Epilepsie-Überwachung in der Nacht: Methoden und Technologien zur Anfallserkennung

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch übermäßige Aktivität von Nervenzellen im Gehirn und können sich auf unterschiedliche Weise äußern. Während einige Anfälle mit deutlichen Zuckungen oder Krämpfen einhergehen, können andere symptomlos verlaufen und unbemerkt bleiben. Die Unvorhersehbarkeit von epileptischen Anfällen stellt eine besondere Herausforderung für Betroffene und ihre Angehörigen dar, insbesondere in der Nacht.

Bedeutung der nächtlichen Epilepsie-Überwachung

Nächtliche Anfälle können unbemerkt bleiben und somit ein Risiko darstellen, insbesondere im Hinblick auf den plötzlichen unerwarteten Tod bei Epilepsie (SUDEP). SUDEP ist definiert als der plötzliche, unerwartete Tod einer Person mit Epilepsie, bei dem keine andere Todesursache festgestellt werden kann. Studien deuten darauf hin, dass SUDEP häufig im Schlaf auftritt, was die Bedeutung der nächtlichen Überwachung unterstreicht.

Die nächtliche Epilepsie-Überwachung zielt darauf ab, Anfälle frühzeitig zu erkennen und im Notfall Hilfe zu leisten. Dies kann dazu beitragen, das Risiko von Verletzungen, Komplikationen und möglicherweise SUDEP zu verringern.

Methoden der nächtlichen Epilepsie-Überwachung

Es gibt verschiedene Methoden und Technologien zur Überwachung von Epilepsie in der Nacht. Diese reichen von einfachen, nicht-technischen Ansätzen bis hin zu hochentwickelten Geräten und Systemen.

1. Klingelband

Eine einfache, aber effektive Methode zur Anfallserkennung in der Nacht ist das "Klingelband". Dabei wird ein Band mit aufgenähten Schellen um das Handgelenk des Patienten gelegt. Bei einem Anfall, der mit Unruhe oder Bewegungen einhergeht, erzeugt das Klingelband ein Geräusch, das Betreuer oder Angehörige alarmieren kann.

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Diese Methode wurde beispielsweise im Epilepsiezentrum Bethel eingesetzt, als noch nicht auf allen Plätzen eine Videoableitung sichergestellt war. Obwohl das Klingelband einfach ist, erwies es sich als äußerst effektiv, um Grand-mal-Anfälle zu erkennen.

2. Epi-Care®-Gerät

Das Epi-Care®-Gerät ist eine Alternative zum Klingelband, die von Eltern empfohlen wurde. Dieses Gerät verfügt über einen Bewegungssensor, der auf Unruhe reagiert und bei einem Anfall Alarm schlägt. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass das Epi-Care®-Gerät nicht für jede Familie oder jedes betroffene Kind geeignet ist, da die Anfallsart passen muss.

Das Epi-Care®-Gerät hat sich in vielen Fällen als Segen erwiesen und funktioniert seit Jahren problemlos mit einer extrem niedrigen Zahl von Fehlalarmen. Es ist jedoch wichtig, das Gerät auf jede neue Matratze zu justieren, um Fehlalarme zu vermeiden.

3. EKG- und SaO2-Monitore

EKG- (Elektrokardiogramm) und SaO2- (arterielle Sauerstoffsättigung) Monitore wurden in der Vergangenheit zur Anfallsüberwachung eingesetzt. Diese Geräte messen die Herzfrequenz und den Sauerstoffgehalt im Blut und können Veränderungen erkennen, die auf einen Anfall hindeuten könnten.

4. Babyphone und Kameras

Babyphone und Kameras können ebenfalls zur Überwachung von Epilepsie in der Nacht verwendet werden. Diese Geräte ermöglichen es Betreuern oder Angehörigen, den Patienten visuell und akustisch zu überwachen und bei Bedarf einzugreifen.

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5. Wearables und Smartwatches

In den letzten Jahren haben Wearables und Smartwatches an Popularität gewonnen, sowohl bei gesunden Menschen als auch bei Patienten mit Epilepsie. Diese Geräte sind mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, die unterschiedliche Messungen ermöglichen, wie z. B. Herzfrequenz, Aktivität und Schlafmuster.

Einige Wearables sind speziell für die Anfallsüberwachung konzipiert und können Anfälle erkennen, indem sie ungewöhnliche Bewegungen oder Veränderungen der Herzfrequenz messen. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Geräte nicht für alle Situationen geeignet sind und eine teils geringe Akkukapazität aufweisen können. Zudem sind viele Wearables überwiegend für Erwachsene konstruiert und aufgrund der anderen körperlichen Voraussetzungen bei Säuglingen und Kleinkindern nicht einsetzbar.

6. NightWatch®

NightWatch® ist ein weiteres Überwachungsgerät, das von Eltern in Umfragen genannt wurde. Es handelt sich um ein Armband, das Bewegungen und die Herzfrequenz misst und bei einem Anfall Alarm schlagen kann.

7. VitaGuard®-Monitore

VitaGuard®-Monitore sind Geräte, die Herzfrequenz, SaO2 und Atemfrequenz messen und zur Überwachung von Vitalfunktionen bei Kindern eingesetzt werden können. Sie können auch zur Anfallserkennung verwendet werden, indem sie Veränderungen dieser Vitalfunktionen überwachen.

8. Langzeit-Video-EEG-Monitoring

Das Langzeit-Video-EEG-Monitoring ist eine umfassende Methode zur Diagnose und Überwachung von Epilepsie. Dabei wird über einen Zeitraum von mehreren Tagen ein EEG (Elektroenzephalogramm) abgeleitet und gleichzeitig ein synchronisiertes Video aufgezeichnet.

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Diese Methode ermöglicht es Ärzten, Anfälle aufzuzeichnen und zu analysieren, um die Anfallsart, den Anfallsursprung und die Ausbreitung der Anfälle zu bestimmen. Das Langzeit-Video-EEG-Monitoring wird häufig in Epilepsie-Zentren eingesetzt, um Patienten mit therapieschwierigen Epilepsien zu untersuchen und die Möglichkeit eines epilepsiechirurgischen Eingriffs zu prüfen.

9. Polysomnographie

Die Polysomnographie ist eine umfassende Schlafuntersuchung, die verschiedene physiologische Parameter während des Schlafs misst, darunter EEG, Augenbewegungen, Muskelaktivität, Herzfrequenz und Atmung. Diese Methode kann verwendet werden, um schlafbezogene Anfälle zu erkennen und von anderen Schlafstörungen zu unterscheiden.

Faktoren bei der Auswahl einer Überwachungsmethode

Bei der Auswahl einer geeigneten Methode zur nächtlichen Epilepsie-Überwachung sollten verschiedene Faktoren berücksichtigt werden:

  • Anfallsart: Nicht alle Überwachungsgeräte sind für alle Anfallsarten geeignet. Einige Geräte sind besser darin, Anfälle mit deutlichen Bewegungen zu erkennen, während andere besser darin sind, Anfälle ohne motorische Symptome zu erkennen.
  • Alter und Gewicht des Patienten: Einige Geräte sind speziell für bestimmte Alters- oder Gewichtsklassen konzipiert.
  • Mobilität des Patienten: Die Mobilität des Patienten kann die Wahl des geeigneten Überwachungsgeräts beeinflussen.
  • Häufigkeit und Schwere der Anfälle: Bei häufigen und schweren Anfällen kann eine umfassendere Überwachungsmethode wie das Langzeit-Video-EEG-Monitoring erforderlich sein.
  • Benutzerfreundlichkeit und Zuverlässigkeit: Es ist wichtig, ein Gerät zu wählen, das einfach zu bedienen und zuverlässig ist, um Fehlalarme und unnötige Belastungen zu vermeiden.
  • Kosten und Kostenübernahme: Die Kosten für Überwachungsgeräte können variieren, und es ist wichtig, die Möglichkeiten der Kostenübernahme durch die Krankenkassen zu prüfen.

Ergebnisse einer Umfrage zur Anfallsüberwachung im Alltag

In Zusammenarbeit mit dem epilepsie bundes-elternverband (e.b.e.) wurde eine Umfrage bei betroffenen Familien initiiert, um zu untersuchen, wie sich verschiedene Anfallsüberwachungsgeräte im Alltag bewähren. Die Umfrage umfasste Fragen zu Basisdaten, Anfallsform, Häufigkeit der Anfälle und dem Einsatz von Überwachungsgeräten.

Die Ergebnisse der Umfrage zeigten eine große Vielfalt der eingesetzten Geräte. NightWatch® und VitaGuard® 3100/310 wurden am häufigsten genannt, gefolgt von den verschiedenen Modellen der Epi-Care®-Reihe. Interessanterweise gab es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Kindern und Jugendlichen mit und ohne Anfallsüberwachung.

Die Eltern beurteilten die Benutzerfreundlichkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit und Eignung für die Anfallsüberwachung anhand von Schulnoten. Tendenziell erhielten NightWatch® und VitaGuard® 3100/310 die besseren Bewertungen.

Die Kostenübernahme durch die Krankenkassen war nicht immer einheitlich. Kostenübernahmen für "offizielle" (CE-zertifizierte) Geräte erfolgten bei den VitaGuard®-Monitoren und Epi-Care® immer komplett, bei NightWatch® 25-mal komplett, 2-mal anteilig und 6-mal nicht. Kosten für ein Babyphone (mit/ohne Kamera) wurden nie übernommen.

Bedeutung der individuellen Anpassung

Jede Familie muss für sich selbst entscheiden, ob sie mit oder ohne "Nachtkontrolle" gut zurechtkommt. Es gibt keinen Einheitsweg, und die Wahl der geeigneten Überwachungsmethode sollte immer individuell auf die Bedürfnisse und Vorlieben des Patienten und seiner Familie abgestimmt sein.

Es ist wichtig, sich umfassend über die verschiedenen Überwachungsmöglichkeiten zu informieren und sich von Ärzten und anderen Fachleuten beraten zu lassen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann hilfreich sein, um Erfahrungen und Tipps zu sammeln.

Weitere Aspekte der Epilepsie-Behandlung

Neben der Anfallsüberwachung in der Nacht gibt es weitere wichtige Aspekte der Epilepsie-Behandlung, die dazu beitragen können, die Anfallskontrolle zu verbessern und das Risiko von Komplikationen zu verringern:

  • Medikamentöse Therapie: Die medikamentöse Therapie mit Antiepileptika ist die wesentliche Säule der Behandlung bei immer wieder auftretenden Anfällen. Antiepileptika beeinflussen die elektrische Erregbarkeit des Nervensystems und können dazu beitragen, Anfälle zu verhindern.
  • Chirurgische Therapie: Bei Patienten, bei denen die medikamentöse Therapie nicht ausreichend wirksam ist, kann eine Operation in Betracht gezogen werden. Dabei wird die epileptogene Zone im Gehirn entfernt oder deaktiviert.
  • Vagusnervstimulation: Die Vagusnervstimulation ist eine weitere Therapieoption für Patienten mit therapieschwierigen Epilepsien. Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse an den Vagusnerv am Hals sendet.
  • Ketogene Diät: Die ketogene Diät ist eine spezielle Ernährungsform, bei der nur wenig Kohlenhydrate und stattdessen vor allem Fette zu sich genommen werden. Diese Diät kann bei einigen Patienten mit Epilepsie die Anfallskontrolle verbessern.
  • Vermeidung von Anfallsauslösern: Bestimmte Faktoren können Anfälle auslösen, wie z. B. Schlafmangel, Alkohol, Stress und bestimmte Medikamente. Es ist wichtig, diese Auslöser zu identifizieren und zu vermeiden.
  • Psychosoziale Unterstützung: Epilepsie kann erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben. Psychosoziale Unterstützung kann helfen, mit den Herausforderungen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.

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