Epilepsie und Herzrhythmusstörungen: Eine komplexe Verbindung

Kardiale Erkrankungen wie Herzinsuffizienz und koronare Herzkrankheit sind eng mit dem Auftreten von Komorbiditäten verknüpft und beeinflussen Prävalenz, Prognose und Lebensqualität erheblich. In den letzten Jahren hat die Beziehung zwischen Herz und Hirn zunehmend an Bedeutung gewonnen. Neben dem Schlaganfall scheinen auch andere zerebrale Erkrankungen mit kardialen Entitäten verbunden zu sein. In diesem Kontext hat sich der Begriff des "epileptischen Herzens" etabliert. Weltweit sind über 50 Millionen Menschen von Epilepsie betroffen, wobei die Prävalenz in den Industrieländern zwischen 5 ‰ und 8 ‰ liegt.

Epilepsie: Ein ungelöstes Problem mit vielfältigen Ursachen

Epilepsie ist durch wiederkehrende Anfälle gekennzeichnet, die auf eine synchrone abnorme oder übermäßige neuronale Aktivität im Gehirn zurückzuführen sind. Die Erkrankung stellt in vielerlei Hinsicht ein ungelöstes Problem dar, da Patienten nicht nur unter den episodischen Anfällen leiden, sondern auch unter den damit verbundenen Behinderungen und der sozialen Stigmatisierung. Aus Public-Health-Sicht hat Epilepsie enorme medizinische, soziologische, kulturelle und wirtschaftliche Folgen.

Die Inzidenz von Epilepsien weist in der Kindheit und im höheren Erwachsenenalter einen Gipfel auf. Während im Kindesalter oft eine genetische Veranlagung oder genetische Erkrankungen sowie geburtstraumatische Schädigungen ursächlich sind, ist die Vielfalt der Ursachen bei Erwachsenen größer. Hier kommen insbesondere Schädigungen des Gehirns in Betracht, z. B. durch Schlaganfälle, Hirntumore oder Hirnverletzungen. Auch Stoffwechselstörungen, angeborene Gehirnveränderungen und Sauerstoffmangel können epileptische Anfälle verursachen. Oft bleibt die genaue Ursache jedoch unbekannt.

Das "epileptische Herz": Mehr als nur eine Komorbidität

Der Begriff "epileptisches Herz" deutet auf eine erhöhte Rate kardialer Erkrankungen bei Epilepsiepatienten hin. Tatsächlich wurden bei 62 % bis 82 % der Epilepsiepatienten kardiovaskuläre Komorbiditäten festgestellt. Eine retrospektive Studie mit der IQVIA Disease Analyzer®-Datenbank untersuchte eine Kohorte von 9.646 ambulanten Patienten mit Late-Onset-Epilepsie und eine gleich große Kohorte ohne Late-Onset-Epilepsie, die zwischen 2005 und 2018 beobachtet wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass innerhalb von 10 Jahren nach dem Indexdatum bei 28,5 % der Patienten mit Epilepsie und bei 20,5 % der Patienten ohne Epilepsie eine Herzinsuffizienz diagnostiziert wurde.

Verschiedene Mechanismen könnten die erhöhte Herzinsuffizienz-Rate bei Epilepsiepatienten erklären. Eine durch (wiederholte) epileptische Anfälle verursachte Hypoxie könnte ein möglicher Auslöser sein. Es wird vermutet, dass eine autonome Dysregulation aufgrund einer intermittierenden zerebralen Hypoxie die Verbindung zwischen zerebraler Hypoxie und kardialer Dysfunktion vermittelt.

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Arterieller Hypertonus und Epilepsie: Ein bidirektionaler Zusammenhang

Der arterielle Hypertonus (aHTN) ist eine nicht-zerebrale Komorbidität, die mit dem Auftreten von Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Durch seine kardiovaskulären Endpunkte wie Schlaganfall, Herzinfarkt und Herzinsuffizienz ist der aHTN einer der wichtigsten Morbiditäts- und Mortalitätsfaktoren. Eine Studie mit 168.612 ambulanten Patientinnen und Patienten mit arteriellem Hypertonus untersuchte, ob bestimmte antihypertensive Medikamente das Risiko für die Inzidenz einer Epilepsie verringern können.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Inzidenz von Epilepsie innerhalb von fünf Jahren am niedrigsten bei Patienten war, die mit Angiotensin-Rezeptorblockern (ARB) behandelt wurden, und am höchsten bei Betablocker- und Kalziumkanalblocker-Patienten. Die ARB-Therapie ging mit einer signifikant niedrigeren Inzidenz von Epilepsie einher als die anderen Medikamentenklassen. Beim Vergleich der verschiedenen ARBs zeigte Losartan den deutlichsten präventiven Effekt. Die Modulation des RAS-Systems bei kardialen Patienten könnte daher ein neuer Therapieansatz zur Primärprävention von Epilepsien sein.

Herzrhythmusstörungen und Epilepsie: Eine potenziell tödliche Verbindung

Das Konzept möglicher kardialer Nebenwirkungen einer repetitiven Hypoxie und vermehrter Katecholaminausschüttung als Folge einer Epilepsie legt nahe, dass auch Herzrhythmusstörungen mit Epilepsie assoziiert sein können. Auch eine Verbindung zwischen Epilepsien und ventrikulären Herzrhythmusstörungen/plötzlichem Herztod wird diskutiert, nicht zuletzt, da die fatale Komplikation eines plötzlichen Todes sowohl bei Epilepsie als auch bei Herzerkrankungen vorkommen kann.

Ein erheblicher Anteil der Todesfälle bei Epilepsie tritt plötzlich auf. Wenn Trauma, Ertrinken und ein dokumentierter Status epilepticus ausgeschlossen werden und die Autopsie keine anatomische oder toxikologische Todesursache ergibt, werden solche Todesfälle als plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie (SUDEP) klassifiziert. Während bei plötzlichem Herztod zumindest teilweise die zugrunde liegende Herzrhythmusstörung dokumentiert werden kann, ist der Pathomechanismus bei SUDEP häufig nicht klar nachvollziehbar. Mögliche Herzrhythmusstörungen als Mitursache werden von der Definition des SUDEP prinzipiell ausgeschlossen.

Vorhofflimmern und Epilepsie: Beeinflusst die Antikoagulation das Risiko?

Ob Menschen mit Vorhofflimmern eine Epilepsie bzw. Krampfanfälle entwickeln, wird möglicherweise von der Wahl des oralen Antikoagulans beeinflusst. Direkte orale Antikoagulanzien (DOAC) werden häufig zusammen mit Antiepileptika verschrieben, da Vorhofflimmern und Epilepsie oft als Komorbiditäten auftreten. Enzyminduzierende Antiepileptika (EI-ASM) können jedoch mit Schlüsselenzymen des Arzneimittelstoffwechsels interagieren und zu potenziellen Wechselwirkungen mit Pharmaka führen.

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Eine amerikanische Kohortenstudie untersuchte die Häufigkeit von Thromboembolien und größeren Blutungsereignissen bei erwachsenen Epilepsiepatienten unter einer Therapie mit DOAC plus EI-ASM versus DOAC plus nichtenzyminduzierenden Antiepileptika. Die Studie umfasste 14 078 Episoden der inzidenten Verordnung von DOAC und 14 158 Episoden vom inzidenter Therapie mit ASM.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Behandlung mit EI-ASM plus DOAC nicht mit einem erhöhten Risiko für thromboembolische Ereignisse assoziiert war. Gleichwohl zeigte sich unter der Kombination EI-ASM plus DOAC eine deutliche Verringerung des Risiko für schwere Blutungen. Dies deutet darauf hin, dass die vorgegebenen Dosierungen für DOAC möglicherweise eher hoch liegen, sodass ein hinzugegebener Enzyminduktor sich eher auf das Blutungsrisiko als auf das Risiko für thromboembolische Ereignisse auswirkt.

Lamotrigin und kardiale Risiken: Eine kritische Betrachtung

Die Food and Drug Administration (FDA) hat eine Warnung für den Einsatz von Lamotrigin veröffentlicht, da in vitro-Daten darauf hindeuten, dass Lamotrigin in therapeutischen Konzentrationen antiarrhythmische Effekte der Klasse Ib nach Vaughan Williams zeigt. Die FDA warnt, dass das Risiko für einen plötzlichen Tod bei Patienten mit struktureller Herzerkrankung oder Myokardischämie durch Lamotrigin erhöht sein könnte.

Die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie (DGfE) nimmt zu dieser Warnung wie folgt Stellung: Lamotrigin gehört zur Gruppe der Natrium-Kanal-Blocker. Seit vielen Jahren wird vor Eindosierung von Antiepileptika mit diesem Wirkmechanismus die Durchführung eines EKGs zum Ausschluss eines höhergradigen kardialen Blockbildes oder anderer kardialer Leitungsstörungen empfohlen. Es gibt momentan keine Daten aus klinischen Studien bzw. keine klinischen Beobachtungen, die zeigen, dass das kardiale Risiko bei Verabreichung von Lamotrigin erhöht ist.

Die DGfE geht davon aus, dass auf Basis der Datenlage der letzten Jahrzehnte auch unter hohen Dosen von Lamotrigin bei herzgesunden Patienten kein erhöhtes Risiko für klinisch relevante Herzrhythmusstörungen besteht. Vor Eindosieren von Natrium-Kanal-Blockern sollte gezielt nach kardiologischen Vorerkrankungen bzw. Vorkommen von Synkopen gefragt und so das kardiale Risikoprofil eingeschätzt werden.

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Kardiovaskuläre Risikofaktoren und Epilepsie: Ein Teufelskreis

Kardiovaskuläre Risikofaktoren sind bei Epilepsiepatienten weit verbreitet und prädisponieren zu zerebrovaskulären Erkrankungen und vaskulär bedingten Epilepsien. Umgekehrt können Epilepsien und Antikonvulsiva einen negativen Einfluss auf das kardiovaskuläre Risiko haben. Insbesondere der Einsatz enzyminduzierender Antikonvulsiva kann Dyslipidämien, Übergewicht oder Hyperhomozysteinämien verursachen oder verstärken.

Kardiovaskuläre Erkrankungen können Epilepsien oder akut-symptomatische Anfälle bedingen, z. B. durch Hirninfarkte, Hirnblutungen, zerebrale Hypoxien und hypertensive Krisen. Die allgemeine und kardiovaskuläre Mortalität ist bei Menschen mit Epilepsie erhöht. Sie erleiden im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung häufiger und früher Schlaganfälle, Herzinfarkte und einen plötzlichen Herztod.

Epileptische Anfälle und ihre Auswirkungen auf das Herz

Epileptische Anfälle können zu Störungen der koronaren Durchblutung, Herzmuskelmechanik und des Herzrhythmus führen. Die kardiale Belastung durch Anfälle findet ihren Ausdruck in EKG-Veränderungen und Troponin-Erhöhungen. Herzrhythmusstörungen sind eine häufige Folge epileptischer Anfälle. Iktale und postiktale Tachykardien sind häufig, diagnostisch nützlich und nur selten gefährlich. Iktale Bradykardien und Asystolien können typischerweise selbstlimitierende Synkopen auslösen, postiktale Asystolien enden hingegen unbehandelt nicht selten tödlich.

Differenzialdiagnose Synkope: Vorsicht bei der Abgrenzung

Synkopen sind die häufigste Differenzialdiagnose zu epileptischen Anfällen. Eine sorgfältige Anamnese und Diagnostik sind entscheidend, um die Ursache der Bewusstlosigkeit zu klären und eine adäquate Behandlung einzuleiten.

Fallbeispiel: Erbliche Herzerkrankung als Ursache von Krampfanfällen

In interdisziplinärer Zusammenarbeit haben Neurologen und Kardiologen des Uniklinikums Jena gemeinsam mit der Klinik für Kardiologie des Universitätsklinikums Münster bei einer Patientin eine erbliche Herzerkrankung als Ursache wiederkehrender generalisierter Krampfanfälle identifizieren können. Die Herzerkrankung verursachte wiederholt Kreislaufstillstände, die wiederum zu den Krampfanfällen führten. Dank der Entdeckung der Krankheitsursache können die Betroffenen jetzt vorbeugend behandelt werden, um das Auftreten ähnlicher schwerer Ereignisse bei ihnen zu verhindern.

Epilepsie: Vielfältige Symptome und Anfallsformen

Epileptische Anfälle können ganz verschiedene Ursachen haben und sich in vielfältiger Weise äußern. Neben den bekannten Grand-mal-Anfällen gibt es auch subtilere Anfallsformen, die oft nicht als Epilepsie erkannt werden. Auch Schweißausbrüche, Halluzinationen, ein aufsteigendes Unwohlsein in der Magengegend und Herzrasen können Symptome epileptischer Anfälle sein.

Das "Gewitter im Gehirn" betrifft entweder Teilbereiche des Gehirns (fokale Epilepsie) oder das gesamte Gehirn (generalisierte Epilepsie). Bestimmte Abläufe, Häufigkeiten und Symptome werden zu sogenannten Epilepsie-Syndromen zusammengefasst. Zudem ist nicht jeder einmalige Krampfanfall gleichbedeutend mit einer Epilepsie.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall: Was ist zu tun?

Die Symptome einer Epilepsie treten meist ganz plötzlich und unvermittelt auf, weshalb es entscheidend ist, dass Angehörige genau wissen, wie man schnell und präzise Erste Hilfe während eines Anfalls leistet. Das kann Angehörigen und Betroffenen große Angst machen. Denn meistens sind epileptische Anfälle zwar erschreckend, aber nicht gefährlich - zumindest dann nicht, wenn sie gut kontrolliert und behandelt werden.

Therapie der Epilepsie: Anfallskontrolle als wichtigstes Ziel

Die Epilepsie gilt als eine der am besten zu behandelnden neurologischen Erkrankungen der Welt und bis zu zwei Drittel der Patientinnen und Patienten werden durch die medikamentöse Therapie mit Antikonvulsiva anfallsfrei. Da Epilepsie jedoch nicht heilbar ist, gilt die Anfallskontrolle als wichtigstes Ziel. Diese ist oft nur durch eine lebenslange Einnahme der Anfallssuppressiva möglich, welche dann aber oft ein uneingeschränktes und selbstständiges Leben bis ins hohe Alter ermöglicht.

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