Epilepsie ist keine einheitliche Erkrankung, sondern eine vielfältige Gruppe von Störungen der Gehirnfunktion, die durch epileptische Anfälle gekennzeichnet sind. Diese Anfälle können durch verschiedene Ursachen ausgelöst werden, darunter genetische Defekte, Hirnfehlbildungen, Verletzungen, Tumore, Schlaganfälle, Blutungen und Entzündungen. Die Anfälle können entweder nur Teile der Hirnrinde (fokale Anfälle) oder die gesamte Hirnrinde (generalisierte Anfälle) betreffen. Die Häufigkeit und Ausprägung der Anfälle variieren stark von Patient zu Patient.
Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Neben der medikamentösen Therapie gibt es auch alternative Behandlungsansätze, die in bestimmten Fällen eine sinnvolle Ergänzung darstellen können.
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Therapie ist die bekannteste und am häufigsten eingesetzte Behandlungsform bei Epilepsie. Zirka 70 Prozent aller Patienten werden durch die heute zur Verfügung stehenden Medikamente ohne größere Nebenwirkungen anfallsfrei. Die Medikamente, auch Anfallssuppressiva oder Antikonvulsiva genannt, setzen die Reizbarkeit der Nervenzellen herab und vermindern so die Anfallsbereitschaft. Es gibt eine Vielzahl von Wirkstoffen, die je nach Anfallsform, Ausprägung, Epilepsie-Syndrom und Verträglichkeit als Mono- oder Kombinationstherapie verabreicht werden können.
Die Auswahl des geeigneten Medikaments und die Einstellung der richtigen Dosierung kann jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen und erfordert regelmäßige Untersuchungen sowie ein enges Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Es ist wichtig, die Medikamente regelmäßig und zu festen Zeiten einzunehmen, um einen konstanten Wirkstoffspiegel im Blut aufrechtzuerhalten.
Cannabidiol (CBD)
Cannabidiol (CBD) ist ein nicht-psychoaktiver Bestandteil der Cannabispflanze, dem eine krampflösende Wirkung nachgesagt wird. Im Jahr 2018 entstand ein großer Hype um die Frage, ob Cannabis eine geeignete Substanz zur Behandlung von Epilepsie ist. Einige Patienten rechtfertigten sogar ihren Cannabiskonsum damit oder begannen erst mit dem Konsum, als sie Epilepsie-Medikamente schlecht vertrugen oder als unwirksam empfanden.
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Sorgfältige medizinische Studien haben jedoch gezeigt, dass CBD in bestimmten Fällen eine gute Wirksamkeit aufweisen kann. Insbesondere bei Patienten mit dem Dravet-Syndrom, einer seltenen Epilepsieform im Kindesalter, und dem Lennox-Gastaut-Syndrom, einer Epilepsieform mit Sturzanfällen, konnte eine Verminderung der Anfälle um 50 Prozent beobachtet werden. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch in der Kontrollgruppe ohne wirksames Medikament etwa 20 Prozent der Betroffenen eine Verbesserung zeigten.
Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat im Juni 2018 ein Medikament mit dem Namen Epidiolex zugelassen, das CBD enthält und für die Behandlung der oben genannten Epilepsieformen eingesetzt werden kann. Dieses Präparat kann über internationale Apotheken bezogen werden. Die Kosten für eine CBD-Behandlung sind jedoch erheblich und können je nach Körpergewicht monatlich mehrere tausend Euro betragen.
Es ist wichtig zu beachten, dass CBD kein Wundermittel ist und seine Wirksamkeit für bestimmte Epilepsieformen als hochwertig nachgewiesen ist. Es stellt eine Ergänzung der bisherigen Medikamente dar und sollte nur in Absprache mit einem Arzt eingenommen werden.
Ketogene Ernährungstherapie
Die ketogene Ernährungstherapie ist eine spezielle Form der Ernährung, bei der der Körper auf die Verbrennung von Fetten anstelle von Kohlenhydraten umgestellt wird. Dies führt zu einer Erhöhung der Ketonkörper im Blut, die eine antiepileptische Wirkung haben können.
Die ketogene Ernährungstherapie wird häufig bei Kindern mit therapierefraktärer Epilepsie eingesetzt, also bei Epilepsieformen, die nicht ausreichend auf Medikamente ansprechen. Sie kann auch bei Erwachsenen mit bestimmten Epilepsieformen in Betracht gezogen werden.
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Die ketogene Ernährungstherapie ist jedoch sehr restriktiv und erfordert eine sorgfältige Überwachung durch einen Arzt und einen Ernährungsberater. Mögliche Nebenwirkungen sind unter anderem Verstopfung, Übelkeit, Erbrechen und Nierensteine.
Epilepsiechirurgie
Wenn Medikamente nicht ausreichend wirken, kann in bestimmten Fällen ein operativer Eingriff zur Anfallsfreiheit oder zumindest zu einer deutlichen Reduktion der Anfälle führen. Die Entscheidung über die Anwendung epilepsiechirurgischer Therapieverfahren wird in einer interdisziplinären Konferenz zwischen Neurologen, Neuropsychologen, Neurochirurgen, Nuklearmedizinern, Neuroradiologen und Neuropathologen sorgfältig abgewogen.
Es gibt verschiedene epilepsiechirurgische Methoden, darunter:
- Resektionsverfahren: Bei diesem Verfahren wird epileptogenes Gewebe aus dem Gehirn entfernt. Angestrebt wird dadurch eine gänzliche Anfallsfreiheit.
- Diskonnektionsverfahren: Die Unterbrechungsverfahren werden eingesetzt, wenn eine Resektion nicht möglich ist. Ihre Wirkung beruht darauf, dass die Ausbreitung der epileptischen Erregung im Gehirn durch eine gezielte Durchtrennung von Nervenbahnen unterbrochen wird.
- Vagusstimulation: Hierbei wird der Vagusnerv, ein wichtiger Hirnnerv, mit elektrischen Impulsen stimuliert. Dies kann die Anfallshäufigkeit reduzieren.
- Tiefe Hirnstimulation: Bei diesem Verfahren werden Elektroden in bestimmte Strukturen im Gehirn implantiert, um die Anfallsaktivität zu beeinflussen.
- Bestrahlungstherapie: In seltenen Fällen kann eine Bestrahlungstherapie eingesetzt werden, um epileptogenes Gewebe zu zerstören.
Neurostimulation
Die Neurostimulation umfasst verschiedene Verfahren, bei denen Strukturen im Gehirn oder solche, die dorthin führen (wie der Vagus-Nerv), mit niedriger Stromstärke stimuliert werden. Zu den gängigsten Methoden gehören die Vagusnervstimulation (VNS) und die Tiefe Hirnstimulation (THS).
Die VNS ist eine seit Mitte der 90er Jahre verfügbare Behandlungsalternative, bei der ein Pulsgenerator unter dem Schlüsselbein implantiert und mit dem Vagusnerv im Halsbereich verbunden wird. Die THS hingegen beinhaltet die Implantation von Elektroden in bestimmte Hirnstrukturen. Studien haben gezeigt, dass die THS effektiver sein kann als die VNS, insbesondere bei komplex-fokalen Anfällen und Temporallappenepilepsien.
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Es gibt auch nicht-invasive Neurostimulationsmethoden wie die transkutane Vagusnervstimulation (tVNS), bei der spezielle Nervenfasern über eine Ohrelektrode aktiviert werden, und die transkranielle Magnetstimulation (TMS), bei der die Stimulation durch die Schädeldecke erfolgt. Diese Methoden sind jedoch in der Regel weniger effektiv als die invasiven Verfahren.
Osteopathie
Osteopathie ist eine alternative Behandlungsmethode, die darauf abzielt, Funktionsstörungen im Körper zu beheben, die möglicherweise zu epileptischen Anfällen beitragen. Ein Fallbeispiel zeigt, dass osteopathische Behandlungen bei einem Jugendlichen mit symptomatisch-fokaler Epilepsie zu einer deutlichen Reduktion der Anfallshäufigkeit und schließlich zur Anfallsfreiheit führten.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit von Osteopathie bei Epilepsie begrenzt ist und weitere Studien erforderlich sind.
Gentherapie
Die Gentherapie ist ein vielversprechender neuer Ansatz zur Behandlung von Epilepsie. Hierbei wird ein Genvektor verwendet, um ein therapeutisches Gen in die betroffenen Nervenzellen einzuschleusen. Dieses Gen kann beispielsweise die Produktion von Dynorphin, einer körpereigenen Substanz mit antiepileptischer Wirkung, erhöhen.
Forscher der Charité - Universitätsmedizin Berlin und der Medizinischen Universität Innsbruck haben eine Gentherapie für Temporallappen-Epilepsie entwickelt, bei der ein Genvektor das Gen für Dynorphin gezielt in die Neurone des Hippocampus bringt. Im Tiermodell konnte gezeigt werden, dass diese Gentherapie epileptische Anfälle über mehrere Monate unterdrückt und gleichzeitig die negativen Auswirkungen auf Lernen und Gedächtnis verhindert.
Die Gentherapie befindet sich noch in der Entwicklung, könnte aber in Zukunft eine vielversprechende Behandlungsoption für Patienten mit therapierefraktärer Epilepsie darstellen.
Verhaltenstherapeutische Anfallsselbstkontrolle
Parallel zur medikamentösen Epilepsietherapie kann auch der verhaltenstherapeutische Ansatz der Anfallsselbstkontrolle in die Behandlung integriert werden.
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