Ernährung und Demenz: Ein umfassender Überblick über Zusammenhänge, Empfehlungen und Herausforderungen

Demenz ist eine komplexe Erkrankung, die das Leben von Betroffenen und ihren Familien erheblich beeinträchtigt. Obwohl Demenzursächlich nicht heilbar ist, gibt es Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf hinauszuzögern - auch durch die Ernährung. Dabei spielen sowohl die Auswahl der Lebensmittel als auch die Art und Weise der Nahrungsaufnahme eine wichtige Rolle. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Ernährung und Demenz, gibt praktische Empfehlungen für die Ernährung von Menschen mit Demenz und zeigt Herausforderungen auf, die bei der Umsetzung einer gesunden Ernährung auftreten können.

Einleitung

Der demografische Wandel führt zu einer steigenden Anzahl älterer Menschen, wodurch auch die Zahl der Demenzerkrankungen zunimmt. In Deutschland leben etwa 1,7 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Demenz verändert vieles, nicht nur beim Betroffenen, sondern auch bei den Angehörigen, Freunden und Mitmenschen. Die richtige Ernährung ist ein wichtiges Thema in der Pflege von Demenz erkrankten Menschen. Eine bedarfsgerechte, vollwertige und gesunde Ernährung ist mit zunehmendem Alter von großer Bedeutung, genauso wie für Menschen ohne Demenz. Im Frühstadium der Demenz kann die betroffene Person meist noch selbstständig mit Messer und Gabel oder Löffel essen. Mit fortschreitendem Verlauf der Erkrankung verschlechtern sich die Fähigkeiten, die zur Nahrungsaufnahme notwendig sind. Im Endstadium der Demenz liegen häufig Kau- und Schluckstörungen vor und das Hunger- und Durstgefühl, sowie die Fähigkeit, Lebensmittel und Getränke zu erkennen, sind stark beeinträchtigt.

Zusammenhänge zwischen Ernährung und Demenz

„Zusammenhänge zwischen Ernährung und Demenz sind sehr vielfältig“, sagt Dr. Hofmann. Beobachtungen bekräftigen dies. Bei der Hälfte der Demenzkranken lässt sich im Rückblick feststellen, dass sie in den Jahren vor der Diagnose schleichend Gewicht verloren haben. „Es lässt sich durchaus sagen: Mangelernährung und Gewichtsverlust sind begleitende Faktoren bei der Entwicklung einer Demenz“, sagt er.

Mangelernährung und Gewichtsverlust als Risikofaktoren

Mangelernährung und Gewichtsverlust sind häufige Begleiter von Demenzerkrankungen. Viele Betroffene verlieren im Laufe der Erkrankung an Gewicht, was auf verschiedene Faktoren zurückzuführen ist. Zum einen kann der Geschmackssinn nachlassen, wodurch die Lust am Essen verloren geht. Zum anderen können auch Gedächtnisprobleme dazu führen, dass Betroffene vergessen, regelmäßig zu essen. Zudem kann eine Demenz das Hunger- und Sättigungsgefühl beeinträchtigen. Häufig haben die Betroffenen keinen Appetit oder essen übermäßig, ohne das Gefühl von Sättigung zu erleben. Es lässt sich aber leider nicht schlussfolgern, dass eine wiederaufgenommene bessere Ernährung das Fortschreiten einer Demenzerkrankung aufhält, schränkt Dr. Hofmann ein. Trotzdem ist die Ernährung ein Schalthebel, um das Gesamtbefinden der Patienten wesentlich zu beeinflussen.

Einfluss der Ernährung auf den Krankheitsverlauf

Obwohl Demenzursächlich nicht heilbar ist, gibt es Hinweise darauf, dass die Ernährung den Krankheitsverlauf beeinflussen kann. Studien deuten darauf hin, dass eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Fisch und Olivenöl das Risiko für Demenzerkrankungen senken kann. Eine mediterrane Ernährung, die reich an Fisch, Gemüse und Olivenöl ist, kann das Gehirn möglicherweise vor diesen Krankheitsauslösern schützen. Das haben Fachleute des DZNE in einer aktuellen Studie herausgefunden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DZNE um Prof. Michael Wagner, Arbeitsgruppenleiter am DZNE und Leitender Psychologe der Gedächtnisambulanz des Universitätsklinikums Bonn, haben nun in einer Studie herausgefunden, dass ein eher mediterranes Ernährungsmuster, mit relativ höherem Verzehr von Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Getreide, Fisch und einfach ungesättigten Fettsäuren wie Olivenöl, möglicherweise vor Eiweißablagerungen im Gehirn und Gehirnatrophie schützen kann. Diejenigen, die sich ungesund ernährten, wiesen höhere pathologische Werte an diesen Biomarkern im Nervenwasser auf als diejenigen, die regelmäßig die Mittelmeerkost verzehrten. Bei den Gedächtnistests schnitten die Teilnehmer, die sich nicht an die mediterrane Ernährungsweise hielten, auch schlechter ab als die Teilnehmer, bei denen regelmäßig Fisch und Gemüse auf dem Teller lagen. „Einen signifikant positiven Zusammenhang gab es außerdem zwischen einer hohen Punktzahl auf der Lebensmittel-Skala für das mediterrane Ernährungsmuster und einem hohen Volumen des Hippocampus. Der Hippocampus ist ein Hirnareal, das als Schaltzentrale des Gedächtnisses gilt und bei Alzheimer frühzeitig und stark schrumpft“, erklärt Dr. Ballarini.

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Ernährungsempfehlungen für Menschen mit Demenz

Die Ernährung von Menschen mit Demenz sollte auf ihre individuellen Bedürfnisse und Vorlieben abgestimmt sein. Dabei gilt es, sowohl den Nährstoffbedarf zu decken als auch die Freude am Essen zu erhalten.

Allgemeine Ernährungsempfehlungen

  • Ausgewogene Ernährung: Achten Sie auf eine abwechslungsreiche Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten, magerem Fleisch und Fisch.
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr: Stellen Sie sicher, dass die Betroffenen täglich mindestens 1,5 Liter trinken.
  • Feste Essenszeiten: Etablieren Sie feste Essenszeiten, um den Betroffenen eine Struktur zu geben und das Essen nicht zu vergessen.
  • Appetitanregende Zubereitung: Bereiten Sie die Mahlzeiten appetitlich zu und würzen Sie sie ausreichend.
  • Individuelle Vorlieben berücksichtigen: Berücksichtigen Sie die individuellen Vorlieben der Betroffenen und bieten Sie ihnen ihre Lieblingsgerichte an.
  • Kleine Portionen: Bieten Sie kleine, übersichtliche Portionen an, um die Betroffenen nicht zu überfordern.

Spezielle Ernährungsempfehlungen

  • Bei Mangelernährung: Reichern Sie die Mahlzeiten mit zusätzlichen Kalorien und Nährstoffen an, z.B. durch Sahne, Butter oder pflanzliche Öle.
  • Bei Schluckstörungen: Passen Sie die Konsistenz der Nahrung an, z.B. durch Pürieren oder Andicken.
  • Bei Kauproblemen: Bieten Sie weiche oder pürierte Speisen an.
  • Bei Unruhe: Bieten Sie Fingerfood an, das die Betroffenen während des Umhergehens essen können ("Eat by walking").

Tipps für die Speisenauswahl

  • Bekannte und regionale Gerichte auswählen
  • Kräftig gewürzte Speisen (nicht sauer, besser süß) bevorzugen
  • Energiereiche Zutaten und/oder Speisen verwenden
  • Fettreiche und süße Speisen anbieten (z. B. Tomatensoße mit Zucker/Süßstoff; Pudding mit Sahne)
  • Auf appetitanregende Düfte/Getränke achten
  • Essen muss schmecken

Tipps für die Flüssigkeitsaufnahme im fortgeschrittenen Stadium der Demenz:

  • Das Getränk sollte süß und farbig sein (Zucker/Süßstoff einsetzen, Bananen-/ Pfirsichsaft)
  • Milchmixgetränke kommen gut an und liefern wertvolle Inhaltsstoffe
  • Auf die Temperatur achten: nicht zu kalt, gerne warm
  • Saure Säfte schmecken evtl. nicht

Mediterrane Ernährung und MIND-Diät

Ein bewährtes Vorbild ist die traditionelle Mittelmeerküche mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, fettem Seefisch und Olivenöl. Studien zeigen, dass sie das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes senken kann - und zugleich die Hirngesundheit verbessert.

Polyphenole (natürliche Stoffe, die Pflanzen ihre Farbe geben) sind in Obst, Gemüse und kaltgepresstem Olivenöl enthalten. Omega-3-Fettsäuren aus fettem Seefisch wie Thunfisch, Dorade oder Sardelle unterstützen die Zellgesundheit. Sie sind auch in Walnüssen, Chiasamen, Leinsamen und Avocados enthalten. Nüsse sind auch deshalb wertvoll, weil sie wichtige pflanzliche Proteine, viele Mineralstoffe und Vitamine liefern.

Extra-Tipp: Die so genannte MIND-Diät.

Zu vermeidende Lebensmittel

Aktuelle Studien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie zeigen: Wer viele stark verarbeitete Lebensmittel isst, hat ein deutlich höheres Risiko, an einer Demenz zu erkranken. Dazu zählen unter anderem Fast Food, Fertigpizza, Dosenravioli, Instantsuppen oder Mikrowellengerichte.

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Forschende gehen davon aus, dass stark verarbeitetes Essen auf verschiedene Arten ungesund fürs Gehirn sein kann:

  • Übergewicht: Häufig stark verarbeitete Lebensmittel zu essen, führt zu Übergewicht, was Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes begünstigen kann.
  • Gestörte Darmflora: Essen mit vielen gesättigten Fetten, Salz und wenig Ballaststoffen kann die mikrobielle Vielfalt im Darm verändern. Dies kann via Darm-Hirn-Achse krankmachende Veränderungen im Gehirn nach sich ziehen.
  • Geschädigte Nervenzellen: Manche Stoffe wie künstliche Aromen oder andere Zusatzstoffe können Nervenzellen schädigen. Ob sie wirklich Demenz begünstigen, wird noch erforscht.

Herausforderungen bei der Ernährung von Menschen mit Demenz

Die Umsetzung einer gesunden Ernährung bei Menschen mit Demenz kann mit verschiedenen Herausforderungen verbunden sein. Dazu gehören:

  • Veränderter Geschmackssinn: Viele Menschen mit Demenz verlieren ihren Geschmackssinn oder entwickeln eine Vorliebe für süße Speisen.
  • Appetitlosigkeit: Appetitlosigkeit ist ein häufiges Problem bei Demenzerkrankungen.
  • Schluckstörungen: Schluckstörungen (Dysphagie) können die Nahrungsaufnahme erschweren und das Risiko von Komplikationen erhöhen.
  • Vergesslichkeit: Menschen mit Demenz vergessen oft, dass sie bereits gegessen haben oder wann die nächste Mahlzeit ansteht.
  • Unruhe: Unruhe und Bewegungsdrang können die Nahrungsaufnahme beeinträchtigen.
  • Kommunikationsprobleme: Kommunikationsprobleme können es erschweren, die Bedürfnisse und Vorlieben der Betroffenen zu erkennen.

Tipps zur Bewältigung von Herausforderungen

  • Veränderter Geschmackssinn: Bieten Sie eine Vielfalt an Speisen an und würzen Sie sie ausreichend. Berücksichtigen Sie die Vorliebe für süße Speisen, aber achten Sie auf eine ausgewogene Ernährung.
  • Appetitlosigkeit: Bieten Sie kleine, häufige Mahlzeiten an. Versuchen Sie, die Mahlzeiten appetitlich zuzubereiten und die Betroffenen in die Zubereitung einzubeziehen.
  • Schluckstörungen: Lassen Sie Schluckstörungen von einem Arzt oder Logopäden abklären. Passen Sie die Konsistenz der Nahrung an und achten Sie auf eine aufrechte Sitzposition beim Essen.
  • Vergesslichkeit: Etablieren Sie feste Essenszeiten und erinnern Sie die Betroffenen regelmäßig ans Essen.
  • Unruhe: Bieten Sie Fingerfood an, das die Betroffenen während des Umhergehens essen können. Schaffen Sie eine ruhige und entspannte Essumgebung.
  • Kommunikationsprobleme: Achten Sie auf nonverbale Signale und versuchen Sie, die Bedürfnisse der Betroffenen zu erraten. Beziehen Sie Angehörige und Pflegekräfte in die Essensplanung ein.

Nahrungsverweigerung

Im Laufe einer Demenz kann es aus unterschiedlichen Gründen zur Nahrungsverweigerung kommen. Zum einen können Zahnschmerzen, eine schlecht sitzende Zahnprothese oder Entzündungen im Mund-Rachen-Raum dazu führen, dass das Essen abgelehnt wird. Wenn die oder der Betroffene beim Essen das Gesicht schmerzhaft verzieht oder den Essvorgang immer wieder unterbricht, sollten Sie schnellstmöglich einen Zahnarzt beziehungsweise eine Zähnärztin aufsuchen. Außerdem kommt es in der späteren Phase der Demenz aufgrund des verlangsamten Schließens des Kehldeckels beim Essen immer mal wieder dazu, dass sich der Mensch mit Demenz verschluckt. Er muss dann fürchterlich husten, um den Speisebrei wieder aus den Atemwegen zu entfernen. Das kann als so beängstigend und lebensbedrohlich erlebt werden, dass selbst Menschen mit fortgeschrittener Demenz sich an derart schlechte Erfahrungen erinnern. Aus Angst vor dem Ersticken verweigern sie danach die Nahrungsaufnahme. Schluckstörungen können somit ernsthafte, lebensbedrohliche Folgen haben. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass Nahrungsbestandteile in die Luftröhre geraten und zu Entzündungen führen (sogenannte Aspirationspneumonie).

Sobald derartige Schluckbeschwerden auftreten, sollten Sie vom behandelnden Arzt beziehungsweise behandelnden Ärztin eine logopädische Behandlung verordnen lassen. Bei einem solchen Schlucktraining wird die richtige Haltung beim Essen und Trinken und das Konzentrieren auf den Kau- und Schluckvorgang geübt. Zudem wird Angehörigen vermittelt, dass man die Nahrungsaufnahme durch verschiedene Formen angedickter Nahrung sowohl verbessern als auch erleichtern kann.

Die Bedeutung der Essumgebung

Die Essumgebung spielt eine wichtige Rolle für das Wohlbefinden und die Nahrungsaufnahme von Menschen mit Demenz. Eine ruhige, angenehme und vertraute Umgebung kann dazu beitragen, dass sich die Betroffenen entspannen und das Essen genießen.

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Tipps für eine positive Essumgebung

  • Ruhige Umgebung: Vermeiden Sie Lärm und Ablenkungen während des Essens.
  • Vertraute Umgebung: Richten Sie den Essplatz mit vertrauten Gegenständen ein.
  • Angenehme Atmosphäre: Schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre mit gedämpftem Licht und angenehmer Musik.
  • Gemeinsames Essen: Essen Sie gemeinsam mit den Betroffenen, um ihnen Gesellschaft zu leisten und sie zu motivieren.
  • Individuelle Vorlieben berücksichtigen: Berücksichtigen Sie die individuellen Vorlieben der Betroffenen bei der Gestaltung der Essumgebung.

Kommunikation beim Essen mit Demenzerkrankten

Empathie und Wissen spielen bei der Betreuung von Menschen mit Demenz eine zentrale Rolle. Über die Kommunikation können demenziell erkrankte Menschen auf das Essen eingestimmt werden, sodass die Nahrungsaufnahme erleichtert werden kann.

Hilfestellungen für die Kommunikation:

  • Beim Reden und bei Unterhaltungen Blickkontakt herstellen
  • Immer namentlich ansprechen
  • Langsam und deutlich reden
  • Wichtige Informationen wiederholen
  • Ironie sollte vermieden werden, da Erkrankte diese häufig nicht mehr verstehen
  • Diskussionen meiden
  • Lob und Bestätigung - Kritik vermeiden
  • Demenziell Erkrankte benötigen Zeit für ihre Antworten. Also Zeit lassen!
  • Geschlossene Fragen stellen, die mit „ja“ oder „nein“ beantwortet werden können (Beispiel: Möchtest du einen Kaffee trinken?)
  • Anschuldigungen oder Vorwürfe (sind oft der Hilflosigkeit und Frustration geschuldet) überhören und geschickt das Thema wechseln
  • Falsch weggeräumte Dinge (z. B. Milch im Backofen) stillschweigend an den richtigen Ort räumen. Erklärungen machen keinen Sinn.

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