Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende epileptische Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle können sich vielfältig äußern, von kurzen Aufmerksamkeitsstörungen bis hin zu schweren tonisch-klonischen Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Muskelzuckungen. Während die medikamentöse Therapie mit Antiepileptika bei vielen Betroffenen wirksam ist, gibt es auch Fälle von therapieresistenter Epilepsie, bei denen Medikamente keine ausreichende Anfallskontrolle ermöglichen. Zudem wünschen sich einige Patienten möglicherweise Alternativen zur medikamentösen Behandlung aufgrund von Nebenwirkungen oder anderen persönlichen Gründen. Dieser Artikel beleuchtet alternative Therapieansätze zur Behandlung von Epilepsie ohne Medikamente und gibt einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse.
Ursachen und Diagnose von Epilepsie
Epilepsien können vielfältige Ursachen haben, darunter strukturelle Hirnschäden (z. B. durch Trauma, Schlaganfall, Entzündung), genetische Veränderungen, metabolische und immunvermittelte Störungen. Eine genaue Diagnose der Ursache ist entscheidend für eine erfolgreiche Therapie. Die Diagnose umfasst in der Regel ein ausführliches Gespräch mit dem Patienten und Zeugen, ein EEG (Hirnstrommessung), eine MRT (Magnetresonanztomografie) und gegebenenfalls Laboruntersuchungen. Es ist wichtig festzustellen, ob es sich um eine fokale oder generalisierte Epilepsie handelt, da dies die Wahl der geeigneten Therapie beeinflusst.
Wann alternative Therapien in Betracht ziehen?
Alternative Therapien können in verschiedenen Situationen in Betracht gezogen werden:
- Therapieresistente Epilepsie: Wenn Medikamente keine ausreichende Anfallskontrolle ermöglichen.
- Nebenwirkungen von Medikamenten: Wenn Patienten unter erheblichen Nebenwirkungen von Antiepileptika leiden.
- Persönliche Präferenz: Wenn Patienten aus persönlichen Gründen eine nicht-medikamentöse Behandlung bevorzugen.
- Ergänzende Therapie: In einigen Fällen können alternative Therapien begleitend zur medikamentösen Behandlung eingesetzt werden, um die Anfallskontrolle zu verbessern und die Medikamentendosis zu reduzieren.
Alternative Therapieansätze bei Epilepsie
Es gibt verschiedene alternative Therapieansätze, die bei Epilepsie in Betracht gezogen werden können. Diese umfassen:
1. Ketogene Diät
Die ketogene Diät ist eine spezielle Diät, die reich an Fetten, moderat an Proteinen und sehr niedrig an Kohlenhydraten ist. Diese Diät zwingt den Körper, anstelle von Glukose Fett als Hauptenergiequelle zu nutzen. Dabei entstehen Ketonkörper, die eine anfallsreduzierende Wirkung haben können. Die ketogene Diät wird hauptsächlich bei Kindern mit therapieresistenter Epilepsie eingesetzt, kann aber auch für Erwachsene in Betracht gezogen werden.
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2. Vagusnervstimulation (VNS)
Die Vagusnervstimulation ist eineForm der Neuromodulation, bei der ein kleines Gerät, ähnlich einem Herzschrittmacher, unter die Haut im Brustbereich implantiert wird. Das Gerät sendet regelmäßige elektrische Impulse an den Vagusnerv, der eine wichtige Verbindung zwischen Gehirn und Körper darstellt. Die VNS kann die Anfallshäufigkeit reduzieren und wird oft bei Patienten mit therapieresistenter Epilepsie eingesetzt, bei denen eine Operation nicht möglich ist. Es gibt auch Stimulatoren, die wie ein Knopf im Ohr getragen werden können und keine Operation erfordern.
3. Tiefe Hirnstimulation (THS)
Die tiefe Hirnstimulation ist ein invasiveres Verfahren, bei dem Elektroden in bestimmte Bereiche des Gehirns implantiert werden, um die Hirnaktivität zu modulieren. Die THS kann bei Patienten mit therapieresistenter Epilepsie eingesetzt werden, insbesondere wenn der Anfallsherd genau lokalisiert werden kann.
4. Epilepsiechirurgie
Die Epilepsiechirurgie ist eine Option für Patienten mit fokaler Epilepsie, bei denen der Anfallsherd in einem bestimmten Bereich des Gehirns lokalisiert werden kann. Bei der Operation wird der Anfallsherd entfernt oder von anderen Hirnbereichen getrennt. Die Epilepsiechirurgie kann bei sorgfältiger Auswahl der Patienten eine hohe Anfallsfreiheit erreichen.
5. Transkranielle Magnetstimulation (TMS) und transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS)
Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) und die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) sind nicht-invasive Verfahren, bei denen Magnetfelder oder schwache elektrische Ströme eingesetzt werden, um die Hirnaktivität zu modulieren. Diese Verfahren können die Anfallshäufigkeit reduzieren und werden oft als Ergänzung zur medikamentösen Behandlung eingesetzt. Bei einer klinischen Studie wurde eine dünne Elektrodenmatte direkt unter die Kopfhaut und auf den Schädelknochen platziert, um das anfallsauslösende Areal im Gehirn präzise zu stimulieren.
6. Biofeedback
Biofeedback ist eine Technik, bei der Patienten lernen, ihre Körperfunktionen wie Herzfrequenz, Muskelspannung und Hirnwellenaktivität bewusst zu beeinflussen. Durch das Erlernen von Entspannungstechniken und mentalen Strategien können Patienten möglicherweise die Anfallshäufigkeit reduzieren.
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7. Alternative und komplementäre Medizin
Einige Patienten mit Epilepsie suchen nach alternativen und komplementären Behandlungsmethoden wie Akupunktur, Homöopathie, Kräutermedizin und Nahrungsergänzungsmitteln. Es ist wichtig zu beachten, dass die Wirksamkeit dieser Methoden bei Epilepsie nicht ausreichend wissenschaftlich belegt ist. Patienten sollten sich vor der Anwendung solcher Methoden unbedingt mit ihrem Arzt beraten.
8. Cannabis und Cannabidiol (CBD)
Cannabidiol (CBD) ist ein nicht-psychoaktiver Bestandteil der Cannabispflanze, dem krampflösende Wirkungen nachgesagt werden. Einige Studien haben gezeigt, dass CBD die Anfallshäufigkeit bei bestimmten Formen von Epilepsie, insbesondere bei Kindern mit Dravet-Syndrom und Lennox-Gastaut-Syndrom, reduzieren kann. Die amerikanische Zulassungsbehörde (FDA) hat im Juni 2018 ein Medikament mit CBD (Epidiolex) für diese Epilepsieformen zugelassen. Es ist wichtig zu beachten, dass die Verwendung von Cannabis und CBD bei Epilepsie in Deutschland rechtlich geregelt ist und eine ärztliche Verschreibung erfordert. Die Kosten für eine CBD-Behandlung können erheblich sein.
9. Gentherapie
Am heutigen Tag der Epilepsie berichtet Prof. Dr. Regine Heilbronn, von EpiBlok Therapeutics GmbH, von einer neuen Gentherapie, bei der ein Adeno-assoziiertes Virus (AAV) das Gen für das Neuropeptid Dynorphin gezielt in Neurone der betroffenen Hirnregion bringt. Ziel ist eine langfristige Unterdrückung von Anfällen, indem die Nervenzellen Dynorphin auf Vorrat produzieren und bei Bedarf ausschütten.
10. Mobile Tracker
Jeder kennt ja heute die sogenannten Fitnesstracker, wo man aufzeichnen kann, wie man sich bewegt, was man für einen Schlaf hat und ähnliche Dinge. Und es gibt nun auch für Epilepsie-Patienten speziell entwickelte Tracker, die man zum Beispiel am Armband trägt und die bestimmte Veränderungen im Anfall erfassen können, als zum Beispiel Bewegungen, die sich verändern, Änderungen der Herzfrequenz oder auch Änderungen der Hautleitfähigkeit, wie sie bei einem epileptischen Anfall auftreten können. Und diese Geräte werden zunehmend auch benutzt, um bei Epilepsie-Patienten zu monitorieren: Wann kommen eigentlich Anfälle vor? Sind diese komplett gut behandelt? Oder müssen wir an der Behandlung noch etwas verbessern? Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil Epilepsie-Patienten manchmal auch selbst ihre Anfälle gar nicht bemerken. Manchmal kann man diese Geräte auch dazu nutzen, um Hilfe zu holen während eines solchen Anfalls und zum Beispiel Angehörige oder aber auch Ärzte zu informieren. Das ist eine ganz neue Technologie. Mobile Tracker kennt man bisher überwiegend aus dem Fitnessbereich.
Wichtige Aspekte bei der Behandlung von Epilepsie ohne Medikamente
Bei der Behandlung von Epilepsie ohne Medikamente sind einige wichtige Aspekte zu beachten:
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- Ärztliche Beratung: Es ist unerlässlich, sich vor der Anwendung alternativer Therapien mit einem Arzt oder Neurologen zu beraten. Der Arzt kann die Eignung der Therapie beurteilen, mögliche Risiken und Wechselwirkungen mit anderen Behandlungen berücksichtigen und die Therapie begleiten.
- Genaue Diagnose: Eine genaue Diagnose der Epilepsieform und der Ursache ist wichtig, um die geeignete Therapie auszuwählen.
- Individuelle Therapieplanung: Die Therapie sollte individuell auf die Bedürfnisse und Vorlieben des Patienten abgestimmt werden.
- Realistische Erwartungen: Es ist wichtig, realistische Erwartungen an die Wirksamkeit alternativer Therapien zu haben. Nicht alle Therapien sind für jeden Patienten geeignet, und es kann einige Zeit dauern, bis eine Wirkung eintritt.
- Regelmäßige Überwachung: Die Therapie sollte regelmäßig von einem Arzt überwacht werden, um die Wirksamkeit zu beurteilen und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.
- Lebensstiländerungen: Neben den spezifischen Therapien können auch allgemeine Lebensstiländerungen wie ausreichend Schlaf, Stressmanagement und Vermeidung von Auslösern (z. B. Alkohol, Schlafmangel, Lichtreize) dazu beitragen, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
Leben mit Epilepsie: Alltag und Herausforderungen
Epilepsie kann den Alltag der Betroffenen erheblich beeinflussen. Beruf, Mobilität und soziale Aktivitäten können eingeschränkt sein. Es ist wichtig, Auslöser zu kennen und zu meiden. Die Fahreignung und Arbeitssicherheit müssen ärztlich geprüft werden. Epileptiker*innen fühlen sich oft ausgegrenzt, weil sie in der Regel nicht selbst ein Auto steuern dürfen. Fachleute diskutieren zum Beispiel das autonome Fahren für Menschen, die wegen einer Epilepsie ansonsten nicht ans Steuer dürfen. Es ist wichtig, die Medikamente regelmäßig zu nehmen - der beste Schutz gegen SUDEP ist Anfallsfreiheit. Es ist aber auch wichtig, die Warnzeichen zu erkennen, weil es verschiedene Patienten gibt, bei denen eine Anfallsfreiheit nicht erreicht werden kann. Risikofaktoren für SUDEP sind nächtliche generalisierte Anfälle und junge oder männliche Patienten. Bei solchen Konstellationen und insbesondere bei nächtlichen Anfällen sollte Wert darauf gelegt werden, diese mit der Therapie womöglich zu eliminieren. Es gibt zusätzlich auch Devices, mit denen man Anfälle nachts detektieren kann und die Angehörige warnen können, damit diese schauen können, ob alles in Ordnung ist und im Fall entsprechend Hilfsmaßnahmen einleiten können. Ein Notfallausweis ist hilfreich, wenn man irgendwo ein Anfallsereignis oder auch andere Erkrankungen bzw. einen Unfall hat und man selbst keine Auskunft geben kann aber andere vielleicht wissen, dass man an Anfällen leidet bzw. welche Medikamente man gerade einnimmt. Insofern ist es sinnvoll, so etwas bei sich zu führen - das trifft auch bei vielen anderen chronischen Erkrankungen zu. Einen Anfallskalender zu führen kann insbesondere in Phasen der Umstellung der Medikation sehr hilfreich sein, um zu schauen, welchen Effekt die Umstellung der Medikation hat.
Forschung und Entwicklung
Die Forschung im Bereich der Epilepsie schreitet stetig voran. Es werden ständig neue Medikamente, Therapieverfahren und Technologien entwickelt, um die Anfallskontrolle zu verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhöhen. Die Entwicklung von Gentherapien und die Erforschung der Wirkung von Cannabinoiden sind vielversprechende Ansätze für die Zukunft.
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