Epileptische Anfälle sind ein Zeichen für Funktionsstörungen im Gehirn, die sich in vielfältigen Formen äußern können. Atemnot (Dyspnoe) kann in diesem Zusammenhang als Begleiterscheinung oder Folge eines Anfalls auftreten. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Formen epileptischer Anfälle, mögliche Ursachen von Atemnot im Zusammenhang mit Anfällen und gibt Hinweise zu Diagnose und Behandlung.
Formen epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle werden grundsätzlich in zwei Hauptkategorien unterteilt: fokale und generalisierte Anfälle.
Fokale Anfälle
Ein fokaler Anfall entsteht in einem begrenzten Bereich des Gehirns. Die Symptome sind abhängig von der Funktion des betroffenen Hirnareals.
- Motorische Symptome: Diese äußern sich beispielsweise in Zuckungen eines Arms (klonischer Anfall) oder in einer Verkrampfung bzw. Versteifung (tonischer Anfall). In manchen Fällen lässt die Muskelspannung in einer Körperregion plötzlich nach (atonischer Anfall).
- Sensorische Symptome: Betroffene verspüren Missempfindungen wie Kribbeln, Brennen oder Temperaturveränderungen in einem Körperteil. Auch Halluzinationen (Geräusche, Stimmen, Gerüche, Geschmäcker, Lichtblitze oder ganze Szenen) sind möglich.
- Weitere Symptome: Schwindel und Angstgefühle können ebenfalls auftreten.
Je nachdem, ob der Patient während des Anfalls bei vollem Bewusstsein bleibt oder nicht, unterscheidet man zwischen einfachen und komplexen fokalen Anfällen. Bei einem einfachen fokalen Anfall ist das Bewusstsein nicht beeinträchtigt, während ein komplexer fokaler Anfall mit einer Bewusstseinsstörung einhergeht. Typisch für komplexe fokale Anfälle sind Automatismen, unbewusste und rhythmische Bewegungsabläufe wie Kaubewegungen, Schmatzen, Nesteln an der Kleidung oder Scharren mit den Füßen.
Die Dauer komplexer fokaler Anfälle variiert in der Regel von einigen Minuten bis zu einer Viertelstunde. Im Nachhinein können sich Patienten oft nicht an den Anfall erinnern (Gedächtnislücke).
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Ein fokaler Anfall kann sich im weiteren Verlauf generalisieren, d.h. das "Gewitter im Kopf" breitet sich auf das gesamte Gehirn aus. Dies wird als sekundär generalisierter Anfall bezeichnet.
Generalisierte Anfälle
Bei generalisierten Anfällen sind von Beginn an beide Hirnhälften betroffen. Die Nervenzellen im Gehirn feuern kurzzeitig synchron und entladen sich exzessiv. Generalisierte Anfälle sind häufiger mit Bewusstlosigkeit verbunden als fokale Anfälle.
Motorische Anfallsformen: Hierzu zählen tonische, klonische und atonische Anfälle, die sich jedoch ausgedehnter als bei fokaler Epilepsie zeigen können.
Grand-Mal-Anfall (generalisierter tonisch-klonischer Anfall): Dies ist die bekannteste Anfallsform, die in zwei Phasen verläuft:
- Tonische Phase: Der Körper ist steif, Arme und Beine sind meist gestreckt. Der Patient ist bewusstlos und die Atmung kann kurzzeitig ausfallen, was zu einem Sauerstoffmangel (Zyanose) führen kann.
- Klonische Phase: Es folgen unkontrollierte Zuckungen in Armen und Beinen. In dieser Phase können sich Patienten auf die Zunge beißen. Gelegentlich kommt es zu unwillkürlichem Harn- und (seltener) Stuhlabgang. Die klonische Phase dauert meist nur wenige Minuten.
Nach dem Grand-Mal-Anfall fallen die Patienten in einen tiefen Schlaf und erinnern sich nach dem Aufwachen nicht an den Anfall, haben aber oft Muskelkater.
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Absencen (Petit Mal): Dies ist eine milde Form des generalisierten Anfalls, die sich als abrupte, sekundenlange Bewusstseinsstörung äußert. Der Betroffene nimmt seine Umgebung nicht wahr, verliert aber nicht das Bewusstsein. Es gibt verschiedene Arten von Absencen, die von einfachen, unauffälligen Unterbrechungen der Aktivität bis hin zu komplexen Formen mit Muskelzuckungen oder dem sogenannten Sternguckerzeichen (Kopf nach hinten geneigt, Blick nach oben gerichtet) reichen. Atypische Absencen haben deutlichere Begleiterscheinungen und können häufiger hintereinander auftreten, bis hin zum Absence-Status, der gefährlich ist und behandelt werden muss.
Myoklonischer Anfall: Bei einem myoklonischen Anfall kommt es zu plötzlichen, schnellen Zuckungen einzelner Muskelgruppen. Der Patient bleibt dabei meist bei Bewusstsein.
Atonischer Anfall: Bei einem atonischen Anfall lässt plötzlich allgemein die Muskelspannung nach, etwa in den Beinen. Passiert das während des Gehens, knicken womöglich die Beine abrupt ein - der Patient stürzt.
Epileptischer Anfall und Atemnot
Atemnot (Dyspnoe) ist ein subjektives Gefühl von Kurzatmigkeit oder Schwierigkeiten beim Atmen. Im Zusammenhang mit epileptischen Anfällen kann Atemnot verschiedene Ursachen haben:
- Während des Anfalls: Insbesondere bei tonisch-klonischen Anfällen kann es durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur zu einem kurzzeitigen Atemstillstand kommen. Dies führt zu einem Sauerstoffmangel im Blut (Hypoxie), der sich durch eine bläuliche Verfärbung der Lippen oder der Haut (Zyanose) äußern kann.
- Nach dem Anfall: Auch nach dem Anfall kann die Atmung beeinträchtigt sein. Dies kann durch die Erschöpfung der Atemmuskulatur, eine Aspiration von Speichel oder Erbrochenem oder durch eine zugrunde liegende Lungenerkrankung verursacht werden.
- Status epilepticus: Ein Status epilepticus, einAnfall der länger als 5 Minuten anhält, oder mehr als 2 aufeinanderfolgende Anfälle über einen Zeitraum von mehr als 5 Minuten ohne Wiedererlangen des Bewusstseins, stellt ein dringend therapiebedürftiges Notfallbild dar! Hierbei ist die Atemfunktion besonders gefährdet.
- Weitere Ursachen: Angst und Panikattacken, die im Zusammenhang mit Anfällen auftreten können, können ebenfalls zu Atemnot führen. Auch bestimmte Medikamente können als Nebenwirkung Atemnot auslösen.
Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jede Atemnot bei einem epileptischen Anfall lebensbedrohlich ist. Ein kurzzeitiger Atemstillstand während eines tonisch-klonischen Anfalls ist in der Regel nicht gefährlich. Wenn die Atemnot jedoch länger anhält, mit Bewusstlosigkeit einhergeht oder andere besorgniserregende Symptome auftreten, sollte umgehend ein Notarzt gerufen werden.
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Ursachen für Epilepsie
Die Entstehung einer Epilepsie ist vielfältig. In etwa 80 % der Fälle kann durch entsprechende Untersuchungen eine Zuordnung zu einem spezifisch definierten Epilepsiesyndrom, einem fokalen Epilepsiesyndrom oder einem generalisierten (genetisch bedingten) Epilepsiesyndrom gelingen.
Mögliche Ursachen und Auslöser sind:
- Genetische Faktoren: In manchen Familien tritt Epilepsie gehäuft auf.
- Störungen der Hirnreifung: Während der Schwangerschaft oder durch Geburtskomplikationen.
- Hirnschädigungen: Durch Unfälle, Schlaganfälle, Tumore, Entzündungen (z.B. Hirnhautentzündung) oder Stoffwechselstörungen.
- In vielen Fällen ist keine konkrete Ursache erkennbar.
Diagnose
Nach einem erstmaligen epileptischen Anfall sollte eine ausführliche diagnostische Abklärung durch einen erfahrenen Arzt (Neurologen, Epileptologen) erfolgen.
Die Diagnose umfasst:
- Anamnese: Erhebung der Krankheitsgeschichte, genaue Beschreibung des Anfallsverlaufs, möglicher Auslöser und Grunderkrankungen.
- Körperliche Untersuchung: Mit besonderem Schwerpunkt auf Herz und Lunge.
- Neurologische Untersuchung:
- Bildgebung des Gehirns: Im Notfall mittels Computertomogramm (CCT), im Verlauf mit Magnetresonanztomografie (MRT). Die Magnetresonanztomografie (MRT) liefert hochauflösende Bilder: Hier können selbst feinste Veränderungen im Gehirn sichtbar gemacht werden. Dank der funktionellen MRT können außerdem wichtige funktionstragende Areale lokalisiert werden. Zudem setzt unser ärztliches Personal das sogenannte Fibertracking-Verfahren ein. Dabei werden aus den MRT-Aufnahmen die Verläufe einzelner Nervenfasern im Gehirnre konstruiert. Kombiniert mit der Neuronavigation bietet Fibertracking einen bedeutenden Fortschritt für mikrochirurgische Therapie-Ansätze.
- Elektroenzephalografie (EEG): Messung der Hirnströme, um die elektrische Aktivität des Gehirns zu untersuchen und Anfallsmuster zu erkennen. In der Schön Klinik Vogtareuth sind wir bestens ausgerüstet, um selbst therapieschwierige Epilepsien zu behandeln. Für manche Kinder kommt ein epilepsiechirurgischer Eingriff infrage, dem ein aufwendiges Epilepsie-Monitoringvorausgeht. Mit unserer modernen Monitoring-Unit für Kinder sind wir eine der wenigen Kliniken in Deutschland, die ein präzises und intensives Video-EEG durchführen können. EEG-überwacht, um Anfallsverläufe aufzeichnen zu können. Als eine der wenigen Kliniken in Deutschland implantieren wir Tiefenelektroden in das Gehirn. Dieses Verfahren erlaubt uns eine noch akkuratere Messung der Hirnströme und somit eine exakte Diagnose. Mithilfe des robotergestützten Navigationssystems ROSA setzt unser neurochirurgisches Personal oft weit über zehn Tiefenelektroden in das Gehirn. Dank der Roboter-Assistenz geschieht dies sehr rasch und die Narkosezeit kann erheblich verkürzt werden. Der Roboter greift auf vorher eingespeiste Computerdaten zurück und weist dem Operateur den Weg. Dadurch können die Elektroden ganz präzise eingebracht werden. Anhand genauester Daten kann nun unser kinderneurologisches Personal gemeinsam mit dem neurochirurgischen Operierenden entscheiden, welche Abschnitte des Gehirns entfernt werden können, ohne wichtige Gehirnfunktionen zu schädigen. Ziel dabei ist meist die Anfallsfreiheit, manchmal auch eine Reduktion belastender Anfälle.
- Blutuntersuchungen: Zur Überprüfung von Stoffwechselparametern und zum Ausschluss anderer Ursachen.
Behandlung
Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
- Medikamentöse Therapie: Antiepileptika sind Medikamente, die die übermäßige Nervenzellenaktivität im Gehirn hemmen. Die Auswahl des Medikaments erfolgt individuell unter Berücksichtigung des Epilepsiesyndroms und möglicher Nebenwirkungen. Oberstes Ziel der medikamentösen Behandlung ist eine dauerhafte Anfallsfreiheit.
- Chirurgische Therapie: Für Menschen mit einer sogenannten pharmakoresistenten fokalen Epilepsie (nach 2 Jahren keine Anfallsfreiheit trotz mindestens 2 Medikamenten in ausreichend hoher Dosierung) kann eine operative Behandlung in Erwägung gezogen werden. Dabei wird versucht, das anfallsauslösende Hirnareal neurochirurgisch zu entfernen.
- Vagusnervstimulation: Bei diesem Verfahren wird ein schrittmacherähnliches Aggregat unter die Haut im Brustbereich implantiert, das elektrische Impulse an den Vagusnerv abgibt, um die Überaktivität des Nervensystems zu hemmen.
- Tiefe Hirnstimulation: Hierbei werden hauchdünne Sonden in bestimmte Hirnareale im Gehirn eingebracht, um die übererregbaren Zentren zu hemmen.
- Ernährungsumstellung: In einigen Fällen kann eine Umstellung der Ernährung (z.B. ketogene Diät) unterstützend wirken.
- Anfallsdetektionsgeräte: Weder für Patienten noch für Ärzte ist die Auswahl eines geeigneten Anfallsdetektionsgeräts leicht. Im Internet werden zahlreiche Produkte beworben. Bei Sensoren, die nicht am Körper, sondern am Bett oder unter der Matratze positioniert werden, handelt es sich um piezoelektrische Systeme. Diese erzeugen elektrische Ladung durch physikalische Krafteinwirkung. Eine Anfallserkennung ist auch über Sensoren möglich, welche elektrische Spannungsänderungen messen. Solche Spannungsänderungen sind im Körper und an der Haut, wenn sich im Gehirn sowie der Skelett- und Herzmuskulatur Aktivitäten ändern. Mit Hautelektroden, die z. B. am Oberarm, auf dem Brustkorb, an der Kopfhaut oder im äußeren Gehörgang angebracht werden, können diese elektrischen Spannungsänderungen gemessen werden. Bspw. Technologien zur Erfassung der elektrischen Spannung sind EMG (Elektromyographie, Messung am Oberarm oder Brustkorb), EKG (Elektrokardiographie, Messung am Brustkorb), EEG (Elektroenzephalographie, an der Kopfhaut oder im äußeren Gehörgang) sowie EDA (elektrodermale Aktivität, Messung der Hautleitfähigkeit). Bei Wearables kommen v.a. EMG-Technologien zum Einsatz.
Was tun bei einem epileptischen Anfall?
- Ruhe bewahren.
- Den Betroffenen nicht festhalten.
- Gegenstände in der Nähe entfernen, um Verletzungen zu vermeiden. Dies betrifft vor allem Verlaufsformen mit großer motorischer Unruhe. Auch das Schützen des Kopfes ist hilfreich. Wenn der Anfall mit starken Muskelkontraktionen und einer Bewusstlosigkeit einhergeht, sollte der/die Betroffene nicht festgehalten werden.
- Bei Atemnot oder einem Anfall, der länger als fünf Minuten dauert (Status epilepticus),Notarzt rufen.
- Nach dem Anfall den Betroffenen in eine stabile Seitenlage bringen.
Epilepsie und Lebensqualität
Aufgrund der Notwendigkeit einer dauerhaften Behandlung ist selbst bei Anfallsfreiheit die Epilepsie als eine chronische Erkrankung zu verstehen. Menschen, die an einer Epilepsie erkrankt sind, können daher auch motorisch-funktionelle oder psychomentale Defizite unterschiedlicher Ausprägung aufweisen, die mit entsprechenden Einschränkungen hinsichtlich Aktivität und Teilhabe verbunden sein können. Die Lebensqualität von epilepsieerkrankten Menschen ist aufgrund negativer Stigmatisierung und noch weitverbreitetem Unverständnis in der Bevölkerung bei dem Thema Epilepsie häufig vermindert. Das Krankheitsverständnis, die Akzeptanz und der Umgang mit der Erkrankung ist bei den Betroffenen und dem persönlichen Umfeld in vielen Fällen unzureichend.
Rehabilitation
Wenn körperliche oder mentale Einschränkungen bestehen, Probleme beim Umgang mit der Erkrankung oder gar die Erwerbsfähigkeit gefährdet ist, sollte eine neurologische Rehabilitation mit Schwerpunkt Epilepsie in Erwägung gezogen werden. Vor einer Rehabilitationsmaßnahme sollte die medizinische Situation und Anfallssituation stabil sein. Schwerpunkt der Rehabilitationsmaßnahme sind Minderung von Funktionseinschränkungen sowohl im Bereich der Hirnleistung (Gedächtnis, Aufmerksamkeit etc.) aber auch bei körperlichen Einschränkungen sowie bei Problemen im Umgang mit der Erkrankung und bei komplexen sozialmedizinischen und beruflichen Fragestellungen.
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