Epileptische Anfälle können für Betroffene und Angehörige eine große Belastung darstellen. Eine frühzeitige Erkennung von Anfällen ist entscheidend, um die Therapie zu optimieren, die Lebensqualität zu verbessern und potenziell lebensbedrohliche Situationen wie den plötzlichen unerwarteten Tod bei Epilepsie (SUDEP) zu verhindern. Dieser Artikel beleuchtet verschiedene Methoden zur Früherkennung epileptischer Anfälle.
Ursachen und Arten epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle haben ihren Ursprung oft in bestimmten Hirnregionen, wie der Amygdala und dem Hippocampus. Häufige Ursachen sind Hippocampussklerose, Gliome, arteriovenöse Malformationen, Astrozytome, Oligodendrogliome, zerebrovaskuläre Erkrankungen und Enzephalitis.
Es gibt verschiedene Arten von Anfällen, darunter:
- Fokale Anfälle: Diese beginnen in einem begrenzten Bereich des Gehirns. Sie können sich durch Auren äußern, wie aufsteigende Gefühle im Bauchraum, Halluzinationen, vestibuläre Symptome oder Sprachstörungen. Psychische Symptome wie Déjà-vu, Angst oder Wut sowie autonome Symptome wie Übelkeit oder Herzklopfen können ebenfalls auftreten. Oftmals zeigen Betroffene einen starren Blick, halten inne und zeigen orale Automatismen.
- Generalisierte Anfälle: Diese betreffen das gesamte Gehirn.
- Temporallappenepilepsie (TLE): Hierbei unterscheidet man mesiale und laterale Temporallappenanfälle, die sich anhand ihrer Semiologie schwer unterscheiden lassen. Auren sind bei TLE häufig.
Bedeutung der Früherkennung
Eine frühzeitige Erkennung epileptischer Anfälle ermöglicht:
- Bessere Therapiesteuerung: Durch die genaue Erfassung von Anfallsart und -häufigkeit kann die medikamentöse Therapie optimal angepasst werden.
- Reduktion von Risiken: Die Früherkennung kann helfen, anfallsbedingte Risiken wie Unfälle und den Status epilepticus zu minimieren.
- Verbesserung der Lebensqualität: Durch die Vorhersage von Anfällen können Betroffene ihren Alltag besser planen und potenziell gefährliche Situationen vermeiden.
- Prävention von SUDEP: Obwohl es keine gesicherten Daten gibt, dass Überwachungsgeräte das SUDEP-Risiko signifikant reduzieren können, wird dies zumindest als möglich erachtet.
Methoden zur Früherkennung
1. Anamnese und Beobachtung
Die Grundlage jeder Epilepsiediagnostik ist eine ausführliche Anamnese, bei der der Arzt detailliert nach den Umständen und dem Verlauf der Anfälle fragt. Dabei sind die Schilderungen des Betroffenen selbst sowie von Beobachtern (Angehörige, Freunde) von großer Bedeutung. Videos von Anfällen, die mit dem Smartphone aufgenommen wurden, können dem Arzt helfen, den Anfallsverlauf besser zu beurteilen.
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Wichtige Fragen sind:
- Welche Symptome traten auf (z.B. Muskelzuckungen, Bewusstseinsverlust, Auren)?
- Gab es Anzeichen, die dem Anfall vorausgingen (z.B. unwillkürliches Schmatzen, Nesteln mit den Händen)?
- War der Betroffene während des Anfalls ansprechbar?
- Nimmt der Betroffene aktuell oder regelmäßig Medikamente ein?
- Gibt es psychische oder soziale Risikofaktoren, die das Anfallsgeschehen beeinflussen könnten?
- Gab es Verletzungen in der Kindheit oder im Säuglingsalter?
2. Elektroenzephalographie (EEG)
Das EEG ist ein neurodiagnostisches Verfahren, das die elektrische Hirnaktivität über Elektroden auf der Kopfhaut misst. Es ist der Goldstandard zur Bestätigung der Diagnose Epilepsie.
- Routine-EEG: Diese Untersuchung dauert etwa 20-45 Minuten und wird im Wachzustand durchgeführt. Es dient dazu, herdförmige oder globale Hirnfunktionsstörungen zu erkennen und die Art der Epilepsie zu bestimmen.
- Schlaf-EEG: Hier werden Wach-, Müdigkeits- und Schlafphasen registriert. Es ist besonders geeignet, um Anfälle zu erkennen, die im Schlaf auftreten. Für Kinder ist darauf zu achten, dass sie nicht während der Anfahrt zur Untersuchung im Auto schlafen.
- Langzeit-EEG (Video-EEG-Monitoring): Diese Untersuchung dauert 24 Stunden oder länger und wird mit einer Videoaufzeichnung kombiniert. Sie ermöglicht es, Anfallsereignisse aufzuzeichnen und den Anfallsverlauf detailliert zu studieren. Um die Wahrscheinlichkeit, Anfälle zu registrieren, zu erhöhen, wird in der Regel die bestehende antiepileptische Medikation vorübergehend reduziert.
Im EEG werden verschiedene Arten von Hirnwellen gemessen:
- Betawellen: Treten bei Sinnesreizen oder geistiger Aktivität auf.
- Thetawellen: Werden auch als Zwischenwellen bezeichnet.
- Spikes und Spike-Waves: Diese können Anzeichen für eine Epilepsie sein und werden als epileptiforme Potenziale bezeichnet.
3. Bildgebende Verfahren
- Magnetresonanztomographie (MRT): Die MRT liefert hochauflösende Bilder des Gehirns und ermöglicht die Detektion von strukturellen Veränderungen wie Tumoren, Fehlbildungen der hirnversorgenden Gefäße oder Narbengewebe. Sie wird auch prächirurgisch zur Planung operativer Eingriffe eingesetzt. Der heutige Goldstandard der Magnetfeldstärke liegt bei 3 Tesla.
- Computertomographie (CT): Die CT eignet sich für die Notfalldiagnostik beim Status epilepticus oder bei erstmaligen Anfällen, um lebensbedrohliche Ursachen wie Blutungen oder raumfordernde Prozesse auszuschließen.
- Szintigraphie (SPECT, PET): Diese nuklearmedizinischen Verfahren stellen funktionelle Aspekte der Hirnphysiologie dar. Die iktale SPECT-Bildgebung zeigt eine stärkere Durchblutung im epileptischen Fokus, während die interiktale Aufnahme eine Minderdurchblutung dokumentiert.
4. Anfallsüberwachungsgeräte
In den letzten Jahren hat die Diskussion um Anfallsüberwachungsgeräte zugenommen. Diese Geräte können verschiedene Parameter messen, um Anfälle zu erkennen:
- EKG (Elektrokardiogramm): Misst die Herzaktivität.
- SaO2-Monitor: Misst die arterielle Sauerstoffsättigung.
- Beschleunigungssensoren: Erkennen Bewegungen, die typisch für Anfälle sind.
- Wearables: Diese Geräte werden am Körper getragen und können verschiedene Vitalparameter erfassen. Beispiele sind NightWatch® und Embrace®.
Eine Umfrage unter betroffenen Familien hat gezeigt, dass Geräte wie NightWatch® und VitaGuard® 3100/310 tendenziell bessere Bewertungen hinsichtlich Benutzerfreundlichkeit, Zuverlässigkeit und Eignung für die Anfallsüberwachung erhalten. Allerdings treten bei einigen Geräten häufig Fehlalarme auf. Die Kostenübernahme durch Krankenkassen ist nicht immer einheitlich geregelt.
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5. Mobile Sensorik und Künstliche Intelligenz (KI)
Im Projekt MOND wird ein mobiler Sensor entwickelt, der mithilfe von KI-basierten Algorithmen epileptische Anfälle automatisch erkennen soll. Der Sensor erfasst Kennzahlen zu Herzfrequenz, Körpertemperatur, Beschleunigung, Herzratenvariabilität und Sauerstoffsättigung sowie EEG-Signale in Ohrnähe. Ziel ist es, präzisere Diagnosen und Therapieansätze zu erstellen und das Risiko von SUDEP zu senken.
Therapie
Die Wahl des Medikaments sollte stets patientenorientiert und am Nebenwirkungsprofil ausgerichtet sein. Häufig verwendete Medikamente sind:
- 1. Wahl: Lamotrigin, Levetiracetam, Lacosamid, Zonisamid, Eslicarbazepin
- 2. Wahl: Carbamazepin, Cenobamat, Oxcarbazepin, Topiramat, Valproat, Gabapentin, Pregabalin
Bei Patienten, bei denen trotz medikamentöser Therapie weiterhin Anfälle auftreten, kann eine operative Entfernung des Anfallsherdes in Erwägung gezogen werden.
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