Demenz, insbesondere die Alzheimer-Krankheit, betrifft nicht nur das Gedächtnis, sondern kann auch den Geschmackssinn, das Hunger- und Durstgefühl beeinträchtigen. Eine ausgewogene Ernährung und ausreichende Flüssigkeitszufuhr sind entscheidend, um körperlicher Schwäche und einer Verschlechterung der Demenz entgegenzuwirken. Feste Essenszeiten können dabei helfen, den Alltag zu strukturieren und das Essen nicht zu vergessen.
Grundlagen der Ernährung bei Demenz
Mit zunehmendem Alter sinkt der Energiebedarf, während der Bedarf an Nährstoffen wie Kohlenhydraten, Vitaminen, Fetten und Eiweiß gleich bleibt. Auch Menschen mit Demenz sollten sich abwechslungsreich ernähren. Empfehlenswert sind Brot, Kartoffeln, Reis, Obst und Gemüse, Fisch, etwas Fleisch, Eier, Joghurt, Milch oder Käse. Gelegentlich ist ein Glas Wein oder Bier erlaubt. Reichhaltige Obstsäfte können die Ernährung zwischen den Mahlzeiten ergänzen. Bei Unruhe oder starkem Bewegungsdrang kann die Nahrung mit Sahne oder fettreichem Käse angereichert werden, um den erhöhten Energiebedarf zu decken.
Ernährungsempfehlungen und Nährstoffbedarf
Die Auswahl der Lebensmittel sollte sich an den allgemeinen Empfehlungen für ältere Menschen orientieren und auf eine ausreichende Zufuhr von Energie, Nährstoffen und Flüssigkeit abzielen, um Gewichtsabnahme, Austrocknung und Mangelernährung zu verhindern.
Appetitlosigkeit und veränderter Geschmackssinn
Viele Menschen mit Demenz verlieren den Appetit oder haben nur noch Lust auf Süßes, da ihr Geschmackssinn abstumpft. Bewegung, wie regelmäßige Spaziergänge vor dem Essen, kann den Appetit anregen. Die Beteiligung an der Nahrungszubereitung, wie das Schnippeln von Obst oder Gemüse, kann ebenfalls helfen.
Zubereitung und Würzung
Speisen sollten intensiver gewürzt und mit aromatischen Ölen und Fetten angereichert werden. Deftige Hausmannskost aus der Kindheit wird oft bevorzugt. Die Vorliebe für Süßes kann beim Kochen berücksichtigt werden, indem herzhafte Gerichte bei Bedarf nachgesüßt werden. Anstelle von sauren Essigdressings können süßliche Salatsoßen angeboten werden. Es ist wichtig, die veränderten Vorlieben der Betroffenen zu akzeptieren und darauf einzugehen.
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Darreichungsformen und Präsentation
Auch das Auge isst mit: Bei Schluckbeschwerden sollte die Kost nicht zu einem undefinierbaren Püree verarbeitet werden, sondern Fleisch und Beilagen sollten einzeln auf dem Teller angerichtet werden. Kleine, hübsch angerichtete Portionen können eher zum Essen animieren als überladene Teller.
Soziale Aspekte und Essumgebung
Ob Menschen mit Demenz in Gesellschaft oder alleine besser essen, hängt von der Schwere der Demenz und ihrer Persönlichkeit ab. Gesellige Personen genießen oft das gemeinsame Essen, während introvertierte Personen durch Umgebungsgeräusche gestresst werden können. Es ist wichtig, eine ruhige Umgebung zu schaffen, in der die Betroffenen ungestört essen können.
Appetitanreger und feste Essenszeiten
Kleine Schälchen mit Obst, Gemüse oder Schokoladenstückchen können in der Wohnung verteilt werden, um zum zusätzlichen Verzehr zu animieren. Feste Essenszeiten helfen, das Essen nicht zu vergessen. Ein Stundenplan kann bei der Strukturierung des Tages helfen. Unterstützung von außen, wie regelmäßige Anrufe von Kindern oder Freunden, kann motivierend sein. Angebote wie "Essen auf Rädern" können für Regelmäßigkeit sorgen.
Essen in Gesellschaft
Wenn das Alleine-Essen keinen Spaß macht, kann ein ehrenamtlicher Besuchsdienst angefragt werden, der gemeinsam mit den Betroffenen isst.
Umgang mit Nahrungsverweigerung und Schluckstörungen
Im Laufe der Demenz kann es aus verschiedenen Gründen zur Nahrungsverweigerung kommen. Zahnschmerzen, schlecht sitzende Zahnprothesen oder Entzündungen im Mund-Rachen-Raum können die Ursache sein. Bei Schmerzen beim Essen sollte ein Zahnarzt aufgesucht werden.
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Schluckstörungen erkennen und behandeln
Verschlucken kann als beängstigend erlebt werden und zur Nahrungsverweigerung führen. Schluckstörungen können zu ernsthaften Folgen wie einer Aspirationspneumonie führen. Bei Schluckbeschwerden sollte eine logopädische Behandlung verordnet werden. Anzeichen für Schluckstörungen sind ungewöhnlich lange Essenszeiten, ungewollter Austritt von Speiseresten aus Mund oder Nase, stetiger Speichelfluss oder Husten und Würgen während oder nach dem Essen.
Auf Zwang verzichten
Niemals sollte ein Mensch mit Demenz zum Essen gezwungen werden. Lebensmittel und Getränke sollten immer wieder ohne Druck angeboten werden. Ob eine künstliche Ernährung sinnvoll ist, muss im Einzelfall entschieden werden, wobei der mutmaßliche Wille des Betroffenen zu beachten ist.
Tischkultur und Essgewohnheiten
In der fortgeschrittenen Phase der Demenz können manche Betroffene nicht mehr mit Messer und Gabel umgehen. Fingerfood sollte dann angeboten werden. Es sollte nur das Besteck aufgedeckt werden, das für die jeweilige Mahlzeit benötigt wird. Ein vollgestellter Essensplatz kann überfordern.
Unterstützung beim Essen
Im weiteren Verlauf kann es notwendig sein, Menschen mit fortgeschrittener Demenz beim Essen zu unterstützen. Dabei sollte darauf geachtet werden, den Betroffenen nicht nach jedem Bissen ungefragt den Mund abzutupfen. Eine Serviette kann angereicht werden, damit sich der Betroffene selbstständig den Mund säubern kann.
Horten von Nahrungsmitteln
Manche Menschen mit Demenz beginnen, Essen für Notzeiten zu horten. Dies sollte als Vorsorgemaßnahme gewürdigt werden. Es kann eine Absprache getroffen werden, dass die zusammengetragenen Lebensmittel einmal in der Woche gemeinsam kontrolliert werden.
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Ernährung und Demenzrisiko: Was sagt die Forschung?
Aktuelle Studien zeigen, dass es kein einzelnes Lebensmittel gibt, mit dem sich das Alzheimer-Risiko einfach "wegessen" lässt. Ausgewogene Ernährungsformen mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, wenig Fleisch, gelegentlichem Fischkonsum und geringem Alkoholkonsum scheinen jedoch mit besserer mentaler Leistungsfähigkeit und einem geringeren Demenzrisiko verbunden zu sein.
Empfehlungen für Diäten und Nahrungsergänzungsmittel
Bei nachweislichem Vitamin-D-Mangel sollte dieser ausgeglichen werden. Für andere Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel sind die Wirksamkeitshinweise nicht überzeugend.
Ernährungsmuster und Risikofaktoren
Hoch verarbeitete und hochkalorische Nahrungsmittel sind mit einem erhöhten Demenzrisiko verbunden. Hierzu zählen Fertigmahlzeiten, Wurstwaren, Chips und zuckerhaltige Getränke.
Lebensstil und Prävention
Körperliche Aktivität, geistige Aktivitäten und soziale Kontakte sind wichtige Faktoren zur Demenzprävention. Eine Hörhilfe kann entscheidend sein, um am sozialen Leben teilzuhaben. Guter Schlaf ist ebenfalls wichtig.
Ernährung in fortgeschrittenen Stadien
Hier ist vor allem auf eine ausreichende Kalorien- und Flüssigkeitsaufnahme zu achten. Die Lebensqualität, die durch den Genuss altvertrauter Gerichte entsteht, sollte im Vordergrund stehen.
Herausforderungen und Lösungen
Bei manifester Demenz ist es oft wichtiger, dass die Betroffenen überhaupt ausreichend Nahrung und Flüssigkeit zu sich nehmen, da Hunger- und Durstgefühl abnehmen. Bei der seltenen Frontotemporalen Demenz kann es zu übermäßigem Essen oder dem Versuch, nicht essbare Lebensmittel zu verspeisen, kommen. In späteren Stadien ist Unterstützung bei der Nahrungsaufnahme notwendig. Grundsätzlich gilt: in Gesellschaft schmeckt es besser!
Praktische Tipps und Hilfestellungen
- Frühstadium der Demenz: Im Frühstadium kann die betroffene Person meist noch selbstständig essen.
- Fortschreitender Verlauf: Mit fortschreitendem Verlauf verschlechtern sich die Fähigkeiten, die zur Nahrungsaufnahme notwendig sind.
- Endstadium der Demenz: Im Endstadium liegen häufig Kau- und Schluckstörungen vor.
- Veränderte Geschmacksempfindung: Menschen mit Demenz bevorzugen oft süße Speisen und Getränke. Scharfe und bittere Nahrungsmittel werden häufig abgelehnt.
- Gerüche: Gerüche wecken alte Erinnerungen und beeinflussen die Nahrungsaufnahme positiv.
- Optische Wirkung: Die attraktive optische Wirkung der Speisen ist entscheidend, um die Nahrungsaufnahme anzuregen.
- Flüssigkeitsaufnahme: Das Getränk sollte süß und farbig sein. Milchmixgetränke kommen gut an und liefern wertvolle Inhaltsstoffe. Auf die Temperatur achten: nicht zu kalt, gerne warm.
- Schluckstörungen: Bei Schluckstörungen muss das Essen eine angepasste Konsistenz haben. Speisen sollten einzeln püriert werden, damit das ursprüngliche Lebensmittel noch zu erkennen ist.
- Fingerfood: Fingerfood wird hauptsächlich in fortgeschrittenen Stadien der Demenz eingesetzt, wenn der Erkrankte mit der Handhabung des Bestecks überfordert ist.
Die Rolle der Kommunikation
Empathie und Wissen spielen bei der Betreuung von Menschen mit Demenz eine zentrale Rolle. Über die Kommunikation können demenziell erkrankte Menschen auf das Essen eingestimmt werden, sodass die Nahrungsaufnahme erleichtert werden kann.
Hilfestellungen bei der Kommunikation
- Blickkontakt herstellen
- Namentlich ansprechen
- Langsam und deutlich reden
- Wichtige Informationen wiederholen
- Ironie vermeiden
- Diskussionen meiden
- Lob und Bestätigung - Kritik vermeiden
- Zeit für Antworten lassen
- Geschlossene Fragen stellen
- Anschuldigungen oder Vorwürfe überhören
Essumgebung und Ambiente
Die Essumgebung und das Ambiente können so gestaltet werden, dass auch die Seele der demenziell veränderten Menschen satt wird.
Tipps zur Gestaltung der Essenssituation
- Mit Reizeinflüssen vorsichtig umgehen
- Tischdekorationen vermeiden
- Tiefe Teller mit einem farbigen Rand verwenden
- Dominante Personen vermeiden
Zusätzliche Informationen und Unterstützung
- Kompetenzzentrum Demenz in Schleswig-Holstein: Ansprechpartner zu allen Fragen rund um Demenz.
- Demenzwegweiser-SH: Portal für Ansprechpartner und Informationen in Schleswig-Holstein.
- Broschüre der DGE: „Essen und Trinken bei Demenz“
- Podcast-Folge: „Essen vergessen?! Blickwinkel Demenz“
- Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V.: Aktuelle Zahlen für Deutschland.