der Nervenzellen bestimmter Hirnareale, die dem eigentlichen Anfall vorangeht.
Symptome von Epilepsie bei Katzen
Epilepsie muss sich nicht immer zwingend in einem Anfall mit wilden Zuckungen, Krämpfen und Bewusstlosigkeit äußern. Auch kleinere Störungen in der Wahrnehmung, Apathie oder auf einzelne Körperglieder beschränkte Krämpfe können Symptome sein. Die Dauer eines epileptischen Anfalls kann sich auf wenige Sekunden beschränken oder über mehrere Minuten erstrecken. Die konkreten Symptome sind sehr individuell und variieren hinsichtlich ihrer Schwere von Katze zu Katze, sodass die eindeutige Identifizierung der Signale sich oft als schwierig erweist.
Es ist durchaus üblich, dass die Katze schon einige Tage oder zumindest Stunden vor einem bzw. dem ersten Anfall ein atypisches Verhalten zeigt und sehr nervös und unruhig wirkt - diesen Zeitraum bezeichnet man auch als Prodromalphase. Der eigentliche epileptische Anfall beginnt dann mit der Aura als Vorboten. In dieser Phase kann die Katze vorübergehend ein komplett unmotiviertes Verhalten an den Tag legen, indem sie plötzlich und grundlos zu fauchen beginnt oder komplett apathisch wird.
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An diesen Auftakt schließt sich die akute Phase (Iktus) an, während derer sich die folgenden Symptome in unterschiedlich starker Ausprägung zeigen können. Dabei können auch nur einzelne Krankheitszeichen auftreten:
- Plötzliches Stolpern oder Stürzen
- Tonische (angespannte) oder klonische (zuckende) Muskulatur
- (Über-)Strecken von Gliedmaßen
- Unkontrollierte Kaubewegungen und erhöhte Speichelproduktion (Salivation)
- Lautes Miauen, Schwanzbeißen, willkürliches Herumrennen (oft bedingt durch Bewusstseinseintrübungen bzw. Halluzinationen)
- Unkontrollierter Kot- und Urinabsatz
- Glasiger Blick
- Bewusstlosigkeit
- Wesensveränderung
Ist der akute Anfall überstanden, beginnt die sogenannte Postiktale Phase, die als Erholungs- bzw. Ruhephase dient, in der die meisten Katzen sehr müde sind und zumeist sehr viel schlafen.
Manchmal findet man auch nur eine kleine Pfütze vor und glaubt vielleicht, die Katze sei plötzlich unsauber geworden - wer denkt da schon gleich an einen epileptischen Anfall? Viele Katzen haben nachts oder auch direkt aus dem Schlaf heraus einen Anfall, daher findet man häufig direkt auf dem Schlafplatz Urinpfützen oder auch Kot.
Was tun während eines akuten Anfalls?
Während eines akuten Anfalls gibt es leider nichts, was man für seine Samtpfote tun kann. Man sollte nicht versuchen, sie anzufassen oder anders zu beruhigen, sondern dafür sorgen, ihr ein möglichst verletzungsfreies Umfeld zu schaffen. Besteht z. B. die Gefahr eines Sturzes, sollte man die Katze vorsichtig in eine Decke hüllen und sie an einen sicheren Ort bringen. Fasst man seine Samtpfote während eines Anfalls an, besteht die Möglichkeit, dass man sich selbst in Gefahr bringt, da die Katze in dieser Situation keine Kontrolle über ihre Krallen hat. Aber auch das Kätzchen kann sich verletzten, wenn man versucht, sie festzuhalten. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten oder setzt die Atmung aus, besteht natürlich ein akuter Notfall und das Tier muss sofort medizinisch behandelt werden! Aber auch, wenn es dem Kätzchen nach dem Anfall wieder gut geht und es wirkt, als sei nichts geschehen, ist es wichtig, dass man in jedem Falle einen Tierarzt aufsucht, um die Ursache des Anfalls zu klären und eine sichere Diagnose mit Anschlusstherapie zu erhalten bzw. schwerwiegende Grunderkrankungen wie z. B. Krebs oder eine Enzephalitis auszuschließen.
Diagnose von Epilepsie bei Katzen
Die Diagnose einer Epilepsie wird ein Tierarzt erst stellen können, wenn auf den ersten Anfall ein zweiter folgt - vorher spricht man von einem Gelegenheitsanfall. Tatsächlich kann es passieren, dass ein epileptischer Anfall bzw. ein Gelegenheitsanfall ein isoliertes Ereignis bleibt und sich nie im Leben wiederholt. Häufiger kommt es allerdings leider vor, dass ein Anfall kein singuläres Ereignis bleibt und sich weitere Anfälle anschließen. Die Diagnose und Behandlung einer Epilepsie ist wichtig, da das Gehirn sich nach und nach an die vermehrte Aktivität der Nervenzellen während eines Anfalls gewöhnt und die Anfälle in der Folge immer heftiger und länger werden können. Treten mehr als zwei Anfälle innerhalb von 24 Stunden auf, spricht man von einem Cluster- oder Serienanfall. Dieser kann dann schnell zu einem Status epilepticus werden, einem Anfall mit einer Dauer von mehr als fünf Minuten, der immer einen medizinischen Notfall darstellt.
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Besteht bei der Katze also der Verdacht auf eine Epilepsie, gilt es zuerst herauszufinden, ob eine vorhandene Grunderkrankung inner- oder außerhalb des Gehirns als Auslöser vorliegt. Dafür ist natürlich eine umfassende Untersuchung der Samtpfote notwendig. So kann z. B. eine Blutuntersuchung Aufschluss über eine Schilddrüsenüberfunktion oder eine Erkrankung der Leber oder der Nieren geben. Um Infektionen nachweisen bzw. ausschließen zu können, kann Flüssigkeit aus dem Rückenmark entnommen werden und bildgebende Verfahren wie z. B. ein Röntgenbild oder eine CT können helfen, Tumoren oder innere Verletzungen aufzuspüren.
Erst im Anschluss kann festgestellt werden, ob die Katze unter einer idiopathischen, sekundären oder extrazerebralen Epilepsie leidet und welche Therapie durchgeführt werden kann. Für den Tierarzt kann es übrigens für die Diagnose außerordentlich hilfreich sein, wenn man seine Katze während eines akuten Anfallgeschehens filmt!
Differentialdiagnosen
Es ist wichtig, epileptische Anfälle von anderen Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen abzugrenzen. Dazu gehören:
- Herzerkrankungen: Diese können zu Synkopen (Bewusstseinsverlust) führen, die mit epileptischen Anfällen verwechselt werden können.
- Vestibularsyndrom: Eine Störung des Gleichgewichtsorgans kann ebenfalls zu ähnlichen Symptomen wie Hinfallen und Rudern der Gliedmaßen führen.
- Vergiftungen: Verschiedene Gifte können Krampfanfälle auslösen.
- Stoffwechselstörungen: Leber- oder Nierenerkrankungen sowie Abweichungen im Elektrolythaushalt können ebenfalls Anfälle verursachen.
Therapie - ist Epilepsie heilbar?
Eine idiopathische, also angeborene Epilepsie ist leider nicht heilbar! Eine entsprechende Medikamentengabe erhöht die Lebensqualität und in der Regel die Lebenserwartung der Samtpfote jedoch immens. Allerdings müssen die Medikamente ein Leben lang korrekt verabreicht werden und deren Dosierung durch eine regelmäßige Kontrolle beim Tierarzt immer wieder überprüft werden. Ziel ist es hierbei, das erneute Auftreten eines Anfalls zu verhindern oder zumindest deren Frequenz und Intensität deutlich zu reduzieren. Als Medikament wird oft Phenobarbital verordnet, das als Beruhigungs- und Schlafmittel gegen Krampfanfälle wirkt. Gerade zu Beginn der Therapie kann es sein, dass die Katze sehr müde sein wird und viel schlafen wird. Bei Freigängerkatzen ist es im Übrigen empfehlenswert, der Fellnase in dieser Phase Stubenarrest zu erteilen und sie erst wieder in die Freiheit zu entlassen, wenn sie sich an das Medikament gewöhnt hat und sich die erwünschte Wirkung eingestellt hat.
Bei einer sekundären oder extrazerebralen Epilepsie korrespondieren die Heilungschancen der Epilepsie selbst mit denen der zugrunde liegenden Erkrankung bzw. Verletzung. Kann diese gut behandelt oder sogar komplett auskuriert werden, gilt das auch für die Epilepsie. So erfordern bakterielle Infektionen beispielsweise die Gabe eines wirksamen Antibiotikums.
Medikamentöse Behandlung
Die medikamentöse Therapie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit und -schwere zu reduzieren. Häufig verwendete Medikamente sind:
- Phenobarbital: Ein Barbiturat, das die Aktivität des Gehirns dämpft.
- Kaliumbromid: Wird oft in Kombination mit Phenobarbital verwendet.
- Levetiracetam (Keppra): Ein neueres Antiepileptikum mit weniger Nebenwirkungen.
- Diazepam (Valium): Wird als Notfallmedikament bei schweren Anfällen eingesetzt.
Weitere unterstützende Maßnahmen
Neben der medikamentösen Therapie können auch folgende Maßnahmen helfen, die Lebensqualität der Katze zu verbessern:
- Stressreduktion: Ein ruhiges und stressfreies Umfeld kann helfen, Anfälle zu minimieren.
- Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung ist wichtig. In einigen Fällen kann eine spezielle Diät mit hohem Fettanteil und wenig Kohlenhydraten hilfreich sein.
- Regelmäßige Kontrollen: Regelmäßige Tierarztbesuche sind wichtig, um den Zustand der Katze zu überwachen und die Medikamentendosierung anzupassen.
Was tun während eines Anfalls?
Zeuge eines epileptischen Anfalls zu sein, ist kein schönes Erlebnis! Zusätzlich sind einem die Hände gebunden, da man eigentlich nichts tun kann, um seinem tierischen Begleiter in dieser Situation wirklich zu helfen. Damit man nicht zu absoluter Untätigkeit gezwungen ist, gibt es hier einige Tipps, die es während der akuten Phase eines epileptischen Anfalls zu beachten gilt:
- Ruhe bewahren: Auch wenn es schwerfällt, es hilft der Katze nicht, wenn man nun in Panik verfällt. Bleibe ruhig und behalte die Uhr im Blick. Endet der Anfall nach wenigen Sekunden oder Minuten und wirkt das Kätzchen danach wieder stabil, besteht vorerst kein Grund zur Sorge. Vereinbare einen Termin beim Tierarzt, um der Ursache des Anfalls genauer auf den Grund zu gehen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten, spricht man von einem Status epilepticus.
- Sicherheit gewährleisten: Stellen Sie sicher, dass sich die Katze an einem sicheren Ort befindet, fern von Treppen, scharfen Gegenständen oder anderen Gefahrenquellen.
- Dunkelheit und Ruhe: Dimmen Sie das Licht und reduzieren Sie Lärmquellen, um die sensorische Stimulation zu minimieren.
- Distanz bewahren: Vermeiden Sie es, die Katze während eines Anfalls zu berühren, es sei denn, es ist unbedingt notwendig, sie aus einer gefährlichen Situation zu retten. Es besteht die Gefahr von Bissen oder Kratzern.
Vorbeugung von Epilepsie bei Katzen
Eine direkte Vorbeugung von Epilepsie ist nicht möglich, da die Ursachen vielfältig sind. Allerdings können einige Maßnahmen helfen, das Risiko zu minimieren:
- Gesunde Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung kann dazu beitragen, Stoffwechselstörungen vorzubeugen, die Anfälle auslösen können.
- Stress vermeiden: Stress kann Anfälle auslösen. Versuchen Sie, stressige Situationen für Ihre Katze zu vermeiden.
- Giftstoffe vermeiden: Achten Sie darauf, dass Ihre Katze keinen Zugang zu giftigen Substanzen hat.
- Regelmäßige Tierarztbesuche: Regelmäßige Kontrollen beim Tierarzt können helfen, Grunderkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.