Epilepsie und Psychose: Ursachen und Zusammenhänge

Psychosen sind psychische Störungen, die die Wahrnehmung der Realität verändern. Betroffene haben oft Wahnvorstellungen oder Halluzinationen. Psychosen können vielfältige Ursachen haben und sich in Verhalten und Dauer unterscheiden. Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle aufgrund von abnormaler elektrischer Aktivität im Gehirn gekennzeichnet ist. Zwischen Epilepsie und Psychose besteht ein komplexer Zusammenhang, der in diesem Artikel näher beleuchtet wird.

Was sind Psychosen?

Unter dem Begriff Psychose fasst man eine Reihe von psychischen Störungen zusammen. Menschen mit Psychosen nehmen die Realität anders wahr und verarbeiten sie auch anders als eine gesunde Person. Psychosen treten relativ häufig auf - bei Männern und Frauen gleichermaßen. Im Laufe ihres Lebens erkranken circa drei bis vier Prozent der Menschen an einer Psychose. Die meisten Formen von Psychosen treten zwischen der Pubertät und dem 35. Lebensjahr auf.

Symptome einer Psychose

Die Psychose ist als Krankheitsbild sehr vielfältig. Halluzinationen und Wahnvorstellungen gehören zu typischen Symptomen und Anzeichen einer akuten Psychose. Beim Erleben einer Psychose ist das Empfinden des eigenen Körpers beeinträchtigt und das Denken, Gefühle und die Wahrnehmung anderer Menschen sind gestört.

Eine akute Psychose kann sich in drei Kategorien einteilen:

  • Negative Symptome: Stimmung, Motivation und Antrieb sind beeinträchtigt.
  • Positive Symptome: Halluzinationen und Wahnvorstellungen.
  • Kognitive Symptome: Leistungsabfall, Konzentrationsprobleme.

Folgendes Verhalten kann ein erstes Anzeichen einer Psychose darstellen:

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  • Leistungsabfall
  • Konzentrationsprobleme
  • Verminderte Lebensfreude
  • Depressive Verstimmtheit
  • Innere Unruhe, Ängstlichkeit und Nervosität
  • Rückzug aus sozialen Bindungen

Ein rechtzeitiges Erkennen dieser Psychose-Anzeichen kann den Verlauf abschwächen oder die akute Psychose sogar verhindern.

Arten von Psychosen

Es gibt verschiedene Arten bzw. Formen von Psychosen. Sie werden in primäre und sekundäre Psychosen eingeteilt. Die Aufteilung erfolgt anhand der Ursache der jeweiligen Psychose und der jeweiligen Symptome und Dauer.

Primäre Psychosen

Bei primären Psychosen gibt es keine körperliche Erklärung oder Ursache. Wie eine solche Psychose entsteht, ist also unbekannt. Vor allem psychotische Veränderungen wie Halluzinationen und Wahn sind die häufigsten Symptome dieser Form. Das bedeutet, es stehen vor allem Denkstörungen und Wahrnehmungsstörungen im Zentrum dieser Psychosen.

Beispiele für primäre Psychosen:

  • Schizophrene Psychose: Eine Schizophrenie oder auch schizophrene Psychose ist eine psychische Erkrankung.
  • Schizoaffektive Psychose: Bei dieser Form mischen sich die Symptome der schizophrenen und affektiven Psychose - also Wahn und Halluzinationen mit depressiven, manischen Zuständen.
  • Anhaltende wahnhafte Störung: Diese Form der Psychose zeigt sich in ungewöhnlichen Wahrnehmungserlebnissen und Denkstörungen. Klinisch gesehen definiert diese Art der Psychose ihre lange Dauer.
  • Akute vorübergehende psychotische Störung: Die Dauer dieser Form der Psychose ist maximal drei Monate. Sie zeichnet sich aus durch einen akuten Beginn innerhalb von zwei Wochen und dann durch sich schnell verändernde Symptome.
  • Induzierte wahnhafte Störung: Dabei wird die Wahnvorstellung einer Person auf einer andere übertragen bzw. induziert. Beide Personen stehen dabei in einem engen emotionalen Verhältnis.

Sekundäre Psychosen

Dieser Art oder Form von Psychose liegt eine körperliche Erklärung zu Grunde. Sie werden auch als organische oder symptomatische Psychosen bezeichnet. Wird die zu Grunde liegende körperliche Ursache dieser Psychose rechtzeitig erkannt und behandelt, ist sie in der Regel reversibel.

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Beispiele für sekundäre Psychosen:

  • Akute organische Psychose: Eine akute, organische Psychose tritt sehr plötzlich auf. Vor allem Störungen der Kognition, Psychomotorik und Affekte zeichnen diese aus. Beispiele für akute organische Psychosen sind:
    • Hirnlokales Psychosyndrom: Typische Symptome sind Bewusstseinsstörungen, Gedächtnisstörungen, Orientierungsstörungen, Ich-Erlebnisstörungen, Wahn und Halluzinationen. Ursachen sind z. B. Hirntumore, ein Schädel-Hirn-Trauma oder Epilepsie.
    • Delir oder Delirium: Ein Mensch, der sich im Delirium befindet, ist in einem Zustand schwankender Bewusstseinstrübung. Der Zustand setzt z. B. durch einen Krampfanfall ein. Typische Anzeichen dieser Psychose sind Desorientierung, Gedächtnisstörungen, Zittern, ängstliche Unruhe oder Halluzinationen. Ein Delir kann bei sehr hohem Fieber, Vergiftungen, Infektionen oder Flüssigkeitsmanngel, aber auch im Rahmen eines Entzugs z. B. bei Abhängigkeit von Drogen oder Alkohol auftreten.
    • Dämmerzustand: Vor allem bei Schädel-Hirn-Traumata, Epilepsie und Vergiftungen wird von dieser Form von akuter organischer Psychose gesprochen.
    • Durchgangssyndrom: Es handelt sich um einen Sonderfall. Diese Form der Psychose tritt zeitlich begrenzt nach operativen Eingriffen auf. Vergesslichkeit, verlangsamte Reaktionsfähigkeit und Schwindel sind typische Symptome.
  • Chronische Psychosen: Chronische Psychosen sind Folge einer chronischen Erkrankung des Gehirns. Dabei sind die kognitiven Fähigkeiten und das Gedächtnis beeinträchtigt. Das äußert sich vor allem in der Einschränkung des abstrakten Denkens, der Konzentrationsfähigkeit und dem Urteilsvermögen. Auch beeinträchtigt bei chronischen Psychosen sind die Psychomotorik, der Antrieb, Affekte und auch soziale Beziehungen. Diffuse oder lokale Psychose-Syndrome gehören zu den chronischen Psychosen. Sie tauchen bei chronischen Erkrankungen des Gehirns auf wie z. B. einer schweren Stoffwechselstörung. Auch bei einer Alkoholabhängigkeit können chronisch-organische Psychosen auftreten.

Phasen einer Psychose

Der Verlauf oder die Phasen einer Psychose sind abhängig von der Form der Psychose. Bei sekundären Psychosen hängt er vor allem mit der zugrundeliegenden Ursache zusammen. Bei primären Psychosen kann der Verlauf in vier Phasen eingeteilt werden:

  • Prodomalphase: Man nennt sie auch Vorläuferphase. Beschrieben wird hier der Zeitraum, bevor es zu ersten psychischen Veränderungen oder negativen Symptomen einer Psychose kommt bis zum Auftreten von positiven, psychotischen Anzeichen. Die Dauer dieser Phase kann ca. zwei bis fünf Jahre anhalten.
  • Phase der unbehandelten Psychose: Gemeint ist die Phase vom Anfang durchgängig auftretender psychotischer Symptome bis zum tatsächlichen Beginn einer Behandlung. Meistens dauert diese Phase sechs bis zwölf Monate.
  • Akutphase: Die Phase der akuten Psychose ist geprägt von gestörtem Verhalten aufgrund von Symptomen wie Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Denkstörungen, die alle sehr stark ausgeprägt sind. In dieser Phase der Erkrankung verstehen Betroffene oft gar nicht, dass sie eine Psychose haben und krank sind.
  • Langzeitphase: Sind akute positive Symptome verschwunden oder haben sich stabilisiert, kann es vorkommen, dass die negativen Symptome einer Psychose über einen längeren Zeitraum weiter bestehen. Diese Phase kann sich über Jahre ziehen und führt in manchen Fällen zu einem Rückfall in die akute Phase einer Psychose.

Folgen einer Psychose

Psychosen können Folgen oder Folgeschäden im Alltag haben. Das Leben von Betroffenen wird durch Psychosen stark beeinflusst. Wie stark ist abhängig von der Schwere der Störung oder Erkrankung der Psychose. Durch die auftretenden Symptome, sowohl körperlicher als auch psychischer Art, haben Menschen mit Psychosen oft Probleme in der Arbeitswelt zurecht zu kommen. Sie sind auch von längerfristiger Arbeitsunfähigkeit betroffen. Auch das Bewältigen des alltäglichen Lebens ist als Folge einer Psychose für Betroffene sehr schwierig. Aufgrund der noch vorliegenden Stigmatisierung ist es schwer, für Menschen mit Psychosen mit ihren Mitmenschen zu agieren. Diese reagieren oft abweisend und ängstlich gegenüber Betroffenen.

Epilepsie: Eine neurologische Erkrankung

Epilepsie umfasst eine Vielzahl von chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die aufgrund einer Überaktivität der Nervenzellen im Gehirn auftreten. Wenn Nervenzellen übermäßig aktiv sind, können sie anfallsartige Funktionsstörungen auslösen. Diese reichen von kaum merklichen geistigen Abwesenheiten (z. B. Absencen bei Kindern oder kognitive Anfälle bei Erwachsenen) über Wahrnehmungsstörungen bis hin zu schweren Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust. Es gibt generalisierte Anfälle (Grand Mal), bei denen das gesamte Gehirn beteiligt ist und fokale Anfälle (Petit Mal), die nur in einem Teil des Gehirns entstehen.

Ursachen der Epilepsie

Die Ursachen der Epilepsie sind noch nicht vollständig geklärt. In vielen Fällen ist eine Form der Epilepsie schon früher in der Familie aufgetreten, was für eine erbliche Veranlagung spricht. In einigen Fällen kann man Veränderungen im Erbmaterial (Genmutation) erkennen. Manche Anfälle können sich in Folge von Unfällen (posttraumatisch) oder als Reflexantwort ereignen. Bei anderen Anfällen können Veränderungen in der Gehirnstruktur (z. B. eine fokale kortikale Dysplasie) ursächlich sein.

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Auslöser (Trigger) von epileptischen Anfällen

Epileptische Anfälle können aus heiterem Himmel auftreten. In vielen Fällen sind aber auch bestimmte Trigger eines Anfalls bekannt. Die Auslöser können sich im individuellen Fall unterscheiden. Zu den häufigsten Triggern von epileptischen Anfällen gehören unter anderem:

  • Schlafmangel
  • Unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
  • Starke körperliche oder seelische Belastung (Stress)
  • Hohes Fieber
  • Alkohol und Alkoholentzug
  • Drogen oder Schlafmittelentzug
  • Eher selten flackerndes Licht (Computerspiele, Stroboskopbeleuchtung in Clubs)

Der Zusammenhang zwischen Epilepsie und Psychose

Eine Studie in Epilepsia (2011) zeigte, dass Patienten mit Epilepsie fast 6 Mal so häufig an einer Schizophrenie erkranken wie andere Menschen. Umgekehrt wird die Diagnose einer Epilepsie bei Patienten mit Schizophrenie fast 8 Mal häufiger gestellt. Die Inzidenz einer Epilepsie betrug bei Patienten mit Schizophrenie 6,99 pro 1,000 Personen-Jahren gegenüber 1,19 in der Kontrollgruppe ohne Schizophrenie. Die Inzidenz einer Schizophrenie betrug 3,53 pro 1000 Personenjahre bei Patienten mit Epilepsie gegenüber 0,46 bei Patienten ohne Epilepsie. Laut den Forschern traten Schizophrenien bei Männern mit Epilepsie häufiger auf als bei Frauen mit Epilepsie.

Worauf die Assoziation beruht, ist unklar. Es gibt verschiedene Theorien, die diesen Zusammenhang erklären könnten:

  • Gemeinsame genetische Faktoren: Es ist möglich, dass bestimmte Gene sowohl das Risiko für Epilepsie als auch für Psychosen erhöhen.
  • Hirnschädigungen: Epileptische Anfälle können zu Hirnschädigungen führen, die wiederum das Risiko für Psychosen erhöhen.
  • Medikamente: Einige Antiepileptika können psychotische Symptome auslösen.
  • Psychische Belastung: Die chronische Erkrankung Epilepsie kann zu psychischer Belastung führen, die das Risiko für Psychosen erhöht.

Diagnose und Behandlung

Um eine genaue Diagnose für eine Psychose zu stellen, finden Gespräche von Therapeutinnen und Therapeuten, Ärztinnen und Ärzten mit den Betroffenen, aber auch Familienangehörigen statt. In einem ausführlichen Gespräch werden aktuelle Symptome, der bisherige Verlauf, das soziale Umfeld, Vorerkrankungen und Lebensgewohnheiten besprochen. Damit eine Psychose richtig behandelt werden kann, muss als erstes geklärt werden, ob es sich um eine primäre oder sekundäre Psychose handelt. Eine organische Psychose kann mit Hilfe von labormedizinischen Untersuchen wie einer Blutuntersuchung und mit Hilfe von apparativen Untersuchungen wie einem EEG oder EKG festgestellt werden. Können alle möglichen körperlichen Auslöser sicher ausgeschlossen werden, wird eine Diagnose für eine primäre Psychose möglich. Trotzdem kommt es nach einer Erstuntersuchung meist zur Beobachtung des weiteren Verlaufs, um die Diagnose wirklich bestätigen zu können.

Die Therapie einer Psychose sollte allerdings schnellstmöglich erfolgen. Bei der Behandlung einer Psychose ist es wichtig, den Betroffenen klarzumachen, dass einige Symptome sich schnell verbessern und andere schwerer in den Griff zu bekommen sind. Grundsätzlich hängt die Art der Behandlung von Psychosen vom Schweregrad ab. So können diese in der Praxis oder einer Tagesklinik, aber auch stationär erfolgen. Weiterer Faktoren, welche die Behandlung und Therapie einer Psychose beeinflussen, sind die Ursachen der Krankheit. Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Therapie von Psychosen. Es ist möglich, dass sich die Symptome einer Psychose durch die richtige und langfristige Behandlung ganz zurückbilden.

Bei der Behandlung einer Psychose, egal welche Ursache sie hat, werden die akuten Symptome mit antipsychotischen Medikamenten bekämpft. Diese lindern oder beseitigen die Symptome und wirken vor allem gegen Wahn und Halluzinationen. Auch nach Besserung der Symptomatik müssen die Medikamente zur Prophylaxe weiter eingenommen werden, um einen Rückfall zu verhindern. Wie lange die Medikamente zur Vorbeugung einer weiteren psychotischen Phase eingenommen werden müssen, ist individuell unterschiedlich.

Es werden zwei Arten von Antipsychotika unterschieden. Es gibt die sogenannten typischen wie z. B. Haloperidol und die neu entwickelten atypischen Antipsychotika wie Quetiapin und Clozapin. Unterschieden werden die beiden Arten vor allem in ihren Nebenwirkungen. Welches Medikament zur Behandlung zum Einsatz kommt, wird je nach Fall von einer Ärztin oder einem Arzt festgelegt.

Psychotherapeutische Gespräche und andere kognitive Psychotherapieverfahren können helfen und sich positiv auf den Verlauf einer akuten Psychose auswirken. Primäres Ziel der Therapien ist es, vor allem die Reizüberflutung der Betroffenen einzudämmen und den Ängsten entgegenzuwirken. Ein weiteres Ziel, ist es Patientinnen und Patienten zu helfen, eine Krankheitseinsicht zu erhalten und genau zu verstehen, was die Psychose für eine Wirkung auf ihr Verhalten hat.

Bei einer organisch bedingten Psychose wird der Auslöser, wie z. B. ein Gehirntumor oder eine Epilepsie, behandelt. Gelingt die Behandlung der „äußerlichen“ Ursache, klingt die Psychose als Begleiterscheinung häufig ohne weitere Nebeneffekte ab.

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