Schulbegleitung bei Epilepsie: Voraussetzungen und Finanzierung durch die Krankenkasse

Epilepsie kann den Schulalltag von Kindern und Jugendlichen erheblich beeinträchtigen. Eine Schulbegleitung kann in solchen Fällen eine wichtige Unterstützung sein, um die Teilhabe am Unterricht zu ermöglichen. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen für eine Schulbegleitung bei Epilepsie und die Finanzierung durch die Krankenkasse.

Was ist eine Schulbegleitung?

Die Begriffe "Schulbegleiter" oder "Integrationshelfer" sind nicht mehr zeitgemäß. Stattdessen spricht man heute von einer Integrationsassistenz. Eine Integrationsassistenz (oder auch Schulbegleitung) begleitet einen Schüler während der gesamten oder teilweisen Schulzeit, einschließlich des Schulweges. Die Schulbegleitung unterstützt den Betroffenen, die klassenbezogenen Angebote des Lehrers anzunehmen, zu verstehen, zu verarbeiten und umzusetzen. Außerdem erledigt die Integrationsassistenz anfallende Pflegetätigkeiten, unterstützt und hilft bei der Orientierung im Schulalltag sowie bei lebenspraktischen Verrichtungen.

Aufgaben einer Integrationsassistenz

Die Aufgaben einer Integrationsassistenz sind vielfältig und individuell auf den Bedarf des Schülers zugeschnitten. Dazu können gehören:

  • Unterstützung bei Toilettenbesuchen: Falls dies aufgrund von körperlichen Beeinträchtigungen notwendig ist.
  • Hilfe beim An- und Ausziehen von Kleidung: Insbesondere bei Schülern mit motorischen Schwierigkeiten.
  • Essensversorgung: Unterstützung beim Essen, zum Beispiel beim Schneiden von Speisen oder beim Gebrauch von Besteck.
  • Medikamentengabe: Verabreichung von Medikamenten, wenn dies im Schulalltag erforderlich ist, sowie das Überwachen von gesundheitsbezogenen Bedürfnissen.
  • Mobilitätshilfen: Hilfe bei der Handhabung von Rollatoren, Gehhilfen, Rollstühlen oder anderen Mobilitätshilfen.
  • Organisation von Materialien: Unterstützung beim Organisieren von Schulmaterialien, Büchern und sonstigen Unterrichtsgegenständen.
  • Kommunikationshilfen: Hilfestellung bei der Nutzung von Kommunikationshilfen oder Technologien, die zur verbalen oder nonverbalen Kommunikation dienen.
  • Förderung von Selbstpflegefähigkeiten: Um die Eigenständigkeit in Alltagssituationen zu steigern.

Schulbegleiter werden nicht nur in Grundschulen oder Förderschulen, sondern auch in weiterführenden Schulen und anderen Bildungseinrichtungen eingesetzt.

Anspruch auf eine Schulbegleitung

Die Gründe für die Notwendigkeit eines Schulbegleiters können vielfältig sein und reichen von körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen bis hin zu Verhaltensstörungen oder Lernschwierigkeiten. Die nachfolgenden Beispiele zeigen, in welchen Situationen ein Schulbegleiter erforderlich sein könnte:

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  • Körperliche Beeinträchtigungen: Schülerinnen oder Schüler mit Mobilitätseinschränkungen, die Hilfe bei der Fortbewegung, beim Toilettengang oder beim Zugang zu Unterrichtsmaterialien benötigen.
  • Geistige Beeinträchtigungen: Kinder oder Jugendliche mit intellektuellen Beeinträchtigungen, die Unterstützung beim Schulbesuch und der Teilnahme am Unterricht benötigen.
  • Verhaltensstörungen: Schülerinnen oder Schüler mit Verhaltensstörungen, die zusätzliche Anleitung und Unterstützung benötigen, um sich angemessen im Klassenzimmer zu verhalten und am Unterricht teilzunehmen.
  • Autismus-Spektrum-Störungen (ASS): Kinder oder Jugendliche mit Autismus, die aufgrund ihrer spezifischen Bedürfnisse eine individuelle Betreuung und Anleitung benötigen.
  • Chronische Erkrankungen: Kinder mit chronischen Erkrankungen, die regelmäßige medizinische Unterstützung oder Hilfe bei der Verwaltung von Medikamenten benötigen.
  • Sinnesbeeinträchtigungen: Schülerinnen oder Schüler mit Seh- oder Hörbeeinträchtigungen, die spezielle Unterstützung und Anpassungen im schulischen Umfeld benötigen.

Die Entscheidung für einen Schulbegleiter sollte immer individuell und auf der Grundlage von pädagogischen, medizinischen und psychologischen Bewertungen getroffen werden.

Epilepsie als Anspruchsgrundlage

Bei Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie kann eine Schulbegleitung erforderlich sein, wenn die Anfälle oder deren Folgen den Schulbesuch erschweren. Dies kann der Fall sein, wenn:

  • Häufige Anfälle auftreten, die eine ständige Beobachtung erfordern.
  • Anfälle mit Bewusstseinsverlust oder Stürzen verbunden sind.
  • Nach einem Anfall eine längere Erholungsphase benötigt wird.
  • Medikamente verabreicht werden müssen.
  • Eine besondere Anfallsbereitschaft besteht, die eine ständige Überwachung erfordert.

Rechtliche Grundlagen

Die Integrationsassistenz ist seit dem 01.01.2020 eine Leistung zur Teilhabe an Bildung gemäß § 112 Abs. 1 SGB IX. In diesem Paragraphen ist bestimmt, dass zu den Leistungen der Eingliederungshilfe auch die „Hilfen zu einer Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu“ zählen. Damit kann dem Menschen mit Behinderung der Schulbesuch ermöglicht und erleichtert werden.

Die Finanzierung der Teilhabe an Bildung umfasst auch:

  • Hilfen zur schulischen oder hochschulischen Ausbildung oder Weiterbildung für einen Beruf, einschließlich
  • Leistungen zur Unterstützung schulischer Ganztagsangebote in der offenen Form.

Zuständigkeit und Antragstellung

Für die Kostenübernahme einer Schulbegleitung können verschiedene Kostenträger zuständig sein:

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  • Eingliederungshilfe: Zuständig für Kinder und Jugendliche, die körperlich, geistig oder mehrfach behindert sind (in Bayern die Bezirke als überörtliche Sozialhilfeträger) nach dem SGB IX.
  • Jugendamt: Zuständig für Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung (§ 35a SGB VIII).

Es ist ratsam, den Antrag möglichst frühzeitig vor der Einschulung bzw. vor Beginn des Schuljahres zu stellen. Dem Antrag sollten Berichte, Gutachten und Atteste von behandelnden Ärzten, Therapeuten und anderen Einrichtungen beigelegt werden, die den Unterstützungsbedarf aufzeigen und fachlich begründen. Im Antragsschreiben sollte der besondere Hilfebedarf und die von der Integrationsassistenz konkret zu übernehmenden Aufgaben detailliert dargestellt werden.

Wichtige Unterlagen für den Antrag

  • Ärztliches Attest des behandelnden Arztes, idealerweise eines Neuropädiaters, das die Epilepsie und ihre Auswirkungen auf den Schulbesuch beschreibt.
  • Pädagogische Stellungnahme der Schule oder des Kindergartens, die den Bedarf an Unterstützung im Schulalltag begründet.
  • Ggf. Gutachten eines Psychologen oder Therapeuten.
  • Detaillierte Beschreibung der benötigten Unterstützung im Schulalltag (z.B. Beobachtung während des Unterrichts, Begleitung bei Toilettengängen, Medikamentengabe).

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Rechte und Pflichten der Schüler

  • Rechte: Recht auf Bildung, individuelle Förderung, Teilhabe am Unterricht und Schutz der Privatsphäre.
  • Pflichten: Teilnahme am Unterricht, respektvoller Umgang mit Lehrkräften und Mitschülern, Mitwirkung am eigenen Lernprozess.

Rechte und Pflichten der Eltern

  • Rechte: Informationsrecht, Beteiligungsrecht, Recht auf Förderung des Kindes.
  • Pflichten: Mitwirkung am schulischen Leben, Unterstützung der Bildungsziele des Kindes.

Rechte und Pflichten der Lehrkräfte

  • Rechte: Angemessene Arbeitsbedingungen, fachliche Autonomie.
  • Pflichten: Qualitativer Unterricht, Dokumentation der Leistungen der Schüler.

Rechte und Pflichten der Schulbegleitung

  • Rechte: Angemessene Arbeitsbedingungen, Fortbildungsmöglichkeiten.
  • Pflichten: Unterstützung des Schülers gemäß den individuellen Bedürfnissen, enge Zusammenarbeit mit Lehrkräften, Dokumentation der Unterstützung.

Ablehnung des Antrags - Was tun?

Wurde die Kostenübernahme für die Assistenzkraft abgelehnt, besteht die Möglichkeit, gegen den ablehnenden Bescheid Widerspruch bzw. Klage einzureichen. Wegen der hieraus in der Regel resultierenden Eilbedürftigkeit der Kostenübernahme empfiehlt es sich im Falle der Ablehnung, unverzüglich einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht bzw. - wenn das Jugendamt zuständig sein sollte - beim Verwaltungsgericht zu stellen.

Seit einigen Jahren werden vermehrt Anträge auf Schulbegleitung von den Kostenträgern rechtswidrig, ohne stichhaltige Begründung abgelehnt. Davon sollten sich Betroffene jedoch nicht abschrecken lassen.

Vermeidbare Fehler beim Beantragen einer Schulassistenz

  • Mangelnde Nachweise für Notwendigkeit: Wenn die Notwendigkeit der Schulassistenz nicht ausreichend nachgewiesen oder dokumentiert ist, kann dies zur Ablehnung des Antrags führen.
  • Fehlende ärztliche Atteste oder Gutachten: Oftmals sind ärztliche Atteste oder fachärztliche Gutachten erforderlich, um den Bedarf an Schulassistenz zu belegen.
  • Unzureichende Begründung im Antrag: Ein unklar formulierter Antrag oder mangelnde Begründung bezüglich der Notwendigkeit der Schulassistenz kann dazu führen, dass die Kostenübernahme abgelehnt wird.
  • Ressourcenknappheit: Finanzielle Einschränkungen und begrenzte Ressourcen können dazu führen, dass Anträge auf Schulassistenz abgelehnt werden, selbst wenn der Bedarf an sich vorhanden ist.
  • Fehlende Kooperation und Kommunikation: Mangelnde Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Parteien, einschließlich der Eltern, der Schule und der Gesundheitsdienste, kann dazu führen, dass Anträge nicht erfolgreich sind.
  • Unklare Zuständigkeiten zwischen Institutionen: Bei unterschiedlichen Zuständigkeiten zwischen verschiedenen Institutionen (z. B. Bildungseinrichtungen, Jugendamt, Sozialamt) kann es zu Unsicherheiten und Ablehnungen kommen.

Um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Kostenübernahme zu erhöhen, ist es wichtig, alle erforderlichen Unterlagen sorgfältig vorzubereiten, klare Begründungen für die Notwendigkeit der Schulassistenz anzugeben und gegebenenfalls die Zusammenarbeit mit Fachleuten zu suchen, um die medizinische oder pädagogische Notwendigkeit zu untermauern.

Häufige Gründe für rechtswidrige Ablehnungen

Leider versuchen die Kostenträger vermehrt, die Kostenübernahme für die Integrationsassistenz rechtswidrig zu verweigern, um Kosten zu sparen. Dazu wird gern mit vorgeschobenen Argumenten gearbeitet, wie z.B.:

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  • Empfehlung des Besuchs einer Förderschule: Es wird der Besuch einer anderen Schule, wie z.B. einer Förderschule, empfohlen, an der angeblich keine Schulbegleitung erforderlich sei. Es besteht jedoch grundsätzlich ein Anspruch auf den inklusiven Schulbesuch an einer Regelschule.
  • Ablehnung der Schulassistenz zum Besuch einer Förderschule: Auch bei der Förderschule besteht ein Anspruch auf eine Schulassistenz, und zwar dann, wenn eine zusätzliche Betreuung des behinderten Schülers notwendig ist, die die Förderschule selbst nicht leisten kann.
  • Pauschale Bewilligung: Es kommt auch vor, dass eine Schulbegleitung pauschal ohne nähere Begründung nur für einen Laienhelfer, nur für einzelne wenige Stunden während des Unterrichts bewilligt, oder es wird auch nur ein „halber“ Schulbegleiter genehmigt, da dieser mit einem anderen Kind aus der Klasse geteilt werden könne.
  • Höhe des Stundensatzes: Auch die Höhe des Stundensatzes der Integrationsassistenz ist häufig Anlass für Streitigkeiten mit dem Kostenträger.

Finanzierung der Schulbegleitung

Die Kosten für die Schulassistenz werden in der Regel komplett von den Kostenträgern getragen. Allerdings kann es im Einzelfall zu Streitigkeiten über die Höhe des Stundensatzes kommen.

Schulwegbegleitung

Besondere Aufmerksamkeit sollte der Schulwegbegleitung gewidmet werden. Hier kann es zu Zuständigkeitsstreitigkeiten zwischen Krankenkasse, Sozialhilfeträger und Schulträger kommen.

Zuständigkeit der Krankenkasse bei medizinischer Notwendigkeit

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in einem Eilverfahren entschieden (Az.: L 4 KR 65/17 B ER), dass eine Krankenkasse einem schwerbehinderten Schüler die Kosten für seine Begleitung auf dem Schulweg auch dann zahlen muss, wenn es sich eigentlich um eine Leistung der Sozialhilfe handelt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Begleitung aufgrund einer medizinischen Notwendigkeit erforderlich ist, beispielsweise aufgrund von häufigen epileptischen Anfällen.

Argumentation des LSG

Das LSG argumentierte, dass ein Zuständigkeitsstreit zwischen Trägern von Leistungen nicht zulasten des betroffenen Menschen gehen dürfe (Schutzzweck des § 14 SGB IX). Zudem folge die Schulwegbegleitung dem Anspruch des Schülers auf eine allgemeine Schulbildung.

Voraussetzungen für die Kostenübernahme durch die Krankenkasse

Damit die Krankenkasse die Kosten für die Schulwegbegleitung übernimmt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es liegt eine ärztliche Verordnung für die Begleitung vor.
  • Die Begleitung ist aufgrund einer medizinischen Notwendigkeit erforderlich, beispielsweise aufgrund von häufigen epileptischen Anfällen.
  • Die Begleitung dient der Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung.

Abgrenzung zur Eingliederungshilfe

Die Eingliederungshilfe ist grundsätzlich für die Kostenübernahme einer Schulbegleitung zuständig, wenn diese nicht primär medizinisch begründet ist, sondern der Teilhabe am Unterricht dient.

Schulassistenz und Pflegebedürftigkeit

Sehr häufig haben Menschen mit einer Behinderung auch Anspruch auf einen Pflegegrad. Oftmals wird das aber vergessen oder die Betroffenen wurden nicht darauf hingewiesen, dass sie nicht nur die Möglichkeit haben, einen Behindertenausweis zu beantragen, sondern auch einen Pflegegrad. Auch Kinder und Jugendliche die eine Schulassistenz benötigen, könnten Anspruch auf einen Pflegegrad haben. So zum Beispiel Schüler mit Autismus, epileptischen Anfällen, ADS oder ADHS, psychischen Problemen, körperlichen oder geistigen Behinderungen usw.

Inklusion bei Epilepsie

Die Inklusion von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Epilepsie in Kita, Schule, Ausbildung, Studium, Freizeit und Berufsleben ermöglicht gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen. Dafür gibt es verschiedene Hilfen wie z.B. die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen, die bei Bedarf Inklusionsassistenz in der Kita und/oder Schulbegleitung finanziert.

Weitere Unterstützungsmöglichkeiten

  • Sonderpädagogische Förderung: Mit Epilepsie kann ein Anspruch auf sonderpädagogische Förderung bestehen. Dann ist der Besuch einer Förderschule oder sonderpädagogische Förderung an einer allgemeinen Schule möglich.
  • Krankenhausschulen: Krankenhausschulen bieten Unterricht während längerer stationärer Aufenthalte wegen der Epilepsie.
  • Hausunterricht: Ausnahmsweise ist Hausunterricht mit Einzelunterricht bei häufigen Anfällen möglich.

Umgang mit Anfällen im Schulalltag

Es ist wichtig, dass das Kita-Personal und die Lehrkräfte über die Epilepsie des Kindes informiert sind und wissen, wie sie im Falle eines Anfalls reagieren müssen. Dazu gehört auch, dass bei Bedarf von Laien anwendbare Notfallmedikamente zum Unterbrechen eines Status epilepticus vorhanden sind. Auch eher unscheinbare Anfälle werden als epileptische Anfälle erkannt und sinnlose belastende pädagogische Maßnahmen unterbleiben.

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