Epilepsie bei Neugeborenen: Ursachen und Symptome

Die Epilepsie, auch Fallsucht genannt, ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, synchrone Entladungen von Nervenzellen im Gehirn, die zu vorübergehenden Funktionsstörungen führen. Während ein einzelner Anfall noch keine Epilepsie darstellt, liegt eine Epilepsie vor, wenn zwei oder mehr unprovozierte epileptische Anfälle auftreten oder ein Anfall mit Hinweisen auf eine Neigung zu weiteren Anfällen.

Was ist Epilepsie?

Von Epilepsie spricht man, wenn zwei epileptische Anfälle ohne erkennbare Auslöser stattgefunden haben oder ein Anfall, bei dem es Hinweise für eine Neigung zu weiteren Anfällen gibt. Bei einer Epilepsie befinden sich Nervenzellen des Gehirns andauernd oder bei bestimmten auslösenden Reizen in einem Zustand, der plötzlich auftretende Funktionsstörungen, sogenannte epileptische Anfälle, auslösen kann.

Ursachen von Epilepsie bei Neugeborenen

Die Ursachen für Epilepsie sind vielfältig und reichen von angeborenen Faktoren bis hin zu erworbenen Schädigungen des Gehirns. Bei Neugeborenen sind die häufigsten Ursachen:

  • Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE): Sauerstoffmangel während der Geburt, der zu Hirnschäden führt. Epileptische Anfälle treten typischerweise 6-24 h nach dem hypoxischen Insult auf.
  • Intrakranielle Blutungen: Blutungen im Gehirn, die insbesondere bei Frühgeborenen auftreten können.
  • Frühkindlicher Schlaganfall: Blockade oder Ruptur von Blutgefäßen im Gehirn.
  • Kortikale Malformationen: Angeborene Fehlbildungen der Hirnrinde.
  • Meningitis/Sepsis: Entzündungen des Gehirns oder der Hirnhäute durch Infektionen.
  • Metabolische Ursachen: Stoffwechselstörungen, die den Hirnstoffwechsel beeinträchtigen.
    • Akute metabolische Entgleisungen
    • Angeborene metabolische Erkrankungen
  • Mütterlicher Drogenentzug: Entzugserscheinungen bei Neugeborenen, deren Mütter während der Schwangerschaft Drogen konsumiert haben.
  • Genetische Ursachen: Genetisch bedingte Erkrankungen, die mit Epilepsie einhergehen.

In weniger als 15 % der Fälle stellen Neugeborenenanfälle den Beginn einer frühkindlichen und dann meist genetisch verursachten Epilepsie dar.

Symptome von Epilepsie bei Neugeborenen

Epileptische Anfälle bei Neugeborenen können sich sehr unterschiedlich äußern. Im Gegensatz zu Anfällen im Kindes- und Erwachsenenalter handelt es sich bei Neugeborenen in den allermeisten Fällen um akut symptomatische Anfälle bei Hirninsult. Einige Anzeichen sind subtil und schwer zu erkennen, während andere offensichtlicher sind. Zu den häufigsten Symptomen gehören:

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  • Subtile Anfälle: Augenbewegungen, Schmatzen, Rudern mit Armen oder Beinen.
  • Klonische Anfälle: Rhythmische Zuckungen einzelner Muskelgruppen.
  • Tonische Anfälle: Anspannung der Muskeln, die zu einer Steifheit des Körpers führt.
  • Myoklonische Anfälle: Plötzliche, kurze Zuckungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen.
  • Fokale Anfälle: Anfälle, die in einem begrenzten Bereich des Gehirns beginnen und sich auf andere Bereiche ausbreiten können.
  • Generalisierte Anfälle: Anfälle, die von Anfang an das gesamte Gehirn betreffen.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle Bewegungen oder Verhaltensweisen eines Neugeborenen, die wie ein Anfall aussehen, tatsächlich epileptische Anfälle sind. Viele normale Bewegungsautomatismen können fälschlicherweise als Anfälle interpretiert werden. Etwa 50-70 % aller Neugeborenanfälle sind subklinisch („electrographic-only“), v. a. bei Frühgeborenen und intensivpflichtigen Neugeborenen.

Diagnostik von Epilepsie bei Neugeborenen

Die Diagnose von Epilepsie bei Neugeborenen erfordert eine sorgfältige Anamnese, eine neurologische Untersuchung und verschiedene technische Untersuchungen. Zu den wichtigsten diagnostischen Maßnahmen gehören:

  • Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte des Kindes und der Familie, einschließlich Informationen über Schwangerschaft, Geburt und Entwicklung.
  • Neurologische Untersuchung: Beurteilung der neurologischen Funktionen des Kindes, wie Reflexe, Muskeltonus und Koordination.
  • Elektroenzephalographie (EEG): Ableitung der Hirnströme, um die elektrische Aktivität des Gehirns zu messen und epileptische Entladungen festzustellen. Die polygraphische Ableitung sollte mindestens 10 EEG-Kanäle, EKG (Elektrokardiogramm), Ableitung von Atmung und Oberflächen-Elektromyographie (EMG) von beiden Deltoidmuskeln und das synchrone Video als Goldstandard einschließen.
  • Magnetresonanztomographie (MRT): Bildgebung des Gehirns, um strukturelle Veränderungen oder Fehlbildungen zu erkennen.Eine kraniale Ultraschalluntersuchung ist schnell verfügbar und nicht invasiv. Trotz der relativ schlechten Sensitivität ist sie daher die Bildgebung der ersten Wahl. Allerdings ist in den meisten Fällen eine Magnetresonanztomographie (MRT) indiziert, um andere klinisch wichtige Pathologien wie z. B. Hirninfarkt, subdurale und subarachnoidale Blutung oder zerebrale Fehlbildungen zu erkennen.
  • Liquordiagnostik: Untersuchung des Hirnwassers, um Entzündungen oder Infektionen auszuschließen.
  • Labordiagnostik: Blutuntersuchungen, um Stoffwechselstörungen oder andere Ursachen für die Anfälle zu identifizieren.

Behandlung von Epilepsie bei Neugeborenen

Die Behandlung von Epilepsie bei Neugeborenen zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die zugrunde liegende Ursache zu behandeln. Die wichtigsten Behandlungsansätze sind:

  • Akutbehandlung beim Anfall: Ein epileptischer Anfall ist normalerweise nach ca. 2-3 Minuten beendet und bedarf keiner Notfallmedikation. Dauert er länger, ist in jedem Fall professionelle Hilfe erforderlich. Als Außenstehender, der zu einem krampfenden Patienten kommt, ist es zunächst wichtig, Ruhe zu bewahren und den Patienten zu "sichern". Das kann bedeuten, spitze Gegenstände außer Reichweite zu bringen und den Notarzt zu rufen. Krampflösende Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepine werden zur Unterbrechung eines länger dauernden Anfalls oder einer Anfallsserie durch den Notarzt eingesetzt.
  • Medikamentöse Behandlung: Antiepileptika sind die Hauptstütze der Behandlung von Epilepsie. Sie wirken nicht anti-epileptisch im eigentlichen Sinne, sondern sind "nur" Anfallsblocker und sorgen dafür, dass die Krampfschwelle des Gehirns nicht mehr so niedrig ist wie im unbehandelten Zustand.
    • Phenobarbital: Ist weltweit das Medikament der 1. Wahl zur Behandlung von Neugeborenen und das, obwohl es nur bei 40-60 % zur Anfallsfreiheit führt.
    • Levetiracetam: Keine RCT. Retrospektive und unkontrollierte prospektive Studien zeigen gute Wirksamkeit.
    • Phenytoin: Ein RCT deutet Wirksamkeit bei ca. 50 % an.
    • Midazolam: Keine RCT.
    • Clonazepam: Keine RCT.
    • Lidocain: Keine RCT. Retrospektive und unkontrollierte prospektive Studien zeigen gute Wirksamkeit als Medikation der 2. oder 3. Wahl.
    • Carbamazepin: Keine RCT, wenige retrospektive Fallbeschreibungen zeigen Erfolge bei KCNQ2.
    • Topiramat: Keine RCT. Prospektive Studien zeigen keine Wirksamkeit.
  • Behandlung der Grunderkrankung: Wenn die Epilepsie durch eine Grunderkrankung wie eine Infektion oder Stoffwechselstörung verursacht wird, muss diese entsprechend behandelt werden.Wichtig ist die frühe Diagnose der wenigen spezifisch behandelbaren Erkrankungen (Tab. 2). Neugeborene mit persistierenden Anfällen oder suggestiver abnormer EEG-Hintergrundaktivität sollten auf alle Fälle einem therapeutischen Test mit Pyridoxin, Pyridoxal-5-Phosphat und Folinsäure unterzogen werden. Die in Tab. 2 aufgeführten Erkrankungen sollten ausgeschlossen werden.

Spezielle Epilepsieformen bei Neugeborenen

Einige Epilepsieformen treten speziell bei Neugeborenen auf und erfordern besondere Aufmerksamkeit:

  • Frühe myoklonische Enzephalopathie: Ein Syndrom, das oft im Rahmen angeborener Stoffwechselstörungen auftritt. Die EEG-Hintergrundaktivität ist immer abnorm mit einem Burst-Suppression-Muster, das sich sowohl im Wachen als auch im Schlaf darstellt.
  • Ohtahara-Syndrom: Eine schwere Epilepsieform, die meist strukturell bedingt ist und häufig im Rahmen zerebraler Fehlbildungen auftritt. Das EEG zeichnet sich durch ein Burst-Suppression-Muster aus, das sowohl im Schlaf als auch im Wachzustand auftritt.
  • Selbstlimitierende familiäre neonatale Anfälle: Bei den ansonsten gesund imponierenden Neugeborenen zeigt sich ein Anfallsbeginn meist zwischen dem 2. und 7. Lebenstag, bei der familiären Variante typischerweise am 2. bis 3. Lebenstag. Die Anfälle sind hauptsächlich fokal klonisch oder fokal tonisch und gehen häufig mit Automatismen und/oder autonomen Symptomen wie Apnoen einher (sequential).

Prognose von Epilepsie bei Neugeborenen

Die Prognose von Epilepsie bei Neugeborenen hängt von der Ursache der Anfälle, der Art der Anfälle und dem Ansprechen auf die Behandlung ab. Einige Neugeborene mit Epilepsie entwickeln sich normal, während andere langfristige neurologische Probleme haben können.

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Auswirkungen auf den Alltag

Die Diagnose der Erkrankung Epilepsie hat oft weit reichende Folgen für das alltägliche Leben:

  • Die Berufswahl kann eingeschränkt sein, insbesondere Berufskraftfahrer sind mit einem Schlag berufsunfähig.
  • Die Mobilität mit dem PKW ist durch zunächst begrenztes Fahrverbot erst einmal aufgehoben.
  • Ein Kinderwunsch muss nun - hauptsächlich aufgrund der eventuell notwendigen Medikation - geplant werden.
  • Begleiterkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen oder Gedächtnisstörungen sind bei Epilepsie häufig. Eine psychiatrische und/oder psychotherapeutische Mitbehandlung ist in vielen Fällen zur Erhaltung der Lebensqualität notwendig.

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