Epileptische Anfälle und Epilepsien im Erwachsenenalter: Ursachen und Therapie

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen, die Menschen jeden Alters betreffen kann. Sie ist durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet, die durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn verursacht werden. Obwohl Epilepsie oft mit dem Kindesalter in Verbindung gebracht wird, können auch Erwachsene an dieser Erkrankung erkranken. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über epileptische Anfälle und Epilepsien im Erwachsenenalter, einschließlich Ursachen, Diagnose, Behandlungsmöglichkeiten und wichtigen Aspekten des Alltagslebens mit Epilepsie.

Was sind Epilepsien?

Epilepsie umfasst eine Vielzahl von chronischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems, die aufgrund einer Überaktivität der Nervenzellen im Gehirn auftreten. Wenn Nervenzellen übermäßig aktiv sind, können sie anfallsartige Funktionsstörungen auslösen. Diese reichen von kaum merklichen geistigen Abwesenheiten (z. B. Absencen bei Kindern oder kognitive Anfälle bei Erwachsenen) über Wahrnehmungsstörungen bis hin zu schweren Krampfanfällen mit Bewusstseinsverlust.

Definition und Klassifikation

Der Begriff „Epilepsie“ beschreibt demnach das Auftreten oder das Risiko für das Auftreten mehrerer epileptischer Anfälle in bestimmten zeitlichen Abständen, während ein einmaliger epileptischer Anfall nicht zwangsläufig bedeutet, dass auch eine Epilepsie vorliegt, die mit Anfallssuppressiva behandelt werden muss.

Es gibt generalisierte Anfälle (Grand Mal), bei denen das gesamte Gehirn beteiligt ist, und fokale Anfälle (Petit Mal), die nur in einem Teil des Gehirns entstehen.

Anfallsformen im Überblick

Betroffene zeigen sehr unterschiedliche Muster an Anfällen. Die Anfälle variieren hinsichtlich ihrer Auftretenshäufigkeit und hinsichtlich ihrer Form und Schwere.

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  • Fokale Anfälle: Fokale Anfälle werden auch als partielle oder lokalisationsbezogene epileptische Anfälle bezeichnet. Diese Anfälle gehen immer von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle). Im ersten Fall nimmt der Patient oder die Patientin den epileptischen Anfall nicht bewusst wahr und kann sich später an nichts erinnern. Bei Erwachsenen ist dies die am häufigsten beobachtete Anfallsform. Fokale epileptische Anfälle, vor allem solche mit Bewusstseinsstörung, können in einen sogenannten sekundär generalisierten Anfall (auch bilateral tonisch-klonischer Anfall) übergehen, der dann beide Gehirnhälften betrifft. Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden in der Literatur beschrieben. Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. So kann Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten durch den Anfall so beeinträchtigt sein, dass Betroffene Blitze sehen, Geräusche oder Stimmen hören, einen komischen Geschmack im Mund haben, etwas Merkwürdiges riechen oder Temperatur-Missempfindungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen spüren. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster, wie z. B.
  • Generalisierte Anfälle: Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen. Bei Absencen kommt es zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort. Obwohl diese Anzeichen typisch für Absencen sind, werden sie von Laien vielfach nicht als Symptome einer Epilepsie erkannt. Absencen sind eine häufige Epilepsie-Form des Kindesalters und werden zunächst meist als Unkonzentriertheit oder Träumerei missinterpretiert. Es kann zu wenigen Anfällen innerhalb eines Jahres bis hin zu mehrenden hundert am Tag kommen. Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen. Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht (siehe oben). Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient bzw. die Patientin im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken. Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.
  • Akut symptomatische Anfälle (ASA): Die ILAE definiert einmalige Krampfanfälle als sogenannte ASA. Sie werden nicht als Teil einer epileptischen Erkrankung eingestuft, sondern sind den epileptischen Anfällen lediglich ähnlich. Die Ursachen für einen solchen akut symptomatischen Anfall sind jedoch andere. ASA treten in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf, wie z. B. als Folge einer Unterzuckerung, einer Hirnschädigung oder eines Schlaganfalls. Des Weiteren gibt es epileptische Anfälle, die keiner der genannten Klassen zuzuordnen sind. Diese gruppiert die ILAE als Anfälle mit mutmaßlicher Ursache (idiopathische Epilepsie).

Die Symptome einer Epilepsie treten meist ganz plötzlich und unvermittelt auf, weshalb es entscheidend ist, dass Angehörige genau wissen, wie man schnell und präzise Erste Hilfe während eines Anfalls leistet. Das kann Angehörigen und Betroffenen große Angst machen.

Abgrenzung: Epilepsie vs. Gelegenheitsanfall

Einzelne epileptische Anfälle können auch bei Menschen ohne Epilepsie auftreten. Auslöser dieser Gelegenheitsanfälle sind dann zum Beispiel akute Erkrankungen, Verletzungen oder Fieberkrämpfe bei Kindern. Um eine Epilepsie handelt es sich nur, wenn man ohne ersichtlichen Grund mindestens zwei epileptische Anfälle hatte, die im Abstand von mehr als 24 Stunden auftraten oder nach einem ersten Anfall ohne bekannten Auslöser eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass innerhalb der nächsten 10 Jahre weitere Anfälle auftreten. Letzteres kann z. B. angenommen werden, wenn die Krankheit in der Familie bereits häufiger diagnostiziert wurde.

Ein Gelegenheitsanfall ist ein durch eine besondere Situation ausgelöster, nicht ein gelegentlich auftretender epileptischer Anfall (16). Im Gegensatz zum provozierten Anfall beschreibt dieser Begriff die Induktion einer erhöhten neuronalen kortikalen Exzitabilität durch äußere oder innere Faktoren, sodass ein epileptischer Anfall resultiert, ohne dass der Patient an einer Epilepsie leidet (7). Als Beispiel sei die Elektrokrampfbehandlung in der Psychiatrie genannt, bei der alle Behandelten einen Grand Mal erleiden (der heutzutage durch Muskelrelaxation semiologisch kupiert wird). Die Auslösung eines Anfalls ist also nur abhängig von der Reizstärke und kann grundsätzlich jeden Menschen betreffen.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen der Epilepsie sind noch nicht vollständig geklärt. In vielen Fällen ist eine Form der Epilepsie schon früher in der Familie aufgetreten, was für eine erbliche Veranlagung spricht. In einigen Fällen kann man Veränderungen im Erbmaterial (Genmutation) erkennen. Manche Anfälle können sich in Folge von Unfällen (posttraumatisch) oder als Reflexantwort ereignen. Bei anderen Anfällen können Veränderungen in der Gehirnstruktur (z. B. eine fokale kortikale Dysplasie) ursächlich sein.

  • Hirnschäden durch unfallbedingte Verletzungen, Entzündungen oder Tumore können eine Epilepsie auslösen.

Elektrolyt-Verschiebungen im Blut, eine Unter- oder Überzuckerung des Betroffenen können ebenso als Auslöser für einen epileptischen Anfall identifiziert werden wie beispielsweise eine zuvor aufgetretene Hirnblutung oder ein bis dato nicht erkannter Hirntumor.

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Auslösende Faktoren (Trigger)

Epileptische Anfälle können aus heiterem Himmel auftreten. In vielen Fällen sind aber auch bestimmte Trigger eines Anfalls bekannt. Die Auslöser können sich im individuellen Fall unterscheiden. Zu den häufigsten Triggern von epileptischen Anfällen gehören unter anderem:

  • Schlafmangel
  • unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus
  • starke körperliche oder seelische Belastung (Stress)
  • hohes Fieber
  • Alkohol und Alkoholentzug
  • Drogen oder Schlafmittelentzug
  • eher selten flackerndes Licht (Computerspiele, Stroboskopbeleuchtung in Clubs)

Diagnose

Um die Diagnose einer Epilepsie zu stellen, sind genaue Informationen zum Ablauf des Anfalls besonders wichtig. Der Betroffene hat häufig keine Erinnerung daran. Deshalb ist eine genaue Beschreibung zum Beispiel durch Angehörige oder sogar die Videodokumentation hilfreich.

Mittels EEG sind Ärzt:innen in der Lage, die elektrische Aktivität des Gehirns zu messen. Das Ergebnis sei aber immer nur eine Momentaufnahme. Ein unauffälliges EEG schließe keineswegs epileptische Anfälle aus, macht der Oberarzt deutlich. Es gebe bestimmte Methoden, um die diagnostische Trefferquote zu erhöhen. Dies ist zum Beispiel das EEG nach einer durchwachten Nacht oder die Langzeitaufzeichnung auch über Tage hinweg. Die Diagnose hängt insbesondere von der Wahrscheinlichkeit eines weiteren Anfalls, der Wiederholungswahrscheinlichkeit, ab.

Diagnostische Verfahren im Überblick

Für die Diagnose wird die Patientin oder der Patient ausführlich befragt und körperlich untersucht. Das Elektroenzephalogramm (EEG) misst die Hirnströme. Die Hirnstromkurve zeigt an, ob eine Neigung zu epileptischen Anfällen besteht. Weitere neurologische Veränderungen im Gehirn lassen sich zum Beispiel mittels der Computertomografie (CT) oder der Magnetresonanztomografie (MRT) darstellen. Auch die Blutuntersuchung kann dabei helfen, mögliche Ursachen für einen Krampfanfall oder eine Epilepsieerkrankung aufzuspüren. Manchmal wird eine genetische Testung veranlasst.

Im Fall der Diagnostik generalisierter Anfälle idiopathischer Genese kommt der EEG-Untersuchung eine große Bedeutung zu, da der Nachweis generalisierter Spike-Wave-Paroxysmen die ätiologische Aussage einer genetischen Disposition zu Epilepsie beinhaltet, die durch keine andere Zusatzuntersuchung belegt werden kann. Die Ausbeute solcher EEG-Befunde ist in den Stunden postiktal sowie nach dem Erwachen deutlich höher als zu anderen interiktalen Phasen (2). Bei klinischen Hinweisen und unauffälligem Ruhe-Wach-EEG (mit Hyperventilation und Photostimulation) sollte ein Schlaf-EEG durchgeführt werden.

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Behandlung

Welche Behandlung sinnvoll ist, hängt von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf ab. Meist wird eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden. Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe.

Antiepileptika heilen zwar nicht die Ursachen der Epilepsie. Sie können aber das Risiko senken, dass es zu Anfällen kommt.

Zur Behandlung einer Epilepsie sind über 20 verschiedene Wirkstoffe zugelassen.

  • Carbamazepin
  • Gabapentin
  • Lamotrigin
  • Levetiracetam
  • Pregabalin
  • Valproinsäure

Welche Mittel infrage kommen, hängt zunächst von der Epilepsieform ab. Auch die Wirksamkeit und mögliche Nebenwirkungen spielen eine Rolle. Manche Menschen vertragen bestimmte Mittel besser als andere. Nicht zuletzt beeinflussen die Lebensumstände und persönliche Bedürfnisse die Entscheidung für eine Behandlung.

Medikamentöse Therapie

Wer sich für eine Behandlung mit Medikamenten entscheidet, nimmt diese meist über mehrere Jahre ein. Wenn in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten sind, können manche Menschen versuchsweise auf Medikamente verzichten. Andere benötigen ihr Leben lang Medikamente.

In der Regel beginnt die Behandlung mit einem einzelnen Wirkstoff in einer niedrigen Dosierung. Reicht dies nicht, wird meist zunächst die Dosis gesteigert. Hilft auch das nicht ausreichend oder treten dabei starke Nebenwirkungen auf, wird ein anderer Wirkstoff eingesetzt. Häufig müssen mehrere Medikamente ausprobiert werden, um ein wirksames zu finden. Ziel der medikamentösen Behandlung ist es, Anfälle zu verhindern. Ist dies nicht möglich, wird versucht, zumindest ihre Zahl zu verringern.

Medikamente helfen vielen Menschen mit Epilepsie, Anfälle dauerhaft zu vermeiden. Etwa 5 von 10 Personen werden schon mit dem ersten Medikament anfallsfrei oder haben seltener Anfälle. Insgesamt treten bei etwa 7 von 10 Menschen mit Epilepsie keine Anfälle mehr auf, wenn sie Medikamente einnehmen.

Das bedeutet aber auch, dass Medikamente etwa 3 von 10 Menschen nicht ausreichend helfen. Sie haben trotz mehrerer Behandlungsversuche weiter regelmäßig Anfälle.

Manche Betroffene würden vielleicht auch ohne Medikamente keine weiteren Anfälle bekommen. Die Chancen dafür lassen sich nicht sicher vorhersagen - Ärztinnen und Ärzte können sie lediglich einschätzen.

Die meisten der für die jeweilige Epilepsieform als alleinige oder ergänzende Behandlung zugelassenen Medikamente helfen im Schnitt ähnlich gut. Dies zeigen mehrere zusammenfassende Analysen von Studien zu diesen Medikamenten. Wie sie bei einzelnen Betroffenen wirken, lässt sich jedoch nicht vorhersagen. Jeder Wirkstoff hat Vor- und Nachteile. Die zu Beginn der Behandlung meist nur niedrig dosierten Medikamente werden in der Regel gut vertragen. Wird die Dosis erhöht oder werden Medikamente kombiniert, sind Nebenwirkungen wahrscheinlicher. Es kann außerdem zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten kommen.

Welche Nebenwirkungen auftreten können und wie schwer sie sind, ist von Medikament zu Medikament unterschiedlich. Möglich sind unter anderem Müdigkeit, Schwindel, verlangsamtes Denken, Übelkeit und Hautausschlag. Oft sind solche Beschwerden leicht und gehen nach einiger Zeit vorüber.

Alternative Behandlungsmethoden

Können die Medikamente Anfälle nicht verhindern, ist ein Eingriff eine Alternative.

  • Operation: Wenn sich bei fokalen Anfällen feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns die Anfälle auslöst, kann er entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich. Bei diesem neurochirurgischen Eingriff wird ein Teil des Temporallappens aus dem Gehirn herausgetrennt.
  • Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden und soll die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und an der Regulierung der inneren Organe beteiligt. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien. Daher wird die Vagus-Stimulation von den gesetzlichen Krankenkassen nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall erstattet. Bei der Vagusstimulation wird ein bestimmter Nerv, vergleichbar mit der Situation bei einem Herzschrittmacher, stimuliert, um die Anfallsbereitschaft zu mindern.

Begleitende Maßnahmen

Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern. Für langjährig erkrankte Patienten gibt es auch die Möglichkeit im Rahmen der akut-neurologischen Behandlung eine sog. Epilepsie-Komplex-Behandlung für die Dauer von ca.

Anfallskalender

Es ist hilfreich, einen sogenannten Anfallskalender zu führen. Darin dokumentiert man, welche Medikamente man wann einnimmt, wann Anfälle auftreten und wie sie sich äußern. Dies kann es Ärztinnen und Ärzten erleichtern, den Krankheitsverlauf zu beurteilen.

Medikamente absetzen

Vielen Menschen fällt es schwer, Medikamente über lange Zeit regelmäßig einzunehmen. Es gibt aber einige Strategien, die dabei helfen können: Man kann die Medikamente zu festen Zeiten, an bestimmten Orten oder bei täglichen Routinen einnehmen - zum Beispiel immer vor dem Zähneputzen. Oder die Erinnerungsfunktion des Handys nutzen. Wer mehrere Jahre anfallsfrei war, möchte die Medikamente häufig absetzen. Dies ist oft möglich: Es wird geschätzt, dass etwa 3 von 10 Menschen, die nach Beginn der Behandlung keine Anfälle mehr haben, die Medikamente nach einigen Jahren weglassen können, ohne dass es zu neuen Anfällen kommt. Ob ein Absetzen sinnvoll ist, hängt vor allem davon ab, wie hoch das Risiko für einen Rückfall ist. Die Entscheidung sollte zusammen mit einer Ärztin oder einem Arzt abgewogen werden.

Um die Einnahme zu beenden, wird die Dosis schrittweise über mindestens 2 bis 3 Monate reduziert. Werden zwei oder mehr Medikamente eingenommen, wird zunächst nur die Dosierung eines Medikaments verringert.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.

  • Bevor der Notarzt gerufen wird, ist es besonders wichtig, den Betroffenen vor Verletzungen zu schützen. Der Patient sollte dabei aus dem Gefahrenbereich gebracht und sein Kopf geschützt werden.

Verhalten bei einem epileptischen Anfall

Wenn man Zeug*in eines epileptischen Anfalls bei einer anderen Person wird, ist es sehr wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben. Vor allem sollte man überlegen, wie man die Person vor Verletzungen schützt. Alles andere hängt von der Stärke und der Art der Anfälle ab.

  • Leichte epileptische Anfälle mit wenigen Symptomen: Bei kurzen Absencen oder Muskelzuckungen besteht keine unmittelbare Gefahr. Danach können sich die Betroffenen unsicher fühlen und Unterstützung benötigen.
  • Anfälle mit eingeschränktem Bewusstsein oder Verhaltensänderungen: Wenn Menschen mit einem epileptischen Anfall verwirrt wirken, ist es wichtig, sie vor Gefahren zu schützen (z. B. im Straßenverkehr). Gehen Sie dabei mit der Person ruhig um und fassen Sie sie nicht hart an. Hektik, Zwang oder Gewalt können zu starken Gegenreaktionen führen. Versuchen Sie dem oder der Betroffenen Halt und Nähe zu vermitteln.
  • Große generalisierte epileptische Anfälle: Bei einem großen generalisierten Anfall verkrampft der ganze Körper und die Person verliert das Bewusstsein. In diesen Fällen sollten Sie Folgendes tun: Ein epileptischer Anfall kann verschiedene Ursachen haben und das Symptom eines lebensbedrohlichen Notfalls sein. Wählen Sie daher immer den Notruf 112 und rufen Sie professionelle Hilfe. Sorgen Sie für Sicherheit, indem Sie z. B. gefährliche Gegenstände beiseite räumen. Polstern Sie den Kopf desr Betroffenen ab. Nehmen Sie seine/ihre Brille ab. Lockern Sie enge Kleidung am Hals, um die Atmung zu erleichtern. Bitten Sie Menschen, die in der Situation nicht helfen können, weiterzugehen. Viele Epileptikerinnen haben eine „Notfalltablette“ dabei, die einen längeren Anfall beenden kann. Diese Tablette sollte dem*r Betroffenen jedoch von geschulten Hilfspersonen verabreicht werden. Wenn Sie selbst nicht darin geschult sind, warten Sie bis professionelle Hilfe angekommen ist. Bleiben Sie nach dem Anfall bei der Person und bieten Sie Ihre Unterstützung an. Wenn die Person nach dem Anfall erschöpft ist und einschläft, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage.
  • Das sollten Sie in keinem Fall tun: Dieden Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt

Für die Patienten ist es im Nachgang hilfreich, wenn der Hilfeleistende auf die Uhr geschaut hat. So lasse sich die Länge des Anfalls für den behandelnden Arzt dokumentieren.

Leben mit Epilepsie

Die Lebensqualität eines Epileptikers hängt maßgeblich von seinen Anfällen ab.

Medikamente und Verhütung

Bestimmte Antiepileptika können die Wirksamkeit der Antibabypille herabsetzen. Umgekehrt kann die Pille die Wirksamkeit bestimmter Antiepileptika beeinflussen. Deshalb ist es für junge Frauen mit Epilepsie wichtig, frühzeitig mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt über das Thema Verhütung zu sprechen und zu überlegen, welche anderen Verhütungsmethoden infrage kommen.

Schwangerschaft

Frauen mit Kinderwunsch fragen sich häufig, ob eine Schwangerschaft trotz Epilepsie möglich ist. Sie sorgen sich, dass Anfälle und Medikamente einem ungeborenen Kind schaden könnten. Die meisten Frauen mit Epilepsie bringen aber gesunde Kinder zur Welt. Wichtig ist, sich rechtzeitig ärztlich beraten zu lassen und sich auf eine Schwangerschaft vorzubereiten. Dies kann das Risiko für Komplikationen senken.

Frauen mit Epilepsie sprechen am besten schon vor einer geplanten Schwangerschaft mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt. Es besteht auch die Möglichkeit einer genetischen Beratung.

Es kann sein, dass die Behandlung der Epilepsie während einer Schwangerschaft angepasst werden muss. Je höher Antiepileptika dosiert sind, desto eher können sie zu Fehlbildungen des Kindes führen oder die Entwicklung seines Nervensystems verzögern. Dieses Risiko ist besonders im ersten Drittel der Schwangerschaft erhöht, also bis zur zwölften Woche. Deshalb wird versucht, die Dosis der Medikamente während der Schwangerschaft möglichst niedrig zu halten und Mittel zu vermeiden, bei denen ein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen besteht. Ein einzelnes Medikament in niedriger Dosierung erhöht das Risiko für Fehlbildungen sehr wahrscheinlich nicht wesentlich.

Wie bei jeder Schwangerschaft wird auch Schwangeren mit Epilepsie empfohlen, Folsäurepräparate einzunehmen, um das Risiko für Missbildungen zu senken. Einige Epilepsie-Medikamente können den Folsäurespiegel im Körper senken; dann wird die Einnahme höherer Dosen Folsäure empfohlen.

Epileptische Anfälle schaden dem Kind in aller Regel nicht. Eine Ausnahme können lang anhaltende, generalisierte Anfälle sein, oder wenn sich eine Schwangere während eines Anfalls schwer verletzt.

Epilepsie im höheren Lebensalter

Ein Drittel der Menschen mit Epilepsie erkrankt erst nach dem 60. Lebensjahr. Ältere Menschen sind oft anfälliger für Nebenwirkungen von Medikamenten. Dies gilt auch für Antiepileptika. Wenn man aufgrund anderer Erkrankungen weitere Medikamente einnimmt, können Wechselwirkungen zwischen Medikamenten auftreten.

Als älterer Mensch ist es daher besonders wichtig, am besten nur ein Epilepsie-Medikament in möglichst niedriger Dosis einzunehmen.

Verlauf und Prognose

Epilepsien können unterschiedlich verlaufen. Es gibt Menschen, die nur wenige Anfälle in ihrem Leben erleiden. Die Krankheit hat in diesen Fällen kaum Einfluss auf die Lebensplanung und -qualität der Betroffenen. Unter Umständen können diese Personen nach einigen Jahren Anfallsfreiheit ihre Epilepsie-Medikamente unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle sehr langsam ausschleichen.

Wenn die Medikamente dazu führen, dass die Betroffenen anfallsfrei sind oder deutlich weniger Anfälle erleiden, können diese ein weitgehend normales Leben führen. Solange das Risiko von Anfällen besteht, dürfen die Betroffenen jedoch kein Kraftfahrzeug fahren. Etwa 30-40 Prozent der Patient*innen werden durch die medikamentöse Therapie nicht vollständig anfallsfrei.

Wenn zwei sorgfältig ausgewählte Medikamente in ausreichender Dosierung versagen, gilt eine Epilepsie als pharmakoresistent, d.h. sie spricht nicht ausreichend gut auf medikamentöse Therapien an. Wenn eine Stelle im Gehirn (Fokus) zu erkennen ist, von der die Anfälle ausgehen, kann eine Operation Patient*innen mit einer pharmakoresistenten Epilepsie unter Umständen helfen. Um festzustellen, ob solch ein Fokus vorliegt und auch operiert werden kann, müssen verschiedene Untersuchungen, darunter spezielle EEG- und Bildgebungsverfahren, durchgeführt werden.

Mögliche Folgen

Die gute Nachricht ist: Epileptische Anfälle führen in der Regel nicht zu bleibenden Schäden im Gehirn und auch nicht zu geistigen Behinderungen. Bei einem Status epilepticus kann es jedoch zu bleibenden Schäden kommen.

Die unmittelbaren Folgen nach einem epileptischen Anfall sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängen von der Stärke des Anfalls ab. Es gibt Menschen, die sich schnell von einem Anfall erholen und die Tätigkeit gleich wiederaufnehmen können.

Verletzungen infolge eines epileptischen Anfalls kommen immer wieder vor. Besonders hoch ist das Verletzungsrisiko bei einem generalisierten Anfall. Neben Sturzverletzungen und Prellungen kann es vorkommen, dass sich die Betroffenen in die Zunge beißen.

Nach schweren Anfällen können die Betroffenen verwirrt sein. Sie brauchen Zeit, um wieder zu sich zu kommen. In den Stunden danach können vorübergehend auch Niedergeschlagenheit, Vergesslichkeit, Sprachstörungen oder Lähmungen auftreten. Einige Menschen sind nach einem Anfall völlig erschöpft und schlafen viel.

Die Angst vor einem Anfall kann Betroffene psychisch belasten. Darüber hinaus ist das Risiko für eine Depression bei Menschen mit Epilepsie erhöht.

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