Erbse-Lähmung: Ursachen, Symptome, Diagnose und Übungen

Die geburtstraumatische Arm-Plexus-Lähmung, auch bekannt als Erbsche Lähmung, ist eine Schädigung des Plexus brachialis (Arm-Nervengeflecht) während der Geburt. Sie betrifft die Spinalnerven C4/5 bis Th1/2. Die Häufigkeit wird zwischen 0,4 und 2 pro 1000 Geburten angegeben.

Ursachen der Erbse-Lähmung

Die Ursache ist der Zug an den Spinalnerven während des Geburtsvorgangs, sowohl bei Spontangeburten als auch bei Kaiserschnitten. Die entstehende Läsion kann weitreichende klinische Folgen für die langfristige Funktion des Arms bzw. der Hand haben. Die geburtstraumatische brachiale Plexusläsion tritt mit einer weltweiten Inzidenz von 0,1 bis 8,1 pro 1000 Lebendgeburten auf, wobei die Inzidenzraten abhängig von der Verfügbarkeit medizinischer Betreuung in Geburtszentren sind und in den westlichen Staaten bis zu 2% betragen. Maternale (u.a. Gestationsdiabetes, Geburtsstillstand, instrumentierte Geburt) und fetale Risikofaktoren (u.a. Schulterdystokie) können das Risiko erhöhen. Auch Überlastung, traumatische Ursachen und anatomische Gegebenheiten können eine Rolle spielen.

Formen der Erbse-Lähmung

Trotz der großen Variabilität der Schädigung gibt es bestimmte wiederkehrende Lähmungsmuster:

  • Typ Erb-Duchenne (C5 - C6): Obere Arm-Plexus-Lähmung, mit 80% die häufigste Variante. Typisches Erscheinungsbild: schlaff herabhängender Arm. Betroffen sind Schulter (M. deltoideus, M. supraspinatus, M. infraspinatus, M. teres minor) mit Ausfall der Abduktion und Außenrotation im Schultergelenk (Adduktions-Innenrotationshaltung) sowie Ellbogen (M. biceps, M. coracobrachialis, M. supinator) mit ausgefallener Beugung und Pronationshaltung des Unterarms bei gestrecktem Ellbogengelenk. Hand- und Fingerhaltung ist gebeugt.
  • Erweiterte Form (C5 - C8 / Th1): 20%, praktisch komplette Armlähmung, Horner-Syndrom (Myosis, Ptosis, Enophthalmus) bei Läsion in Höhe Th1.
  • Typ Dejerdine-Klumpke (C8 - Th1): Sehr seltene isolierte untere Arm-Plexus-Lähmung. Ausfall der Ober- und Unterarmstreckmuskulatur, der Fingerbeuger und Handbinnenmuskeln (Pfötchenstellung), Horner-Trias.

Symptome der Erbse-Lähmung

Eine Erbsche Lähmung macht sich sowohl durch eine motorische Einschränkung des betroffenen Arms als auch durch eine Schwäche und Sensibilitätsstörung bemerkbar. Da es sich bei den Betroffenen in der Regel um Neugeborene handelt, ist eine schwach ausgeprägte Erbsche Lähmung oft schwer zu erkennen. Die betroffenen Kinder halten den Arm meist schlaff herunter, oder er ist leicht angewinkelt und nach innen rotiert. Sie haben Probleme beim Greifen, lassen Gegenstände fallen und zeigen Sensibilitätsprobleme, die sich in einer reduzierten Interaktion mit der Außenwelt äußern.

Diagnose der Erbse-Lähmung

Die Diagnose wird meistens durch eine Blickdiagnose gestellt bzw. der Verdacht deutet bei bestimmten Bewegungseinschränkungen auf eine Erbsche Lähmung hin. Da meistens kleine Kinder oder Säuglinge von dieser Lähmung betroffen sind, sind es meistens die Eltern, die den Kinderarzt aufsuchen. Der Arm des betroffenen Patienten hängt entweder schlaff an der Seite und wird nicht spiegelbildlich zur anderen Seite benutzt, oder der Arm wird leicht angewinkelt und in einer eingedrehten Position gehalten. Bei der körperlichen Untersuchung werden neben der Kraft und der Beweglichkeit auch die Reflexe des Arms getestet, die ebenfalls reduziert sein können. Beim Kraftgrad wird ein kompletter Bewegungsverlust oder aber eine deutliche Bewegungsschwäche im Vergleich zur Gegenseite deutlich. Eine Elektromyographie (EMG) kann zur Beurteilung der Muskelaktivität eingesetzt werden.

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Konservative Therapie und Übungen

Nach Diagnosestellung sind von Geburt an krankengymnastische Übungsbehandlungen auf entwicklungsphysiologischer Basis und ergotherapeutische Maßnahmen erforderlich, um die passive Beweglichkeit und vorhandene Muskelfunktion zu erhalten und bei Reinnervationstendenz wiederkommende Muskelfunktionen zu steigern. Ziel der konservativen Frühbehandlung ist es zu erreichen, dass die betroffene Hand eingesetzt wird und dass Kontrakturen vermieden werden. In aller Regel ist die Therapie einer Erb´schen Lähmung rein konservativ. Der betroffene Arm wird in einer bestimmten Position in einem Verband ruhiggehalten.

Wichtig ist, dass der Bestandteil eines Übungsprogramms vor allem die Kräftigung der Arm- und Schultermuskulatur, die aus dem Nervengeflecht der Schulter versorgt wird, sein sollte. Hier wären vor allem Greifübungen zu nennen, die die Patienten durchführen sollten. Bei kleinen Kindern würde man z.B. einen Ball nehmen und diesen vor das Kind in greifbarer Nähe halten. Wichtig ist, dass das Kind versucht, den Ball mit dem erkrankten Arm zu greifen. Gelingt das nicht, sollte man den Ball zurückziehen und diesen dann in Richtung erkrankte Körperseite halten. Hat der Patient 5 Mal den Ball gegriffen oder mit dem erkrankten Arm die Richtung des Balls angepeilt, sollte der Ball dann in greifbarer Höhe über den Kopf des Kindes gehalten werden. Hier wäre dann die Aufgabe, den Arm Richtung Decke zu strecken.

Weitere Übungen und Behandlungspunkte bei Ausfall oder Beeinträchtigung der Motorik können sein:

  • Muskeltraining: Erhalten und Wiederholen von Nervenverbindungen.
  • Sensorisches Training: Schmerz-, Eis- und Tapping-Reize.
  • ASTE: Um den tonischen Labyrinth-Reflex abzuschwächen, Patient in Seitenlage oder Kopf unterlagern.
  • Mobilisation der Scapula: In Rotation.
  • Dehnung Gastrocnemius + Mobi USG: PT greift um Ferse und schiebt mit UA das Sprunggelenk in DE.
  • Vertikalisation + Sitz: Stück für Stück.
  • Greifübungen: Ball greifen, Arm Richtung Decke strecken.

Operative Therapie

Bei den geburtstraumatischen Arm-Plexus-Läsionen orientiert man sich zunächst am Ausmaß der Lähmung und der Regenerationstendenz des M. biceps. Bei kompletten Lähmungen und wenn keine Bizepsregeneration nach drei bis sechs Monaten eingetreten ist, ist eine operative neurochirurgische Rekonstruktion des Plexus brachialis indiziert. Ziel ist die Wiederherstellung der Nervenkontinuität durch Nerveninterponate sowie Reanastomosierungen der spinalen Nerven von proximal nach distal mit hoher Priorität für die Reinnervation der Hand.

Weitere operative Möglichkeiten sind:

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  • Muskeltranspositionen: Umwandlung von M. latissimus dorsi und M. teres major von Innen- zu Außenrotatoren durch Verpflanzung des Ansatzes (L’Episcopo-Procedere).
  • Ventrales Kapselrelease: Einbeziehung der ventral inserierenden Muskeln (M. pectoralis major, M. subscapularis), wird beim L’Episcopo-Procedere bei vorliegender Innenrotationskontraktur additiv durchgeführt.
  • Außenrotationsosteotomie des Humerus: Derotation des Humerus.

Spätfolgen der Erbse-Lähmung

Eine Erb Lähmung, die nicht komplett rückläufig ist, hat zur Folge, dass die Einschränkung der Beweglichkeit Einfluss auf das Leben und den Alltag hat. So können die Bewegungen nicht so fließend wie bei einem gesunden Menschen durchgeführt werden.

  • Atrophie der Muskeln: Schon nach kurzer Zeit können sich die Muskeln, die von der Erb Lähmung betroffen sind, zurückbilden.
  • Fehlstellungen: Kompensatorisch wird vom Betroffenen versucht, die Bewegungen durch den gesunden Arm durchzuführen, was aber dazu führen kann, dass der gesunde Arm überlastet wird und auch zu Muskelverhärtungen im Bereich der Schulter, des Ober- und des Unterarms führt.
  • Arthrosen: Durch die Fehlbelastung kann es auch zu einer unphysiologischen Abnutzung von Gelenken kommen.

Prognose der Erbse-Lähmung

Beim größten Teil der Säuglinge kommt es zu einer vollständigen Restitution (Wiederherstellung), wobei die Prognose entscheidend von Art und Umfang der Schädigung abhängt. Hohe Plexus-Läsionen haben eine bessere Prognose als Total-Läsionen. Eine klinische Verbesserung nach dem 12. bis 18. Lebensmonat ist selten.

Weitere Aspekte und Informationen

  • Schwerbehinderung: Eine Schwerbehinderung liegt vor, wenn ein Kind durch die Folgen der Erb-Lähmung dauerhaft im Alltag beeinträchtigt ist. In diesem Fall besteht die Möglichkeit, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen.
  • Plexuskinder: Informationen und Unterstützung für Betroffene und ihre Angehörigen finden sich auf Plexuskinder.de.
  • Alltag: Es ist wichtig, den betroffenen Arm nicht mit einer negativ besetzen Bezeichnung in Verbindung zu bringen. Am einfachsten ist es sehr früh schon vom rechten / linken Arm zu sprechen und zu erklären dass dieser etwas anders funktioniert.
  • Sport: Grundsätzlich sind alle Sportarten möglich. Ein Babyschwimmkurs macht fast jedem Kind viel Freude und bietet ideale Bedingungen um Kraft zu trainieren.

Der Plexus brachialis im Detail

Der Plexus brachialis ist ein Nervengeflecht, das die Schulterregion und den gesamten Arm mit Gefühl (Sensibilität) und Bewegungsimpulsen für die Muskeln (Motorik) versorgt. Er verlässt die Wirbelsäule in einem Abschnitt auf Höhe von C5 bis Th1.

Funktion

Die Nerven, die aus dem Plexus brachialis entspringen, werden unterteilt in einen vorderen und einen hinteren Abschnitt und innervieren zahlreiche Muskeln im Bereich von Schulter, Arm und Hand.

Nervenschädigung

Eine Nervenschädigung des Plexus brachialis kann sich durch Probleme bei der Armbewegung, Kraftminderung, Sensibilitätseinschränkungen (Taubheitsgefühl, Kribbeln) und Schmerzen äußern. Ein eingeklemmter Plexus brachialis kann durch verhärtete Muskeln verursacht werden, die auf die Nerven drücken. Eine Entzündung des Plexus brachialis kann durch Überlastung oder Fehlbelastung entstehen.

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MRT-Untersuchung

Im MRT kann man meistens die Ursache der Beschwerden feststellen, z.B. Muskelverhärtungen, Nervenentzündungen oder Verletzungen.

Weitere Ursachen für Beschwerden im Bereich des Plexus brachialis

  • Thoracic-Outlet-Syndrom: Einengung von Strukturen, die zwischen Hals und Brustkorb vorbeiführen.
  • Parsonage-Turner-Syndrom: Entzündung der Nervenendigungen aus dem Plexus brachialis.
  • Strahlenschäden: Nach onkologischer Bestrahlung im Hals-, Schulter- oder Thoraxbereich.

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