Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes Ereignis, das jährlich viele Menschen in Deutschland betrifft. Dabei kann es durch eine plötzliche Durchblutungsstörung oder eine Blutung im Gehirn zu einem Ausfall bestimmter Gehirnfunktionen kommen. Eine gefürchtete Komplikation nach einem Schlaganfall ist der erhöhte Hirndruck, der zu schwerwiegenden Folgeschäden führen kann. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Therapiemöglichkeiten des erhöhten Hirndrucks nach einem Schlaganfall und stellt neue vielversprechende Therapieansätze vor.
Was ist ein Schlaganfall?
Von einem Schlaganfall, auch Apoplex genannt, spricht man, wenn bestimmte Funktionen des Gehirns infolge einer Durchblutungsstörung oder einer Blutung ausfallen. Halten diese Ausfallerscheinungen länger als 24 Stunden an, liegt ein vollendeter Schlaganfall vor. Bestehen die beobachteten Ausfallerscheinungen nur vorübergehend, spricht man von einer transitorisch ischämischen Attacke (TIA).
Es werden zwei Hauptformen des Schlaganfalls unterschieden:
- Ischämischer Schlaganfall (Hirninfarkt): Hierbei wird ein Gefäß im Gehirn durch ein Blutgerinnsel verstopft, wodurch das Hirngewebe dahinter nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wird.
- Hämorrhagischer Schlaganfall (Hirnblutung): Dabei platzt ein Blutgefäß, und es tritt Blut ins Gehirn aus - entweder ins Hirngewebe (intrazerebral) oder in die Hirnhäute (Subarachnoidalblutung).
Erhöhter Hirndruck: Eine gefährliche Komplikation
Durch den knöchernen Schädel sind die verschiedenen Elemente in unserem Kopf räumlich begrenzt. Nehmen Hirngewebe, Blut oder das umgebende Hirnwasser an Volumen zu, verdrängen sie dadurch die jeweils anderen Elemente. Das Hirnwasser, auch Liquor oder Nervenflüssigkeit genannt, kann die Volumenzunahme in einem gewissen Rahmen ausgleichen, indem es in Räume entlang des Rückenmarks entweicht und so den Kopf entlastet. Doch dieser Spielraum ist auf wenige Milliliter begrenzt. Ein erhöhter Hirndruck führt durch die Komprimierung von Hirnstrukturen zu Ausfallerscheinungen.
Ein erhöhter Hirndruck kann nach einem Schlaganfall verschiedene Ursachen haben:
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- Hirnödem: Nach einem Schlaganfall kann es zu einer Schwellung des Hirngewebes (Hirnödem) kommen, die den Druck im Schädelinneren erhöht.
- Blutungen: Bei einem hämorrhagischen Schlaganfall kann das ausgetretene Blut den Hirndruck zusätzlich erhöhen. Auch nach einem ischämischen Schlaganfall kann es zu sekundären Blutungen kommen.
- Raumforderungen: Tumore, Entzündungen (z.B. Meningitis), Infarkte, oder Aneurysmen können ebenfalls zu einem erhöhten Hirndruck führen.
Die Symptome eines erhöhten Hirndrucks können vielfältig sein und hängen von der Ursache und den betroffenen Hirnbereichen ab. Häufige Symptome sind:
- Kopfschmerzen
- Übelkeit und Erbrechen
- Bewusstseinsstörungen (Verwirrtheit, Benommenheit, Koma)
- Sehstörungen (Doppelbilder, unscharfes Sehen, Pupillenunterschiede)
- Neurologische Ausfälle (Lähmungen, Sprachstörungen)
- Atemstörungen
- Blutdruckanstieg und Abfallen der Herzfrequenz
Therapie des erhöhten Hirndrucks
Die Behandlung des erhöhten Hirndrucks nach einem Schlaganfall zielt darauf ab, den Druck im Schädelinneren zu senken und das Gehirn vor weiteren Schäden zu bewahren. Die Therapie richtet sich nach der Ursache und dem Schweregrad des Hirndrucks.
Konservative Maßnahmen:
- Blutdruckkontrolle: Ein zu hoher Blutdruck kann den Hirndruck zusätzlich erhöhen. Daher ist eine engmaschige Blutdruckkontrolle und -senkung wichtig.
- Körperliche Lagerung: Eine Oberkörperhochlagerung kann den venösen Rückfluss aus dem Gehirn verbessern und so den Hirndruck senken.
- Medikamentöse Therapie:
- Mannitol: Mannitol ist ein osmotisch wirksames Medikament, das Wasser aus dem Hirngewebe zieht und so den Hirndruck senkt.
- Hypertonische Kochsalzlösung: Ähnlich wie Mannitol wirkt hypertonische Kochsalzlösung osmotisch und reduziert den Hirndruck.
- Kortikosteroide: Bei Hirnödemen, die durch Entzündungen verursacht sind, können Kortikosteroide eingesetzt werden, um die Schwellung zu reduzieren.
- Sedierung: Bei unruhigen oder agitierten Patienten kann eine Sedierung helfen, den Stoffwechsel des Gehirns zu reduzieren und so den Hirndruck zu senken.
- Moderate Hypothermie: In einigen Fällen kann eine moderate Kühlung des Körpers (33-35°C) helfen, den Hirndruck zu senken und das Gehirn zu schützen.
- Liquordrainage: Bei einer erhöhten Produktion von Hirnwasser oder einer Abflussstörung kann eine Liquordrainage durchgeführt werden, um überschüssiges Hirnwasser abzuleiten und den Druck zu senken. Dabei wird ein Katheter in einen der Hirnventrikel oder den Lumbalraum eingeführt.
Chirurgische Maßnahmen:
- Dekompressive Kraniektomie: Bei einem therapierefraktären Hirndruck, der nicht auf konservative Maßnahmen anspricht, kann eine dekompressive Kraniektomie durchgeführt werden. Dabei wird ein Teil des Schädelknochens entfernt, um dem Gehirn mehr Raum zu geben und den Druck zu entlasten. Nach Rückgang der Schwellung wird der Knochendeckel in der Regel wieder eingesetzt.
- Entfernung von Blutungen oder Raumforderungen: Bei Hirnblutungen oder Raumforderungen wie Tumoren kann eine Operation erforderlich sein, um die Ursache des erhöhten Hirndrucks zu beseitigen.
Neue Therapieansätze: Die SWITCH-Studie
Eine aktuelle Studie, die SWITCH-Studie, liefert vielversprechende Hinweise auf einen wirksamen neurochirurgischen Ansatz zur Behandlung des erhöhten Hirndrucks nach einem tiefen hämorrhagischen Schlaganfall. In dieser Studie wurde die Wirkung einer Kraniektomie zur Druckentlastung bei besonders schwer betroffenen Patienten untersucht. Dabei wurde ein Teil der Schädeldecke entfernt und nach Rückgang der Schwellung wieder implantiert.
Die Ergebnisse der SWITCH-Studie zeigten, dass eine Kombinationstherapie aus Standardtherapie und Dekompressions-Kraniektomie möglicherweise zu weniger schweren Verläufen führt. Ein halbes Jahr nach dem Eingriff wurden 44% der Patienten nach Kombinationstherapie den schlechtesten Stufen 5-6 der modifizierten Rankin-Skala zugeordnet, ohne neurochirurgischen Eingriff waren es 58%. Auch wenn die statistische Signifikanz knapp verfehlt wurde, sehen die Autoren darin einen schwachen Beweis, dass die Intervention der bisherigen Therapie überlegen sein könnte.
Prof. Dr. Jürgen Beck, Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurochirurgie des Universitätsklinikums Freiburg, betont, dass die SWITCH-Studie erstmals starke Hinweise für einen wirksamen Therapieansatz beim tiefen hämorrhagischen Schlaganfall liefert und einen wertvollen Hoffnungsschimmer für die betroffenen Patienten darstellt.
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Eine weitere Multicenter-Studie, DESTINY II, untersuchte die Wirksamkeit der Entlastungskraniektomie bei Patienten über 60 Jahren mit Verschluss der mittleren Hirnarterie. Die Ergebnisse zeigten, dass die Sterblichkeit der über 60-jährigen Patienten durch den Eingriff von 73 auf 33 Prozent gesenkt werden konnte. Allerdings überlebten viele Patienten diesen Eingriff mit schweren, bleibenden Behinderungen. Daher ist eine sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile des Eingriffs erforderlich.
Rehabilitation und Nachsorge
Nach der Akutbehandlung eines Schlaganfalls und der Therapie des erhöhten Hirndrucks ist eine umfassende Rehabilitation und Nachsorge entscheidend, um die beeinträchtigten Funktionen wiederherzustellen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Die Rehabilitation kann folgende Maßnahmen umfassen:
- Physiotherapie: Zur Wiederherstellung der मोटरischen Fähigkeiten und der Beweglichkeit.
- Ergotherapie: Zur Verbesserung der Alltagsfähigkeiten und der Selbstständigkeit.
- Sprachtherapie: Zur Behandlung von Sprach- und Sprechstörungen.
- Neuropsychologische Therapie: Zur Behandlung von kognitiven Störungen und psychischen Problemen.
Darüber hinaus sind eine psychosoziale Betreuung und Beratung der Betroffenen und ihrer Angehörigen wichtig, um die Folgen des Schlaganfalls zu bewältigen und den Alltag neu zu gestalten.
Prävention von Schlaganfällen und Hirnblutungen
Um das Risiko eines Schlaganfalls und damit auch das Risiko eines erhöhten Hirndrucks zu minimieren, ist eine konsequente Prävention wichtig.
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Folgende Maßnahmen können dazu beitragen:
- Kontrolle des Bluthochdrucks: Regelmäßige Messung und Behandlung eines zu hohen Blutdrucks.
- Gesunde Ernährung: Ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse und Ballaststoffen.
- Verzicht auf Rauchen und übermäßigen Alkoholkonsum.
- Regelmäßige Bewegung: Mindestens 150 Minuten moderate körperliche Aktivität pro Woche.
- Behandlung von Risikofaktoren: Behandlung von Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen und anderen Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
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