Ein Schlaganfall kann eine Vielzahl von neurologischen Folgen haben, darunter auch das Auftreten von epileptischen Anfällen. Die sogenannte Post-Schlaganfall-Epilepsie (PSE) ist ein wichtiges Thema in der Neurologie, da sie die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, Diagnose und Behandlung von Epilepsie nach einem Schlaganfall und gibt einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse und Therapieansätze.
Einleitung
Die Häufigkeit von Schlaganfällen nimmt mit dem Alter zu, was dazu führt, dass auch die Anzahl der Fälle von Epilepsie nach Schlaganfall steigt. Mehr als ein Drittel der neu diagnostizierten Epilepsien bei Patienten über 60 Jahren sind auf einen vorangegangenen Schlaganfall zurückzuführen. In den letzten Jahren hat das Interesse an diesem Thema zugenommen, da die Forschung versucht, die zugrunde liegenden Mechanismen der Epileptogenese (Entstehung von Epilepsie) nach einem Schlaganfall besser zu verstehen.
Definition und Klassifikation epileptischer Anfälle nach Schlaganfall
Es ist wichtig, zwischen verschiedenen Arten von epileptischen Anfällen zu unterscheiden, die nach einem Schlaganfall auftreten können:
- Akut symptomatische Anfälle (ASA): Diese Anfälle treten innerhalb von 7 Tagen nach dem Schlaganfall auf und stehen in direktem Zusammenhang mit der akuten Hirnschädigung.
- Unprovozierte Anfälle: Diese Anfälle treten mehr als 7 Tage nach dem Schlaganfall auf und sind nicht auf akute systemische Veränderungen oder ZNS-Schädigungen zurückzuführen.
Gemäß der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE) erfüllen Patienten nach einem unprovozierten Anfall die Kriterien für eine beginnende Epilepsie, da das Risiko eines erneuten Anfalls innerhalb von 10 Jahren mindestens 60 % beträgt.
Epidemiologie
In Österreich erleiden jährlich etwa 24.000 Menschen einen Schlaganfall, wobei ischämische Infarkte (85 %) am häufigsten vorkommen, gefolgt von intrazerebralen Blutungen (IZB, 10 %) und Subarachnoidalblutungen (SAB, 5 %). Die altersstandardisierte Inzidenz (nur Erstereignisse) in den deutschsprachigen Ländern beträgt etwa 150/100.000 Einwohner pro Jahr.
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Die Inzidenz von epileptischen Anfällen nach zerebrovaskulären Erkrankungen variiert je nach Studie und Population. In einer älteren Studie betrug die Inzidenz 11 %, wobei zerebrovaskuläre Erkrankungen in der Altersgruppe über 65 Jahre in 55 % der Fälle die Ursache für neu diagnostizierte Anfälle waren. Neuere Studien zeigen niedrigere Raten, was möglicherweise auf verbesserte Schlaganfallbehandlung und -prävention zurückzuführen ist.
Risikofaktoren
Mehrere Faktoren erhöhen das Risiko für epileptische Anfälle nach einem Schlaganfall:
- Kortikale Lokalisation: Läsionen, die die Hirnrinde betreffen, sind mit einem höheren Anfallsrisiko verbunden.
- Größe des Infarkts: Größere Infarkte erhöhen das Risiko für Anfälle.
- Blutung: Hämorrhagische Schlaganfälle (IZB, SAB) oder hämorrhagische Transformationen ischämischer Infarkte sind mit einem höheren Anfallsrisiko verbunden.
- Schwere des Schlaganfalls: Schwerere Schlaganfälle gehen mit einem erhöhten Anfallsrisiko einher.
- Lokalisation im vorderen Stromkreislauf: Infarkte im Versorgungsgebiet der A. carotis interna sind mit einem höheren Anfallsrisiko verbunden.
- Akut symptomatische Anfälle (ASA): Das Auftreten von ASA innerhalb der ersten Woche nach dem Schlaganfall erhöht das Risiko für spätere unprovozierte Anfälle.
Pathophysiologie
Die genauen Mechanismen, die zur Entstehung von Epilepsie nach einem Schlaganfall führen, sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass eine Gliose mit meningozerebraler Narbenbildung eine wichtige Rolle spielt. Diese Veränderungen können die Erregbarkeit der Nervenzellen erhöhen und die Entstehung von epileptischen Anfällen begünstigen.
Diagnose
Die Diagnose von Epilepsie nach Schlaganfall umfasst in der Regel:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, einschließlich Details zum Schlaganfall und den aufgetretenen Anfällen.
- Neurologische Untersuchung: Beurteilung von neurologischen Defiziten und anderen Symptomen.
- Elektroenzephalogramm (EEG): Messung der Hirnströme, um epileptiforme Aktivität nachzuweisen.
- Bildgebung des Gehirns: Magnetresonanztomographie (MRT) oder Computertomographie (CT), um die Lokalisation und das Ausmaß der Hirnschädigung zu beurteilen.
Behandlung
Die Behandlung von Epilepsie nach Schlaganfall zielt darauf ab, Anfälle zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die wichtigsten Therapieansätze sind:
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Medikamentöse Therapie
- Akut symptomatische Anfälle (ASA): Es gibt keine ausreichende Evidenz für eine prophylaktische Gabe von Antiepileptika nach einem Schlaganfall oder nach einem ASA. In der Regel sollte die medikamentöse Therapie nach der Akutphase des Schlaganfalls beendet werden.
- Unprovozierte Anfälle: Bei Patienten nach einem unprovozierten Anfall wird in der Regel eine lebenslange Therapie mit Antiepileptika empfohlen.
Für die Wahl des geeigneten Antiepileptikums gibt es keine klaren Empfehlungen. In der Praxis werden häufig Lamotrigin, Levetiracetam oder Gabapentin eingesetzt, da sie im Allgemeinen gut verträglich sind und ein geringes Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten aufweisen. Ältere Antiepileptika wie Carbamazepin, Phenytoin und Valproat werden aufgrund ihrer schlechteren Verträglichkeit und des höheren Interaktionspotenzials bei älteren Patienten mit Komorbiditäten nicht mehr als Mittel der ersten Wahl angesehen.
Andere Therapieansätze
- Chirurgische Behandlung: In seltenen Fällen kann eine Operation in Betracht gezogen werden, wenn die Anfälle auf einen klar definierten Bereich des Gehirns begrenzt sind und eine Entfernung dieses Bereichs möglich ist, ohne wesentliche neurologische Defizite zu verursachen.
- Vagusnervstimulation (VNS): Diese Therapie kann bei Patienten in Betracht gezogen werden, bei denen Medikamente nicht ausreichend wirken. Dabei wird ein Gerät implantiert, das elektrische Impulse an den Vagusnerv sendet, was die Anfallshäufigkeit reduzieren kann.
- Ketogene Diät: Bei einigen Patienten, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, kann eine ketogene Diät (hoher Fettanteil, sehr wenige Kohlenhydrate) die Anfallshäufigkeit reduzieren.
Besonderheiten bei Kindern
Die Inzidenz von ASA nach Schlaganfall ist bei Kindern höher als bei Erwachsenen (20-30 %). Umso jünger die Patienten zum Zeitpunkt des Insultes sind und umso häufiger und länger die ASA dauern, desto größer scheint das Epilepsierisiko zu sein. Unprovozierte Anfälle mehr als 7 Tage nach Schlaganfall haben ein hohes Rezidivrisiko (70 %) und erfüllen die Kriterien für eine Epilepsie.
Schlaganfallbehandlung und Anfallsrisiko
Es gibt Hinweise darauf, dass die Thrombolyse (medikamentöse Auflösung von Blutgerinnseln) zur Behandlung von ischämischen Schlaganfällen das Risiko für epileptische Anfälle erhöhen kann. Einige Studien haben gezeigt, dass Patienten, die mit rt-PA (einem Thrombolytikum) behandelt wurden, häufiger ASA entwickeln als Patienten, die keine Thrombolyse erhalten haben. Es wird vermutet, dass die verbesserte Perfusion nach der Thrombolyse die Erregbarkeit des Gehirns erhöhen und Anfälle auslösen kann. Allerdings ist die Datenlage nicht eindeutig, und einige Studien haben keinen Zusammenhang zwischen Thrombolyse und Anfallsrisiko gefunden.
Differenzialdiagnose
Die Differenzialdiagnose zwischen einem akuten Hirninfarkt und einer Todd-Parese (vorübergehende Lähmung nach einem epileptischen Anfall) kann schwierig sein, insbesondere wenn andere motorische Anfallssymptome übersehen wurden. Diese diagnostische Unsicherheit kann die Behandlung beeinflussen.
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