Ernährungsempfehlungen bei Multipler Sklerose: Was wirklich hilft

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigen kann. Viele Menschen mit MS suchen nach Möglichkeiten, ihre Therapie im Alltag zu unterstützen. Dabei spielt die Ernährung eine wichtige Rolle. Dieser Artikel gibt einen Überblick über aktuelle Empfehlungen und Forschungsergebnisse zur Ernährung bei MS.

Allgemeine Ernährungsempfehlungen

Unabhängig von der MS-Diagnose ist eine gesunde, ausgewogene Ernährung von großer Bedeutung. Eine "mediterrane" Ernährung, die reich an Gemüse, wenig Fett und moderaten Mengen an Kohlenhydraten ist, wird allgemein empfohlen.

Salzarm essen

Eine klare Empfehlung für MS-Patienten ist eine salzarme Ernährung. Zahlreiche Studien deuten auf einen negativen Einfluss von salzreicher Ernährung hin.

Spezielle Ernährungsansätze und Diäten

Intervallfasten

In letzter Zeit rückt das Intervallfasten in den Fokus. Tiermodelle zeigen, dass Fasten entzündungshemmend wirken kann. Studien am Menschen deuten darauf hin, dass Intervallfasten (z.B. 16/8-Methode) die Lebensqualität verbessern und Müdigkeit sowie depressive Symptome reduzieren kann. Besonders adipösen Personen kann das Intervallfasten empfohlen werden, um den Verlauf der MS positiv zu beeinflussen und Begleiterkrankungen günstig zu beeinflussen.

Ketogene Diät

Die ketogene Diät, die einen extremen Verzicht auf Kohlenhydrate beinhaltet, wird ebenfalls diskutiert. Die Empfehlung für eine solche Diät sollte jedoch immer von den individuellen Begleiterkrankungen abhängen.

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Swank-Diät

Bei der Swank-Diät sollen MS-Patienten maximal 15 g gesättigte Fettsäuren pro Tag zu sich nehmen, dafür einen hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren (Omega-3-Fettsäuren aus Pflanzenölen und Fisch). Zudem sind viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukte, fettarme Milchprodukte und Nüsse (moderat) sowie 1 g Vitamin C täglich (als Supplement) erlaubt. Hingegen sollten die Patienten auf rotes Fleisch für ein Jahr komplett verzichten und danach den Verzehr auf 85 g pro Woche beschränken.

Wahls-Diät

Bei der Diät nach Wahls sollen Patienten neun Portionen Obst und Gemüse täglich essen (drei Portionen grünblättriges Gemüse, wie Spinat, Grünkohl; drei Portionen Schwefel-haltiges, wie Zwiebel, Knoblauch; drei Portionen Buntes und Beeren). Ebenso sollten hochwertige Fette aus Avocado, Oliven, Nüssen und Fisch in den täglichen Speiseplan integriert werden. Fleisch aus Weidehaltung ist erlaubt, während Eier, glutenhaltiges Getreide, Milchprodukte und industriell verarbeitete Lebensmittel sowie Zucker gemieden werden sollen.

Weizenreduzierte Ernährung

Ein Forschungsteam der Universitätsmedizin Mainz hat herausgefunden, dass eine weizenhaltige Ernährung die Schwere einer Multiple Sklerose-Erkrankung (MS) fördern kann. Dies bewirkten die Amylase-Trypsin-Inhibitoren (ATI), natürliche Proteine im Weizen, während die Glutenproteine die entzündlichen Reaktionen nicht beeinflussten. Die Studien bestätigen, dass die Ernährung und die Darmgesundheit den Verlauf von chronisch-entzündlichen Erkrankungen, zu denen auch MS gehört, beeinflussen können.

Eine initiale Untersuchung des Forschungsteams im Tiermodell ergab, dass sich bei einer Ernährung, die 25 Prozent Weizen enthält, die Symptome der MS stark verschlechtert haben im Vergleich zur gleichen, aber weizenfreie Ernährung. Diese Ergebnisse ließen sich auch mit einer minimalen Menge der ATI-Proteine (0,15 Prozent des Futtergewichts), nicht aber mit einer großen Menge an Glutenproteinen (5 Prozent des Futtergewichts) reproduzieren.

Die Ergebnisse aus dem Tiermodell konnten das Forschungsteam dann auch in einer klinischen Pilotstudie bestätigen. An dieser Studie nahmen Patientinnen und Patienten mit mittelgradig schwerer, gering aktiver MS teil. Eine Studiengruppe hielt sich drei Monate lang an eine weizenreduzierte Diät, während die andere Gruppe ihre weizenhaltige Ernährung weiterführte. Nach den drei Monaten wechselten die Gruppen für weitere drei Monate zur jeweils anderen Diät. Die MS-Betroffenen berichteten während der weizenfreien Diät von signifikant weniger Schmerzen. Ebenso konnten weniger entzündliche Immunzellen in ihrem Blut gemessen werden.

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Keine Empfehlung für spezielle MS-Diäten

Die Leitlinien-Autoren empfehlen derzeit keine dieser speziellen Ernährungsformen, da „keine Studien ausreichend guter Qualität“ vorlägen, die einen „positiven Effekt zweifelsfrei belegen könnten“.

Bedeutung von Mikronährstoffen

Vitamine und Spurenelemente spielen eine wichtige Rolle bei der Entzündungshemmung. Insbesondere Vitamin A, B6, B12, Zink und Selen, die in Fisch, Fleisch und Gemüse vorkommen, können entzündungsfördernde Botenstoffe (Zytokine) reduzieren.

Vitamin D

Ein ausreichender Vitamin-D-Spiegel ist wichtig. Experten haben einen Vitamin-D-Mangel mit einer erhöhten Schubrate und Krankheitsaktivität in Verbindung gebracht. Der Körper kann Vitamin D unter Einfluss von UV-Licht selbst erzeugen. MS-Patienten mit normalen Vitamin-D-Spiegeln können, nach Rücksprache mit ihrem Arzt, Vitamin D ergänzend einnehmen, da sie von einem hohen Vitamin-D-Spiegel profitieren können. Sie sollten jedoch nicht mehr als 4.000 IE (internationale Einheiten) täglich nehmen. Vitamin-D-Hochdosistherapien (z.B. "Coimbra-Protokoll") sind nicht zu empfehlen.

Antioxidantien

Antioxidantien wie Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E und β-Karotin sowie die Spurenelemente Kupfer, Selen und Zink sind für die entzündungshemmende Ernährung bei Multipler Sklerose von besonderer Bedeutung. Der Bedarf an diesen Vitaminen kann bei einem MS-Schub jedoch erhöht sein.

Weitere wichtige Aspekte

Ballaststoffe

Ballaststoffreiche Lebensmittel sind wichtig für eine gesunde Darmflora. Aus Ballaststoffen stellen Darmbakterien wertvolle kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat und Propionat her, die zur Reparatur der Nervenzellen gebraucht werden.

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Kurzkettige Fettsäuren

Prospektive Studien deuten auf eine positive Wirkung von kurzkettigen Fettsäuren (z. B. Propionate) hin. Sie können die "schlechten" Immunzellen im Darm binden und somit Entzündungsprozesse reduzieren.

Omega-3-Fettsäuren

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie die Omega-3-Fettsäure in Fischöl, wirken antientzündlich. Zellschützend wirken auch sekundäre Pflanzenstoffe, die in saisonalem Gemüse und Obst vorkommen.

Arachidonsäure

Die Aufnahme von Arachidonsäure, die vor allem in tierischen Produkten wie Fleisch, Wurst, Eiern und Butter vorkommt, sollte reduziert werden. Margarine ist Butter vorzuziehen, da sie pflanzlich ist und keine Arachidonsäure enthält.

Zucker und Zuckeraustauschstoffe

Ein zu hoher Zuckerkonsum kann Entzündungen fördern. Daher ist es sinnvoll, den Verzehr von Kohlenhydraten (etwa Weißbrot, Nudeln) und vor allem von Zucker- und Knabberkram zu begrenzen. Zuckeraustauschstoffe sind nicht geeignet und können gesundheitsschädigend sein.

Alkohol

Da Alkohol immer - auch in kleinen Mengen - gesundheitsschädlich ist und das Risiko für viele Krankheiten erhöht, sollte am besten ganz auf Alkohol verzichtet werden.

Weihrauch und Grüner Tee

Für Weihrauch sind antiinflammatorische Effekte nachgewiesen worden. Zur antiinflammatorischen Wirkung von grünem Tee gibt es viele kleinere Studien, die belegen, dass die darin enthaltene Komponente Epigallocatechin eine antioxidative, antientzündliche Wirkung besitzt.

Gewicht

Übergewicht kann das Risiko erhöhen, an MS zu erkranken, und auch zu einem ungünstigeren Verlauf der Krankheit führen.

Darmgesundheit

Es gibt Hinweise darauf, dass es bei MS Veränderungen der Darmflora gibt.

Kaffee

Auf Kaffee muss nicht verzichtet werden, denn dieser könnte eher eine Schutzwirkung auf die Entstehung und den Verlauf der MS haben.

Praktische Tipps für die Ernährungsumstellung

  • Ausgewogene Ernährung: Achten Sie auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten und gesunden Fetten. Mit der mediterranen Ernährung kann man nichts falsch machen.
  • Vielfalt: Essen Sie abwechslungsreich und bewusst. Pflanzliche Lebensmittel sollten den tierischen Produkten gegenüber bevorzugt werden.
  • Frische Zubereitung: Bereiten Sie Ihre Mahlzeiten frisch zu, um die Kontrolle über Zucker- und Salzgehalt zu haben.
  • Trinken: Trinken Sie ausreichend Wasser über den Tag verteilt.
  • Genuss: Gönnen Sie sich hin und wieder auch etwas Besonderes, aber in Maßen.
  • Vorsicht bei Extremen: Vor exzessiven Diäten wird gewarnt. Es kommt sogar häufig vor, dass meist Patientinnen es mit der Ernährung sehr ernst nehmen und fast gar nichts mehr essen. Hier muss man aufpassen, dass die Ernährungsumstellung nicht in die falsche Richtung läuft und sogar gesundheitsschädigend wirkt. Außerdem sollte Essen schließlich auch noch Spaß machen.
  • Individuelle Beratung: Lassen Sie sich von einem Arzt oder Ernährungsberater individuell beraten, um die beste Ernährungsstrategie für Ihre Bedürfnisse zu finden.

Umgang mit Überforderung

Insbesondere bei der Erstdiagnose einer MS ist es wichtig, Betroffene nicht mit zu vielen Informationen und Empfehlungen zu überfordern. Der Schwerpunkt sollte zunächst auf der Krankheitsverarbeitung und Therapieplanung liegen. Die Bedeutung von Ernährung und anderen Lebensstilfaktoren sollte zwar angesprochen werden, aber ohne zusätzlichen Druck auszuüben. Insbesondere, wenn sich Betroffene ungesund ernähren und zusätzlich rauchen, würde ich den Schwerpunkt zunächst in der Rauchentwöhnung sehen.

Fazit

Eine spezielle "MS-Diät", die pauschal für alle gilt, gibt es derzeit nicht. Die aktuellen Ernährungsempfehlungen konzentrieren sich auf eine entzündungshemmende Ernährungsweise, die reich an ungesättigten Fettsäuren, Omega-3-Fettsäuren und Antioxidantien ist. Eine vegetabil- und ölbetonte Ernährungsweise mit regelmäßigen Fischmahlzeiten ist nebenwirkungsfrei und sehr empfehlenswert. Es ist wichtig, die Ernährungsumstellung nicht in die falsche Richtung laufen zu lassen und sich nicht zu überfordern. Eine individuelle Beratung durch einen Arzt oder Ernährungsberater ist ratsam.

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