Epilepsie betrifft etwa ein Prozent der Bevölkerung und kann durch Anfälle das Leben der Betroffenen erheblich beeinflussen. Ein epileptischer Anfall ist eine Störung der elektrochemischen Aktivität im Gehirn, die zu einem vorübergehenden Verlust der Kontrolle über Körper und/oder Bewusstsein führt. Die Behandlung beginnt in der Regel mit einer Beratung zu Anfallsrisiken und -auslösern, gefolgt von einer medikamentösen Therapie mit anfallsunterdrückenden Medikamenten. Diese Patientenleitlinie soll Betroffenen helfen, sich aktiv an Entscheidungen über ihre medizinische Versorgung zu beteiligen.
Definitionen und Häufigkeit
Es ist wichtig, verschiedene Begriffe im Zusammenhang mit epileptischen Anfällen zu definieren:
- Krampfanfälle: Bezeichnen allgemein Anfallsereignisse unterschiedlicher Ursache und Ausprägung.
- Epileptischer Anfall: Ein vorübergehendes Anfallsereignis mit subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen, das auf einer pathologisch exzessiven oder synchronen neuronalen Aktivität im Gehirn basiert.
- Epilepsie: Eine Erkrankung des Gehirns mit anhaltender Prädisposition für epileptische Anfälle.
- Status epilepticus: Ein anhaltender epileptischer Anfall oder eine Serie von Anfällen ohne Wiedererlangen des Ausgangszustands, der einen neurologischen Notfall darstellt.
Die Häufigkeit epileptischer Anfälle und Epilepsie variiert:
- Epileptische Anfälle: Die Lebenszeitprävalenz für einen epileptischen Anfall liegt bei etwa 10 %. Die Inzidenz beträgt etwa 55 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Häufigkeitsgipfel gibt es in der frühen Kindheit und im höheren Alter (> 65 Jahre).
- Epilepsie: Die Prävalenz liegt bei etwa 7,1 pro 1.000 Einwohner in Industrieländern. Frauen und Männer sind gleich häufig betroffen.
- Status epilepticus: Die Inzidenz liegt in Europa bei 10-30 pro 100.000 Einwohner pro Jahr. In Deutschland gibt es jährlich etwa 14.000 Fälle mit etwa 1.300 Todesfällen. Die Sterblichkeit des konvulsiven Status epilepticus liegt bei Erwachsenen im Durchschnitt bei 15,9 % und ist vor allem von Alter und Ätiologie abhängig.
Ätiologie und Klassifikation epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle werden in verschiedene Kategorien eingeteilt:
- Fokale Anfälle: Beginnen in einer Hirnhemisphäre.
- Generalisierte Anfälle: Beginnen in Netzwerkstrukturen beider Hirnhemisphären.
- Unbekannte Anfälle: Bei denen der Beginn nicht beobachtet wurde.
Die Diagnose Epilepsie wird anhand folgender Kriterien gestellt:
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- ≥ 2 unprovozierte Anfälle im Abstand von > 24 Stunden.
- Nach einem unprovozierten Anfall besteht eine Wahrscheinlichkeit für einen weiteren Anfall von > 60 % innerhalb von 10 Jahren (insbesondere bei Auffälligkeiten im EEG und CMRT).
- Diagnose eines Epilepsie-Syndroms.
Die Klassifikation epileptischer Anfälle nach ILAE (International League Against Epilepsy) 2017 berücksichtigt den Beginn des Anfalls (fokal, generalisiert, unbekannt) und seine Auswirkungen auf das Bewusstsein und die Motorik.
Fokale Anfälle
- Bewusst erlebt vs. nicht bewusst erlebt
- Motorischer Beginn:
- Automatismen
- Atonisch
- Klonisch
- Epileptische Spasmen
- Hyperkinetisch
- Myoklonisch
- Tonisch
- Nichtmotorischer Beginn:
- Autonom
- Innehalten
- Kognitiv
- Emotional
- Sensibel/sensorisch
- Fokal zu bilateral tonisch-klonisch
Generalisierte Anfälle
- Motorisch:
- Tonisch-klonisch
- Klonisch
- Tonisch
- Myoklonisch
- Myoklonisch-tonisch-klonisch
- Myoklonisch-atonisch
- Atonisch
- Epileptische Spasmen
- Nichtmotorisch (Absence):
- Typisch
- Atypisch
- Myoklonisch
- Lidmyoklonien
Anfälle mit unbekanntem Beginn
- Motorisch:
- Tonisch-klonisch
- Epileptische Spasmen
- Nichtmotorisch:
- Innehalten
- Nicht klassifiziert
Prädisponierende Faktoren und Auslöser
Es gibt verschiedene Faktoren, die das Auftreten epileptischer Anfälle begünstigen können:
- Schlafmangel und Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus
- Flackernde Lichter (Photosensibilität bei modernen Geräten ist weniger relevant)
- Intoxikationen
- Seltene individuelle Auslösemechanismen (z. B. leseinduzierte Anfälle)
- Akute symptomatische Anfälle bei anderweitigen primären Erkrankungen
- Hypoglykämie (z. B. Glukose < 36 mg/dl)
- Hyponatriämie (z. B. Natrium < 115 mmol/l)
- Alkoholentzug
- Substanzintoxikation (z. B. Kokain)
- Akute Hirnschädigungen (Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma, Hirnoperation, ZNS-Infektionen, Autoimmun-Enzephalitis)
- Bei Kindern: Fieber (> 38,5 °C rektal)
Diagnostische Kriterien und Differenzialdiagnosen
Die Diagnose eines epileptischen Anfalls basiert in erster Linie auf der Anamnese und der klinischen Beobachtung. Es ist wichtig, die subjektiven Zeichen und objektivierbaren Symptome zu berücksichtigen. Oft ist eine retrospektive Abgrenzung von Synkopen oder psychogenen nicht-epileptischen Anfällen (PNEA) schwierig. Zusatzdiagnostik wie Labordiagnostik, EEG und zerebrale Bildgebung können zur ätiologischen Zuordnung beitragen.
Ein Status epilepticus wird definiert als jeder epileptische Anfall mit einer Dauer von > 5 Minuten oder ≥ 2 aufeinanderfolgende Anfälle ohne Wiedererlangen des Ausgangszustands.
Differenzialdiagnosen epileptischer Anfälle umfassen:
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- Synkopen:
- Neurokardiogene Synkopen
- Hyperventilationssynkopen
- Zwanghaftes Valsalva-Manöver
- Neurologische Synkopen
- Orthostatische Intoleranz/posturales orthostatisches Tachykardie-Syndrom (POTS)
- Long-QT-Syndrom
- Verhaltensstörungen, geistige und psychiatrische Störungen:
- Panikattacken
- Dissoziative Zustände
- Halluzinationen bei psychiatrischen Störungen
- Psychogene nicht-epileptische Anfälle
- Schlafbezogene Erkrankungen:
- Hypnagoge Myoklonien (Einschlafmyoklonien)
- Non-REM-Parasomnien (z. B. Schlafwandeln)
- REM-Schlaf-Verhaltensstörung
- Periodische Beinbewegungen (PLMS)
- Narkolepsie-Kataplexie
- Paroxysmale Bewegungsstörungen:
- Tics
- Stereotypien
- Paroxysmale kinesiogene Dyskinesie
- Transiente globale Amnesie (TGA):
- Akut einsetzende Störung aller biografischen Gedächtnisinhalte für diese Zeit, Gedächtnislücke für das Ereignis
- Weitgehend korrekte Handlungsweise
- Repetitive Fragen
- Erhebliche Irritation und Nachfragen der Betroffenen in der Attacke
- Dauer: mehrere Stunden
Anamnese und klinische Untersuchung
Eine sorgfältige Anamnese ist entscheidend, um die Art des Anfalls zu bestimmen und mögliche Auslöser zu identifizieren. Wichtige Aspekte sind:
- Anfallsereignis:
- Auslöser (Substanzkonsum, Schlafdefizit, Aufstehen oder längeres Stehen bei Synkopen, psychische Belastungssituationen bei psychogenen, nicht-epileptischen Anfällen)
- Prodromi (Vorzeichen)
- Anfallsereignis (Fremdanamnese!)
- Dauer (epileptische Anfälle sind meist selbstlimitierend, in der Regel ≤ 2 min)
- Videoaufnahmen durch Dritte können hilfreich sein
- Postiktale Phase (Nachphase anschließend an einen epileptischen Anfall mit variablen Symptomen wie Bewusstseinsstörung, Verwirrtheit, neuropsychiatrische Symptome, Sprachstörungen, Lähmungen, Gedächtnisstörungen)
Die klinische Untersuchung kann weitere Hinweise liefern, um epileptische Anfälle von anderen Ereignissen zu unterscheiden.
Klinische Zeichen zur Unterscheidung von Anfällen
| Merkmal | Epileptischer generalisierter tonisch-klonischer Anfall (GTKA) | Psychogener nicht-epileptischer Anfall (dissoziativer Anfall) | (Konvulsive) Synkope |
|---|---|---|---|
| Dauer | Bis zu 2 min | Meist > 2 min | < 1 min |
| Auslösefaktor | Z. B. Schlafentzug | Publikum | (Auf-)Stehen, Valsalva-Manöver |
| Anfallsphänomene | Interindividuell höchst unterschiedliche Phänomene (individuell meist konstant von Anfall zu Anfall) | Fluktuierende Symptomatik: asynchrone, unkoordinierte Bewegungen, schubartige Beckenbewegungen und Seit-zu-Seit-Bewegungen des Kopfes und des Körpers | Unkoordinierte Myoklonien (deutlich kürzer als bei epileptischem Anfall) |
| Bewusstsein | Niemals bilaterale Konvulsionen mit erhaltenem Bewusstsein | Mitunter bilaterale Konvulsionen mit erhaltenem Bewusstsein | |
| Augen | Offen, ggf. Blickwendung | Oft geschlossen (Abwehr von passivem Augenöffnen) | Offen, nach oben verdreht |
| Reorientierung | Je nach Anfall | Sekunden | |
| Verletzungen | Zungenbiss lateral | Keine iktalen Verletzungen | Biss an Zungenspitze |
Erstmaßnahmen und Notfallmedikation
Die Erstmaßnahmen bei einem epileptischen Anfall zielen darauf ab, die betroffene Person vor Verletzungen zu schützen:
- Potenziell gefährdende Gegenstände wegräumen.
- Ggf. Kopf mit Kissen schützen.
- Keine Gegenstände im Mundraum (verletzungsträchtig).
- Beobachtung des Anfallsereignisses (Feststellung der Zeit, Dauer des Anfalls).
- Ggf. auch Video-Aufzeichnung, falls möglich.
- Überwachung der Vitalparameter.
Ein selbstlimitierender epileptischer Anfall (< 5 min) bedarf keiner medikamentösen Akuttherapie. Länger dauernde Anfälle oder Anfallsserien sollten zu einer Akutmedikation führen (Status epilepticus). Ggf. Notfallmedikation durch Laien bei bekannter Epilepsie. Nach dem Anfall Überwachung, ggf. stabile Seitenlage, ggf. Sauerstoffgabe bei Hypoxie und Transport bzw. Vorstellung in einer neurologischen Klinik.
Erweiterte prähospitale Maßnahmen und Therapie
- Sicherstellung der Vitalparameter (ABCDE-Schema)
- Pulsoxymetrie, Blutdrucküberwachung, EKG
- Wenn möglich, Legen eines stabilen, anfallsungefährdeten i. v. Zugangs
- Gabe von Thiamin 100 mg i. v. bei V. a. alkoholassoziierten SE
- Gabe von Glukose 40 % i. v. bei V. a. oder nachgewiesener Hypoglykämie
- O2-Gabe bei SpO2 < 95 % (via Maske, ggf. Intubation und Beatmung)
- Symptomatische Temperatursenkung bei Körpertemperatur über 37,5 °C
- Antikonvulsive Therapie (Stufenschema) bei Status epilepticus
- Intubationsbereitschaft und Intensivüberwachung im Zielkrankenhaus
Therapie bei epileptischem Anfall
Bei einem einzelnen epileptischen Anfall soll ein Benzodiazepin oder ein klassisches Anfallssuppressivum sowohl iktal als auch postiktal nicht appliziert werden. Ausnahme: akut-symptomatischer Anfall im Rahmen eines Alkoholentzugssyndroms (Empfehlung zur Gabe von 2 mg Lorazepam i. v. oder einem alternativen Benzodiazepin).
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Therapie bei Status epilepticus (Stufe 1, prähospital)
Länger dauernde Anfälle oder Anfallsserien sollten zu einer Akutmedikation führen. Benzodiazepine sind die Therapie der ersten Wahl.
- Lorazepam i. v. Dosierung 0,1 mg/kg, max. 4 mg/Bolusgabe. Ggf. nach 5 min 1 x wiederholen.
- Midazolam intramuskulär oder intranasal Dosierung 10 mg für > 40 kg, 5 mg für 13-40 kg, Einzelgabe
- Clonazepam i. v. Dosierung 0,015 mg/kg, max. 1 mg (langsame Injektion). Ggf. 1 x wiederholen.
- Diazepam i. v. Dosierung 0,15-0,2 mg/kg/Gabe, max. 10 mg/Gabe. Ggf. nach 5 min 1 x wiederholen.
- Diazepam rektal (0,2-0,5 mg/kg, max. 20 mg/Gabe, Einzelgabe) oder Midazolam bukkal können bei fehlendem i. v. Zugang alternativ zu Midazolam i. n. oder i. m. angewendet werden.
Medikamente der ersten Wahl
- Midazolam intramuskulär oder intranasal (10 mg für > 40 kg, 5 mg für 13-40 kg, Einzelgabe) oder 0,2 mg/kg i.v., max: 10 mg/Bolusgabe, ggf.
- wenn Benzodiazepin-Therapie über 30 Minuten frustran verläuft: Valproat 20 mg/kg, max. 10 mg/kg/min, ggf. nach 10 Minuten wiederholen, kumulativ max. 3000 mg.
- Midazolam 0,2 mg/kg i.v.
- Propofol 2 mg/kg i.v.
- Thiopental 5 mg/kg als Bolus (ggf.
Weitere Maßnahmen
- Wenn möglich, Anlage von min. einem stabilen, anfallsungefährdeten (d. h. außerhalb der Ellenbeuge lokalisierten) i.v.-Zugangs, ggf. Gabe von Glukose 40 % i.v. bei V. a.
- O2-Insufflation bei O2-Sättigung < 95 % (via Maske, ggf.
- Da eine Intubationsbereitschaft immer gesichert sein muss, muss im Zielkrankenhaus eine Intensivüberwachung erfolgen.
Indikationen zur Krankenhauseinweisung
Eine notfallmäßige Krankenhauseinweisung ist indiziert bei:
- Erstmals aufgetretenem epileptischem Anfall
- Wiederholten Anfällen oder Status epilepticus
- Anhaltender Bewusstseinsstörung
- Unklarer Differenzialdiagnose
Weitere Diagnostik
Nach einem epileptischen Anfall sind weitere diagnostische Maßnahmen erforderlich, um die Ursache des Anfalls zu klären und die geeignete Therapie einzuleiten.
- EEG so zeitnah wie möglich (idealerweise innerhalb von 24 Stunden)
- Zerebrale Bildgebung zeitnah (MRT innerhalb weniger Tage nach dem ersten Anfall)
- Labordiagnostik: Kreatinkinase (CK)
Verlauf und Komplikationen
Epileptische Anfälle sind überwiegend selbstlimitierend (Dauer meist < 2 min). Jeder epileptische Anfall kann in einen Status epilepticus übergehen. Nach einem epileptischen Anfall besteht keine Fahreignung. Aufklärung und Dauer der mangelnden Kraftfahreignung nach einem sicheren ersten epileptischen Anfall sind abhängig von den Richtlinien des jeweiligen Staats.
Mögliche Komplikationen epileptischer Anfälle sind:
- Verletzungen (z. B. Schädel-Hirn-Trauma, Wirbelsäulenfraktur)
- Tod durch Ertrinken (beim Baden/Schwimmen)
- Kardiorespiratorische Störungen
- (Aspirations-)Pneumonie
- Rhabdomyolyse (selten)
- Status epilepticus
- SUDEP („Sudden Unexpected Death in Epilepsy“)
Langzeittherapie und ergänzende Maßnahmen
Bei Epilepsie können konsequent eingenommene Medikamente häufig Anfälle verringern oder eine Anfallsfreiheit ermöglichen. Klappt das nicht, helfen manchmal Operationen oder die sog. Neurostimulation. Ergänzende Verfahren und Patientenschulung können die Behandlung unterstützen. Eine Therapie mit dem Wirkstoff Cannabidiol aus Cannabis ist selten. Welche Medikamente helfen und ob eine OP sinnvoll ist, hängt davon ab, von welchen Stellen des Gehirns die Epilepsie ausgeht. Reha kann die Behandlung verbessern und hilft, einen guten Umgang mit der Epilepsie zu finden.
Anfallsunterdrückende Medikamente
Meistens helfen anfallsunterdrückende Medikamente. Der medizinische Fachbegriff dafür ist „Anfallssupressivum". Bekannter sind die veralteten Bezeichnungen Antiepileptika bzw. Antikonvulsiva. „Antiepileptisch" bedeutet „gegen Epilepsie" und „antikonvulsiv" bedeutet „gegen Krämpfe". Anfallsunterdrückende Medikamente helfen allerdings nicht gegen die Epilepsie selbst, sondern nur gegen die Anfälle. Außerdem helfen sie auch gegen epileptische Anfälle, bei denen es nicht zu Krämpfen kommt. Nach den Angaben in der medizinischen Leitlinie werden etwa 50 % der Menschen mit Epilepsie mit dem 1. anfallsunterdrückenden Medikament anfallsfrei, mit dem 2. weitere 10-15 % und insgesamt durch Medikamente ungefähr 2/3. Etwa die Hälfte der Menschen, die durch Medikamente langjährig anfallsfrei geworden sind, bekommen wieder Anfälle, wenn sie die Medikamente absetzen. Antiepileptika können mehr oder weniger starke Nebenwirkungen haben und werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut vertragen. Es ist genauso wichtig, belastende und einschränkende Nebenwirkungen zu vermeiden, wie die Anfälle zu unterdrücken. Ziele der Behandlung sind, das Risiko durch die Anfälle zu verringern (z.B. das Unfallrisiko, das Risiko zu sterben und das Risiko für geistige Folgeschäden), eine möglichst hohe Lebensqualität und ein möglichst selbstbestimmtes und unabhängiges Leben. Ob die Medikamente lebenslang genommen werden sollten oder nach langer Anfallsfreiheit abgesetzt werden können, ist eine individuelle Entscheidung, die Menschen mit Epilepsie gemeinsam mit ihren Ärzten treffen sollten. Es kommt darauf an, ob die Vorteile durch das Absetzen (Wegfall von Nebenwirkungen und ggf.
Notfallmedikamente
Neben den regelmäßig einzunehmenden anfallsunterdrückenden Medikamenten bekommen einige Menschen auch noch sog. Notfallmedikamente. Andere Wörter dafür sind "Bedarfsmedikation" oder "Akutmedikation". Sie sind dafür gedacht, einen sog. Ein Status epilepticus ist ein Anfall, der länger als 5 Minuten dauert. Für Anfallsserien gibt es keine klare medizinische Definition, aber meist wird von einer Anfallsserie gesprochen, wenn mindestens 3 Anfälle innerhalb von 24 Stunden auftreten, wenn die Anfälle normalerweise seltener auftreten. Die medizinische Leitlinie empfiehlt Notfallmedikamente in der Regel bei Anfällen zu verwenden, die länger als 5 Minuten dauern und/oder nach dem 3. Anfall innerhalb von 24 Stunden. Ein Notfallmedikament kann demnach aber auch schon nach dem 1. Anfall nützlich sein, wenn ein Mensch zu Anfallsserien neigt. Die Notfallmedikamente haben deutliche Nebenwirkungen und können süchtig machen. Zwar sind sie ggf. lebensrettend oder verhindern Langzeitschäden, aber ihr übertriebener Einsatz schadet oder ist im besten Fall sinnlos. Manche Notfallmedikamente können nur medizinische Fachleute geben, andere auch Laien. Notfallmedikamente gibt es in verschiedenen Formen, z.B. als Nasensprays, Spritzen, Tropfen, Zäpfchen oder Tabletten. Manchmal können Menschen mit Epilepsie ein Notfallmedikament selbst verwenden, aber sehr oft muss das wegen Bewusstseinsverlusts beim Anfall eine andere Person übernehmen. Menschen mit Epilepsie sollten daher über die Notfallmedikamente und deren Verwendung die Personen genau informieren, mit denen sie viel Zeit verbringen, z.B. Angehörige oder Kollegen. Bei Kindern und Jugendlichen sollten das Kitapersonal und/oder die Lehrkräfte schriftliche ärztliche Informationen über etwaige Notfallmedikamente bekommen. Nach dem 3. Anfall innerhalb von 24 Stunden sollte der Mensch mit der Epilepsie in eine Notaufnahme gebracht werden, wenn die Anfälle sonst nicht so häufig auftreten. Sie sollten auf die Uhr schauen oder die Sekunden zählen, um die wirkliche Anfallsdauer einschätzen zu können. Eine Sekunde dauert etwa so lange wie das Aussprechen der Zahl 21. Sie vermeiden so einen verfrühten unnötigen Einsatz von Notfallmedikamenten oder unnötige Notrufe. Volljährige müssen für viele Medikamente Zuzahlungen in Höhe von 10 % des Abgabepreises bezahlen, mindestens 5 € und maximal 10 €. Menschen mit Epilepsie gelten in der Regel als chronisch krank.
Epilepsiechirurgie und Neurostimulation
Wenn ein Jahr lang 2 passende ausreichend dosierte Medikamente zur Unterdrückung von Anfällen nacheinander oder in Kombination nicht zu Anfallsfreiheit geführt haben (= pharmakoresistente Epilepsie), ist Anfallsfreiheit für mindestens 1 Jahr durch Medikamente unwahrscheinlich. Die Chance liegt dann nur noch bei unter 10 %. Deswegen sollten sich Menschen mit Epilepsie dann an eine Spezialambulanz, eine Schwerpunktpraxis oder an ein Epilepsiezentrum wenden.
Eine Operation kann bei manchen Menschen mit pharmakoresistenter Epilepsie zur Anfallsfreiheit oder zumindest zu weniger Anfällen führen, ist aber nicht bei allen Menschen möglich und sinnvoll. Eine OP kommt nur bei fokal beginnenden (= von einer Gehirnhälfte ausgehenden) Anfällen in Frage - mit Ausnahme von OPs zum Einsetzen von Elektroden zur Neurostimulation. Neurostimulation ist auch bei generalisiert beginnenden Anfällen möglich. Viele Menschen mit Epilepsie und deren Neurologen halten die Epilepsiechirurgie für riskanter, als sie wirklich ist, und die Anfälle für weniger gefährlich, als sie tatsächlich sind. Studien zeigen, dass das Sterberisiko bei pharmakoresistenter Epilepsie im Durchschnitt durch eine OP deutlich sinkt. Ob und ggf. welche Schäden durch die OP drohen (z.B. Sprachprobleme, Bewegungsprobleme oder Sehprobleme), hängt davon ab, von welchen Stellen des Gehirns die Epilepsie ausgeht. Das Risiko ist hoch, wenn sie in der Nähe von Gehirnstellen mit einer wichtigen Funktion liegen oder wenn sie von solchen Stellen nicht klar abzugrenzen sind. Das lässt sich durch verschiedene Untersuchungen herausfinden, z.B. Außerdem sollte vor einer Entscheidung über eine OP die Gehirnfunktion getestet werden und der Mensch mit Epilepsie und ggf. dessen Angehörige sollten sich gut beraten lassen, wie sich die OP z.B. auf die Arbeitsfähigkeit (Epilepsie > Beruf), die Fahrerlaubnis (Epilepsie > Autofahren), auf Sport und Freizeit (Epilepsie > Urlaub und Sport) und auf das soziale Leben auswirken kann. Einerseits kann Anfallsfreiheit vieles (wieder) ermöglichen. Andererseits können durch die OP ggf. Die Entscheidung für oder gegen eine OP müssen am Ende die Betroffenen selbst treffen, bei Kindern und Jugendlichen auch die Sorgeberechtigten. Eine Operation sollte prinzipiell nur von zertifizierten epilepsiechirurgischen Zentren durchgeführt werden.
Resektive und diskonnektive Verfahren
Die Anfallsherde werden entfernt (resektive Verfahren) oder ein Teil des Gehirns wird vom Rest des Gehirns getrennt (diskonnektive Verfahren). Letzteres wird bei fokal beginnender pharmakoresistenter Epilepsie mit großen Hinrnschädigungen in einer Hirnhälfte oder im hinteren Viertel einer Hirnhälfte empfohlen, wenn die zu erwartenden Vorteile die zu erwartenden Nachteile überwiegen. Diese Verfahren können zu Anfallsfreiheit führen, führen aber auch immer zu Sichtfeldeinschränkungen auf einer Seite und bei einer Hemisphärotomie auch zu einer Halbseitenlähmung.
Weitere operative Verfahren sind Laser- und Radiofrequenz-Thermoablation, sterotaktische Radiotherapie, Vagusnerv-Stimulation (VNS), tiefe Hirnstimulation, subpiale Transsektion und Kallostomie.
Ergänzende Verfahren
Zur Ergänzung und Unterstützung der Epilepsie-Therapie kommen verschiedene Verfahren in Betracht, wie z.B. die Anpassung der Medikamente zur Unterdrückung von Anfällen, die Behandlung psychischer Störungen, die Modifizierte Atkins-Diät und Methoden zur Anfallselbstkontrolle.
Cannabidiol
Cannabidiol hat keine Rauschwirkung, denn diese geht von einem anderen Bestandteil von Cannabis aus, dem THC. Für THC gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise, dass es gegen epileptische Anfälle helfen könnte. Wenn andere Medikamente versagt haben, ist auch bei anderen Epilepsie-Formen ein sog. Seit April 2024 ist Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken teilweise legal. Das beinhaltet erlaubten Eigenanbau, Besitz und Konsum geringer Mengen bzw. den Erwerb als Mitglied eines sog. Cannabis-Social-Clubs. das unbedingt vorher mit dem behandelnden Neurologen absprechen, z.B. Außerdem gibt es dabei z.B. Nebenwirkungen wie z.B. Hohes Risiko z.B. Eine fehlende Wirkung des Cannabis gegen Epilepsie kann unbemerkt bleiben. Durch den sog.
Patientenschulungen
Patientenschulungen (Psychoedukation) sollen Betroffenen helfen, ihre Krankheit zu verstehen, um mit den Einschränkungen im Alltag besser zurechtzukommen. Tipps für die Kommunikation mit Mitmenschen über die Epilepsie, z.B. Die Krankenkassen können eine ambulante wohnortnahe Patientenschulung finanzieren, Näheres unter Ergänzende Leistungen zur Reha. Wer eine stationäre medizinische Reha macht, z.B. in einem Epilepsiezentrum, bekommt dort in der Regel auch Patientenschulung. Sie ist dann fester Bestandteil der Reha und wird von dem Träger gezahlt, der die Reha finanziert, also z.B. Für Menschen mit Epilepsie und einer Lern- oder geistigen Behinderung, gibt es z.B. die PEPE-Schulung.
Anlaufstellen und Rehabilitation
Epilepsie-Ambulanzen sind regionale Spezialeinrichtungen, die an neurologische, pädiatrische und psychiatrische Kliniken oder Fachabteilungen von Krankenhäusern angeschlossen sind. Epilepsiezentren können Menschen mit schwer therapierbaren Epilepsien helfen. Ihr Angebot umfasst sowohl eine Epilepsie-Ambulanz als auch stationäre Diagnostik, Therapie (inklusive Epilepsiechirurgie) und Rehabilitation.
Medizinische Reha bei Epilepsie soll Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Erwerbsminderung und/oder Sozialleistungsbezug wegen der Epilepsie verhindern, beseitigen, verringern, ausgleichen oder zumindest einer Verschlimmerung vorbeugen. Medizinische Reha gibt es ambulant und stationär. Bei ambulanter Reha können Menschen mit Epilepsie erarbeitete Strategien gleich im Alltag testen und ggf. anpassen. Medizinische Reha ist ggf. als Anschlussrehabilitation an einen Akutklinik-Aufenthalt möglich, z.B. Ebenfalls zur medizinischen Reha gehört die sog. Stufenweise Wiedereingliederung. Kinder und Menschen mit Behinderungen, z.B. mit einer Intelligenzminderung zusätzlich zur Epilepsie, können bei medizinischer Notwendigkeit eine Begleitperson, z.B. Verschiedene weitere Leistungen ermöglichen Reha trotz Berufstätigkeit und familiären Pflichten, z.B.
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