Epileptischer Anfall: Symptome erkennen und richtig handeln

Ein epileptischer Anfall kann sich auf vielfältige Weise äußern. Viele Menschen denken bei Epilepsie sofort an Bewusstseinsverlust und Muskelkrämpfe, aber die Realität ist oft komplexer. Die Symptome sind vielfältig und reichen von veränderten Sinneswahrnehmungen bis hin zu Verwirrtheit. Es ist wichtig, die verschiedenen Anzeichen zu kennen, um im Notfall richtig reagieren zu können.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Ein epileptischer Anfall, oft auch als Krampfanfall bezeichnet, entsteht durch eine plötzliche, unkontrollierte Überaktivität von Nervenzellen im Gehirn. Diese unkontrollierten elektrischen Entladungen können zu vorübergehendem Kontrollverlust über Körper und/oder Bewusstsein führen. Die Symptome sind vielfältig und hängen davon ab, welcher Bereich des Gehirns betroffen ist.

Wie entstehen Anfälle?

Das zentrale Nervensystem besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die elektrische Signale erzeugen, empfangen und übertragen. Dieses Zusammenspiel ist normalerweise präzise aufeinander abgestimmt. Bei Störungen kommt es zu plötzlichen elektrischen Entladungen, die sich im Körper ausbreiten und krampfartige Zuckungen von Muskelgruppen auslösen können, vor allem in Armen und Beinen. Diese Zuckungen sind willentlich nicht kontrollierbar.

Jede Schädigung des Hirngewebes kann zu einer spontanen Entladung von Nervenzellen und damit zu einem Krampf führen. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann hohes Fieber einen Anfall auslösen, der als Fieberkrampf bezeichnet wird. Epileptische Anfälle oder Epilepsie können prinzipiell in jedem Lebensalter auftreten, wobei die Ursache oft unbekannt bleibt. Bei manchen Menschen können bestimmte Trigger das Risiko für einen Krampf erhöhen.

Formen epileptischer Anfälle

Mediziner unterscheiden grundsätzlich zwischen fokalen und generalisierten Anfällen.

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Fokale Anfälle

Fokale Anfälle, auch partielle oder lokalisationsbezogene Anfälle genannt, entstehen in einem bestimmten Bereich des Gehirns, meist in einer Gehirnhälfte. Die Symptome hängen davon ab, welcher Hirnbereich betroffen ist.

  • Motorische Symptome: Oft treten motorische Symptome auf, die die Bewegung betreffen. Beispielsweise kann ein Arm plötzlich zucken (klonischer Anfall) oder sich verkrampfen (tonischer Anfall). In manchen Fällen lässt die Muskelspannung in einer Körperregion plötzlich nach (atonischer Anfall).
  • Sensorische Symptome: Fokale Anfälle können auch mit sensorischen Symptomen beginnen, die Sinneseindrücke betreffen. Viele Patienten verspüren Missempfindungen wie Kribbeln, Brennen oder Temperaturveränderungen in einem Körperteil. Auch Halluzinationen sind möglich, bei denen vermeintliche Geräusche, Stimmen, Gerüche oder Geschmäcker wahrgenommen werden. Optische Halluzinationen können sich in Form von Lichtblitzen oder ganzen Szenen äußern.
  • Weitere Symptome: Schwindel und Angstgefühle können ebenfalls auftreten.

Je nachdem, ob der Patient während des Anfalls bei vollem Bewusstsein bleibt, unterscheidet man zwischen einfachen und komplexen fokalen Anfällen:

  • Einfacher fokaler Anfall: Der Patient behält das volle Bewusstsein.
  • Komplexer fokaler Anfall: Der Anfall ist von einer mehr oder weniger ausgeprägten Bewusstseinsstörung begleitet. Betroffene wirken benommen, abwesend oder verwirrt und reagieren möglicherweise unwillig oder aggressiv auf äußere Reize. Oft treten Automatismen auf, wie unbewusste, rhythmische Bewegungsabläufe (z.B. Kauen, Schmatzen, Nesteln an der Kleidung). An den Anfall selbst können sich die Betroffenen später nicht mehr erinnern.

Fokale Anfälle können sich im weiteren Verlauf zu einem generalisierten Anfall ausweiten, wenn sich die elektrische Entladung auf das gesamte Gehirn ausbreitet. Dies wird als sekundär generalisierter Anfall bezeichnet.

Generalisierte Anfälle

Bei generalisierten Anfällen feuern fast alle Nervenzellen im Gehirn kurzzeitig synchron und entladen sich exzessiv. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein generalisierter Anfall zwangsläufig schwerer ist als ein fokaler, obwohl sie häufiger von Bewusstlosigkeit begleitet werden.

  • Motorische Anfallsformen: Generalisierte Krampfanfälle können sich in unterschiedlicher Form äußern, oft in Form von motorischen Attacken wie tonischen, klonischen und atonischen Anfällen.
    • Tonischer Anfall: Verkrampfung und Versteifung aller Gliedmaßen.
    • Atonischer Anfall: Plötzlicher Verlust der Muskelspannung, z.B. in den Beinen, was zu Stürzen führen kann.
    • Klonischer Anfall: Langsame Zuckungen großer Muskelgruppen, oft begleitet von Bewusstlosigkeit.
    • Myoklonischer Anfall: Plötzliche, schnelle Zuckungen einzelner Muskelgruppen, meist ohne Bewusstseinsverlust.
  • Grand-Mal-Anfall (generalisierter tonisch-klonischer Anfall): Die bekannteste Anfallsform, die in zwei Phasen verläuft:
    • Tonische Phase: Der Körper ist steif, Arme und Beine sind meist gestreckt, tiefe Bewusstlosigkeit, kurzzeitiger Atemstillstand.
    • Klonische Phase: Unkontrollierte Zuckungen in Armen und Beinen, mögliche Zungenbisse oder unwillkürlicher Harn- und Stuhlabgang.

Nach dem Grand-Mal-Anfall fallen die Patienten meist in einen tiefen Schlaf und erinnern sich nach dem Aufwachen nicht an den Anfall.

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  • Absencen (Petit Mal): Eine milde Form generalisierter Anfälle, die sich als kurze, sekundenlange Bewusstseinsstörung äußert. Der Betroffene unterbricht abrupt seine Tätigkeit, blickt starr und leer, und setzt die Aktivität nach einigen Sekunden fort, ohne sich an den Anfall zu erinnern. Es gibt verschiedene Arten von Absencen, die von einfachen typischen Absencen bis hin zu atypischen Absencen mit deutlichen Begleiterscheinungen reichen.

Symptome im Detail: Woran erkenne ich einen epileptischen Anfall?

Die Symptome eines epileptischen Anfalls sind vielfältig und können von Person zu Person unterschiedlich sein. Einige häufige Anzeichen sind:

  • Unkontrollierte Muskelzuckungen: Treten oft am ganzen Körper auf, können aber auch auf einzelne Muskelgruppen beschränkt sein.
  • Verlust des Bewusstseins: In vielen Fällen fällt die betroffene Person plötzlich zu Boden und reagiert für kurze Zeit nicht auf ihre Umwelt.
  • Abwesenheitszustände (Absencen): Manche Betroffene starren für einige Sekunden ins Leere, ohne auf äußere Reize zu reagieren.
  • Plötzliches Verkrampfen: Einfrierende Bewegungen oder starre Haltungen können ebenfalls auf einen Anfall hindeuten.
  • Veränderte Sinneswahrnehmungen: Dazu gehören Gerüche, die nicht vorhanden sind, Lichtblitze, ungewöhnliche Geräusche oder Geschmäcker.
  • Gefühls- und Verhaltensänderungen: Plötzliche Angst, Wut oder andere ungewöhnliche Emotionen.
  • Automatismen: Unbewusste, sich wiederholende Bewegungen wie Schmatzen, Kauen oder Nesteln an der Kleidung.

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht alle diese Symptome bei jedem Anfall auftreten müssen. Die Art und Ausprägung der Symptome hängen von der Art des Anfalls und dem betroffenen Hirnbereich ab.

Warnsignale und Auren

Manche Menschen erleben vor einem Anfall eine sogenannte Aura, die als Warnsignal dienen kann. Diese Aura kann sich in Form von veränderten Sinneswahrnehmungen, Angstgefühlen oder anderen ungewöhnlichen Empfindungen äußern. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass nicht jeder Anfall von einer Aura begleitet wird.

Epilepsie oder nicht? Diagnose und Abklärung

Ein einzelner Anfall bedeutet nicht automatisch, dass eine Epilepsie vorliegt. Epilepsie wird diagnostiziert, wenn wiederholte Anfälle auftreten oder ein hohes Risiko für weitere Anfälle besteht. Nach einem Anfall ist es wichtig, einen Arzt aufzusuchen, um die Ursache abzuklären und eine Diagnose zu erhalten.

Diagnoseverfahren

  • Anamnese: Eine ausführliche Befragung des Patienten und von Augenzeugen des Anfalls ist entscheidend, um die Art des Anfalls und mögliche Auslöser zu bestimmen.
  • Elektroenzephalogramm (EEG): Das EEG misst die Hirnströme und kann zeigen, ob eine Neigung zu epileptischen Anfällen besteht. Eine besondere Form ist das Langzeit-Video-EEG, bei dem die Hirnströme über einen längeren Zeitraum aufgezeichnet werden, um auch seltene oder nächtliche Anfälle zu erfassen.
  • Bildgebungsverfahren: Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) können neurologische Veränderungen im Gehirn darstellen, die für die Anfälle verantwortlich sein könnten.
  • Blutuntersuchung: Kann helfen, mögliche Ursachen für einen Krampfanfall oder eine Epilepsieerkrankung aufzuspüren.
  • Genetische Testung: In manchen Fällen kann eine genetische Testung sinnvoll sein, um erblich bedingte Epilepsieformen zu identifizieren.

Differentialdiagnose: Was ist, wenn es keine Epilepsie ist?

Nicht jeder Krampfanfall ist ein Zeichen von Epilepsie. Andere Erkrankungen oder Zustände können ähnliche Symptome verursachen:

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  • Synkopen: Kurzzeitige Ohnmachten, oft ausgelöst durch plötzlichen Blutdruckabfall.
  • Fieberkrämpfe: Treten vor allem bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren bei hohen Körpertemperaturen auf.
  • Psychogene Anfälle: Werden durch psychische Belastungen ausgelöst und können Epilepsie-Anfällen täuschend ähnlichsehen.
  • Akut symptomatische Anfälle (ASA): Einmalige Krampfanfälle, die in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Erkrankungen wie Unterzuckerung, Hirnschädigung oder Schlaganfall auftreten.

Was tun bei einem epileptischen Anfall? Erste Hilfe

Bei einem epileptischen Anfall ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und den Betroffenen vor Verletzungen zu schützen.

  • Schutz vor Verletzungen: Sorgen Sie dafür, dass sich der Betroffene nicht an Gegenständen in der Umgebung verletzt.
  • Freie Atemwege: Legen Sie die betroffene Person auf die Seite und halten Sie den Kopf leicht nach hinten, um die Atemwege freizuhalten.
  • Nichts in den Mund stecken: Versuchen Sie nicht, den Mund des Betroffenen zu öffnen oder etwas hineinzustecken.
  • Notruf verständigen: Dauert der Anfall länger als fünf Minuten oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, rufen Sie den Rettungsdienst (Notruf 112).

Nach dem Anfall sollte der Betroffene sich ausruhen und ärztlich untersucht werden.

Behandlung von Epilepsie

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Therapie

Die meisten Epilepsiepatienten werden mit Medikamenten, sogenannten Antiepileptika, behandelt. Es stehen verschiedene Wirkstoffe zur Verfügung, die individuell auf den Patienten abgestimmt werden. Die Dosierung wird angepasst, bis die Anfälle kontrolliert sind. Manchmal ist eine Kombination mehrerer Wirkstoffe notwendig.

Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel haben. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist daher wichtig, insbesondere bei Schwangerschaftswunsch.

Operative Eingriffe

Wenn Medikamente die Anfälle nicht verhindern können, kann ein operativer Eingriff eine Alternative sein.

  • Resektive Chirurgie: Bei fokalen Anfällen kann der Bereich des Gehirns, der die Anfälle auslöst, entfernt werden.
  • Vagusnerv-Stimulation: Ein Schrittmacher wird unter die Haut im Brustbereich implantiert und gibt elektrische Impulse an den Vagusnerv ab, um die Überaktivität der Nervenzellen zu hemmen.

Weitere Therapien

Ergänzend zur medikamentösen oder operativen Behandlung kann eine Psychotherapie hilfreich sein, um mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.

Leben mit Epilepsie

Mit einer frühzeitigen Diagnose und einer individuellen Therapie können die meisten Menschen mit Epilepsie ein normales Leben führen. Wichtig sind eine konsequente Einnahme der Medikamente, regelmäßige ärztliche Kontrollen und die Vermeidung von Auslösern, die Anfälle provozieren können.

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