Gehirntumoren und Epilepsie, obwohl unterschiedliche Erkrankungen, können gemeinsam auftreten und eine Herausforderung für Patienten und Ärzte darstellen. Epileptische Anfälle können sogar das erste Symptom sein, mit dem sich ein Tumor im Gehirn zeigt. Wiederholte epileptische Anfälle über einen längeren Zeitraum sind jedoch eher ungewöhnlich und weisen auf eine besondere Gruppe von Tumoren hin.
Die Neurotoxizität bei onkologischen Erkrankungen hat viele Gesichter. Als Ursache kommen direkte Schädigungen des Nervensystems durch den Tumor selbst oder durch seine Metastasen infrage. Ein weiterer in der Praxis relevanter Punkt sind die vor allem mit Chemo- oder Strahlentherapie assoziierten Neurotoxizitäten. Darüber hinaus können auch metabolisch-endokrinologische, aber auch infektiologische Komplikationen zu neurologischen Schädigungen führen.
Ursachen epileptischer Anfälle nach Chemotherapie
Epileptische Anfälle nach einer Chemotherapie können verschiedene Ursachen haben. Es ist wichtig zu verstehen, dass Chemotherapie-Medikamente nicht nur Krebszellen schädigen, sondern auch Auswirkungen auf gesunde Zellen haben können, insbesondere auf solche, die sich schnell teilen, wie beispielsweise Nervenzellen.
Direkte Neurotoxizität der Chemotherapie: Einige Zytostatika können die Blut-Hirn-Schranke überwinden oder beeinträchtigen und so Nebenwirkungen am Gehirn verursachen. Es können Verwirrtheit, Unruhe, Bewusstseinsstörungen oder Schläfrigkeit auftreten. Auch epileptische Anfälle sind möglich.
LEA-Tumoren (Langzeitepilepsie-assoziierte Tumoren): Das Auftreten vereinzelter epileptischer Anfälle ist bei Gehirntumoren keine Seltenheit. Wiederholte epileptische Anfälle über einen längeren Zeitraum weisen auf eine besondere Gruppe von Tumoren hin.
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Metabolische und infektiologische Komplikationen: Metabolisch-endokrinologische, aber auch infektiologische Komplikationen können zu neurologischen Schädigungen führen.
Chemotherapie-Medikamente und ihre Wirkungsweise
Für eine Chemotherapie gibt es viele verschiedene Wirkstoffe. Die Medikamente unterscheiden sich in ihrer Wirkungsweise. Auch die Nebenwirkungen hängen von dem eingesetzten Wirkstoff ab. Zytostatika oder "Zell-Hemmer" haben verschiedene Wirkungen:
- Die meisten Chemotherapie-Medikamente greifen das Erbmaterial in den Tumorzellen an.
- Andere stören die Zellteilung.
- Die geschädigten Zellen verlieren die Fähigkeit, sich zu vermehren und sterben ab.
Die abgetöteten Zellen werden vom Körper abgebaut. Krebszellen teilen sich häufiger als die meisten anderen Zellen menschlicher Gewebe. Daher sind sie von der Wirkung der Chemotherapeutika besonders betroffen. Gesundes Gewebe wird vor allem dann in Mitleidenschaft gezogen, wenn es ebenfalls rasch wächst und sich häufig erneuert. Das ist zum Beispiel der Fall bei Haut, Schleimhäuten und Haarwurzeln. Aber auch die Zellen des Blutes und des Immunsystems teilen sich häufig.
Risikofaktoren für ZNS-Toxizität
Als Risikofaktoren für das Auftreten von ZNS-Toxizität gelten:
- Chemotherapie im Hochdosisbereich
- Alter <5 Jahren bzw. >60 Jahre
- Vorbestehende zerebrale Erkrankungen, wie z.B. eine vaskuläre Enzephalopathie.
Spezifische Chemotherapie-Medikamente und ihr Risiko für epileptische Anfälle
Einige alkylierende Substanzen, wie ACNU, BCNU, CCNU oder Ifosfamid, weisen eine geringe Blut-Hirn-Schrankengängigkeit auf. Bei der Gabe von Ifosfamid im Hochdosisbereich sind in ca. 5 % der Fälle akute - in der Regel reversible - Enzephalopathien beschrieben.
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Symptome und Diagnose
Epileptische Anfälle bei Hirntumorpatienten sind generell fokale Anfälle, da sie von einem umschriebenen Herd (latinisch „focus“) ausgehen, dem Hirngewebe um den Tumor. Ein Anfall selbst dauert meist nicht länger als 30 bis 90 Sekunden. Da jedoch oft im Anschluss an einen Anfall eine Funktionsstörung des Gehirns bestehen kann, die z.B. eine Phase der Reorientierung oder einen „Terminalschlaf“ nach einem großen Anfall bedingt, empfinden Beobachter die Zeitdauer des Anfalls oftmals als länger.
Behandlung von epileptischen Anfällen nach Chemotherapie
Die Behandlung epileptischer Anfälle nach Chemotherapie zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die zugrunde liegende Ursache zu behandeln.
Antiepileptika: Durch die Gabe von Antiepileptika wird das Wiederholungsrisiko für weitere Anfälle verringert. Häufig ist es jedoch ein langer Weg, bis der Betroffene das für ihn richtige Medikament in der optimalen Dosierung gefunden hat. Dieser Weg sollte gemeinsam mit einem erfahrenen Neurologen oder Epileptologen gegangen werden.
Behandlung des Gehirntumors: Die Therapiemethoden sind vom Gewebetyp des Tumors, vom Alter und Allgemeinzustand des Patienten und von der Größe und Lage des Tumors im Gehirn abhängig. Grundsätzlich gilt auch hier, je früher ein Gehirntumor erkannt wird, umso günstiger ist die Prognose für den Patienten. In Abhängigkeit von der WHO-Klassifikation des Tumors ist meist jedoch keine Heilung, sondern eine Symptomkontrolle ggf. mit Verlängerung des Überlebens und Stabilisierung bzw. Reduktion der Tumorgröße möglich.
Operation: Im Idealfall, der sehr selten auftritt, kann der Gehirntumor vollständig operativ entfernt werden, ohne Tumorzellen zurückzulassen. Häufig gelingt es jedoch nur, einen Grossteil des Tumors zu entfernen. In manchen Fällen, z.B. bei schlechtem Allgemeinzustand des Patienten oder ungünstiger Tumorlage, kann auch nur die Entnahme einer kleinen Gewebeprobe (Biopsie) zur Diagnosesicherung möglich sein.
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Strahlentherapie: Eine Strahlentherapie als Ersttherapie wird insbesondere dann eingesetzt, wenn der Tumor an einer besonders kritischen Stelle im Gehirn liegt und deswegen nur eine Biopsieentnahme und keine Operation möglich ist. Die Anzahl der Bestrahlungssitzungen und die Bestrahlungsintensität sind abhängig vom Gewebetyp. Während der Strahlentherapie können Nebenwirkungen wie Kopfdruck, Kopfschmerzen, Übelkeit, Haarausfall und ggf. Müdigkeit auftreten. Die meisten Nebenwirkungen können jedoch häufig durch den Einsatz von verschiedenen Medikamenten gemildert werden.
Chemotherapie: Eine Chemotherapie alleine, ohne Operation und Strahlentherapie, zeigt bei den meisten Gehirntumoren eine nur geringe Wirkung. Jedoch kann eine Chemotherapie bei kombiniertem Einsatz mit der Strahlentherapie die Wirkung der Strahlentherapie verbessern.
Weitere mögliche neurologische Komplikationen nach Chemotherapie
Neben epileptischen Anfällen können Chemotherapien auch andere neurologische Komplikationen verursachen:
Periphere Neuropathie (CIPN): Die Chemotherapie-induzierten Komplikationen des peripheren Nervensystems werden im Allgemeinen als Chemotherapie-induzierte Polyneuropathie (CIPNP) zusammengefasst. Das PNS ist im Vergleich zum ZNS durch die fehlende Blut-Hirn-Schranke toxischen Substanzen wie z.B. Chemotherapeutika stärker ausgesetzt und deshalb ist die Prävalenz der CIPNP bei Weitem höher. Ca. 5 % aller Patienten entwickeln eine Chemotherapie-induzierte Neuropathie unter einer Monotherapie; bei Polychemotherapien steigt die Wahrscheinlichkeit rapide auf bis zu 40 % an.
Kognitive Beeinträchtigungen ("Chemobrain"): Der in der Literatur seit längerer Zeit beschriebene Begriff „Chemobrain“ ist eine aus neurologischer Sicht schwer zu definierende Begleiterscheinung bei Patienten unter laufender Chemotherapie. Unter dem etwas unscharfen Begriff „Chemobrain“ werden verschiedenste kognitive Dysfunktionen unter Chemotherapien beschrieben.
Prävention und Management von Nebenwirkungen
Vor der Therapie sollte man sich nicht scheuen, mit den Ärztinnen und Ärzten über Befürchtungen zu sprechen: Mit welchen Nebenwirkungen muss ich bei der Therapie rechnen? Welche Risiken gehe ich ein, wenn ich mich aus Angst vor Therapiefolgen nicht behandeln lasse?
Falls Nebenwirkungen unter der Therapie sehr belastend sind: Was lässt sich dagegen tun? Ist es möglich, eine Therapie abzubrechen? Oder kann ich ein anderes Medikament erhalten?
Insgesamt gilt: Heute gibt es zunehmend mehr Möglichkeiten, die belastenden Nebenwirkungen einer Chemotherapie zu lindern.
Bei zunehmender Schädigung der Nerven nehmen Betroffene an Händen und Füßen oft keine Schmerzen, Wärme oder Kälte mehr wahr. Diese Taubheit führt zu Schwierigkeiten bei feinmotorischen, alltäglichen Aktivitäten, wie Schreiben oder Haus- und Gartenarbeit. Sind die Füße betroffen kann es zu Gleichgewichtsstörungen und Stürzen kommen.
Kälte vermeiden: Patient*innen, die mit Probleme mit Kältereizen haben, sollten sich nicht zu lange in kalten Räumen oder bei kaltem Wetter draußen aufhalten, ohne sich entsprechend zu schützen.
Für einen guten Stand sorgen: Um sich sicher fortzubewegen, sollten Vorkehrungen wie festes Schuhwerk oder eine Gehhilfe getroffen werden.
Verletzungen und Infektionen vorbeugen: Verletzungen, wie Schnittwunden oder Verbrennungen an Händen und Füßen werden später oder gar nicht wahrgenommen, wenn das Empfinden an diesen Stellen stark eingeschränkt ist.
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