Epilepsie, eine neurologische Erkrankung, die durch wiederkehrende Krampfanfälle gekennzeichnet ist, betrifft bis zu ein Prozent der Bevölkerung. Diabetes mellitus, insbesondere Typ-1-Diabetes, zeigt in einigen Studien eine auffällige Verbindung zu Epilepsie. Dieser Artikel beleuchtet die komplexen Zusammenhänge zwischen Epilepsie und Diabetes, basierend auf aktuellen Forschungsergebnissen und medizinischen Erkenntnissen.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist keine seltene Erkrankung und kann in jedem Lebensalter auftreten. Auslöser sind kurzzeitige Funktionsstörungen im Gehirn, bei denen Nervenzellen unkontrollierte Impulse abfeuern. Dies führt zu fokalen (betrifft einzelne Gehirngebiete) oder generalisierten (betrifft das gesamte Gehirn) Krampfanfällen. Die Symptome können entsprechend unterschiedlich sein, typisch sind jedoch sekundenlange Bewusstlosigkeit und Zuckungen der Arme, Beine und des Gesichts. Häufig liegen organische Ursachen hinter einer Epilepsie, wie beispielsweise Hirnblutungen, Hirnentzündungen, Sauerstoffmangel, Tumore oder Hirnverletzungen.
Verbindung zwischen Typ-1-Diabetes und Epilepsie
Verschiedene wissenschaftliche Arbeiten deuten darauf hin, dass idiopathische Epilepsien gehäuft bei Menschen mit Typ-1-Diabetes auftreten. Eine Studie von Douglas McCorry und seinem Team am Walton Center für Neurologie und Neurochirurgie in Liverpool untersuchte 518 Personen im Alter von 15 bis 30 Jahren mit diagnostizierter idiopathischer generalisierter Epilepsie. Hierbei hatten sieben Patienten Typ-1-Diabetes (1,4 %). In einem gleichaltrigen Vergleichskollektiv (allgemeiner Bevölkerungsquerschnitt) gab es unter 150.000 Probanden nur 465 Epilepsie-Fälle (0,3 %).
In den meisten Fällen wurde zuerst Diabetes diagnostiziert, die Krampfanfälle traten erst später auf. Dies könnte darauf hindeuten, dass die Epilepsie durch eine Typ-1-Diabeteserkrankung ausgelöst wird. Es ist jedoch auch möglich, dass sich beide Erkrankungen unabhängig voneinander zu unterschiedlichen Zeitpunkten bemerkbar machen.
Eine retrospektive Studie aus Großbritannien, die 4922 Patienten mit vor dem 41. Geburtstag neu diagnostiziertem Typ-1-Diabetes einschloss und mit 19.688 Kontrollpersonen ohne Typ-1-Diabetes verglich, zeigte ebenfalls eine etwa dreifach erhöhte Wahrscheinlichkeit für die Diagnose einer Epilepsie bei Typ-1-Diabetikern. Dieses Ergebnis blieb auch nach Anpassung an verschiedene potenzielle Kovariablen bestehen.
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Mögliche Ursachen und Mechanismen
Der genaue Mechanismus, der den Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und Epilepsie erklärt, ist noch unklar. Diskutiert werden gemeinsame genetische und autoimmunologische Faktoren sowie metabolisch bedingte zerebrovaskuläre Noxen.
Erhöhte Diabetes Typ 1-Prävalenz bei Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie
Eine Studie des UCL Institute of Neurology, Queen Square, London, untersuchte 2.016 Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie. Die Ergebnisse zeigten, dass 20 der Studienteilnehmer unter Diabetes mellitus Typ 1 litten (Punktprävalenz: 9,9 Fälle pro 1.000 Personen). Die Diabetes mellitus Typ 1-Prävalenz war bei den Epilepsie-Patienten mehr als doppelt so hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. In 80 % der Fälle ging die Diabetes-Erkrankung der Epilepsie voraus, im Mittel um 1,5 Jahre. Die Patienten mit Typ-1-Diabetes hatten häufiger eine kryptogene/idiopathische Epilepsie und litten unter einer fokalen Epilepsie, deren Ursprung meist im Temporallappen lag.
Bedeutung der Glutamatdecarboxylase-Antikörper
Die Forscher vermuten, dass die Erkenntnisse von pathophysiologischer Bedeutung sein könnten, insbesondere im Hinblick auf die Glutamatdecarboxylase-Antikörper, die wichtige serologische Marker für die sehr frühe Identifizierung des insulinabhängigen Diabetes mellitus darstellen.
Hypoglykämien als Auslöser für epileptische Anfälle
Hypoglykämien können einen epileptischen Anfall auslösen. Daher sollte in der Differenzialdiagnose von Krampfanfällen bei Typ-1-Diabetikern nicht nur die Hypoglykämie, sondern auch ein potenziell erhöhtes genuines Epilepsierisiko in Betracht gezogen werden.
Diabetes und neurologische Entwicklungsstörungen bei Kindern
Eine Studie aus Taiwan mit über 870.000 Kindern, die zwischen 2004 und 2008 geboren wurden, zeigte einen Zusammenhang zwischen Diabetes der Mütter und verschiedenen neurologischen Entwicklungsstörungen ihrer Kinder. Dabei wurde zwischen Typ-1-Diabetes, Typ-2-Diabetes und Schwangerschaftsdiabetes unterschieden.
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Frauen mit Typ-1-Diabetes hatten häufiger Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, geistigen Behinderungen und Epilepsie. Typ-2-Diabetes war mit einem erhöhten Risiko für Autismus, ADHS, Entwicklungsverzögerungen, geistigen Behinderungen, zerebralen Lähmungen und Epilepsie assoziiert. Schwangerschaftsdiabetes war mit einem erhöhten Risiko für Autismus, ADHS und Entwicklungsverzögerungen verbunden. Insgesamt hatte Diabetes Typ 1 die gravierendsten Auswirkungen auf die Kinder, gefolgt von Typ-2-Diabetes und Schwangerschaftsdiabetes.
Akut symptomatische Anfälle (ASA)
Akut symptomatische Anfälle (ASA) sind epileptische Anfälle, die zeitnah zu einem auslösenden Ereignis auftreten. Die Ursachen der ASA sind vielfältig und reichen von vaskulären Ereignissen über Infektionen bis zu metabolisch/toxischen Ursachen. Bei metabolischen/toxischen Ursachen liegt die Latenzzeit meist innerhalb der ersten 24-48 Stunden nach dem Ereignis. Elektrolytentgleisungen, Hyperglykämien, Hypoglykämien und Schilddrüsenfunktionsstörungen können ASA auslösen.
Elektrolytentgleisungen
Akut auftretende und schwere Elektrolytentgleisungen können ASA zugrunde liegen. Hyponatriämie (Natriumwert < 115 mg/dl) und Hypernatriämie (Natriumwert > 170 mg/dl) können epileptische Anfälle auslösen. Auch Hypokalziämie und Magnesiummangel können zu ASA führen.
Hyperglykämie und Hypoglykämie
Hyperglykämien führen immer wieder zu akut symptomatischen Anfällen, insbesondere die nichtketotische Hyperglykämie. Hypoglykämien sind vor allem bei Neugeborenen und Kindern mit ASA verbunden, wobei hier die Gefahr der Entwicklung einer Epilepsie aufgrund von rezidivierenden neonatalen Hypoglykämien im Vordergrund steht.
Schilddrüsenfunktionsstörungen
Schilddrüsenhormone können die Erregungsbereitschaft im Gehirn steigern. Im Rahmen von thyreotoxischen Zuständen können in seltenen Fällen ASA auftreten. Eine Hypothyreose führt nur bei langfristiger, unbehandelter Unterfunktion oder im Rahmen eines Myxödemkomas zu ASAs.
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Leber- und Nierenerkrankungen
Akute wie chronische Leberfunktionsstörungen können im Rahmen der hepatischen Enzephalopathie zu akut symptomatischen Anfällen führen. Auch eine fortgeschrittene chronische Niereninsuffizienz kann das Auftreten des posterioren reversiblen Enzephalopathiesyndroms (PRES) begünstigen, das mit epileptischen Anfällen einhergehen kann.
Alkohol und Drogen
Sowohl eine akute Alkoholintoxikation als auch der Alkoholentzug können zu akut symptomatischen Anfällen führen. Auch eine Vielzahl von meist illegalen Drogen können in niedrigen Dosen ASA auslösen.
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