Epilepsie ist eine häufige neurologische Erkrankung, die oft im gebärfähigen Alter beginnt oder bereits vorher besteht. Viele Frauen mit Epilepsie haben Bedenken, dass Anfälle oder Antiepileptika ihrem ungeborenen Kind schaden könnten. Lamotrigin ist ein Antiepileptikum, das häufig bei Frauen mit Epilepsie eingesetzt wird. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Anwendung von Lamotrigin während der Schwangerschaft, einschließlich Dosierungsempfehlungen, potenzieller Risiken und wichtiger Überlegungen für eine sichere Anwendung.
Einführung
Die Schwangerschaft stellt für Frauen mit Epilepsie eine besondere Herausforderung dar. Einerseits birgt das Absetzen von Antiepileptika das Risiko unkontrollierter Anfälle, die sowohl für die Mutter als auch für das Kind gefährlich sein können. Andererseits haben alle Antiepileptika ein mehr oder weniger hohes teratogenes Risiko. Daher ist eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung und eine individuelle Behandlungsplanung unerlässlich.
Lamotrigin: Wirkmechanismus und Pharmakokinetik
Lamotrigin gehört zur Gruppe der Phenyltriazine und wirkt unter anderem durch die Hemmung spannungsabhängiger Natriumkanäle und eine Reduktion der neuronalen Erregbarkeit. Es wird zur Behandlung verschiedener Anfallsarten eingesetzt, darunter partielle und generalisierte Anfälle, sowie beim Lennox-Gastaut-Syndrom.
Lamotrigin wird im Darm schnell und vollständig resorbiert. Die maximale Plasmakonzentration wird nach 1,4 bis 4,8 Stunden erreicht. Es hat eine Halbwertszeit von 15 bis 60 Stunden, abhängig von der Einnahme weiterer Medikamente. Lamotrigin wird hauptsächlich durch Biotransformation mit UDP-Glucuronyltransferasen in pharmakologisch unwirksame Metaboliten umgewandelt und über den Urin ausgeschieden.
Lamotrigin und Kontrazeption
Lamotrigin interagiert mit dem Metabolismus oraler Kontrazeptiva. Die Lamotrigin-Plasmaspiegel können unter hormoneller Kontrazeption deutlich sinken, und auch die Plasmakonzentrationen der hormonalen Kontrazeptiva können leicht sinken. Wenn Frauen wegen Kinderwunsch die hormonalen Kontrazeptiva absetzen, steigt in der Regel der Lamotrigin-Serumspiegel. In diesem Fall sollte die Lamotrigin-Dosis reduziert werden, damit der Lamotrigin-Spiegel während der Konzeption nicht unnötig hoch ist.
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Bestimmte Antiepileptika, darunter Lamotrigin, können die Wirksamkeit hormoneller Kontrazeptiva beeinträchtigen. Es empfiehlt sich daher, in erster Linie keine systemische Hormontherapie, also auch keine oralen Kontrazeptiva vorzusehen. Ein Intrauterinpessar mit lokaler Gestagenabgabe (Mirena®) wäre zu bevorzugen oder bei etwas geringerer Sicherheit ein Intrauterinpessar (IUD). Nur wenn diese Methoden nicht vertragen werden, ist eine höher dosierte hormonelle Kontrazeption - ggf. mit Einschränkungen der Verlässlichkeit - in Betracht zu ziehen.
Lamotrigin in der Schwangerschaft: Evidenz und Risiken
- Fehlbildungsrisiko:
In Schwangerschaftsregistern wurden über 7000 Schwangerschaftsverläufe unter Lamotrigin-Monotherapie im 1. Trimenon beobachtet. Bisher ergaben sich keine eindeutigen Hinweise auf teratogene Effekte. Insbesondere fanden sich unter Lamotrigin-Monotherapie kein spezifisches Fehlbildungsmuster und keine Dysmorphie-Zeichen wie bei den klassischen Antiepileptika. Unter Kombinationstherapie mit anderen Antiepileptika wurden allerdings erhöhte Fehlbildungsraten beobachtet, vor allem in Kombination mit der bekanntermaßen teratogenen Valproinsäure und wahrscheinlich auch durch diese verursacht.
Eine Analyse von Daten aus dem EURAP-Register ergab, dass das Risiko für Fehlbildungen dosisabhängig ist. Die niedrigsten Raten ergaben sich mit Lamotrigin-Dosen unter 300 mg/d. Im Vergleich dazu war das teratogene Risiko für höhere Carbamazepin-Dosen sowie für sämtliche Dosen von Phenobarbital und Valproinsäure signifikant höher. Herzfehler waren unter allen vier Medikamenten die häufigsten Missbildungen.
- Neonatale Anpassungsstörungen:
Wie bei allen ZNS-aktiven Medikamenten muss bei Behandlung mit Lamotrigin bis zur Geburt mit Anpassungsstörungen beim Neugeborenen gerechnet werden. Diese können innerhalb der ersten Tage nach der Geburt auftreten und mit neurologischen, gastrointestinalen und respiratorischen Symptomen einhergehen. In Fallberichten wurden neonatale Anpassungsstörungen bisher nur beschrieben, wenn Lamotrigin in Kombination mit anderen zentral wirksamen Substanzen gegeben wurde.
- Neuropsychiatrische Entwicklung:
Die Studien zur neuropsychiatrischen Entwicklung der Kinder nach Lamotrigin-Exposition in der Schwangerschaft reichen für eine abschließende Beurteilung nicht aus.
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- Empfehlungen:
Lamotrigin ist aufgrund des sehr hohen Erfahrungsumfangs und der offenbar guten Verträglichkeit für den Embryo bzw. Feten das Antiepileptikum der Wahl in der Schwangerschaft, falls es ausreichend wirksam ist. Es sollte möglichst in Monotherapie verordnet werden. Bei psychiatrischen Behandlungsindikationen und medikamentöser Neueinstellung ist zu prüfen, ob Alternativen vorhanden sind (z.B. Quetiapin zur Phasenprophylaxe bei bipolarer Erkrankung).
Dosierung von Lamotrigin in der Schwangerschaft
Während der Schwangerschaft steigt die Lamotrigin-Clearance meist stark an, so dass die Serumkonzentration absinkt. Da die Lamotrigin-Clearance während der Schwangerschaft bis zum Dreifachen ansteigen kann, sollte der Lamotrigin-Spiegel insbesondere bei Patientinnen mit Epilepsie engmaschig kontrolliert und die Dosis entsprechend nach oben korrigiert werden. Nach der Geburt findet eine schnelle Normalisierung der Clearance statt, so dass die Dosis zur Vermeidung toxischer Lamotrigin-Spiegel wieder reduziert werden muss.
Es ist wichtig, die Serumkonzentrationen von Lamotrigin vor, während und nach der Schwangerschaft sowie kurz nach der Entbindung zu überwachen, um die Dosis entsprechend anzupassen.
Folsäure und Ultraschall-Feindiagnostik
Frauen, die Antiepileptika nehmen, sollten 5 mg Folsäure täglich bereits vor der Konzeption und bis zum Ende der 12. Schwangerschaftswoche einnehmen. Nach Therapie im 1. Trimenon kann eine sonographische Feindiagnostik zur Kontrolle der fetalen Entwicklung empfohlen werden.
Entbindung und postpartale Phase
Die Entbindung sollte aufgrund möglicher neonataler Anpassungsstörungen in einer Klinik mit Neonatologie erfolgen. Bei Epilepsie ist keine spezielle Anpassung erforderlich. Bei bipolarer Erkrankung ist das Vorgehen abhängig vom klinischen Verlauf.
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Nach der Entbindung sollte auf Überdosierungserscheinungen geachtet werden. Falls aufdosiert wurde, muss die Dosis nun häufig reduziert werden. Im Umgang mit dem Kind sollte auf Sicherheitsmaßnahmen geachtet werden, um Verletzungen des Kindes (Sturzgefahr bei Anfällen) zu vermeiden.
Stillen unter Lamotrigin
Obwohl Lamotrigin die Dihydrofolsäure-Reduktase hemmt, lässt sich beim Erwachsenen keine nennenswerte Folat-antagonistische Wirkung darstellen. Lamotrigin geht in die Muttermilch über. Die allermeisten gestillten Kinder waren klinisch unauffällig. Bei einem 16 Tage alten voll gestillten Kind, dessen Lamotrigin-Plasmaspiegel im oberen therapeutischen Bereich lag, traten Atemstörungen mit einem Zyanose-Anfall auf. Die respiratorischen Symptome verschwanden, als das Kind keine Muttermilch mehr erhielt.
Stillen unter Monotherapie und guter Beobachtung des Kindes erscheint akzeptabel, wenn in Kauf genommen wird, dass das Kind u.U. wirksame Lamotrigin-Plasmakonzentrationen aufbaut. Ggf. sollte der Lamotrigin-Plasmaspiegel des Kindes überwacht werden.
Allgemeine Empfehlungen für Frauen mit Epilepsie und Kinderwunsch
Die Schwangerschaft einer Frau mit Epilepsie sollte frühzeitig geplant werden. Idealerweise sollte bereits bei der Ersteinstellung die Sicherheit des Arzneimittels in der Schwangerschaft überprüft werden, und die Frau sollte darüber aufgeklärt sein. Günstige Arzneimittel sind Lamotrigin und Levetiracetam. Valproinsäure sollte möglichst vermieden werden, da es mit einer erhöhten Rate an kindlichen Fehlbildungen und auch mit kognitiven Einschränkungen der Kinder verbunden ist. Günstig ist zudem, nur einen Arzneistoff einzunehmen.
Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Lamotrigin zählen Hautreaktionen mit Ausschlägen, Fleckenbildungen und Juckreiz sowie Sehstörungen, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, starke Reizbarkeit und Aggressivität. Eine schwerwiegende Nebenwirkung ist das DRESS-Syndrom (Drug Rash with Eosinophilia and Systemics Symptoms).
Fazit
Lamotrigin ist ein Antiepileptikum, das in der Schwangerschaft relativ sicher eingesetzt werden kann, insbesondere als Monotherapie und in niedrigen Dosen. Eine engmaschige Überwachung der Serumspiegel und eine individuelle Dosisanpassung sind jedoch unerlässlich, um sowohl die Anfallskontrolle der Mutter zu gewährleisten als auch das Risiko für das ungeborene Kind zu minimieren. Eine umfassende Beratung durch einen erfahrenen Arzt ist für Frauen mit Epilepsie und Kinderwunsch von entscheidender Bedeutung.
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