Epilepsie trotz unauffälligem EEG: Ursachen und Hintergründe

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, abnormale elektrische Aktivität im Gehirn. Die Diagnose von Epilepsie basiert auf dem Anfallgeschehen und zusätzlichen Befunden, die auf eine Prädisposition für weitere Anfälle hindeuten. Dazu gehören epilepsietypische Potenziale im Elektroenzephalogramm (EEG) und/oder strukturelle Läsionen in der Bildgebung.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie (ICD-10 G40) ist der Oberbegriff für zerebrale Funktionsausfälle aufgrund einer neuronalen Netzstörung, wobei wiederholte Anfälle das Leitsymptom darstellen. Ein epileptischer Anfall wird definiert als ein vorübergehendes Auftreten subjektiver Zeichen und/oder objektivierbarer Symptome aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn. Die Phänomenologie der Anfälle variiert beträchtlich, abhängig von Ort und Ausprägung. Es gibt nur wenige Sekunden dauernde motorische und sensible Episoden, Absencen, Abläufe mit Zuckungen einer Extremität, komplexe Bewegungs- und Bewusstseinsphänomene sowie die klassischen tonisch-klonischen Anfälle. Daneben existieren die sogenannten Epilepsie-Syndrome, zum Beispiel das Lennox-Gastaut- und Dravet-Syndrom.

Epidemiologie der Epilepsie

Epilepsien gehören zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Prävalenz in Industrieländern wird mit 0,5-0,9 Prozent angegeben. Die jährliche kumulative Inzidenz aller Epilepsien beträgt über alle Altersgruppen hinweg 67,77/100.000 Personen. Hier sind jedoch zwei Spitzen zu verzeichnen: eine in den ersten fünf Lebensjahren (Early-onset-Epilepsie) und eine weitere jenseits des 50. Lebensjahrs (Late-onset-Epilepsie). Im Alter wird die höchste altersadjustierte Inzidenz von Epilepsien gemessen. Bei den über 65-Jährigen liegt die Inzidenz bei 90-150/100.000 Personen. Ebenso nimmt die Prävalenz mit dem Alter zu und steigt auf 1-2 Prozent bei den über 85-Jährigen. Der Häufigkeitsgipfel in der letzten Lebensdekade ist insbesondere mit dem Auftreten von Epilepsien nach Schlaganfällen und Hirntumoren sowie bei Demenzerkrankungen assoziiert. Bei den Demenzen haben Formen wie die Early-onset-Alzheimer-Erkrankung und die vaskuläre Demenz das größte Risiko, eine Epilepsie zu entwickeln. Schätzungsweise erleiden circa 5 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal im Leben einen Krampfanfall, ohne dass sich daraus eine aktive Epilepsie entwickelt.

Klassifikation der Epilepsie

Aus pragmatischen Gründen teilte man Epilepsien lange Zeit in symptomatische, idiopathische und kryptogene Formen ein. 2017 überarbeitete die internationale Liga gegen Epilepsie ihre Klassifikation und Terminologie. Die aktualisierte ILAE- Klassifikation besitzt nunmehr eine dreistufige Grundstruktur. Zunächst soll der Anfallstyp bzw. die Anfallsform bestimmt werden. Hier unterscheidet man zwischen generalisiertem, fokalem und unklarem Beginn. Innerhalb der generalisierten Epilepsien wurde die Untergruppe der idiopathisch generalisierten Epilepsien wieder eingeführt. Dazu zählen Absence-Epilepsien des Kindes- und Jugendalters, juvenile myoklonische Epilepsien und Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Die nächste Stufe betrifft die Art der Epilepsie. Epilepsien und die damit verbundenen Anfälle sind auf eine Vielzahl von Ursachen zurückzuführen. Aktuell werden folgende Ätiologien unterschieden: strukturelle, genetische, infektiöse, metabolische, immunologische und unbekannte Ursachen.

Strukturelle Ursachen

Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose. Ebenso kann eine perinatale Hirnschädigung, oft infolge von Sauerstoffmangel während des Geburtsvorgangs, eine Epilepsie verursachen.

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Genetische Ursachen

In den letzten Jahren wurden mehrere Hundert Gene und Gen-Veränderungen identifiziert, die vermutlich oder sicher eine Epilepsie (mit)verursachen. Die Mehrzahl der Fälle der idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind polygenetische Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko hängt von verschiedenen genetischen Suszeptibilitätsfaktoren und Umwelteinflüssen ab. Zu den IGE gehören die kindliche und die juvenile Absence-Epilepsie (CAE und JAE), die juvenile myoklonische Epilepsie und die Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen. Sehr viel seltener ist nur ein Gen betroffen (zum Beispiel Ionenkanal-Gene oder Neurotransmitter assoziierte Gene). Die Mutation kann vererbt werden oder de novo auftreten. Monogenetische Epilepsien weisen eine beachtliche phänotypische und genotypische Heterogenität auf. Beispielhaft sind das im ersten Lebensjahr beginnende Dravet-Syndrom, bei dem mehr als 80 Prozent der Patienten Mutationen im SCN1A-Gen aufweisen, und das sich in den ersten Lebenstagen manifestierende Ohtahara-Syndrom mit möglichen Mutationen im Gen STXBP1, seltener auch ARX. Ferner können nicht läsionelle fokale Epilepsien (non-acquired focal epilepsy, NAFE) in Teilen genetisch determiniert sein (speziell DEPDC5-Mutationen). So gibt es eine Reihe familiärer fokaler Epilepsiesyndrome, die klassischen Mendel’schen Erbgängen folgen - etwa die autosomal-dominante nächtliche Frontallappenepilepsie (ADNFLE) oder die autosomal-dominante laterale Temporallappenepilepsie (ADLTE).

Infektiöse Ursachen

Infektionen sind die weltweit häufigste Ursache von Epilepsie. Eine infektiöse Ätiologie bezieht sich auf Patienten mit Epilepsie und nicht auf Patienten, die Anfälle im Verlauf einer akuten Infektion erleiden. Infektiöse Ursachen können regional variieren; typische Beispiele sind Neurozystizerkose, Tuberkulose, HIV, zerebrale Malaria, subakute sklerosierende Panenzephalitis, zerebrale Toxoplasmose und kongenitale Infektionen - etwa durch das Zika- oder Zytomegalie-Virus. Zudem sind post-infektiöse Entwicklungen einer Epilepsie möglich, beispielsweise nach einer viralen Enzephalitis.

Metabolische Ursachen

Eine metabolisch verursachte Epilepsie ist direkte Folge einer Stoffwechselstörung, die epileptische Anfälle als Kernsymptomatik aufweist. Es wird angenommen, dass die meisten metabolisch bedingten Epilepsien einen genetischen Hintergrund haben und nur selten erworben sind. Mit einer Epilepsie assoziierte Erkrankungen/Situationen sind u.a.: Hypoparathyreoidismus, Hämochromatose, Porphyrie, Störungen des Aminosäurestoffwechsels, Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE), Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH), Urämie, Hyper-/Hypoglykämie und zerebraler Folsäuremangel.

Immunologische Ursachen

Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen. Hierzu gehören vor allem die Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und die NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat).

Unbekannte Ursachen

Neben den zuverlässig differenzierbaren Epilepsien gibt es Formen, deren Ursache (noch) nicht bekannt ist. Eine spezifischere Diagnose als die elektro-klinische Einordnung, etwa als Frontallappenepilepsie, ist bei diesen Patienten nicht möglich. Bislang sind die neurobiologischen Zusammenhänge der Epileptogenese nicht bis ins letzte Detail verstanden.

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Pathophysiologie der Epilepsie

Man weiß allerdings, dass eine neuronale intra- und transzelluläre Übererregung (Hyperexzitabilität) einzelner Nervenzellen, Fehlkoordinationen von Erregung und Hemmung neuronaler Zellverbände, veränderte Zellmembraneigenschaften und eine fehlerhafte Erregungsübertragung synaptischer Netzwerke zu einer abnormen exzessiven neuronalen Entladung führen. Die dem epileptischen Anfall zugrunde liegenden paroxysmalen Depolarisationsstörungen sind meist auf ein Ungleichgewicht bzw. einer fehlerhaften Verteilung von exzitatorischen und inhibitorischen Neurotransmitterwirkungen zurückzuführen. Dabei spielen die Aminosäuren Glutamat und Aspartat als erregende Neurotransmitter sowie Gamma-Aminobuttersäure (GABA) als hemmende Signalsubstanz eine entscheidende Rolle. Zudem können Neurotransmitter-Synthesestörungen und ein gesteigerter Abbau oder eine Rezeptor-Blockade von GABA-Rezeptoren anfallsauslösend wirken. Pathologische Veränderungen an spannungsabhängigen Ionenkanälen (Kalium, Natrium, Calcium) beeinflussen ebenfalls die neuronale Erregbarkeit. Für einige dieser Mechanismen wurden inzwischen genetische Ursachen nachgewiesen, zum Beispiel der Defekt am SCN1A-Gen beim Dravet-Syndrom (kodiert für die α-Untereinheit des Natriumkanals) oder ein Gendefekt auf Chromosom 5 bei der juvenilen myoklonischen Epilepsie, der eine Störung am GABA(a)-Rezeptor initiiert.

Paroxysmale Depolarisationsshift (PDS)

Nach international gängiger Lehrmeinung ist der sogenannte paroxysmale Depolarisationsshift (PDS) als gemeinsamer Nenner der fokalen Epileptogenese anzusehen. Elektrophysiologisch handelt es sich um eine Serie hochfrequenter Aktionspotenziale, die durch eine sich anschließende Hyperpolarisation beendet wird. Auf zellulärer Ebene korreliert der PDS mit interiktalen eleptiformen Signalen (sogenannte Spikes) im EEG. Während eines epileptischen Anfalls wird der PDS in eine anhaltende Depolarisation der Zellen überführt.

Symptome und Anfallsformen

Die Symptome der unterschiedlichen Epilepsieformen variieren stark. Das klinische Bild richtet sich nach der Lokalisation und dem Ausmaß der neuronalen Fehlerregung sowie nach der Art des Anfallgeschehens. Möglich sind Parästhesien auf der Haut (Parietallappenanfälle), orale Automatismen wie Schmatzen und Kauen (Temporallappenanfälle), visuelle Halluzinationen (Okzipitallappenanfälle) oder komplexe Anfallsbewegungen (frontale Anfälle) und Mischbilder. Die ILAE unterscheidet grundsätzlich zwischen Anfällen mit fokaler, generalisierter oder unbekannter Ausbreitung. Darüber hinaus werden diese in Formen mit motorischen und nicht-motorischen Bewegungsstörungen eingeteilt. Bei fokal beginnenden Anfällen wird zusätzlich unterschieden, ob der Patient bei Bewusstsein ist oder nicht. Fokale und generalisierte Anfälle können einzeln (inklusive mehrerer fokaler oder generalisierter Ereignisse) oder zusammen auftreten.

Anfälle mit fokalem Beginn

Epileptische Anfälle mit fokalem Beginn haben ihren Ursprung in einem begrenzten Neuronensystem innerhalb einer Hemisphäre. Sie werden entsprechend der motorischen Initialsymptomatik klassifiziert und in Anfälle mit und ohne Bewusstseinsstörung eingeordnet.

Fokal beginnende Anfälle mit motorischer Initialsymptomatik

Ein Beginn mit motorischen Störungen kann gekennzeichnet sein durch: Automatismen (zum Beispiel unwillkürliches Lecken der Lippen, Schmatzen, Gestikulieren und Wortwiederholungen), atonische Anfälle (Reduktion oder Verlust des Muskeltonus), klonische Anfälle (unwillkürliche rhythmische Muskelzuckungen), epileptische Spasmen (rasche blitzartige Muskelanspannungen), hyperkinetische Anfälle (agitierte Motorik), myoklonische Anfälle (unwillkürliche kurze, nicht-rhythmische Muskelzuckungen) und tonische Anfälle (Muskelanspannung bzw. Versteifung einzelner Muskelgruppen). Wie jeder epileptische Anfall kann auch ein fokal beginnender Anfall mit motorischen Symptomen in einen Status epilepticus (SE) übergehen und stunden- oder sogar tage- bis wochenlang andauern (Epilepsia partialis continua, Koževnikov-Status).

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Fokal beginnende Anfälle ohne motorische Initialsymptomatik

Fokale Anfälle ohne initial-motorische Störungen können folgenden Charakter haben: autonom (zum Beispiel epigastrales Wärmegefühl, Schwitzen, Hautblässe, Inkontinenz oder Piloerektion), mit Arrest-Symptomatik (Innehalten mit völligem Bewegungsverlust), kognitiv (zum Beispiel Träumen oder verzerrte Zeitwahrnehmung), emotional (zum Beispiel Wut-, Angst- oder Glücksgefühle) und sensorisch (vor allem visuelle, auditive, gustatorische, olfaktorische, vertiginöse und sensible Veränderungen). Daneben gibt es fokal beginnende und zu bilateral tonisch-klonischen Anfällen übergehende Ereignisse.

Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung

Fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung entsprechen den bisher als „einfach-fokal“ bezeichneten Anfällen. Die Anfälle weisen häufig auf eine intrazerebrale Läsion hin. Sie können im Verlauf zu einer Bewusstseinsstörung führen oder in generalisierte Anfälle übergehen. Bisher hat man fokal beginnende Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung, die mehr oder weniger regelhaft in generalisierte Anfälle übergehen, als Auren bezeichnet. Da eine Aura definitionsgemäß aber selbst ein epileptisches Ereignis darstellt, verwendet die neue Klassifikation diesen Begriff nicht mehr. Wesentliche Formen im klinischen Alltag sind: Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen und Ausbreitungstendenz (Jackson-Anfälle) und Fokal beginnende Anfälle mit motorischen Symptomen ohne Ausbreitungstendenz.

Selbstlimitierende fokale Epilepsien im Kindesalter

Zu den selbstlimitierenden fokalen Epilepsien gehören gemäß ILAE (International League Against Epilepsy) die selbstlimitierende Epilepsie mit zentrotemporalen Spikes („benign childhood epilepsy with centrotemporal spikes“ [BCECTS]), die selbstlimitierende okzipitale Epilepsie des Kindesalters mit der Frühform (Typ Panayiotopoulos) und der Spätform (Typ Gastaut) sowie auch selbstlimitierende Epilepsien aus dem Frontal‑, Temporal und Parietallappen. Die selbstlimitierenden fokalen Epilepsien im Kindesalter sind eine heterogene Gruppe von Epilepsiesyndromen. Sie sind durch fokale epileptische Anfälle und charakteristische EEG-Veränderungen definiert, wobei eine strukturelle Ursache, soweit möglich, mit den gängigen bildgebenden Verfahren ausgeschlossen werden kann. Ihnen gemeinsam ist zudem ein meist erfreulicher Verlauf mit wenigen epileptischen Anfällen, normaler neurologischer Untersuchung und uneingeschränkter allgemeiner kognitiver Leistungsfähigkeit, wobei neurokognitive Schwächen v. a.

Panayiotopoulos-Syndrom (PS)

Das Panayiotopoulos-Syndrom (PS) wird gemäß der ILAE-Klassifikation von 2017 zu den selbstlimitierenden okzipitalen Epilepsien gezählt. Panayiotopoulos beschreibt das Panayiotopoulos-Syndrom als häufige, im Kindesalter auftretende, idiopathische, benigne Prädisposition für fokale, meist autonome epileptische Anfälle und autonomen Status epilepticus. Das Panayiotopoulos-Syndrom wurde erstmalig von Panayiotopoulos 1988 beschrieben. Die Erstmanifestation des PS liegt zwischen 1 und 14 Jahren, 76 % der Fälle beginnen zwischen 3 und 6 Jahren, und der Häufigkeitsgipfel liegt zwischen 4 und 5 Jahren. Die Anfälle des PS sind von autonomen, meist emetischen Symptomen geprägt. Der typische Ablauf eines Anfalles bei PS ist ein Kind, das Übelkeit beklagt, kränklich aussieht und erbrechen muss. Es kommt im weiteren Verlauf zu einer sukzessiven Beeinträchtigung des Bewusstseins, zudem zeigt das Kind eine Augendeviation und gelegentlich Hemikonvulsionen oder eine sekundäre Generalisierung des Anfalls. Die iktalen Symptome können in autonome und nichtautonome Symptome unterteilt werden. Das häufigste und auffälligste autonome Symptom beim Panayiotopoulos-Syndrom ist das Erbrechen. Die komplette Trias des Ictus emeticus mit Übelkeit, Würgen und schlussendlich Erbrechen findet sich in rund drei Viertel der Anfälle bei Patienten mit PS. Emesis ist meist das erste sichtbare Anfallssymptom, obwohl andere weniger auffällige Zeichen schon vorliegen.

Epilepsie trotz unauffälligem EEG

Trotz der Bedeutung des EEGs in der Epilepsie-Diagnostik, kann es vorkommen, dass Patienten epileptische Anfälle erleiden, obwohl das EEG unauffällig ist. Dies kann verschiedene Gründe haben:

  • Interiktale Aufnahmen: Das EEG wird meist interiktal, also zwischen den Anfällen, durchgeführt. Die epileptiforme Aktivität kann in dieser Phase fehlen oder nur sehr selten auftreten.
  • Fokale Anfälle: Bei fokalen Anfällen kann die pathologische Aktivität in tiefen Hirnregionen lokalisiert sein und an der Oberfläche nicht erfasst werden.
  • Fehlinterpretation: Normvarianten im EEG können fälschlicherweise als epilepsietypische Potenziale interpretiert werden, was zu einer Fehldiagnose führen kann. Umgekehrt können subtile Veränderungen übersehen werden.
  • Nicht-epileptische Anfälle: Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA) können epileptischen Anfällen ähneln, werden aber nicht durch abnorme elektrische Aktivität im Gehirn verursacht.

Fehldiagnosen bei Epilepsie

Studien zeigen, dass die Rate an Fehldiagnosen eines epileptischen Anfalls oder einer Epilepsie zwischen 4,6 und 30 % liegen kann. Auch tatsächliche epileptische Anfälle werden häufig nicht als solche erkannt, insbesondere fokale Anfälle.

Ursachen für Fehldiagnosen

  • Falsche Interpretation des EEGs: Ärzte brauchen viel Training bei der Auswertung der EEG. Wer aber wenig Erfahrung darin hat, könne verschiedene Muster nicht wirklich voneinander unterscheiden und käme dann gegebenenfalls zu einer Fehldiagnose.
  • Übersehen nichtkonvulsiver Anfälle: Bei leichteren Anfallsformen, vor allem wenn keine motorischen Symptome auftreten, kommt es eher zu einer Unterdiagnose. Eine Panikattacke oder Verhaltensstörung seien in diesem Fall eine häufige Fehldiagnose.
  • Fehlinterpretation von Ohnmachten: Ohnmachten infolge von Herzrhythmusstörungen oder Stoffwechselstörungen wie Unterzuckerungen können als epileptische Anfälle fehlgedeutet werden.
  • Psychogene Anfälle: Psychogene Anfälle, die insbesondere bei jungen Menschen in psychisch belastenden Situationen vorkommen, sind keine epileptischen Anfälle, können aber als solche fehlinterpretiert werden.

PNEA erkennen

Verschiedene klinische Zeichen machen einen PNEA wahrscheinlich und sprechen eher gegen einen epileptischen Anfall. Zu den Zeichen, die mit guter Evidenz für einen PNEA sprechen, gehören unter anderem geschlossene Augen und eine lange Anfallsdauer. Ein epileptischer Anfall ist meist nach etwa 90 Sekunden vorbei, während funktionelle/dissoziative Anfälle oft mehrere Minuten andauern. Zudem würden Personen mit PNEA häufig die Augen zusammenkneifen, wenn die untersuchende Person versucht sie zu öffnen. Das Bewegungsmuster ist ebenfalls ein wichtiges Differenzierungszeichen: Beckenstöße, stark fluktuierende und asynchrone Bewegungen sprechen eher für PNEA.

Diagnostische Maßnahmen bei Verdacht auf Epilepsie

Eine genaue Untersuchung und Diagnosestellung beim ersten Anfall ist sehr wichtig. Wenn Sie selbst oder Angehörige das erste Mal einen Krampfanfall erlitten haben, dann ist die Sorge groß. Schnell steht der Verdacht auf Epilepsie im Raum und dieser sollte auch zügig untersucht werden. Denn ein Krampfanfall kann ein Hinweis auf eine entzündliche Hirnerkrankung oder strukturelle Veränderungen des Gehirns sein, etwa durch Kopfverletzungen. Folgende diagnostische Maßnahmen sind wichtig:

  • Anamnese: Ein ausführliches Gespräch zwischen Ärztinnen und Ärzte und Patientinnen und Patienten ist wichtig, um die Vorgeschichte, die aktuellen Symptome sowie die Lebensgewohnheiten von Patientinnen und Patienten in Erfahrung zu bringen.
  • Fremdanamnese: Bei einer Fremdanamnese werden auch Angehörige z. B.
  • Videoaufnahmen: Bewährt bei der Diagnostik hat sich auch die Aufnahme eines Anfalls auf dem Smartphone durch Angehörige. Dieses Video kann dann den Ärztinnen und Ärzte vorgespielt werden.
  • EEG: Ein EEG zeichnet - ganz einfach gesprochen - die Gehirnströme auf, oder besser ausgedrückt, es misst die minimale elektrische Spannung auf der Kopfoberfläche. So lässt sich die Aktivität der Nervenzellen messen und visualisieren.
  • MRT: Im Falle einer unauffälligen Computertomografie (CT) führen wir noch am gleichen oder am nächsten Tag eine Magnetresonanztomografie (MRT) durch.
  • Blutuntersuchung: So wird das Blut untersucht, um Erkrankungen des Stoffwechsels als Auslöser auszuschließen.

Was tun bei einem epileptischen Anfall?

Ein einzelner epileptischer Anfall erfordert normalerweise keine medizinische Hilfe und stellt damit auch keinen medizinischen Notfall dar. Es gibt dennoch einige Maßnahmen, die man im Falle eines Falles ergreifen sollte, um demder Betroffenen und demder behandelnden Ärzt*in zu helfen. Angefangen von einfachen Maßnahmen, bis hin zu Notfallmedikamenten.

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