Eine Erbse-Lähmung, auch Plexusparese genannt, ist eine Lähmung, die durch eine Verletzung der Nerven an der Halsseite verursacht wird. Diese Nerven versorgen die Schulterregion und den gesamten Arm mit Gefühl und Bewegungsimpulsen für die Muskeln. Die aufgeführten Informationen beziehen sich in erster Linie auf eine kindliche, geburtsbedingte Plexusparese.
Was ist eine Plexusparese?
Das Nervengeflecht (Plexus brachialis) liegt an der seitlichen Halsseite und versorgt die Schulterregion und den gesamten Arm mit Gefühl (Sensibilität) und Bewegungsimpulsen für die Muskeln (Motorik). Diese Lähmung wird allgemein als Plexusparese, Erb'sche Parese oder Geburtslähmung bezeichnet. Ursächlich für diese Nervenverletzung ist eine Überdehnung bis hin zur Zerreißung des Nervengeflechtes am Hals durch unter der Geburt am Nerven auftretende unnatürlich hohe Zugkräfte. Die meisten Verletzungen sind reine Dehnungen und erholen sich erfahrungsgemäß in den ersten 3 bis 4 Wochen, durch progressive Funktionsaufnahme der motorischen und sensiblen Nerven mit Wiedererlangung der Bewegung. In diesen Fällen bildet sich die Lähmung zurück und unter krankengymnastischen Maßnahmen beobachten Sie die fast vollständige bzw. vollständige Wiederherstellung.
Ursachen und Entstehung
Die jeweiligen Nervenanteile im Plexus brachialis können gedehnt werden, bei größerer und lang anhaltender Traktion entstehen Einreißungen, Einrisse, Zerreißungen oder sogar Ausrisse am Rückenmark. Anschließend „versucht“ der Körper eine Regeneration, indem er vom Rückenmark her mit einer Geschwindigkeit von 1mm pro Tag neues Nervenmaterial über die Verletzungszone bringen will. Gelingt dies, kommt es zu einer schrittweisen Reinnervation, d. h. funktionellen Erholung. Gelingt dies durch das Ausmaß der Verletzung und der Zerreißung nicht, bleibt die Muskulatur ohne Nervenversorgung und baut sich ab. Bei Kinder handelt es sich meist um eine Verletzung der beiden oberen Nervenwurzeln (C5/C6 und ggf. C7). Die Verletzungshöhe liegt im Bereich des so genannten Truncus superior und medius (Konfluenz der Nervenwurzeln) bzw. der einzelnen Nervenwurzeln.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Schulterdystokie. Die Schulterdystokie ist ein seltener, unvorhersehbarer geburtshilflicher Notfall. Die Schulterdystokie entsteht, wenn nach der Geburt des kindlichen Kopfes die vordere Schulter des Kindes an der Symphyse (Schambeinfuge) hängen bleibt. Die Schultern und damit der Körper des Kindes stecken fest. Dem Kind droht Sauerstoffmangel sowie Schäden durch die nicht selten forcierten und eventuell unsachgemäße Entwicklungsversuche. Mögliche Komplikationen für das Kind sind Asphyxie, Nervenläsionen, Skelettverletzungen und Weichteilverletzungen. Die Schulterdystokie kommt bei großen Kindern übergewichtiger oder diabetischer Mütter häufiger vor. Jedoch treten mehr als die Hälfte aller Schulterdystokien bei einem Geburtsgewicht von unter 4.000 g auf. Durch die Anwendung verschiedener Manöver nach einem vorher festgelegten Notfallplan gelingt bei der Schulterdystokie in den meisten Fällen eine Lösung. Nach einer vorausgehenden Schulterdystokie steigt das Risiko einer erneuten Geburtskomplikation deutlich und sollte in der Risikoeinschätzung berücksichtigt werden.
Es ist wichtig zu betonen, dass das Auftreten einer Schulterdystokie und einer möglichen Plexusverletzung nicht zwingend bedeutet, dass hier auch ein ärztlicher Kunstfehler vorliegt. Mögliche Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüche des Kindes und / oder der Mutter müssen immer im Einzelfall begründet werden.
Lesen Sie auch: Erbschen Lähmung im Erwachsenenalter behandeln
Diagnose und erste Maßnahmen
Sollte nicht bereits bei der Entbindung eine Plexusparese diagnostiziert worden sein, so muss der Kinderarzt dies umgehend tun. Das Kind muss so schnell wie möglich bei einem Physiotherapeut mit Erfahrungen mit neuronalen Schäden bei Kindern vorgestellt werden. In den Links finden Sie Seiten der Verbände der Physiotherapeuten. Dort wird auch eine Therapeutensuche angeboten. Sollte in der Nähe Ihres Wohnortes ein Sozialpädiatrisches Zentrum sollten Sie ihr Kind dort vorstellen.
Therapie und Rehabilitation
Um den verletzen Bereich zu entlasten und keine weiteren Schäden zu verursachen soll in den ersten 8-12 Tagen nach der Geburt der betroffene Arm ruhiggestellt und nicht therapiert werden. Der Physiotherapeut turnt je nach Bedarf regelmäßig mit dem Kind und weist dann die Eltern in die Übungen ein, die mehrmals täglich zu Hause durchgeführt werden müssen, da nur so der Muskelaufbau und die Erholung der Nervenfunktion erreicht werden kann. Die Übungen müssen immer wieder an die Entwicklung des Kindes angepasst werden. Der Physiotherapeut wird den Eltern auch Hinweise zur Lagerung und Umgang mit dem Kind (Handling) geben um nicht durch unsachgemäße Handhabung den Plexus noch zusätzlich zu schädigen. In Deutschland werden die neurophysiologischen Therapiekonzepte nach Bobath und/oder Vojta empfohlen, die der Kinderarzt verschreibt. Bobath und vor allem Vojta sind sehr intensive Therapieformen, die beim Kind, sogar schon beim Säugling, große Wiederstände erzeugt. Hier müssen die Eltern großes Vertrauen zum Krankengymnasten entwickeln und unbedingt Kontakt zu anderen Betroffenen suchen. Sprechen Sie ggf. über die auftretenden Ängste.
Trotz guter, sensomotrischer Erholung kommt es häufig vor, dass der betroffene Arm nicht entsprechend seiner motorischen Möglichkeiten eingesetzt wird. Das Kind scheint ihn gar nicht wahrzunehmen. Hier handelt es sich um eine Störung des Körperschemas bei der Ergotherapie helfen kann. Darüber hinaus existieren noch orthopädische Hilfen, Schienen bzw. Orthesen, die durch die Plexusparese auftretende Belastungs- Fehlstellungen lindern helfen sollen. Diese können begleitend zur Therapie eingesetzt werden, stellen aber üblicherweise keinen Ersatz für eine Krankengymnastik bzw. einem chirurgischen Eingriff dar. Lassen Sie sich diesbezüglich von Ihrem Krankengymnasten und / oder Kinderarzt beraten. Eine Alternative zur Schiene bzw. zur Orthese stellt das sogenannte “Tapen” dar. Diese können wie im Sport besondere Belastungen des Muskeln und Gelenke vorzubeugen. Botulinum Toxin ist ein von Bakterien gewonnenes Muskelgift, das für einen begrenzten Zeitraum die Reizstromübertragung aussetzt. Botox wird in der Behandlung von kindlichen Plexusparesen genutzt, um Muskelungleichgewichte zwischen so genannten Antagonisten (Muskeln mit gegenläufiger Funktion wie z. B. Botox muss direkt und gezielt in den Muskel appliziert werden; dies gelingt bei kleinen Kindern nur im Rahmen einer Kurznarkose. Die Wirkung hält sechs Monate an; ein Wirkungsmaximum ist nach drei Monaten erreicht.
Operative Maßnahmen
Die Indikation zu den verschiedenen operativen Möglichkeiten bei schweren kindlichen Plexuslähmungen sollte früh festgelegt werden, deshalb ist es nützlich, dass Neugeborene mit einer spontan nicht erholenden kindlichen Plexusparese bereits mit drei Lebensmonaten vorzustellen. Die obere Erb’ sche Läsion wird anhand ihrer progressiven Erholung in Schulter-. Ellenbogen- und Handfunktion beurteilt. Bei Kindern mit guter allgemeiner Erholung aber ausbleibender aktiver Außenrotation der Schulter sollte aufgrund der Notwendigkeit für das Schultergleichgewicht gerade diese Funktion elektiv angesteuert werden, sodass wir bei Kindern zwischen neun und achtzehn Monaten mit ausbleibender aktiver Außenrotation der Schulter den N. Suprascapularis rekonstruieren.
Neben diesen klassischen Nerven wiederherstellenden Eingriffen gibt es für kleine und große Kinder ein großes Spektrum an so genannten Sekundäroperationen, die im wesentlichen aus Gelenklösungen, Muskel- bzw. Sehnenverlagerungen bestehen. Größtes Problem ist eine progressive Innenrotationsfehlstellung der Schulter, die meist auf einem Ungleichgewicht zwischen den beginnend reinnervierenden Innenrotatoren und gelähmten Außenrotatoren der Schulter entsteht. Die anderen Sekundäreingriffe werden bei Kindern zwischen vier und dreizehn Jahren durchgeführt, im wesentlichen als Sehnen- bzw. als Muskelverlagerungen, um wesentliche Funktionen durch gut funktionierende Muskeln neu zu besetzen, z. B. die Fallhandstellung mit herabhängendem Handgelenk zu korrigieren, die Supinationsfehlstellung des Unterarmes, eine Beuge- oder Streckschwächung im Ellenbogen und insbesondere Bewegungsschwächen der Schulterregion mit mangelnder Abspreiz- bzw. Hebefunktion. Die meisten Sekundärkorrekturen bedürfen einer sechs wöchiger Ruhigstellung in einer Gips- bzw. Kunststoffmanschette.
Lesen Sie auch: Symptome der Erbse-Lähmung erkennen
Spätfolgen und Komplikationen
In der Entwicklung des Kindes können sich durch die veränderte Mechanik von Arm und Schulter Folgeschäden entwickeln, die wenn früh erkannt auch behoben oder zumindest gemildert werden können. Auch das Gleichgewicht kann betroffen sein. Es ist sehr wichtig, dass die Fortschritte des Kindes mit einem Tagebuch, Fotos und wenn möglich Videos dokumentiert werden.
Mögliche Spätfolgen einer Erbse Lähmung sind:
- Atrophie der Muskeln: Schon nach kurzer Zeit können sich die Muskeln, die von der Erb Lähmung betroffen sind, zurückbilden. Es beginnt somit ein Teufelskreis aus Lähmung und auch Muskelschwäche.
- Fehlstellungen: Kompensatorisch wird vom Betroffenen versucht, die Bewegungen durch den gesunden Arm durchzuführen, was aber dazu führen kann, dass der gesunde Arm überlastet wird und auch zu Muskelverhärtungen im Bereich der Schulter, des Ober- und des Unterarms führt. Manchmal können auch Fehlstellungen daraus resultieren. Diese machen sich z. B.
- Einschränkung der Beweglichkeit: Eine Erb Lähmung, die nicht komplett rückläufig ist, hat zur Folge, dass die Einschränkung der Beweglichkeit Einfluss auf das Leben und den Alltag hat. So können die Bewegungen nicht so fließend wie bei einem gesunden Menschen durchgeführt werden.
- Arthrosen: Durch die Fehlbelastung kann es auch zu einer unphysiologischen Abnutzung von Gelenken kommen, was dann als Arthrose zu deutlichen Beschwerden auf längere Sicht zu Buche schlagen kann. Meistens ist das Schultergelenk betroffen, das dann so unsymmetrisch abgenutzt wird, dass im schlechtesten Fall am Ende der schützende Knorpel komplett weg ist und nur noch Knochen auf Knochen reibt.
Leben mit einer Plexusparese
Das Leben des Kinder ist ähnlich aber ein bisschen anders als das Leben ohne diese Verletzung. Einige Berufe und Tätigkeiten und einige Handgriffe des Alltags sind je nach Art der Verletzung schwierig bis unmöglich.
Es ist wichtig, dass der betroffene Arm möglichst nicht mit einer negativ besetzen Bezeichnung in Verbindung gebracht wird. Der Arm ist nicht krank, schwach oder kaputt. Er ist auch kein Bagger- oder Schaufelarm. Am einfachsten ist es sehr früh schon vom rechten / linken Arm zu sprechen und zu erklären dass dieser etwas anders funktioniert.
Sport und Freizeit
Grundsätzlich sind alle Sportarten möglich. In einer Studie die von der amerikanischen Selbsthilfegruppe UBPN veröffentlicht wurde, wurde das Verletzungsrisiko für verschiedene Sportarten untersucht. Ein Babyschwimmkurs macht fast jedem Kind viel Freude und bietet ideale Bedingungen um Kraft zu trainieren und durch die einfachere Bewegung im Wasser ein breites Bewegungsspektrum auszuprobieren und neue Reize anzubieten. Viele Schwimmbäder, Familienorganisationen, Vereine und Hebammenpraxen bieten solche Kurse an.
Lesen Sie auch: Leben mit Erbscher Lähmung: Ein umfassender Leitfaden
Unterstützung und Informationen
Plexuskinder.de kann keine umfassende Informationsplattform für komplexe Themen wie z.B. Behörden, Anträge, Versicherungen, Sozialrecht usw. bieten. Hierfür gibt es Gruppe, Vereine und Organisationen die sehr ausführlich und aktuelle über diese Themen informieren und auf die entsprechenden Behörden und Formulare verweisen.
Forschung und aktuelle Entwicklungen
Für die Plexusparese beim Kind gibt es keine aktuellen Leitlinien. Aus diesem Grund stellen die Autoren nach nunmehr 15-jähriger eigener klinischer Schwerpunkterfahrung mit über 1 000 behandelten Kindern den aktuellen Wissensstand vor. Sie stützen sich dabei auf eine selektive aktuelle Literaturübersicht, den Austausch mit Neurochirurgen sowie die Erkenntnisse aus internationalen Arbeitstreffen zu diesem Thema.
Die Häufigkeit ist mit 0,38 bis 1,56 Fälle auf 1 000 Geburten trotz umfassender Informationen und verbesserter geburtshilflicher Technik nicht rückläufig. Risikofaktoren sind neben der Schulterdystokie die Makrosomie (Geburtsgewicht über 4 kg), eine foeto-maternelle Disproportion mit engem Geburtskanal und/oder Übergewicht der Mutter (insbesondere bei Diabetes mellitus oder Schwangerschaftsdiabetes) sowie die Steißgeburt.
Entsprechend der Intensität und Ausbreitung der Verletzung wird die obere („Erbsche“ - Wurzeln C5, C6, gegebenenfalls C7) von der kompletten Parese (alle Wurzeln C5-Th1) unterschieden. Je nach Zugkraft zwischen Kopf und Schulter kommt es zu einer Nervendehnung (Neurapraxie), die innerhalb von drei Wochen defektfrei abheilt, bis hin zu den schwersten Verletzungsformen mit Wurzelausrissen oder proximalen Abrissen und ausbleibender Spontanheilung. Verschiedene Ausprägungen mit unterschiedlichem Lähmungsausmaß werden im Verlauf der ersten drei bis neun Lebensmonate prognostisch eingeschätzt.
Primäre Plexusrekonstruktion
Unter Vollnarkose wird über einen supraklavikulären Zugang unter dem M. scalenus anterior der Plexus freigelegt. Trunci und Wurzeln werden isoliert, mit Reizstrom stimuliert und neuromatöse Anteile entfernt. Nach neuropathologischer Prüfung der Schnittkanten erfolgt eine intraplexische Überbrückung und/oder extraplexische Nervenverlagerungen mit Anteilen des N. accessorius, Interkostalnerven, oder unverletzten Nerven im Oberarm, aus denen motorisch redundante Faszikel ausgeleitet werden. Als Spender für Nerventransplantate werden die Nn. surales benutzt. Eine postoperative Ruhigstellung für drei Wochen in einem Kopf-Hals-Gips ist erforderlich.
Begleitende Maßnahmen während der Erstbehandlung
Regelmäßige Krankengymnastik auf neurophysiologischer Basis (Vojta, Bobath, „forced use“) sollte trotz immer noch fehlendem Wirkungsnachweis bei allen betroffenen Kindern für sechs Monate, bei den schweren und operierten Paresen für zwei bis drei Jahre verordnet werden. Da der Verordnungskatalog für periphere Nervenläsionen (Heilmittel-Richtlinien, Zweiter Teil, Maßnahmen der Physikalischen Therapie, Stand 16. 3. 2004), zu denen auch die Plexusparese zählt, in der Regel nur Krankengymnastik mit maximal 30 Sitzungen vorsieht, muss außerhalb des Regelfalls verordnet werden.Schwere Plexusparesen mit Wurzelausrissen und Myelonschaden sind zentralnervöse Läsionen, die man in der Kategorie ZNS mit einer neurophysiologisch basierten Therapie über einen längeren Zeitraum behandelt.Bei größeren Kindern kommen Ergotherapie und nach Muskelverlagerungen gezielte Muskelaufbauarbeit hinzu.Bei allen Kindern ist, insbesondere an der Schulter, auf freie Gelenkbeweglichkeit und -kongruenz zu achten.
Bei gesicherten Co-Kontraktionen zwischen Antagonisten kann durch die intramuskuläre Gabe von Botulinumtoxin (vor allem in den M. triceps, M. subscapularis und M. teres major) der Zielmuskel für sechs Monate durch eine reversible Blockade der motorischen Endplatte ausgeschaltet werden. Meist ist eine einmalige Gabe ausreichend.
Früher Sekundäreingriff bei Innenrotationsfehlstellung der Schulter
Ungleichgewichte zwischen motorischen Antagonisten führen beim heranwachsenden Kind neben Bewegungsstörungen zu Deformitäten an Knochen und Gelenken. Die häufigste Veränderung betrifft das glenohumerale Gelenk und den Schultergürtel. Nach oberen Plexusparesen kommt es an der Schulter häufig zu einer Dysbalance zwischen den wenigen und nachhaltig gelähmten Außendrehern (Schädigung des N. suprascapularis) und der starken Gruppe der Innenrotatoren. Eine dorsale Subluxation des Humeruskopfes mit Innenrotationsfehlstellung ist die Folge, möglicherweise mit vermehrter Retroversion des Humeruskopfs und anpassenden Veränderungen am Glenoid (glenohumerale Dysplasie). Die Innenrotationsfehlstellung der Schulter muss frühzeitig gesucht werden, passive Dehnübungen in Außenrotation fördern das Gleichgewicht. Falls diese Behandlung mit 18 Monaten unzureichend ist, oder falls eine therapieresistente postpartale Subluxation des Humeruskopfes besteht, muss das Gelenk offen reponiert werden, meist mit Teilkürzung des Coracoids und Verlängerung der Subscapularissehne. Diese Fehlstellung prägt das Bewegungsmuster der oberen Extremität (vermehrte Pronation des Unterarmes sowie eingeschränkte Abduktion und Ellenbogenbeugung) und verändert das Gelenkwachstum nachhaltig; aus diesem Grunde muss man sie frühzeitig behandeln.
Sekundäre Sehnen- und Muskelverlagerungen
Wesentliche Zielfunktionen werden durch gut reinnervierte Muskelspender verbessert:
- Sehnenverlagerung des ulnaren Handgelenksbeugers (FCU, Flexor carpi ulnaris) zur Aktivierung der Handgelenks- oder Fingerstreckung (ECRB, Extensor carpi radialis brevis beziehungsweise EDC, Extensor digitorum communis) mit drei Jahren, um die Fallhandstellung mit verminderter Greiffunktion zu korrigieren
- Korrektur der Supinationsfehlstellung des Unterarmes durch Umlagerung („rerouting“) der Sehne des M. biceps oder M. brachioradialis, Lösung der Membrana interossea, Korrekturosteotomie des Radiusschaftes
- Verbesserung der Bizeps- oder Trizepsfunktion durch lokale Muskelaugmentationen
- Verbesserung der Schulterfunktion durch Muskeltransposition für die Abduktion (M. teres major, kranialer Anteil des M. trapezius oder M. pectoralis major) und Außenrotation (M. teres major und M. latissimus dorsi).
Mikrochirurgische Späteingriffe
Bei schwerster Unterversorgung des Armes und insbesondere der Hand nach nicht oder unzureichend behandelten Plexusparesen können späte Rekonstruktionen diskutiert werden:
- eine Minimalsensibilisierung der Hand durch die Neurotisation des N. medianus mittels sensibler Interkostalnerven (N. intercostobrachialis),
- eine Wiederherstellung der globalen Fingerbeugung durch einen freien neuro-vaskulär angeschlossenen M. gracilis-Transfer in die vordere Unterarmloge.
Untersuchungsmethoden
Bei kleinen Kindern hat sich die wiederholte Beobachtung mit Messung der aktiven und passiven Bewegung („range of motion“, ROM) und Beschreibung der Bewegungsmuster bewährt. Je nach Altersgruppe wird die Kraft mit dem BMRC-Grad oder nach Gilbert beurteilt.
Man achtet bei den Nervenrekonstruktionen auf das Erreichen wichtiger Funktionsziele (aktive Abduktion/Antepulsion der Schulter bis 90°, Bizepsaktivität mit Hand-zu-Mund, Greiffunktion der Finger) und notiert bei elektiven Muskelverlagerungen, ob sich die aktive ROM und die Kraft (BMRC M3 und mehr) verbessert haben.
Bewertung der Resultate
Eine detaillierte Analyse nach einem funktionsverbessernden Eingriff kann nur am Einzelfall erfolgen. Die Wertigkeit der Nervenrekonstruktion hängt vom Ausmaß und der Schwere der Nervenverletzung und dem Inhalt der mikrochirurgischen Rekonstruktion ab. Der Erfolg nach einer Neurotisation des Truncus inferior für die Wiedergewinnung der Handfunktion und die Erholung des N. suprascapularis sind nur einige Schwerpunkte.
Zu den Sekundäreingriffen sind globale Resultate veröffentlicht. Bei jedem Score liegt die Gefahr in der Nivellierung. Von besonderer Bedeutung ist eine erfolgreiche Behandlungsstrategie der Innenrotationskontraktur der Schulter mit einer verbesserten Außenrotationsstellung.
Die Rolle der Eltern
Als Eltern müssen Sie die Interessen Ihres Kindes vertreten und sich für das Kind einsetzen, auch wenn dies nicht immer leicht ist. In der laufenden Entwicklung werden sich immer wieder neue Fragen stellen, wie z.B. Schäden an der Wirbelsäule, Händigkeit, Körperschema, Sport usw. die geklärt werden müssen. Es ist fast unmöglich eine Prognose über die Mögliche Erholung des Kindes zu machen.
Fallbeispiele und persönliche Erfahrungen
Viele Betroffene berichten über ihr Leben mit einer Plexusparese und geben Einblicke in ihre Erfahrungen.
- Verena: Verena, geboren 1981 mit einer „Erbschen Lähmung“ am rechten Arm, berichtet über ihre Kindheit, Ausbildung und den Umgang mit ihrer Behinderung im Alltag. Sie betont, dass sie die meiste Zeit vergisst, dass ihr rechter Arm nicht genauso funktioniert wie der Linke und dass dies auch für die Leute in ihrem Umfeld gilt.
- Martin: Martin, der einen C5 C6 Wurzelausriss erlitten hat, teilt seine Erfahrungen mit Nervenrekonstruktionen und dem langwierigen Weg, die gelähmte Muskulatur wieder zu trainieren. Er motiviert andere Betroffene zu kämpfen und nicht aufzugeben.
tags: #erbse #lähmung #spätfolgen